500 Rinder verbrannten bei lebendigem Leib am 21. Dezember 2023 in Bottens, Waadt. Vermutlich hat sich das Futterlager spontan selbst entzündet. Bei Feuchtigkeit entstehen Gärungsprozesse, Gase, grosse Hitze – da braucht es nicht viel, damit die Masse Feuer fängt.
400 Ferkel verbrannten bei lebendigem Leib am 27. Juli 2023 in Richenthal, Luzern. Loses Heu entzündete sich beim Auspuff eines Traktors, der daraufhin Feuer fing. Das brennende Gebäude stürzte auf die Tiere.
Eine Kuh und sechs Kälber verbrannten am 26. August 2023 in Cournillens, Bern. Fünf Kälber und zwei Stiere verbrannten am 29. Juli 2023 in Ingenbohl, Schwyz. Zehn Rinder und fünf Ziegen verbrannten am 2. April 2023 in Galgenen, Schwyz.
Die Liste geht weiter. Wie lang sie genau ist, weiss niemand. Denn über Stallbrände wird keine offizielle Statistik geführt. So ist zum Beispiel nicht bekannt, wie viele Schweine bei einem Brand am 7. Oktober 2023 in Rain, Luzern verbrannten. Diese Zahlen interessieren im Nachhinein höchstens die Landwirtin, wenn sie den Fall ihrer Versicherung meldet.
Ein Tod in den Flammen ist ein Erstickungstod, erklärt mir meine Partnerin – sie ist Tierärztin. Das entstehende Kohlenmonoxid kommt in der Lunge in Kontakt mit roten Blutkörperchen, die daraufhin keinen Sauerstoff mehr aufnehmen. Ob Mensch oder Tier: Man atmet vergeblich.
Rauch reizt währenddessen die Atemwege und die Augen. Man wird panisch, hängt vielleicht irgendwo fest, verletzt andere, fällt hin, holt sich offene Wunden, verstaucht oder bricht sich etwas. „Es ist etwas vom Schlimmsten, was man einem Tier antun kann“, sagt sie.
Wie kann es sein, dass das so oft passiert?
Machtlose Feuerwehr
Anruf bei Markus Grenacher, dem Feuerwehrinspektor bei mir im Kanton Solothurn. Die Solothurnische Gebäudeversicherung, der er angehört, hat schon Info-Veranstaltungen zum Thema Brandschutz für Landwirt*innen durchgeführt.
Grundsätzlich werde ein Stallbrand auf die gleiche Art bekämpft wie jeder andere Brand auch. „Feststellen, Beurteilen, Entscheiden, Handeln und Kontrollieren“, fasst Grenacher zusammen. Die Entscheidung, ob und wie Tiere gerettet werden, fälle die Einsatzleitung unter Absprache mit den Landwirt*innen.
Doch Bauernhöfe würden der Feuerwehr oft besondere Schwierigkeiten bereiten, erzählt Grenacher. „Es sind grosse, zum Teil unübersichtliche Gebäude, es gibt Maschinenparks und es sind diverse Stoffe und Betriebsmittel gelagert. Da sind Landwirt*innen angehalten, die Vorschriften einzuhalten und regelmässige Kontrollen durchzuführen.“ Aber selbst bei Einhaltung aller Vorschriften gebe es Risiken.
„In einem Landwirtschaftsbetrieb gibt es je nachdem Staub, Stroh, Heu, Kabel, Gerätschaften, Treibstoff. Das ist ein Gemischtwarenladen an Brandlast.“ Den Staub in der Luft hebt Grenacher besonders hervor. Ein Raum mit staubiger Luft entzünde sich explosionsartig. In solchen Fällen sei die Feuerwehr oft machtlos.
Das leuchtet mir ein. Brennt der Stall schon lichterloh, ist es zu spät. So verbrannten 200 Schweine am 14. Dezember 2019 in Hundwil in Appenzell Ausserrhoden, bevor Rettungskräfte eintrafen.
Umso wichtiger ist, wie der Stall gebaut ist.
Politisch akzeptiertes Risiko
Für Ställe, genau wie für andere Bauten auch, gibt es bestimmte Brandschutzvorschriften. Sie beruhen auf der sogenannten Brandschutznorm, die von der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) im Auftrag des Interkantonalen Organs Technischer Handelshemmnisse (IOTH) herausgegeben wird. Es wird schnell kompliziert.
Die Grundsätze sind aber einfach: Laut Artikel 1 der Norm dient der Brandschutz dem Schutz von Personen, Sachen und Tieren vor Feuer. Die Tiere werden vermutlich bloss aus rechtlichen Gründen speziell erwähnt, da sie laut Gesetz weder Person noch Sache sind – was schon einmal Thema bei das Lamm war. Immerhin steht schwarz auf weiss: Der Brandschutz soll auch Tiere schützen.
Schaut man sich hingegen die konkreten Vorschriften für die Landwirtschaft an, sind sie erstaunlich locker. Zum Beispiel dürfen sich die Unterbringung der Tiere und das Futterlager im selben „Brandabschnitt“ befinden. So werden Bereiche eines Gebäudes genannt, die nicht gegenseitig gegen Feuer geschützt sind, sondern zusammen abbrennen. Das ist legal, obwohl bekannt ist, dass sich Futterlager spontan entzünden können.
