Wenn Satire nach unten tritt, wird sie real

Er macht lustige Späss­chen, sie lässt sich den Altmannen-Humor nicht gefallen: Der Fall Michael Elsener vs. JUSO-Präsi­dentin Ronja Jansen zeigt, was Satire darf – und was sie unbe­dingt besser machen sollte. 
Frank Walter Froschmeier im Gespräch mit Christian Levrat. Bemerkenswert: Auch mit Sexismus ist der Sketch kaum unterhaltsam. (Foto: Screenshot SRF Late Update)

Der Fall ging im Oktober durch die Decke: SRF-Sati­riker Michael Elsener stellte in seiner Sendung Late Update in seiner Rolle als Reporter Frank Froschmeier dem SP-Präsi­denten Chri­stian Levrat eine Frage, die einen kleinen Shits­torm auslöste. Genauer gesagt: Die Bemer­kung, die der Charakter Froschmeier über die Juso-Präsi­dentin Ronja Jansen machte. Die „Miss Juso“ sei „heiss“, sagte er. Jansen meldete sich nach der Sendung auf Twitter und fragte: „Gehts noch, SRF? Wann wird endlich wichtig, was Frauen zu sagen haben, und nicht, wie sie dabei aussehen?“.

Elsener vertei­digte seinen Auftritt damit, dass der Charakter des Frank Froschmeier einem sexi­sti­schen Stereo­typen des Grüsel-Reportes nach­emp­funden sei. Dass es darum ging, wie Levrat im Inter­view auf die Aussage reagieren würde und nicht darum, Jansen zu diskreditieren.

Das stimmt. Froschmeiers Charakter ist zwar nicht beson­ders gut geschrieben oder gespielt, aber er verkör­pert durchaus einen Stereo­typen, den man im Jour­na­lismus – auch in der Schweiz – noch viel zu oft antrifft. Und auch Jansen hat Recht, wenn sie sagt, dass wir gefäl­ligst darüber spre­chen sollen, was Frauen tun, und nicht darüber, wie sie aussehen. Das kann man über­trieben finden, aber genauso wie Satire alles darf, dürfen sich auch davon Betrof­fene zu Wort melden.

Schliess­lich schal­tete sich als Reak­tion auf eine von Jansen einge­reichte Bean­stan­dung auch SRF-Ombuds­mann Roger Blum in die Debatte ein und gab der Jung­po­li­ti­kerin Recht: Die Bemer­kung von Elsener ironi­siert ihr Aussehen und redu­ziert sie damit auf ihr Äusseres – und das ist diskri­mi­nie­rend, schreibt Blum in seinem Bericht.

So weit, so geklärt die Fronten. Satire darf alles, heisst es immer wieder. Und das ist natür­lich wahr. Satire soll kränken, Satire soll sich lustig machen und bitte genau dorthin zielen, wo es richtig weh tut. Aber wirk­lich gute Satire tut vor allem eins: nach oben treten. Im Fall Jansen vs. Elsener geschah das Gegen­teil, und die Sache wurde sehr schnell zu Real­sa­tire. Mit echten Menschen in den Haupt­rollen, keinen Kunstfiguren.

Was nach Jansens Kritik geschah, war nämlich folgendes: Unzäh­lige Schweizer Sati­riker und Komiker (bewusst nicht gegen­dert) stellten sich hinter Elsener. Man dürfe ja jetzt nur noch mora­lisch korrekte Charak­tere spielen, meinte etwa Victor Giacobbo. Kolum­ni­sten (bewusst nicht gegen­dert) schrieben darüber, dass man(n)s mit der Satire ja gleich lassen könne und dass niemand auf Twitter schrieb, DASS MAN JA JETZT WOHL GAR NICHT MEHR DÜRFE WEGEN DIESER POLI­TICAL-CORRECT­NESS-POLIZEI (bewusst mit Caps Lock), ist eigent­lich eine kleine Sensation.

Eine Entschul­di­gung kam von Elsener übri­gens keine. Dafür ein Tweet, direkt an Jansen gerichtet, mit einem seltsam herab­las­senden Unterton: „Liebe Ronja, schau, der Obmuds­mann unter­stützt dich“. In seinem Tweet erklärt Elsener, dass er die „unbe­queme Zuspit­zung von Themen mittels Kunst­figur“ als „wich­tiges Stil­mittel der Satire“ erachtet. Und die Victor Giacobbos dieses Landes applau­dierten – etwas stiller dieses Mal.

Elsener kriegte in den Kommen­taren zu seinem Tweet ein biss­chen aufs Dach, weil er sich nicht entschul­digte. Er freue sich übri­gens für Jansen, dass sie durch Blum Hilfe von einem alten, weissen FDP-Mann erhält. Wäre eigent­lich ein nicer Spruch in einem Sketch gewesen – im echten Leben wirkt er eher wie eine verzwei­felte Aneig­nung dessen, was einem ja angeb­lich die eigene Arbeit so schwer macht: Aufgeklärtheit.

Nun befinden wir uns aktuell in einer Zeit, zwei Jahre nach den Anfängen von #MeToo, in der wir gesell­schaft­liche Diskurse diffe­ren­zierter führen als bisher. Und das bedeutet für Satiriker*innen, dass sie sich über ihre Arbeit und deren Auswir­kung mehr Gedanken machen müssen als früher. Das kann auch eine Chance dafür sein, dass viel­leicht auch die Schweizer Satire ein biss­chen punkiger werden darf: Ist es wirk­lich lustig, einen sexi­sti­schen Jour­na­li­sten zu spielen? Reicht das heut­zu­tage wirk­lich noch aus, um die Leute zum Lachen zu bringen? Oder wäre es nicht eine grös­sere Heraus­for­de­rung, Humor auf eine andere Ebene zu hieven?

Aber wie fast alles im Leben ist auch das eine Frage von Perspek­tive und Privi­le­gien. Was der Fall Jansen vs. Elsener nämlich – unge­wollt – wirk­lich aufzeigte, war eine Thematik, die brand­ak­tuell ist: Wie gehen Männer, selbst solche mit mässig Macht und Ruhm, damit um, wenn eine Frau – noch dazu eine junge! – an ihrem Thron rüttelt? Darüber würde ich gerne mal etwas in einer Schweizer Sati­re­sen­dung sehen – am lieb­sten von einer Satirikerin.


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