„Ein pauschaler Aufruf zu Degrowth ist das nicht“

Länder wie die Schweiz profi­tieren seit Jahren von Kolum­biens Kohle, Öl und Gas. Nun will das Land fossile Brenn­stoffe im Boden lassen. Wie die inter­na­tio­nale Gemein­schaft dem Ener­gie­wandel im Weg steht, erklärt Ex-Mini­sterin Irene Vélez Torres im Interview. 
Irene Vélez Torres ist Philosophin, Umweltaktivistin und war Ministerin im Kabinett von der ersten linken Regierung Kolumbiens mit Präsident Gustavo Petro, der einst selbst Guerilla-Kämpfer war. (Bild: Fotografía oficial de la Presidencia de Colombia)

Kolum­biens Präsi­dent Gustavo Petro hat eine Mission: Sein Land soll radikal aus dem Abbau und der Nutzung fossiler Brenn­stoffe aussteigen. Seit seinem Amts­an­tritt 2022 hat das Land keine neuen Ölbohr­ver­träge mehr genehmigt.

Die inter­na­tio­nale Gemein­schaft hält das für waghalsig – schliess­lich stammen fast 50 Prozent der kolum­bia­ni­schen Exporte aus Kohle und Petro­leum. Gleich­zeitig setzt Kolum­bien mit der Absicht, fossile Brenn­stoffe im Boden zu belassen, ein Zeichen: Es gehört zu den ersten Ländern, die die Ziele des Pariser Abkom­mens konse­quent umsetzen wollen.

Die Entschei­dung hat weit­rei­chende Folgen – nicht nur für Kolum­bien, sondern auch für Länder wie die Schweiz, die seit Jahren vom Kohle­handel profi­tieren. Der welt­grösste Rohstoff­händler Glen­core betreibt unter anderem die Cerrejón-Mine im Norden Kolum­biens, einen der grössten Stein­koh­le­ta­ge­baue der Welt.

Um Kolum­biens wirt­schaft­liche Abhän­gig­keit von Kohle, Öl und Gas zu beenden, ernannte Präsi­dent Petro die frühere Philo­so­phie-Profes­sorin und Umwelt­ak­ti­vi­stin Irene Vélez Torres zur Mini­sterin für Energie und Bergbau. Doch ihr ambi­tio­nierter Reform­kurs stiess auf Wider­stand. Nach knapp einem Jahr trat sie wegen Vorwürfen des Amts­miss­brauchs zurück und vertritt heute das kolum­bia­ni­sche Konsulat in London — die Anschul­di­gungen bestreitet sie.

Trotz ihres Rück­tritts bleibt ihre zentrale Forde­rung bestehen: Länder, die lange von Kolum­biens Rohstoffen profi­tiert haben, sollen finan­zi­elle Verant­wor­tung über­nehmen, um den Wandel zu erneu­er­baren Ener­gien zu ermög­li­chen. Auch die Schweiz steht in der Pflicht.

das Lamm: Irene Vélez Torres, während der Pandemie im Jahr 2021 schloss der Schweizer Konzern Glen­core das Kohle­berg­werk Prodeco im Norden Kolum­biens. Rund 7000 Arbeiter*innen verloren ihre Jobs, lokale Restau­rants und Hotels mussten schliessen und die Gemeinde verlor 85 Prozent ihrer Einnahmen. Wie kann eine Regie­rung solche Szena­rien verhin­dern, wenn sie die Förde­rung von fossilen Brenn­stoffen einstellen will?

Irene Vélez Torres: Prodeco schliessen zu lassen, war die denkbar schlech­teste Entschei­dung, die die frühere Regie­rung getroffen hat. Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Kohle­bergbau muss beendet werden, wenn wir die Ziele des Pariser Abkom­mens für 2030 errei­chen wollen.

Aber die Prodeco-Mine schloss von einem Tag auf den anderen, ohne dass man richtig darüber nach­dachte, was mit den entlas­senen Arbeit­neh­menden, mit den Maschinen, den riesigen Löchern im Berg oder den verschmutzten Flüssen passiert.

„Wir müssen die Unter­nehmen stärker in die Pflicht nehmen.“

Niemand war darauf vorbe­reitet, die Mine zu schliessen. Weder die Arbeiter*innen noch die lokalen Gemeinden. Es gab keinen Ersatz für die lokale Wirt­schaft, nur eine still­ge­legte Einnah­me­quelle. Das war unverantwortlich.

