Die drei bereits bestehenden Abgaben auf CO2

Das jetzt noch geltende CO2-Gesetz kennt drei verschie­dene Klima-Abgaben. Klingt einfach, ist aber kompli­ziert. Erschreckend kompli­ziert. Wir erklären die drei Mecha­nismen – und zeigen, wie sich die Abgaben mit einer Annahme der aktu­ellen Vorlage verän­dern würden. So viel vorweg: nicht stark genug. 
Das CO2-Gesetz in acht Folgen - Teil 1. (Illustration: Luca Mondgenast)

Das CO2-Gesetz in acht Folgen: Dieser Artikel ist der erste Teil einer Serie. Eine Arti­kel­über­sicht findest du hier.


In ein paar Wochen stimmen wir über das revi­dierte CO2-Gesetz ab. Es soll das bestehende CO2-Gesetz ersetzen. Wie genau – das soll dereinst die neue CO2-Verord­nung, die gerade in der Vernehm­las­sung ist, konkre­ti­sieren. Das Haupt­ziel: Mit dem neuen CO2-Gesetz sollen bis 2030 die in der Schweiz emit­tierten Klima­gase um 50 % redu­ziert werden. Vergleichs­jahr ist 1990.

Drei Klima-Abgaben, die bereits bestehen, sind auch Teil der neuen Geset­zes­vor­lage: die Lenkungs­ab­gabe auf fossile Brenn­stoffe, die Sank­tionen für den Import klima­schäd­li­cher Fahr­zeuge und die Kompen­sa­ti­ons­pflicht beim Import von Treib­stoff. Nur: Sie weisen Mängel auf. Und daran würde sich auch mit einem Ja im Juni nicht viel ändern.

Abgabe I: Die Lenkungs­ab­gabe auf fossile Brennstoffe

Seit 2008 zahlen wir eine Abgabe auf fossile Brenn­stoffe wie Heizöl oder Erdgas. Diese Lenkungs­ab­gabe soll unter anderem die Emis­sionen im Gebäu­de­be­reich senken. Denn ein Gross­teil der Klima­gase entsteht dadurch, dass wir unsere Häuser mit Erdöl und Erdgas beheizen. Aber auch verschie­dene Indu­strie­zweige verwenden fossile Brenn­stoffe. Zum Beispiel die Zement­branche oder die Papier­her­stel­lung.

So weit, so logisch. Aber: Für die Firmen, die am meisten Klima­gase verur­sa­chen, hält das bestehende CO2-Gesetz eine Hinter­türe offen. Und auf fossile Treib­stoffe wie etwa Benzin oder Diesel wird gar keine CO2-Abgabe erhoben. Dazu aber später mehr. Zunächst zur CO2-Abgabe auf fossile Brenn­stoffe.

Die Geschichte der CO2-Abgabe ist davon geprägt, dass sich die Schweiz CO2-Reduk­ti­ons­ziele gesetzt – und diese dann nicht erreicht hat. Zum ersten Mal 2008. In der Folge wurde die CO2-Abgabe einge­führt. Sie betrug damals zwölf Franken pro Tonne CO2. Dasselbe passierte 2010. Die Abgabe wurde auf 36 Franken ange­hoben. 2014 wurde sie wegen nicht erreichter Ziele auf 60 Franken erhöht, 2016 aus demselben Grund auf 84 Franken. Und schliess­lich 2018 von 84 auf die heutigen 96 Franken pro Tonne CO2.

Falls sich auch die heutigen 96 Franken pro Tonne CO2 als zu tief erweisen, um die CO2-Emis­si­ons­ziele für das Jahr 2020 zu errei­chen, würde die Abgabe laut der aktuell gültigen CO2-Verord­nung ein weiteres Mal ange­passt werden, und zwar ab 2022 auf 120 Franken pro Tonne. Ob es dazu kommt oder nicht, wird sich aber erst Mitte 2021 zeigen, wenn das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in der CO2-Stati­stik die Zahlen für das Jahr 2020 veröf­fent­licht.

