Wenn ein wichtiger gesellschaftlicher Entscheid ansteht, machen wir beim Lamm eigentlich immer dasselbe: Wir fragen die, die davon am meisten betroffen sind, nach ihrer Einschätzung. Das Medienförderungsgesetz erschwert dieses Prozedere jedoch ein wenig. Als journalistisches Medium gehören wir schliesslich selbst zu den Betroffenen. Wir sind unserem Vorgehen trotzdem treu geblieben und haben mit uns selbst gesprochen: Alex und Timo vom Lamm führen ein Gespräch über die Medienförderung.
Alex: Timo, wird das neue Medienförderungsgesetz auch die Arbeit beim Lamm verändern?
Timo: Auf jeden Fall. Gerade kleine Onlinemedien wie wir werden jetzt zum ersten Mal staatliche Unterstützung erhalten. Das wird einiges verändern – wahrscheinlich verbessern.
Alex: Werden andere Medien denn heute schon gefördert?
Timo: Natürlich, das aktuelle Medienförderungsgesetz wird nur um zwei zusätzliche Säulen erweitert. Bislang gab es eine Zustell-Ermässigung für Tages- und Wochenzeitungen und für Verbandszeitschriften sowie Unterstützung für private Lokalradios und Regionalfernsehen. Ein wichtiger Teil der Schweizer Medien bekommt also heute schon Geld vom Staat – was sich offensichtlich bewährt hat. Ausserdem gibt es einen kleinen Topf für die Ausbildungsförderung, der im neuen Gesetz stark aufgestockt wird. Das Lamm fällt in keine dieser Kategorien und geht darum momentan noch leer aus.
Alex: Und was kommt jetzt neu hinzu?
Timo: Im neuen Medienförderungsgesetz sind zusätzliche Posten vorgesehen für die Frühzustellung und für Onlinemedien. Unterstützung für die Frühzustellung finde ich begrüssenswert, wird für das Lamm aber nichts verändern.
Alex: Bleibt also die letzte neue Säule, die Onlineförderung. Es leuchtet ein, dass ein reines Onlinemagazin wie das Lamm von dieser Neuerung betroffen sein wird. Wie wird das dann konkret aussehen?
30 Millionen CHF für Onlinemedien
Timo: Bei der Abstimmung im Februar werden für alle Säulen der Medienförderung, die ich gerade aufgezählt habe, zusätzlich 120 Millionen CHF locker gemacht. Für Onlinemedien, die bislang gar nichts bekommen haben, sind 30 Millionen vorgesehen. Gelder, von denen auch das Lamm einen Teil beantragen kann, um damit den laufenden Betrieb zu finanzieren. Was bei uns sicherlich bedeutet: Erst einmal die Löhne anheben. Konkret würden sich unsere Einnahmen mit den Beiträgen aus der Medienförderung wahrscheinlich um etwa 50 % erhöhen.
Alex: Sprich: Unser flexibler Lohn wäre viel öfter beim Maximum von 22.- CHF/h. Das würde dazu führen, dass wir endlich einen Stundenlohn zahlen könnten, von dem man leben kann. Zum Vergleich, die letzten paar Monate lag der Flex-Lohn zwischen 12 und 15 CHF/h. Aber wir hatten auch Monate, in denen wir schlussendlich für gerade mal fünf CHF/h gearbeitet haben.
Timo: Wahrscheinlich müssen wir kurz erklären, was der flexible Lohn beim Lamm ist.
Alex: Stimmt. Die Idee hinter dem flexiblen oder Flex-Lohn ist ziemlich simpel: Wir schauen jeden Monat, wie viel Geld reingekommen ist, ziehen von diesem Betrag alle Fixkosten ab, machen zur Sicherheit noch 10 % Rückstellungen und teilen das, was dann übrig bleibt, proportional zu den geleisteten Stunden zwischen uns auf.
Timo: Je mehr Geld also reinkommt, desto höher ist unser Stundenlohn. Das machen wir aber nicht bis ins Unendliche, sondern nur, bis wir uns 22.- pro Stunde auszahlen können. Das ist der maximale Stundenlohn. Sollten wir den dank der Medienförderung einmal erreichen, wird das zusätzliche Geld für Recherchen beiseitegelegt oder wir leisten uns mehr Stellenprozente.
Qualität vs. Profit
Alex: Der Max-Lohn garantiert, dass Mehreinnahmen ab einer bestimmten Höhe nicht zur persönlichen Bereicherung der Journalist:innen führen, sondern in die Qualität der Arbeit investiert werden.