Was müsste in einem solchen Fall denn konkret geschehen?

Es braucht einen sozial- und umwelt­ver­träg­li­chen Plan für den Über­gang. Die Arbeiter*innen müssen umge­schult und Umwelt­schäden behoben werden. Aller­dings ist es sehr schwierig, einen solchen Über­gang zu finanzieren.

Deshalb denke ich, dass wir die Unter­nehmen stärker in die Pflicht nehmen müssen. Unter­nehmen wie Glen­core müssten beim Entscheid der Schlies­sung bereits ab dem ersten Tag damit beginnen, ihre Mitar­bei­tenden umzu­schulen und die Gebiete wieder­her­zu­stellen. Im Moment über­nehmen sie bei diesem Prozess jedoch kaum Verant­wor­tung und über­lassen den Prozess gröss­ten­teils dem Staat.

Fossile Brenn­stoffe wie Erdöl sind eine der wich­tig­sten Einnah­me­quellen Kolum­biens. Auf welche alter­na­tiven Einkom­mens­quellen kann das Land bei seinem Über­gang zurückgreifen?

Unser Ziel ist es, die Wirt­schaft in Kolum­bien umzu­struk­tu­rieren, indem wir auf den Erhalt der Natur und auf faire Arbeits­be­din­gungen setzen.

Erstens wollen wir die Lizenz­ge­bühren aus den kohlen­stoff­in­ten­siven Rohstoffen durch Tourismus zu ersetzen. Und zwar nicht irgendein Tourismus, sondern ökolo­gi­schen oder grünen Tourismus — alles, was mit der Aufwer­tung der biolo­gi­schen Viel­falt zu tun hat.

Diesen sollen kleine lokale Unter­nehmen durch­führen. Wir betrachten den Natur­tou­rismus als zentral für ein Energie- und Ökomo­dell, das weder der Natur noch der Bevöl­ke­rung vor Ort schadet, sondern die lokale Wirt­schaft fördert.

„Neoklas­si­sche Ökonom*innen blenden ökolo­gi­sche Schäden wie über­mäs­sigen Wasser­ver­brauch, Pesti­zid­be­la­stung oder Boden­ver­dich­tung aus.“

Als weiteres wollen wir die tradi­tio­nelle bäuer­liche Land­wirt­schaft im Gegen­satz zur indu­stri­ellen Land­wirt­schaft stärken. Der grösste Teil der land­wirt­schaft­li­chen Produk­tion soll von diesen Bäuer*innen und nicht aus gross­flä­chigen Mono­kul­turen stammen.

Die dritte Möglich­keit ist die Indu­stria­li­sie­rung, insbe­son­dere bei Tech­no­lo­gien für erneu­er­bare Ener­gien. Wir wollen Solar- und Wind­energie ausbauen, um die Einnahmen aus fossilen Brenn­stoffen zu ersetzen. Wir ziehen aber auch Geothermie und grünen Wasser­stoff in Betracht. Letz­terer ist in ganz Latein­ame­rika sehr populär, hat sich aber noch nicht als Handels­ware etabliert.

Was hat die kolum­bia­ni­sche Regie­rung bislang erreicht?

Der Natur­tou­rismus ist am stärk­sten gewachsen: Im Jahr 2024 verzeich­nete das Land eine Rekord­zahl von Tourist*innen und erst­mals über­trafen die Einnahmen aus dem Tourismus jene aus dem Ölgeschäft.

Auch die Land­wirt­schaft hat den höch­sten Stand der letzten zehn Jahre erreicht. Dies liegt an den beträcht­li­chen Inve­sti­tionen der kolum­bia­ni­schen Regie­rung in diesen Sektor. 2024 waren die öffent­li­chen Inve­sti­tionen doppelt so hoch wie vor 10 Jahren.

Kann die klein­bäu­er­liche Produk­tion die indu­stri­elle Land­wirt­schaft ersetzen?

Dazu müssen wir Verbände von Kleinbäuer*innen und in der Fischerei stärken. Es braucht ein genos­sen­schaft­li­ches Netz­werk, um mit der Produk­tion grosser Konzerne mithalten zu können. Darum versucht die Regie­rung, die Bäuer*innen im Rahmen der Agrar­re­form besser zu organisieren.

