Tierfreund*innen gegen das Tierschutzgesetz

Als das Schweizer Tier­schutz­ge­setz in den 1970er-Jahren einge­führt wurde, kam die härteste Kritik nicht etwa von der Fleisch­in­du­strie. Sie kam von Tierrechtler*innen. Ein Blick in eine fast verges­sene, aber viel­sa­gende Kontroverse. 
Aktivist*innen der Ligue Suisse Contre La Vivisection waren erbitterte Gegner*innen des Tierschutzgesetzes. (Foto: Archiv der LSCV)

Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz über 84 Millionen Tiere für Fleisch getötet. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch vor zwanzig Jahren. Auch die Zahl der Versuchs­tiere – 574’673 – stieg in der letzten Stati­stik des Bundes an. Nüch­tern betrachtet wird die Schweiz mit der Zeit nicht tier­freund­li­cher, sondern tierfeindlicher.

Über diese Entwick­lung wird öffent­lich kaum disku­tiert. Im Gegen­teil: Das Schweizer Tier­schutz­ge­setz wird in den Himmel gelobt. Vorbild­lich sei es, fort­schritt­lich, das strengste und beste auf dem Planeten.

So äusserte sich etwa der Bundesrat, als er gegen die Massen­tier­hal­tungs- und Tier­ver­suchs­in­itia­tiven plädierte. Oder der Regie­rungsrat des Kantons Basel-Stadt, als er gegen die Prima­ten­in­itia­tive Stel­lung bezog. Auch der Bauern­ver­band lobt das Tier­schutz­ge­setz genauso wie die Fleisch­branche, die Milch­branche oder der Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­fonds, wenn er Tier­ver­suche verteidigt.

Auch in der Bevöl­ke­rung geniesst das Tier­schutz­ge­setz grosses Vertrauen. In einer Studie von gfs.bern im Kontext der Massen­tier­hal­tungs­in­itia­tive stimmten 55 Prozent der Befragten der Aussage zu, „dass die Schweiz bereits heute eines der welt­weit streng­sten Tier­schutz­ge­setze hat und es deshalb keine Verschär­fung braucht.“ Das Vertrauen in das Tier­schutz­ge­setz hat also eine Kehr­seite: Was schon perfekt ist, braucht keine weiteren Verbesserungen.

Woran sich heute kaum jemand erin­nert: Als das Schweizer Tier­schutz­ge­setz in den 1970ern einge­führt wurde, kam die schärfste Kritik nicht etwa vonseiten tier­nut­zender Indu­strien. Sie kam von Tierrechtler*innen.

Pfarrer auf tier­schüt­ze­ri­scher Mission

Zeit­sprung: Bern im Jahr 1843. Rund um den Bieler Pfarrer Adam Fried­rich Molz gründet sich der erste Schweizer Tier­schutz­verein. Molz ist ein Bildungs­bürger par excel­lence – nach seinem Theo­lo­gie­stu­dium war er Lehrer und Mitgründer einer regio­nalen Bank. Mit dem Verein verwirk­licht er sich ein Herzensprojekt.

Ange­führt werden die Tier­schutz­ver­eine oft von Geist­li­chen wie Pfarrer Molz, unter­stützt durch Kauf­leute, Ärzte, Richter und andere – männ­liche – Bildungsbürger.

Das Konzept einer Tier­schutz­ge­sell­schaft hat der welt­of­fene Pfarrer Molz aus England impor­tiert. Die Idee verfängt in der Schweiz: Innert fünf­zehn Jahren entstehen Tier­schutz­ver­eine in Zürich, Basel und Genf, später kommen noch weitere hinzu. 1861 schliessen sie sich zu einem Zentral­vor­stand zusammen, der heute Schweizer Tier­schutz STS heisst.