Timo: Womit wir bei einem weiteren wichtigen Thema in Bezug auf die Medienförderung wären. Denn es wäre doch möglich, dass man damit den grossen profitorientierten Medienunternehmen nur zusätzlich Steuergelder in den Rachen wirft. Gibt es im Gesetz Mechanismen, die dieser Gefahr entgegenwirken?
Alex: Laut dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) sollen die Massnahmen degressiv ausgestalten sein. Das heisst, kleinere Medien können einen höheren Prozentsatz beantragen als die Grossen. Sie bekommen also prozentual mehr.
Timo: Und das ist, wie ich finde, auch ein notwendiger Ausgleich, weil die Kleinen – da ist das Lamm ganz vorne mit dabei – oft für die Grossen einen Teil der Nachwuchsförderung übernehmen. Bei den Kleinen sind die Einstiegsschwellen niedriger und man kann als junge:r Journalist:in schnell anfangen, eigene Texte zu veröffentlichen. Auch werden die Einsteiger:innen nicht nur nach Elitekriterien ausgewählt wie an vielen Journalist:innenschulen, sondern etwa nach Aspekten wie Diversität, Inklusion, Fairness.
Alex: Das ist Ausbildungsarbeit, die die Kleinen für die Grossen leisten, die aber leider nicht abgegolten wird. Die neue Medienförderung könnte hier einen gewissen Ausgleich schaffen.
Timo: All das zugestanden, bleibt für mich die Frage: Wollen wir wirklich, dass Ringier und Co. zusätzliches Geld aus der Steuerkasse bekommen?
Alex: Nein, das wollen wir nicht. Natürlich ist es problematisch, wenn Gelder am Schluss bei Leuten in der Tasche landen, die jetzt schon sehr viel verdienen. Aber das Problem ist hier ja eigentlich nicht, dass die Medien unterstützt werden, sondern dass gewisse Medienunternehmen diese Unterstützung in Profit überführen werden. Wir müssten also eher darüber reden, wie wir verhindern wollen, dass sich grosse Konzerne zusätzlich bereichern. Und das gibt es ja bei Weitem nicht nur im Journalismus. Unser Geld fliesst fast überall zumindest teilweise in Profit ab: beim Nutellabrötchen genauso wie beim iPhone oder der Wohnungsmiete. Bei der Medienförderung würde das Geld einfach den Umweg über unsere Steuerrechnungen nehmen. Cool finde ich das auch nicht, aber eben: Nicht nur einige Medienunternehmen funktionieren so, sondern ein grosser Teil unserer Wirtschaft. Das Lamm versucht, einen anderen Weg zu gehen.
Timo: Ich denke, man wird schwer verhindern können, dass mächtige und reiche Unternehmen zusätzlich Geld bekommen. Interessant ist, dass in der Medienförderung durchaus ein Sicherheitsmechanismus vorgesehen ist. Dieser greift aber ausschliesslich bei der Unterstützung von Nachrichtenagenturen. Es heisst in der Vorlage, dass Nachrichtenagenturen keine Dividenden auszahlen dürfen, während Fördergelder vom Bund fliessen. Warum das nur für Agenturen gilt, aber nicht für die Medienhäuser, erschliesst sich mir allerdings nicht.
Alex: Das macht wenig Sinn. Ich hätte es gut gefunden, wenn mit der Medienförderung grundsätzlich nur Medienhäuser unterstützt würden, die nicht profitorientiert wirtschaften. Ist aber leider nicht der Fall. Doch auch wenn das Gesetz hier strengere Massstäbe setzen würde und neben den Agenturen auch die Medienhäuser keine Dividenden ausschütten dürften, blieben andere grundlegende Fragen. Allen voran die nach der Unabhängigkeit. Die Gegner:innen des Medienförderungsgesetzes argumentieren oft, dass gerade die Kleinen in eine finanzielle Abhängigkeit getrieben werden, wenn sie Geld vom Staat bekommen. Und dass dies langfristig auch die Berichterstattung beeinflussen könnte. Ihre Logik: Ich beisse ja nicht in die Hand, die mich füttert. Wie stehst du zu dieser Befürchtung?
