Die Flug­ticket­ab­gabe: Wer sich ein First-Class-Ticket leisten kann, zahlt weniger für seine CO2-Tonnen

Auf Lang­strecken­flügen zahlen Economy-Flieger:innen mehr als doppelt so viel für die CO2-Tonnen, die sie ausstossen, als Reisende, die sich einen Sitz in der Luxus­klasse leisten können. 
Das CO2-Gesetz in acht Folgen - Teil 2. (Illustration: Luca Mondgenast)

Das CO2-Gesetz in acht Folgen: Dieser Artikel ist der zweite Teil einer Serie. Alle Artikel findest du hier.


Zusätz­lich zu den drei bereits bestehenden Abgaben auf Klima­gase sieht das revi­dierte CO2-Gesetz noch eine zusätz­liche vierte Abgabe vor: die Flug­ticket­ab­gabe. Der Mecha­nismus ist einfach. Auf jedes Flug­ticket, das gekauft wird, zahlen die Käufer:innen eine Abgabe. Das so einge­nom­mene Geld soll zusammen mit anderen Abgaben in einen Fonds einbe­zahlt und von dort aus wieder verteilt werden. Zum einen an Firmen und Privat­haus­halte, zum anderen sollen damit Inno­va­tionen und Gebäu­de­sa­nie­rungen finan­ziert werden.

Die Höhe dieser Abgabe würde im Fall einer Annahme des Gesetzes in der neuen CO2-Verord­nung fest­ge­legt werden. Diese Verord­nung befindet sich zurzeit noch in der Vernehm­las­sung. Gemäss aktu­ellem Stand sieht sie für Kurz­strecken­flüge in der Economy-Class Abgaben von 30 Franken, für mitt­lere Strecken von 60 Franken und für Lang­strecken von 120 Franken vor. Für ein Ticket in der Busi­ness- oder First-Class kämen bei allen drei Kate­go­rien zusätz­lich 30 Franken dazu.

Wer mehr Platz braucht, verur­sacht mehr CO2

Werden die Reichen also stärker zur Kasse gebeten als dieje­nigen, die sich nur ein Economy-Ticket leisten können? Fliegen im Luxus-Stil ist doch nicht klima­schäd­li­cher als bei den Normalos in den engeren Sitz­reihen, könnte man meinen. Naja – doch. Denn je mehr Platz einzelne Passagier:innen bean­spru­chen, desto weniger von ihnen passen in ein Flug­zeug und desto mehr Emis­sionen entfallen auf den einzelnen Sitz.

Um ein Bild davon zu bekommen, wie unter­schied­lich die Emis­sionen je nach Flug­klasse ausfallen, haben wir mit dem Emis­si­ons­rechner von mycli­mate drei Beispiel­flüge mitein­ander vergli­chen. Auf dieser Grund­lage haben wir den Preis einer Tonne CO2 berechnet, so wie ihn die geplante Verord­nung vorsieht. Dabei wurde klar: Reiche würden pro Tonne massiv weniger bezahlen als dieje­nigen, die sich mit einem Economy-Ticket zufriedengeben.

Quelle: Die Zahlen zur Flug­ticket­ab­gabe stammen aus der neuen CO2-Verord­nung (Art. 139), die momentan gerade in der Vernehm­las­sung ist und das revi­dierte CO2-Gesetz konkre­ti­sieren würde. Welche Reisen als Kurz‑, Mittel- bzw. Lang­strecken gelten würden, würde dieselbe Verord­nung in einer Länder­liste im Anhang 25 regeln. Die Emis­si­ons­zahlen für die gewählten Beispiel­flüge stammen vom Emis­si­ons­rechner von mycli­mate. (Grafik: Luca Mondgenast)

Je nach Flug­länge und gebuchter Klasse fallen die Preise pro verur­sachter Tonne CO2 aller­dings ziem­lich unter­schied­lich aus. Während beim von uns gewählten Kurz­strecken­flug von Zürich nach Zagreb die Busi­ness-Class am meisten pro Tonne bezahlt, legen bei Mittel- und Lang­strecken­flügen die Economyflieger:innen für eine Tonne CO2 vergli­chen mit ihren Mitrei­senden in der First-Class das Doppelte hin.

Graphik: Je weniger weit man fliegt, desto billiger wird die Tonne CO2. Auf Mittel- und Lang­strecken­flügen bezahlt die günstigste Klasse knapp doppelt so viel wie die Luxus­klasse (Grafik: Luca Mondgenast)

Weshalb steigt die Flug­ticket­ab­gabe nicht propor­tional mit dem tatsäch­lich verur­sachten Klima­schaden? Und vor allem: Wer sich mehr Platz im Flieger leisten kann, sollte sich doch auch entspre­chend an den Abgaben betei­ligen können? Wir haben beim zustän­digen Bundesamt für Umwelt (BAFU) um eine Erklä­rung gebeten. Die Antwort: „Weil sich die Klassen bezüg­lich Platz­ver­hält­nissen je nach Flug­zeugtyp stark unter­scheiden, hat der Bundesrat für die Vernehm­las­sung eine prag­ma­ti­sche Lösung mit zwei Abstu­fungen vorgeschlagen.“

Laut dem BAFU habe das Parla­ment aber durchaus darüber disku­tiert, ob man für die Busi­ness-Class jeweils den zwei­fa­chen und für First-Class jeweils den drei­fa­chen Betrag fest­legen solle. Die entspre­chenden Anträge wurden aber abge­lehnt. Fazit: Für die Reichen wird die verur­sachte Tonne CO2 nur halb so viel kosten wie für die weniger Wohl­ha­benden. Aus prag­ma­ti­schen Gründen.


Damit ihr die Über­sicht nicht verliert – Hier die Schweizer Klima­ge­setz­ge­bung auf einen Blick (oder viel­leicht auf zwei):

Klima­ge­setz­ge­bung in der Schweiz. (Grafik: Luca Mondgenast)


Jour­na­lismus kostet

Die Produk­tion dieses Arti­kels nahm 18 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1196 einnehmen.

Als Leser*in von das Lamm konsu­mierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demo­kratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produk­tion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rech­nung sieht so aus:

Soli­da­ri­sches Abo

Nur durch Abos erhalten wir finan­zi­elle Sicher­heit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unter­stützt du uns nach­haltig und machst Jour­na­lismus demo­kra­tisch zugäng­lich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.

Ihr unter­stützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorg­fältig recher­chierte Infor­ma­tionen, kritisch aufbe­reitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unab­hängig von ihren finan­zi­ellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Jour­na­lismus abseits von schnellen News und Click­bait erhalten.

In der kriselnden Medi­en­welt ist es ohnehin fast unmög­lich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkom­mer­ziell ausge­richtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugäng­lich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure soli­da­ri­schen Abos ange­wiesen. Unser Lohn ist unmit­telbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kriti­schen Jour­na­lismus für alle.

Ähnliche Artikel

Fick den Genderstern!

Die SVP betreibt mit der Genderstern-Initiative rechten Kulturkampf und will dem sogenannten ‚Woke-Wahnsinn‘ den Garaus machen. Sie können das Sonderzeichen gerne haben – vorausgesetzt, genderqueere Personen können ein sicheres Leben führen.