Die Arbeit dieser Vereine leisten bereits im 19. Jahr­hun­dert zu einem grossen Teil Frauen – sie betreuen entlau­fene Katzen und Hunde, orga­ni­sieren die Vereins­treffen und machen einen grossen Teil der Mitglieder aus. Ange­führt werden sie dabei jedoch oft von Geist­li­chen wie Pfarrer Molz, unter­stützt durch Kauf­leute, Ärzte, Richter und andere – männ­liche – Bildungsbürger.

Und wie eine STS-Chronik fest­hält: „Auffal­lend ist, dass gerade in den frühen Jahren der Tier­schutz­be­we­gung oft auch Metzger und Schlacht­haus­ver­walter unter den aktiv­sten Mitglie­dern zu finden waren.“

Geist­liche, Bildungs­bürger, Schlacht­haus­ver­walter. Warum war ausge­rechnet diesen Menschen der Tier­schutz so wichtig? Nun, das lag an ihrer Defi­ni­tion von „Tier­schutz“.

Die Arbeiter*innen erziehen

Noch einmal Zeit­sprung: London um die Wende zum Jahr 1800. Die indu­stri­elle Revo­lu­tion ist in vollem Gange, die Städte werden grösser und dichter, das Zusam­men­leben der Menschen verän­dert sich – und dasje­nige zwischen Menschen und Tieren auch. In den Strassen der briti­schen Haupt­stadt fahren Pfer­de­kut­schen an Schaf­herden vorbei, die gerade ins Schlacht­haus getrieben werden. Durch die wirt­schaft­lich bedingte Verdich­tung werden viele Adlige und Ange­hö­rige des Bürger­tums zum ersten Mal mit dem oft häss­li­chen Alltag der Tier­nut­zung konfrontiert.

In diesem kultu­rellen Milieu kommt zum ersten Mal die Idee auf, die Tier­quä­lerei per Gesetz zu verbieten. Das war ein Bruch mit einer reli­giösen und philo­so­phi­schen Tradi­tion, in der Tier­quä­lerei eher als Zeichen schlechten Charak­ters gesehen wurde, nicht als geahn­detes Delikt.

Doch genau der mensch­liche Charakter wurde in dieser Ära zum Poli­tikum. Entsetzt über den Sitten­ver­fall, den er im London seiner Zeit zu erkennen glaubte, reichte der Adlige Lord Thomas Erskine im Jahr 1809 den welt­weit ersten Vorstoss für ein Gesetz gegen „vorsätz­liche und mutwil­lige Grau­sam­keit“ im briti­schen Ober­haus ein. Gemeint war Grau­sam­keit gegen Tiere.

In seiner Parla­ments­rede erläu­terte Lord Erskine, Tier­quä­lerei würde meist „von den nieder­träch­tig­sten und wert­lo­se­sten Menschen“ begangen. Damit meinte er die gewöhn­li­chen Leute, die mit Tieren arbei­teten. Diese Leute trügen grau­same Impulse in sich, die ihr schwa­cher Verstand nicht unter Kontrolle halten könne.

Wenn nun diese Leute ihre Grau­sam­keit an Tieren ausleben dürfen, so Lord Erskine, dann kommen sie erstens in die Hölle, denn Grau­sam­keit ist Sünde. Zwei­tens werden sie irgend­wann zur Gefahr für andere Menschen. Und drit­tens sei es auch ökono­misch unsinnig, Tiere zum Spass zu quälen. Das wider­spreche den Kapi­tal­in­ter­essen der Tier-Eigentümer*innen.

Der frühen Tier­schutz­be­we­gung ging es also im Wesent­li­chen um Sitt­lich­keit. Sie hatte gegen menschen­ge­machtes Tier­leid nichts einzu­wenden, solange der Grund dafür wirt­schaft­liche Effi­zienz und nicht quäle­ri­sche Freude war.

Es helfe also nur eins: ein Gesetz gegen Tier­quä­lerei, um die Menschen zu erziehen, sie vor der Hölle zu bewahren und die Effi­zienz der Tier­nut­zung sicher­zu­stellen. Um die Tiere selbst ging es hier eigent­lich nicht.