Eines ist aber bereits klar: Bis jetzt haben wir die Reduk­ti­ons­ziele im Bereich der fossilen Brenn­stoffe erst ein einziges Mal erreicht, nämlich 2009. Seit über zehn Jahren setzen wir uns also Ziele, die wir dann nicht errei­chen, woraufhin die Abgabe wieder erhöht wird, aber nicht stark genug, weshalb wir die näch­sten Ziele wiederum nicht errei­chen, woraufhin die Abgabe… Ihr seht das Problem.

Wie es weiter­gehen soll:

Mit der geplanten CO2-Verord­nung, die das revi­dierte CO2-Gesetz konkre­ti­sieren würde, kann dieses Spiel­chen weiter­gehen: 2024, 2026 und 2028. Bis zum maxi­malen Wert von 210 Franken pro Tonne im Jahr 2030.

Die Frage bleibt, ob dieser Reduk­ti­ons­me­cha­nismus im Schnecken­tempo sinn­voll ist, damit sich die Menschen langsam und schmerzlos vom Erdöl verab­schieden können. Oder ob es nicht doch vor allem darum geht, die Profite aus den Fossilen so lange aufrecht­zu­er­halten wie irgendwie möglich. Davon profi­tieren dürften vor allem die Hausbesitzer:innen, die seit Jahren die externen Kosten, die beim Heizen ihrer Häuser entstanden sind, auf zukünf­tige Gene­ra­tionen abwälzen können. Aber natür­lich auch dieje­nigen Firmen, die für ihre Produk­tion auf fossile Brenn­stoffe ange­wiesen sind, denn die braucht es nicht nur zum Heizen unserer Häuser.

Immerhin: Auch wenn das Ziel, die Emis­sionen aus dem Heizen von Gebäuden bis 2020 um 40 % zu redu­zieren, geschei­tert ist, wurden sie doch um 34 % gesenkt. Im Vergleich zu anderen Berei­chen ist das viel. Laut einem SRF-Bericht hat aber auch der warme Winter wesent­lich dazu beigetragen, dass die Heizemis­sionen runtergingen.

Abgabe II: Sank­tionen auf den Import klima­schäd­li­cher Fahrzeuge


Der Verkehrs­be­reich kann von solchen Emis­si­ons­re­duk­tionen nur träumen. Hier sind die aktu­ellen Emis­sionen nämlich immer noch etwa gleich hoch wie 1990. Ange­peilt wären eigent­lich minus 10 % gewesen.

Und der Verkehr macht einen ziem­li­chen grossen Anteil aller Emis­sionen aus. 2019 verur­sachte er laut BAFU rund einen Drittel der Schweizer Klima­gase. Einer­seits weil immer mehr Autos rumfahren. Laut dem Bundesamt für Stati­stik gab es 2020 36 % mehr Motor­fahr­zeuge als 2000. Ande­rer­seits spielt es natür­lich eine Rolle, ob diese Autos viel oder wenig Emis­sionen pro Kilo­meter ausstossen.

Laut dem Neuwa­gen­be­richt 2019 vom Bundesamt für Energie (BFE) nahm der Durch­schnitts­aus­stoss der Neuwa­gen­flotte seit 2015 nicht mehr ab und ist in den letzten Jahren sogar wieder leicht stei­gend. Das muss auch der Bundesrat zugeben und schreibt in einer Medi­en­mit­tei­lung Mitte 2020 Folgendes: „In den Jahren 2017 und 2018 stiegen die Emis­sionen aller­dings wieder an, die gewünschte Wirkung der Emis­si­ons­vor­schriften blieb also aus.“ Die Branche erreicht die vorge­schrie­benen Ziel­werte grund­sätz­lich nicht.

Dabei sollte das geltende CO2-Gesetz das eigent­lich verhin­dern. Wie? Die impor­tierten Autos dürfen einen defi­nierten CO2-Grenz­wert nicht über­schreiten. Tun sie es trotzdem, müssen die Importeur:innen eine Strafe bezahlen.

Mit dem aktu­ellen CO2-Gesetz (Artikel 10) liegen diese Grenz­werte seit 2020 für Perso­nen­wagen bei 95 und für leichte Nutz­fahr­zeuge bei 147 Gramm CO2/km.1 Für schwere Nutz­fahr­zeuge gibt es bis jetzt keine Vorschriften. Für sie ist erst ab 2025 ein Grenz­wert geplant.