Viele Formen der Abhängigkeit sind möglich
Timo: Wenn man immer nur die Abhängigkeit vom Staat betont, verdeckt man damit viele andere Abhängigkeiten, die auch sehr problematisch sind. Zum Beispiel die Abhängigkeit von politischen Parteien und Organisation. Gerade in der Schweiz zeigt sich nicht selten, wie Medien durch Mäzenatentum und Machtkämpfe in der Führung politisch komplett umgekrempelt werden können. Das gleiche gilt für die Einflussnahme aus der Wirtschaft: Medienkonzerne verleiben sich kleinere Medien ein, machen sie abhängig vom eigenen Nachrichtenangebot und der Konzernlinie und vereinheitlichen die schweizerische Nachrichtenlandschaft.
Die Medienförderung vom Staat könnte solchen Abhängigkeiten entgegenwirken und die Widerstandskraft der Kleinen stärken. Auch weil bei einer Abhängigkeit vom Staat zumindest stimmberechtigte Bürger:innen weiterhin mitreden können. Staatliche Einflussnahme steht also theoretisch immer zur Debatte, Richtlinienanpassungen müssen vors Volk, mindestens vor das Parlament. Damit ist eine gewisse demokratische Kontrolle gewährleistet.
Alex: Ein gutes Argument. Ausserdem zeigen andere Berufsfelder, dass eine staatliche Finanzierung nicht automatisch zu Hörigkeit gegenüber den staatlichen Institutionen führen muss. Das sehen wir zum Beispiel bei den Gerichten oder in der Bildung. Oder andersrum: Von Lehrer:innen erwartet man schliesslich auch nicht, dass sie sich mit einem Crowdfunding den Lohn zusammenkratzen und die Richter:innen müssen sich nicht mit Werbung auf ihrer Robe finanzieren. Trotzdem – oder gerade deswegen – gehen wir davon aus, dass beide in ihren Ämtern unabhängig und kritisch sind.
Timo: Hier würde ich doch ein bisschen widersprechen. Die meisten anderen Berufe, die vom Staat finanziert werden, haben einen staatlichen Auftrag: Bildungsauftrag bei Lehrer:innen, Bindung an die beziehungsweise Wahrung der gesetzlichen Ordnung bei Richter:innen. Für den Journalismus gilt das aus gutem Grund nicht. Er ist unter anderem eine Art Kontrollorgan für die Gesamtheit all dessen, was als staatliche Ordnung wahrgenommen wird. Das ist kein Totschlagargument gegen die Medienförderung, fordert aber trotzdem auf, genau hinzusehen. So sehr der Journalismus sich vor zu grosser Einflussnahme aus der Privatwirtschaft schützen sollte, damit er nicht einfach Teil profitorientierter Berichterstattung wird, muss er sich auch vor dem Staat in Acht nehmen. In beiden Fällen sind viele Möglichkeiten subtiler Einflussnahme denkbar.
Alex: Das stimmt. Trotzdem fallen mir für die Schweiz konkrete Beispiel nur für die Einflussnahme aus der Wirtschaft ein. Zum Beispiel Migros und Coop, die beiden Unternehmen, die in der Schweiz das meiste Werbe-Geld rausschmeissen. Die Republik hat 2019 aufgezeigt, dass die kritische Berichterstattung über die zwei orangen Riesen deshalb ziemlich mau war. Ein weiteres Beispiel: Die TX Group (ehemals Tamedia) ist bei Helpling beteiligt – also einer Vermittlungsplattform für Putzkräfte. Ich glaube nicht, dass der Tagi eine kritische Berichterstattung über schlechte Anstellungsbedingungen für Reiniger:innen bei dieser Plattform schreiben würde. Das Lamm schon: Erst kürzlich haben wir über die Gründung einer kollektiv organisierten Alternativplattform namens Autonomía berichtet.
Timo: Ja, zumindest in der Schweiz dürfte die Einflussnahme durch Wirtschaft und Werbeindustrie wohl das grössere Problem für den Journalismus sein. Ausserdem schadet der wachsende Fokus auf die Werbefinanzierung besonders den kleinen und darum oft sehr unabhängigen Medien. Für effiziente Werbefinanzierung braucht es zum Beispiel eine ganze Abteilung, mit eigener Infrastruktur und eigenem Budget. Dafür sollten wir unser Geld auf keinen Fall ausgeben.
Alex: Nein, wirklich nicht. Denn mehr Werbung heisst auch immer mehr Konsum. Und das ist eigentlich das Letzte, was wir in Zeiten der Klimakrise brauchen können. Dann lieber das Geld über die Medienförderung in noch mehr qualitativ hochwertigen Journalismus stecken.
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