Die Idee, dass obere Gesell­schafts­schichten die Arbeiter*innen mora­lisch erziehen sollen, kam nicht überall gut an. Marx und Engels kriti­sierten noch Jahr­zehnte später im Kommu­ni­sti­schen Mani­fest die „Abschaffer der Tier­quä­lerei“. Diesen „Bour­geois-Sozia­li­sten“ gehe es nicht wirk­lich um Wohl­tä­tig­keit, sondern um Kontroll­an­sprüche der besit­zenden Klasse.

Das Gesetz zwischen Gebrauch und Missbrauch

Nicht nur aus Sicht der Arbeiter*innen, auch aus Sicht der Tiere war Lord Erskines Politik zwie­spältig. Er verkün­dete: „Tiere wurden für unseren Gebrauch geschaffen, nicht für unseren Miss­brauch.“ Und der Unter­schied lag im Motiv. Lord Erskine dachte zum Beispiel, dass man Tiere schlagen dürfe, um den Betrieb effi­zient voran­zu­treiben – das ist Gebrauch. Man dürfe sie nur nicht zum Spass schlagen, denn das wäre Grau­sam­keit – also Missbrauch.

Der frühen Tier­schutz­be­we­gung ging es also im Wesent­li­chen um Sitt­lich­keit. Sie hatte gegen menschen­ge­machtes Tier­leid nichts einzu­wenden, solange der Grund dafür wirt­schaft­liche Effi­zienz und nicht quäle­ri­sche Freude war.

Durch diesen Gedanken waren auch die frühen Schweizer Tier­schutz­ver­eine inspi­riert. Geist­li­chen wie Pfarrer Molz ging es dabei vor allem um die Seelen­ret­tung durch Erzie­hung, Kauf­leuten um die Kontrolle der Arbeiter*innen und Schlacht­haus­ver­wal­tern um die Effi­zienz ihrer Betriebe.

Gemeinsam waren sie überaus erfolg­reich im poli­ti­schen Lobbying: Bis 1885 erliessen sämt­liche Kantone ein Tier­quä­le­rei­verbot. Doch weil diese Verbote vor allem die Freude am Quälen verhin­dern sollten, nicht das Tier­leid selbst, waren sie sehr beschränkt formu­liert: Unter­sagt war Tier­miss­hand­lung, die „roh, boshaft, mutwillig, über­mässig, brutal, scho­nungslos, grausam“ war. Damit wurde viel Platz gemacht für die routi­ne­mäs­sige, wirt­schaft­lich moti­vierte Gewalt, die bereits damals zum Alltag der Tier­nut­zung gehörte.

Eine neue Tier­rechts­be­we­gung entsteht

Die frühe Tier­schutz­be­we­gung mit ihrem eng beschränkten Anliegen war nie konkur­renzlos. Andere verlangten viel weiter­ge­hende Rück­sicht auf Tiere. Bereits im 19. und frühen 20. Jahr­hun­dert forderten radi­kale Intel­lek­tu­elle wie Henry S. Salt, Leonard Nelson und Magnus Schwantje eine vege­ta­ri­sche Gesell­schaft. Zudem entstand – wiederum zuerst in England – eine eigen­stän­dige Bewe­gung gegen Tier­ver­suche, die damals „Vivi­sek­tion“ genannt wurden.

So tat sich im Tier­schutz früh eine Kluft auf zwischen den Etablierten, die Gewalt am Tier für mensch­li­chen Nutzen grund­sätz­lich guthiessen und bloss Grau­sam­keit verhin­dern wollten, und den Radi­kalen, die Gewalt am Tier grund­sätz­lich abschaffen wollten.

Bereits in den 1870ern forderten Schweizer Vertreter*innen dieser Bewe­gung ein gene­relles Tier­ver­suchs­verbot. Der Zentral­vor­stand der Schweizer Tier­schutz­ver­eine wollte davon nichts wissen: „Die Berech­ti­gung der Vivi­sek­tion muss im Inter­esse der Wissen­schaft und der Menschen­heil­kunde aner­kannt werden.“

So tat sich im Tier­schutz früh eine Kluft auf zwischen den Etablierten, die Gewalt am Tier für mensch­li­chen Nutzen grund­sätz­lich guthiessen und bloss Grau­sam­keit verhin­dern wollten, und den Radi­kalen, die Gewalt am Tier grund­sätz­lich abschaffen wollten.