„Ein allge­meiner Rück­gang des Wirt­schafts­wachs­tums in Kolum­bien wäre weder wünschens­wert noch verantwortungsvoll.“

Ob die klein­bäu­er­liche Land­wirt­schaft die indu­stri­elle ablösen kann, hängt auch von den Faktoren ab, die man in die Analyse einbe­zieht. Neoklas­si­sche Ökonom*innen trennen die land­wirt­schaft­liche Produk­tion von den Umwelt­ko­sten und blenden so ökolo­gi­sche Schäden wie über­mäs­sigen Wasser­ver­brauch, Pesti­zid­be­la­stung oder Boden­ver­dich­tung aus.

Berück­sich­tigt man aber diese Umwelt­ko­sten, ist klein­bäu­er­liche Land­wirt­schaft die bessere Alternative.

Während Ihrer Amts­zeit als Mini­sterin forderten Sie, dass der Globale Norden sein Wirt­schafts­wachstum beschränkt – und lösten damit Empören aus. Wie wichtig ist für Kolum­bien eine Wirt­schafts­po­litik, die sich an den Grund­sätzen des Post­wachs­tums orientiert?

Der exzes­sive Verbrauch fossiler Ener­gien hat ein Ungleich­ge­wicht geschaffen, in dem der Globale Norden Reichtum anhäuft, während der Süden die Kosten für die Schäden trägt. Für uns bedeutet Degrowth, dass der Globalen Norden seine Nach­frage nach fossilen Ener­gie­trä­gern überdenkt.

Schauen wir uns die Ungleich­heit an – die Lücken beim Zugang zu Gesund­heit, Abwas­ser­ent­sor­gung und Bildung, oder die struk­tu­relle Verar­mung länd­li­cher Bevöl­ke­rungs­gruppen – wird klar: Ein allge­meiner Rück­gang des Wirt­schafts­wachs­tums in Kolum­bien und anderen Ländern des Globalen Südens wäre weder wünschens­wert noch verantwortungsvoll.

„Die neuen grüneren Unter­nehmen sollten ihre Geschäfts­mo­delle so gestalten, dass die Zivil­ge­sell­schaft mitbe­stimmen kann.“

Mit anderen Worten: Die wohl­ha­benden Volks­wirt­schaften sollten ihr BIP-Wachs­tums­mo­dell über­denken, um Umwelt­be­la­stungen und Emis­sionen zu redu­zieren. Was den Globalen Süden und insbe­son­dere Kolum­bien betrifft, streben wir einen gezielten Rückbau an, der sich speziell auf fossile Ener­gien konzen­triert. Ein pauschaler Aufruf zu Degrowth ist das nicht. Statt­dessen wollen wir das Wachstum der soge­nannten Lebens­öko­no­mien fördern, also Natur­tou­rismus, land­wirt­schaft­liche Produkte und grüne Ener­gien. Dafür brau­chen wir weiterhin Indu­stria­li­sie­rung, Inve­sti­tionen und eine Stär­kung der Wirtschaft.

Während Ihrer Amts­zeit arbei­teten Sie eng mit lokalen Gemein­schaften und Gewerk­schaften zusammen, um poli­ti­sche Stra­te­gien für die Ener­gie­wende vor Ort zu entwickeln. Was haben Sie dabei gelernt?

Zunächst: Jede Region braucht eine eigene Lösung. Die Unter­schiede in Gesell­schaft, Geschichte, Ökosy­stemen und Wirt­schaft erfor­dern lokal ange­passte Ansätze.

Zudem müssen wir stärker vermit­teln, dass auch Unter­nehmen soziale Verant­wor­tung für eine nach­hal­tige Zukunft tragen. Der tradi­tio­nelle Rohstoff­sektor muss konse­quent aus Kohle, Gas und Öl aussteigen, aber gleich­zeitig sollten die neuen grüneren Unter­nehmen ihre Geschäfts­mo­delle so gestalten, dass die Zivil­ge­sell­schaft mitbe­stimmen kann.

Ein Beispiel dafür liefert die Region La Guar­jira im Norden Kolum­biens, wo die meisten Projekte für grüne Ener­gien umge­setzt werden. Vor der aktu­ellen Regie­rung entschied ein drei­glied­riges Komitee über alle Vorhaben: die natio­nale Regie­rung, die lokale Regie­rung und die Unter­nehmen. Indi­gene Gemein­schaften, denen die betrof­fenen Gebiete laut Verfas­sung gehören, waren bei den Entschei­dungen nicht eingebunden.