Auch für die Evakuierung bei Feuer ist nicht ausreichend gesorgt. Ab Ställen von 200 Quadratmetern Fläche ist zwar vorgeschrieben, dass es zwei Türen gibt, die sich nach aussen öffnen. Das reicht aber bei Weitem nicht, um im Ernstfall dutzende, hunderte oder tausende verängstigte Tiere retten zu können. So verbrannten 2’000 Hühner am 14. August 2017 in Rueun, Graubünden.
Ich frage Feuerwehrinspektor Grenacher, ob die Vorschriften nicht strenger sein müssten. Ob man zum Beispiel das Futterlager besser von den Tieren abtrennen sollte, damit sich Fälle wie jener in Bottens nicht wiederholen. „Vielleicht schon“, antwortet Grenacher. „Aber man muss es realistisch sehen: Ein Landwirtschaftsbetrieb muss auch noch rentabel und funktional sein.“
Eine ähnliche Antwort erhalte ich von der VKF: „Die geltenden Vorschriften bieten ein politisch akzeptiertes und wirtschaftlich vertretbares allgemeines Sicherheitsniveau sowohl für Personen als auch für Tiere.“
Klartext: Wir bauen und nutzen Ställe so, dass wir die Tiere im Brandfall ersticken und verbrennen lassen müssen. Das tun wir, weil ein effektiver Brandschutz zu teuer wäre, als dass sich tierische Landwirtschaft noch lohnt.
Es handelt sich bei Stallbränden also nicht um isolierte Einzelfälle, sondern um ein Kosten-Nutzen-kalkuliertes Risiko der tierischen Landwirtschaft.
Funken sprühende Todesmaschine
Es wäre schlimm genug, wenn mehrere hundert oder tausend Tiere jährlich unter Erstickungspanik verenden würden. Aber in der Tat sind es Millionen. Denn in Schweizer Schlachthäusern wird oft Kohlendioxid zur Betäubung eingesetzt, das ebenfalls Erstickungspanik auslöst.
Das zuständige Bundesamt schreibt: „CO2 reizt die Luftwege, wenn es in hohen Konzentrationen eingeatmet wird und löst bei den betroffenen Tieren sehr rasch Schmerzen, Atemnot und Angst aus.“ So ergehe es zwei Millionen Schweinen und viereinhalb Millionen Hühnern im Jahr. „Die Forschung ist sich dieser Nachteile bewusst, hat jedoch bis heute keine praxistauglichen Alternativen gefunden, welche vor dem Tod der Tiere keine Schmerzen und Angst verursachen.“
Da haben wir sie wieder, diese elende Praxistauglichkeit, diese verachtenswerte Rentabilität. Die Tierindustrie ist eine durchoptimierte Maschine. Sie fügt Tieren exakt das wirtschaftlich sinnvolle Mass an Schmerz zu und versetzt sie ins wirtschaftlich sinnvolle Mass an Panik.
Und sie geht eben auch exakt das wirtschaftlich sinnvolle Mass an Brandrisiko ein. Die ständigen Stallbrände sind keine Defekte. Sie sind nur die sprühenden Funken der auf Hochtouren laufenden Todesmaschine. Die einzige Lösung ist, sie abzustellen und abzubauen.
Strengere Brandschutz-Auflagen für die Landwirtschaft wären ein guter Anfang. Nicht obwohl, sondern weil sie die Produktion verteuern und Neuinvestitionen weniger attraktiv machen würden. Die übermächtige Agrarlobby im Parlament lässt das wohl kaum zu. Aber die Diskussion könnte diese Leute immerhin dazu zwingen, sich als stochastische Feuerteufel zu erkennen zu geben.
Das eigentliche Problem verschwindet jedoch erst, wenn wir Konsum und Produktion auf pflanzliche Lebensmittel umstellen. Zu einem grossen Teil ist das durch die Verlagerung von Subventionen möglich. Das ist ohnehin erforderlich, weil wir mit der heutigen Praxis neben Tieren auch den Planeten verbrennen.
Tun wir also, was die Wissenschaftler*innen vom Schweizer Netzwerk für Nachhaltigkeitslösungen und einem Nationalen Forschungsprogramm schon seit einer Weile empfehlen: Hören wir auf, unablässig Steuergelder in die Brennkammer der tierischen Landwirtschaft zu schaufeln. Selbst der Bundesrat hinterfragt mittlerweile gewisse Zahlungen, etwa diejenigen für staatliche Fleischwerbung. Und auch die laufende Ernährungsinitiative zielt in diese Richtung. Aber nichts von alledem geschieht von allein.
Du könntest ja mal einem Parlamentsmitglied ein Email schreiben, liebe*r Leser*in (eine Liste der tierfreundlichsten Parlamentarier*innen findest du bei Animaux Politique Suisse). Frag doch mal nach, ob sie nicht etwas gegen diese ganzen Stallbrände machen möchten. Das tut nicht weh, ganz im Gegensatz zum Tod in den Flammen. Wenn du dann das nächste Mal von einem Stallbrand liest – und das wirst du –, hast du wenigstens etwas zur Politisierung des Themas beigetragen.
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