Dann sollen nämlich die näch­sten Verschär­fungen für Auto­im­porte umge­setzt werden. Vorerst passiert aber auch nach einer Annahme der Vorlage: nichts.
Das zustän­dige Bundesamt für Energie (BFE) erklärt das wie folgt: „Die CO2-Ziel­werte wurden per 1.1.2020 von 130 auf 95 Gramm CO2/km verschärft. Durch Auslaufen der Einfüh­rungs­er­leich­te­rungen wie Phasing-in und Super­cre­dits ergibt sich eine impli­zite Verschär­fung bis 2022.“ Phasing-in? Super­cre­dits? Nun kommen wir in die Details. Und hier liegt durchaus der eine oder andere Klima­hund begraben.

Tatsäch­lich müssen zurzeit nur kleine Importeur:innen Sank­ti­ons­zah­lungen leisten, wenn sie einzelne zu klima­schäd­liche Autos impor­tieren2. 99% der Auto­im­porte werden aber von grös­seren Firmen getä­tigt – und die haben es deut­lich leichter. Dort ist nämlich nicht der CO2-Ausstoss einzelner Autos entschei­dend. Der kann im Prinzip beliebig hoch sein. Für die Firmen zählt allein der durch­schnitt­liche CO2-Ausstoss der inner­halb eines Jahres gesamt­haft impor­tierten Flotte.

2019Anzahl impor­tierte Personen-wagenAnteil an den Gesamt-importenSank­tions-summe in CHFSank­tions-summe pro Auto
Klein- und Einzel-importeur:innen10370.3%1.2 Mio1’153 CHF / Auto
Gross-importeur:innen308’65399.7%76.9 Mio 250 CHF / Auto
Quelle: Bundesamt für Energie, CO2-Emis­si­ons­vor­schriften für Perso­nen­wagen – Zentrale Voll­zugs­re­sul­tate 2019

Grossimporteur:innen können dadurch Dreck­schleu­dern mit klima­freund­li­cheren Autos kompen­sieren und so die CO2-Sank­tionen umgehen. Doch damit nicht genug: Denn es ist nicht der normale Durch­schnitt über die ganze Flotte, der bei der Berech­nung der Sank­tionen ausschlag­ge­bend ist, sondern eine geschönte Version davon. Womit wir wieder bei Phasing-in und den Super­cre­dits ange­langt wären: zwei Mecha­nismen, die das Prinzip eines Grenz­wertes ins Lächer­liche ziehen.

Das soge­nannte Phasing-in führt dazu, dass nur ein Teil der Flotte bei der Beur­tei­lung der Ziel­er­rei­chung berück­sich­tigt werden muss. Die klima­schäd­lich­sten Autos dürfen aus der Rech­nung gestri­chen werden. Andersrum bei den Super­cre­dits: Hier können beson­ders effi­zi­ente Fahr­zeuge mehr­fach gezählt werden.

Beide Mecha­nismen führen dazu, dass die Grossimporteur:innen ihre Durch­schnitte massiv verschö­nern können. Was das bringen soll? Artikel 10 des aktu­ellen CO2-Gesetzes sagt es uns: Solche Mecha­nismen sollen das Errei­chen der Ziele während einer begrenzten Zeit erleich­tern. Aber: Was bringt es dem Klima und den Lebens­be­din­gungen von kommenden Gene­ra­tionen, wenn es schluss­end­lich nur so aussieht, als hätte man das Ziel erreicht? Nichts.

201220132014201520162017201820192020202120222023
Phasing-in
[Anteil
sank­ti­ons­re­le­vanter
Fahr­zeuge]
65%75%80%100%100%100%100%100%85%90%95%100%
Super­cre­dits
[Gewich­tung für
Fahr­zeuge mit
weniger als
50g CO2/km)]
3.5fach3.5fach2.5fach1.5fach1fach1fach1fach1fach2fach1.67fach1.33fach1fach
Quelle: Für die aktu­elle CO2-Gesetz­ge­bung sind die Zahlen in der CO2-Verord­nung (Art. 27) zu finden. In den vergan­genen Jahren wurden die Super­cre­dits in der Verord­nung über die Vermin­de­rung der CO2-Emis­sionen von Perso­nen­wagen von 2011 (Art. 28) und die Zahlen für das Phasing-in im CO2-Gesetz (Art. 11) geregelt.