Wir haben das Komitee komplett umge­staltet und die indi­genen Gemein­schaften als vierten Sektor einge­bunden. So kann nun ein gerech­terer Dialog stattfinden.

Kommen wir zurück zu Glen­core. Das Unter­nehmen betreibt den Kohle­ta­gebau El Cerrejón in der Region La Guajira. Im Herbst 2024 blockierten Mitglieder der afro­ko­lum­bia­ni­schen Gemein­schaft von Tabaco die Bahn­gleise der Mine. Wenn die Regie­rung unter Präsi­dent Petro mit den indi­genen Gemein­schaften zusam­men­ar­beitet, warum gibt es dann weiterhin solche Proteste?

El Cerrejón gehört mehr­heit­lich auslän­di­schen privaten Unter­nehmen: Glen­core hält ein Drittel der Anteile, die übrigen teilen sich der briti­sche Rohstoff­kon­zern Anglo American und das austra­li­sche Unter­nehmen BHP. Der Gewinn fliesst also nicht nach Kolum­bien, sondern in die Schweiz und das Verei­nigte König­reich. Kolum­bien erhält ledig­lich Lizenz­ge­bühren, die im Vergleich zu den Gewinnen sehr gering sind.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wer hier die Kontrolle über das Geschäft hat: Da Unter­nehmen wie Glen­core multi­na­tional sind, bewegen sie sich auf anderen als rein natio­nalen Ebenen. Viele Konflikte landen vor inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richten, wo sie in lang­wie­rigen Verfahren ausge­tragen werden, die kost­spielig für den kolum­bia­ni­schen Staat sind. Das bedroht auch ständig unsere Souve­rä­nität, da private Gerichte staat­liche Entschei­dungen infrage stellen und manchmal aufheben.

Im Fall von Prodeco ist die Umwelt nach dem Weggang von Glen­core stark geschä­digt worden. Wer muss welche Schritte unter­nehmen, um das ökolo­gi­sche Gleich­ge­wicht wiederherzustellen?

Es braucht eine ökolo­gi­sches Sanie­rungs­kon­zept, doch das ist sehr teuer und erfor­dert spezi­elles Wissen über die Region. Um das Prodeco-Problem zu lösen, haben wir beispiels­weise über ein Jahr Work­shops mit den lokalen Gemeinden und den Gewerk­schaften abge­halten, um einen regio­nalen Entwick­lungs­plan zu erstellen.

„Reiche Länder nutzten unsere Ener­gie­quellen, um zu wachsen, sich zu indu­stria­li­sieren und Kapital anzuhäufen.“ 

Wir haben Glen­core über diesen parti­zi­pa­tiven Prozess und den endgül­tigen Plan infor­miert, aber das Unter­nehmen ist nicht verpflichtet, diesen zu finan­zieren. Als auslän­di­sches Unter­nehmen können wir Glen­core nicht dazu zwingen, den im Plan aufge­führten Verant­wort­lich­keiten nach­zu­kommen. In unserem aktu­ellen Berg­bau­ge­setz fehlen solche Regelungen.

Bei der COP29-Klima­fon­fe­renz in Baku im November 2024 verkün­dete Kolum­bien einen 40 Milli­arden Dollar schweren Klima-Inve­sti­ti­ons­plan. Der grösste Teil – 14,5 Milli­arden Dollar – soll in die Finan­zie­rung der kolum­bia­ni­schen Ener­gie­wende und den Ausbau der erneu­er­baren Ener­gien gesteckt werden.

Erfor­der­lich sei diese Kehrt­wende nach Angaben der kolum­bia­ni­schen Regie­rung auch, weil Kolum­biens Kohle­be­stände in 10 bis 15 Jahren aufge­braucht sein könnten.

Das World Economic Forum geht davon aus, dass Entwick­lungs- und Schwel­len­länder wie Kolum­bien Inve­sti­tionen aus dem Ausland benö­tigen, um ihr Energie- und Wirt­schafts­sy­stem weg von kohlen­stoff­in­ten­siven Trägern und hin zu einer grünen Wirt­schaft zu trans­for­mieren. Im Gegen­satz zu Indu­strie­län­dern fehlt ihnen das notwen­dige Kapital.