Konkret spal­teten sich Sektionen ab – der Zürcher Tier­schutz gehört bis heute nicht zum Schweizer Tier­schutz STS – und es entstanden eigene Orga­ni­sa­tionen der Anti­vi­vi­sek­ti­ons­be­we­gung, darunter die Ligue Suisse Contre la Vivi­sec­tion LSCV, die es heute noch gibt.

Eine weitere Bewe­gung erstarkte in den 1960ern in Gross­bri­tan­nien: die der Jagdstörer*innen. Mitglieder der Hunt Sabo­teurs Asso­cia­tion störten ab 1964 die Treib­jagden auf Füchse und Hirsche – ein tradi­tio­neller Zeit­ver­treib der Ober­schicht. Sie scheuchten Beute­tiere weg, verwischten ihre Fährten mit Duft­spray und legten Futter aus, um Jagd­hunde abzulenken.

Im selben Jahr erschien auch das Buch „Animal Machines“ der Autorin Ruth Harrison, das zum ersten Mal den Horror der neuen briti­schen Massen­tier­hal­tung beschrieb. Das Buch stiess bei einer Gruppe von Oxforder Intel­lek­tu­ellen auf grosses Inter­esse: Es entstand der erste Sammel­band zur Tier­ethik, bald darauf der Best­seller „Animal Libe­ra­tion“ des Philo­so­phen Peter Singer. So rückte die Tier­rechts­be­we­gung allmäh­lich ins öffent­liche Rampenlicht. 

Das Tier­schutz­ge­setz wird eingeführt

Zeit­gleich machte sich die Schweiz, die noch keine nennens­werte Tier­rechts­be­we­gung hatte, an die Ausar­bei­tung eines natio­nalen Tier­schutz­ge­setzes. Der Bund setzte ab 1971 eine Reihe von Kommis­sionen ein, um das Gesetz zu entwerfen.

In diesen Gremien sassen zum Beispiel Vertreter der Tier­ärz­te­schaft, der Verwal­tung, der Indu­strie und der über Jahr­zehnte etablierten Tier­schutz­or­ga­ni­sa­tionen. Hier herrschte immer noch der alther­ge­brachte Konsens: Gewalt am Tier ist in Ordnung, solange damit ein sozial erwünschter Zweck erfüllt wird.

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Die einzige grös­sere Orga­ni­sa­tion, die das zu jener Zeit hinter­fragte, war die LSCV. Und genau sie wehrte sich gegen das vorge­schla­gene Tier­schutz­ge­setz, indem sie das Refe­rendum ergriff.

Daran erin­nert sich heute kaum jemand: Das Tier­schutz­ge­setz wurde nicht etwa von der Fleisch‑, Eier- oder Milch­in­du­strie bekämpft, sondern von Tierrechtler*innen. Wer den Schutz der Tiere beson­ders ernst nahm, war gegen das Gesetz. Unter anderem mit dem Argu­ment, dass es Tier­leid für mensch­liche Zwecke explizit gutheisst.

Bis heute steht in den Grund­sätzen des Schweizer Tier­schutz­ge­setzes: „Wer mit Tieren umgeht, hat: (a) ihren Bedürf­nissen in best­mög­li­cher Weise Rech­nung zu tragen; und (b) soweit es der Verwen­dungs­zweck zulässt, für ihr Wohl­ergehen zu sorgen.“

Man darf Tiere also einsperren, vonein­ander trennen, verletzen, verstüm­meln und töten, solange es für den Verwen­dungs­zweck „nötig“ ist. Und was als „nötig“ gilt, hängt stark von den vorherr­schenden sozialen und kultu­rellen Wert­vor­stel­lungen ab. Faktisch erlaubt das Tier­schutz­ge­setz fast jede erdenk­liche Nutzungs­form, solange sie nicht durch Grau­sam­keit moti­viert ist.