Umso absurder ist es vor dem Hinter­grund, dass diese Einstiegs­er­leich­te­rungen für die Auto­branche bereits einmal langsam abge­schafft wurden. Ab 2016 gab es für die Auto­branche kein Phasing-in und keine Super­cre­dits mehr. Dank dem jetzt gültigen CO2-Gesetz werden sie aber ab 2020 ein weiteres Mal gewährt. Hat die Auto­branche den Einstieg verpasst?

Das Bundesamt für Energie erklärt: „Auf 2020 wurde ein neues Ziel von 95 Gramm CO2/km einge­führt. Es gibt also wieder eine Über­gangs­phase, wie dies beim ersten Mal der Fall war.“

Wie es weiter­gehen soll:

Die Wirkung von Phasing-in und Super­cre­dits werden nun zwar ein weiteres Mal runter­ge­dreht, sie sind aber auch im revi­dierten CO2-Gesetz (Art. 13) noch drin. Wie hier die Entwick­lung nach 2022 weiter­geht, macht die Schweizer Gesetz­ge­bung von den Entwick­lungen in der EU abhängig. Ob Phasing-in und Super­cre­dits also tatsäch­lich ganz auslaufen nach 2022, ist noch nicht klar.

Was aber klar ist: Das System führt dazu, dass Grossimporteur:innen pro Auto im Schnitt viel weniger CO2-Sank­tionen bezahlen als Kleinimporteur:innen. Zwar sind die Autos, die von den Kleinimporteur:innen ins Land geholt werden, tatsäch­lich klima­schäd­li­cher als die von den grossen, aber auch das BFE gibt zu, dass das Flot­ten­kon­zept für die Grossimporteur:innen eine Erleich­te­rung darstellt: „Falls die Ziel­werte auf Einzel­fahr­zeug­basis gelten würden, würde dies eine deut­liche Verschär­fung der Regu­lie­rung bedeuten“, schreibt uns das Bundesamt. Was also nach einem strikten Grenz­wert aussieht, verwäs­sert sich in der Umset­zung noch­mals deut­lich.

Und der Fakt, dass 2019 die Flot­ten­schnitte vieler Grossimporteur:innen nur sehr knapp unter den zuläs­sigen Grenz­werten lagen, legt die Vermu­tung sehr nahe, dass diese genau wissen, wie sie von dieser Verwäs­se­rung profi­tieren können.

Und damit nicht genug:

Auch eine andere Rege­lung, die sich tief in den Details der CO2-Gesetz­ge­bung versteckt, lädt dazu ein, die CO2-Sank­tionen zu umschiffen. Denn die Sank­tionen werden nur bei Neuwagen, nicht aber bei Occa­sionen fällig. Und wenn das zu impor­tie­rende Auto, bevor es in die Schweiz kommt, minde­stens sechs Monate irgendwo im Ausland ange­meldet war, gilt es gemäss aktu­eller CO2-Verord­nung (Art. 17) bereits als Occa­sion. Auch wenn es sich keinen Meter bewegt hat.

In einer SRF-Sendung im Dezember 2020 äussert das BFE den Verdacht, dass mit solchen Pseudo-Occa­sionen absicht­lich die CO2-Sank­tionen umgangen werden. Gleich von sechs der 79 beim Bund regi­strierten Grossimporteur:innen fehlt laut dem BFE nach wie vor die Schluss­ab­rech­nung vom 2019, weil momentan noch Verfahren laufen, ob die betrof­fenen Autoimporteur:innen mit solchen und ähnli­chen Trick­se­reien even­tuell doch zu weit gegangen sind.

Tritt die neue CO2-Verord­nung (Art. 20), so wie sie jetzt geplant ist, in Kraft, wird die Hürde für diese Trick­serei immerhin ein biss­chen erhöht. Entweder müssten dann die Autos minde­stens zwölf Monate im Ausland ange­meldet gewesen sein oder nach sechs Monaten bereits 5000 km auf dem Buckel haben, um als Occa­sion durchzugehen.