Kolum­bien ersucht zur Umset­zung des Plans 10 Milli­arden Dollar finan­zi­elle Unter­stüt­zung von inter­na­tio­nalen Part­nern. Aller­dings erhält Kolum­bien bislang inter­na­tional wenig Zuspruch: Seit der Ankün­di­gung dieser Mass­nahmen ist die Kredit­wür­dig­keit des Landes gesunken und der Zugang zu Kapital ist noch schwie­riger geworden. Ökonom*innen und Expert*innen für Ener­gie­po­litik argu­men­tieren, dass Kolum­biens Wirt­schaft und Ener­gie­sy­stem noch lange nicht so weit seien, Kohle und Öl im Boden zu lassen.

Wie will die Regie­rung den Plan also umsetzen?

Der direk­teste Finan­zie­rungs­kanal ist die Erhö­hung unserer Auslands­schulden – da haben wir aber bereits unsere Grenzen erreicht.

Statt­dessen möchte ich die Schweiz oder Deutsch­land in die Pflicht nehmen. Wir expor­tieren seit über dreissig Jahren Kohle nach Deutsch­land und die Schweiz hat durch unsere Kohle wirt­schaft­liche Gewinne akku­mu­liert. Das schafft eine histo­ri­sche Verant­wor­tung, beson­ders gegen­über den kolum­bia­ni­schen Bergbaugebieten.

Reiche Länder nutzten unsere Ener­gie­quellen, um zu wachsen, sich zu indu­stria­li­sieren und Kapital anzu­häufen. Daher finden wir Kompen­sa­tionen oder Ausgleichs­zah­lungen von Part­ner­län­dern für den Über­gang angemessen.

Reiche Länder aus dem Globalen Norden sollen also eine Art Entschä­di­gung zahlen.

Ja, und diese Kompen­sa­ti­ons­zah­lungen können auf unter­schied­liche Weise fest­ge­legt werden. Präsi­dent Petro hat einen Schul­den­tausch im Gegenzug für Klima­schutz­mass­nahmen vorge­schlagen. Dabei sollen unsere Auslands­schulden erlassen werden, wobei wir die dafür vorge­se­henen Mittel für Klima-Inve­sti­tionen verwenden. Aber das zu entscheiden liegt bei den Banken und den Regie­rungen, denen die Banken gehören.

Präsi­dent Petro disku­tierte einen solchen mögli­chen Schul­den­tausch auch mit dem ehema­ligen US-Präsi­denten Joe Biden und dem deut­schen Bundes­kanzler Olaf Scholz. Beide zeigten sich offen für diesen Vorschlag.

Beim Schul­den­tausch geht es aber nicht nur um eine mone­täre Kompen­sa­tion, sondern vor allem um die Frage: Wie können lokale Gemein­schaften beim sozial-gerechten Über­gang aus dem Rohstoff­abbau unter­stützt werden?

Sie fordern doch Kompen­sa­ti­ons­zah­lungen von den reichen Ländern. Wie geht das über den mone­tären Aspekt hinaus?

Ein Beispiel kommt wieder aus der Region La Guajira im Norden Kolum­biens, die für Unter­nehmen im Bereich erneu­er­barer Ener­gien von grossem Inter­esse ist. Wenn die Länder des Globalen Nordens sich mit grüner Energie absi­chern müssen, die wir liefern, dann sollten wir die Produk­tion dieser grünen Energie demo­kra­ti­sieren und die lokalen Gemeinden beteiligen. 

Wie sieht eine solche demo­kra­ti­sierte Produk­tion aus?

Das Modell gibt es noch nicht, aber wir stellen es uns so vor: Die lokalen Gemein­schaften in den Gebieten, in denen die meisten Solar­pa­neele oder Wind­mühlen instal­liert werden, besitzen das Terri­to­rium. Das ist ein verfas­sungs­mäs­siges Recht, das sie seit 1991 haben. Wenn sie nun erlauben, ihre Gebiete entspre­chend zu nutzen, leisten sie einen mate­ri­ellen Beitrag.

Auf der anderen Seite muss jemand Kapital einbringen, etwa um die Indu­strie­an­lagen zu bauen. Am Ende sollte der Gewinn aufge­teilt werden unter denen, die das Kapital einge­bracht haben, und denen, die den Investor*innen erlaubt haben, ihr Land zu nutzen. 

So könnten die Gemeinden am Gewinn teil­haben und Miteigentümer*innen von erneu­er­baren Ener­gie­pro­jekten sein.


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