Aus der glei­chen Logik folgt auch, dass Tier­schutz­re­geln je nach Verwen­dungs­zweck unter­schied­lich sind. Dasselbe Kanin­chen kann zum Beispiel unter ganz verschie­dene Regeln fallen, je nachdem, ob es als Heim‑, Versuchs- oder Nutz­tier einge­stuft ist.

Der zwie­späl­tige Begriff der Tierwürde

In den 1990er- und 2000er-Jahren bekam das Schweizer Tier­schutz­recht einige Upgrades. So hält das Zivil­ge­setz­buch seit 2003 fest, dass Tiere keine Sachen sind. 

Aller­dings gelten für Tiere weit­ge­hend die glei­chen Vorschriften wie für Sachen. Man kann Tiere zum Beispiel kaufen und verkaufen, nutzen und bei Bedarf „entsorgen“. Die neue Rege­lung hat ledig­lich zu einigen Spezi­al­vor­schriften im Privat- und Zwangs­voll­streckungs­recht geführt, von denen vor allem Heim­tiere profi­tieren. Zum Beispiel gehen Heim­tiere im Fall einer Schei­dung meist zu derje­nigen Person, die bessere Unter­brin­gung und Betreuung bieten kann. Und bei einer Betrei­bung werden Heim­tiere nicht verpfändet.

2008 wanderte auch der Begriff der „Tier­würde“ ins Gesetz, abge­leitet vom Begriff der „Würde der Kreatur“ in der Bundes­ver­fas­sung. Lanciert hat diese neuen Begriffe aller­dings nicht die Tier­schutz- oder Tier­rechts­be­we­gung, sondern die Anti-Gentech-Bewe­gung. Ihr ging es nicht um das Wohl von Tieren, sondern eher um den Schutz ihres Erbguts sowie der öffent­li­chen Gesundheit.

Die „Tier­würde“ wurde dennoch defi­niert als „Eigen­wert des Tiers, der im Umgang mit ihm geachtet werden muss“. Das ist inspi­riert vom Begriff der Menschen­würde. Doch während die Würde des Menschen ein unan­tast­bares Grund­recht ist, wurde die Tier­würde durch eine zustän­dige Kommis­sion sehr bald relativiert.

Verboten ist nur, die Tier­würde zu „miss­achten“, sie also komplett zu igno­rieren. „Verletzen“ darf man sie, solange dabei genug mensch­li­cher Nutzen heraus­springt. Das nennt man dann „Güter­ab­wä­gung“. Darum steht in den Grund­sätzen des Tier­schutz­ge­setzes: „Niemand darf unge­recht­fer­tigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten.“

Der Begriff der Tier­würde wurde damit in der Praxis zu einem weiteren Werk­zeug, das die „nötige“ von der „grau­samen“ Gewalt unterscheidet.

Es ist deshalb kein Wunder, dass sich die Schweizer Schlacht­zahlen in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdop­pelten. Und dass die Tier­ver­suchs­zahlen kaum sanken und zeit­weise sogar wieder anstiegen. Solange all das für ökono­mi­schen oder wissen­schaft­li­chen Nutzen erfolgt und nicht aus Grau­sam­keit, erkennt das Tier­schutz­ge­setz darin kein Problem.

Nico Müller ist Tier­ethiker an der Univer­sität Basel, Präsi­dent des Vereins Animal Rights Switz­er­land und Kolum­nist beim Lamm. Johannes Leuten­egger hat Philo­so­phie und Geschichte in Zürich studiert und ist Mittel­schul­lehrer. Kate­rina Stoy­kova ist Juri­stin mit Schwer­punkt Tier­schutz­recht und freie Mitar­bei­terin bei der Stif­tung für das Tier im Recht.


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