Abgabe III: Kompen­sa­ti­ons­pflicht für Treibstoff

Auch die dritte Abgabe, die im aktuell gültigen CO2-Gesetz veran­kert ist, betrifft den Stras­sen­ver­kehr. Aller­dings geht es hier anders als beim Import-Grenz­wert nicht um die Autos selbst, sondern um den Treib­stoff, den sie verbrau­chen: Treibstoffimporteur:innen müssen einen Teil der Emis­sionen, die die von ihnen einge­führten Treib­stoffe verur­sa­chen, kompen­sieren.

Koor­di­niert werden diese Kompen­sa­tionen nicht vom Staat, sondern von der Stif­tung Klima­schutz und CO2-Kompen­sa­tion (KliK). Ihr Vorstand besteht ausschliess­lich aus Vertreter:innen derje­nigen Branche, die von den Kompen­sa­tionen am stärk­sten betroffen ist: der Erdöl­branche. Mit dabei sind etwa der Geschäfts­leiter der Agrola-Tank­stellen und der CEO von BP Europa.

Die einzelnen Mine­ral­öl­ge­sell­schaften, die die Treib­stoffe impor­tieren, zahlen dieser Stif­tung Geld entspre­chend ihrem Import­vo­lumen. Und die Stif­tung finan­ziert dann mit diesem Geld Projekte, die so viel CO2 einsparen, wie die Importeur:innen kompen­sieren müssen. Zurzeit sind das 12 % der Emis­sionen ihrer Treib­stoffe.

Zwei Beispiele: Bei den Coop-Tank­stellen wird mit diesem Geld der Einbau von klima­freund­li­cheren Kühl­an­lagen teil­fi­nan­ziert. Das Säge­werk Schil­liger Holz wird dabei unter­stützt, sein Holz auf längeren Strecken mit der Bahn anstatt mit Last­wagen zu trans­por­tieren. Beides führt dazu, dass weniger CO2 ausge­stossen wird. Die Kompen­sa­tion muss gemäss der aktu­ellen Geset­zes­lage in der Schweiz erfolgen.

Wie es weiter­gehen soll:

Kommt die neue CO2-Verord­nung so in Kraft, wie sie jetzt gerade formu­liert ist, steigt der Anteil, den die Importeur:innen von Treib­stoffen mit Klima­pro­jekten kompen­sieren müssen. Der im revi­dierten CO2-Gesetz maximal mögliche Kompen­sa­ti­ons­satz von 90 % würde mit der geplanten Verord­nung aber nicht voll ausge­schöpft werden.

Zeit­phase Anteil der durch die impor­tierten Treib­stoffe frei­ge­setzten Klima­gase, der kompen­siert werden muss
2022 bis 202420% (davon mind. 15% im Inland und max. 5% im Ausland)
2025 bis 202760% (davon mind. 20% im Inland und max. 40% im Ausland)
2028 bis 202970% (davon mind. 20% im Inland und max. 50% im Ausland)
Ab 203075% (davon mind. 20% im Inland und max. 55% im Ausland)
Quelle: revi­dierte CO2-Verord­nung (Art.102) (in der Vernehmlassung)

Neu müssen die Treibstoffimporteur:innen aber nicht mehr alles in der Schweiz kompen­sieren, sondern dürfen die Kompen­sa­tionen zum Teil auch im Ausland erbringen. Von 2022 bis 2024 müssen noch 15 % der Klima­gase im Inland kompen­siert werden. Ab 2024 müssen es 20 % sein. Da aber der Anteil der Emis­sionen, der gesamt­haft kompen­siert werden muss, ansteigt, wird der Auslands­an­teil zunehmen. Das Ziel: weniger zahlen. Laut der Stif­tung KliK wird die Tonne im Ausland voraus­sicht­lich für rund 30 Franken zu haben sein. In der Schweiz liegt der Schnitt laut einer Medi­en­mit­tei­lung bei rund 84 Franken pro Tonne.

Um solche Auslands­kom­pen­sa­tionen zu ermög­li­chen, hat die Schweiz im Herbst 2020 als welt­weit erstes Land mit einem anderen Land ein Kompen­sa­ti­ons­ab­kommen abge­schlossen, und zwar mit Peru. Knapp einen Monat später folgte das welt­weit zweite Abkommen dieser Art zwischen der Schweiz und Ghana.

Zwei­fels­ohne wird über diese Abkommen Geld nach Ghana und Peru fliessen, das dort viel­leicht sinn­voll einge­setzt werden kann. Aber ist es wirk­lich in Ordnung, dass die Schweiz sich damit einen Frei­pass erkaufen kann, um weiterhin fossil durch die Gegend zu düsen?

Vor allem aber sind Kompen­sa­tionen nicht genug. Egal ob sie im In- oder im Ausland umge­setzt werden. Sie verhin­dern ledig­lich an einem Ort X die Emis­sionen, die dafür an einem Ort Y in die Atmo­sphäre gelangen dürfen. Zwar schreibt uns die Stif­tung KliK, dass gewisse Projekte je nach Zerti­fi­zie­rungs­stan­dard auch noch nach ihrer Lauf­zeit als Kompen­sa­ti­ons­pro­jekte Reduk­tionen erzielen, grund­sätz­lich bringt eine Kompen­sa­tion aber keine Reduk­tion, sondern ledig­lich eine Stagna­tion. Denn sie führt nie zu einem Minus, sondern immer nur zurück auf den Ausgangs­zu­stand. Die Ziele des Pariser Abkom­mens errei­chen wir so nicht.

Dabei wäre das notwendig: Laut dem Pariser Abkommen soll nicht nur die Schweiz, sondern jedes Land zwischen 2045 und 2060 mit seinen Treib­haus­gas­emis­sionen das Netto-Null-Ziel errei­chen. Da helfen dann auch die Abkommen mit Peru oder Ghana nicht mehr weiter, weil es auch dort nichts mehr gibt, womit wir unsere Emis­sionen kompen­sieren könnten. Die bis dahin verblei­benden 25 bis 40 Jahre würde man besser dafür nutzen, selber vorwärtszumachen.


1 Am 1. Januar 2021 erfolgte eine Umstel­lung im CO2-Vollzug. Vor dem 1. Januar benutzte man im Vollzug das soge­nannte NEFZ-Verfahren (Neuer Euro­päi­scher Fahr­zy­klus) zur Fest­le­gung der Emis­si­ons­werte. Seit Anfang 2021 gilt nun das WLTP-System (World­wide Harmo­nized Light-Duty Vehicles Test Proce­dure). Im Zuge dieser Umstel­lung wurden die CO2-Ziel­werte bei Perso­nen­wagen von 95 Gramm CO2/km auf 118 Gramm CO2/km und bei den leichten Nutz­fahr­zeugen von 147 Gramm CO2/km auf 186 Gramm CO2/km erhöht. Im revi­dierten CO2-Gesetz stehen aber noch die Mess­werte nach dem NEFZ-System. Laut dem BFE seien die Mess­werte nach WLTP reali­täts­näher und das Hoch­setzen der Ziel­werte keine Abschwä­chung der Grenz­werte, sondern nur die Über­füh­rung in ein anderes Mess­sy­stem. Der WWF Schweiz fordert in seiner Vernehm­las­sungs­ant­wort jedoch eine erneute Über­prü­fung der Zahlen. Gemäss der geltenden Ener­gie­ef­fi­zi­enz­ver­ord­nung entspräche das auf dem NEFZ basie­rende 95-Gramm-Ziel für Perso­nen­wagen einem WLTP-Ziel­wert von 115 Gramm CO2/km, so der WWF Schweiz.

2 Als Kleinimporteur:in gilt, wer weniger als 50 Perso­nen­wagen impor­tiert (aktu­elles CO2-Gesetz, Art. 11). Wer 50 Perso­nen­wagen oder mehr impor­tiert, ist bereits ein:e Grossimporteur:in. Bei den grös­seren Fahr­zeugen braucht es noch weniger, um als Grossimporteur:in durch­zu­gehen, nämlich sechs Fahr­zeuge pro Jahr. Die Kleinimporteur:innen können sich auch zu Emis­si­ons­ge­mein­schaften, soge­nannten CO2-Börsen, zusam­men­schliessen, um gegen­seitig vonein­ander profi­tieren zu können.


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