Polymetal International, T‑Mac Resources, Orosur Mining: Nein, bei diesen Firmen handelt es sich nicht um multinationale Verbrecherbanden in einem James-Bond-Film. Es sind drei von über 70 Rohstofffirmen, die vom 9. bis 11. April 2019 am European Gold Forum im Hotel Hyatt in Zürich teilnehmen. Die 76 Unternehmen und Unternehmensgruppen – keine einzige mit Sitz in der Schweiz – weisen einen kumulierten Jahresumsatz im zweistelligen Milliardenbereich auf.
Das von der amerikanischen Denver Gold Group organisierte Forum ist ein Networkingevent. Ein Unternehmen stellt ein neues Projekt vor, für welches es auf Investitionen angewiesen ist, preist die Vorteile des Projekts mit farbigen Powerpoint-Präsentationen an und schwärmt von möglichen Erträgen. Interessierte Investor*innen können nun anbeissen. Eine Art Tinder für Edelmetalle also. Über ökologische und soziale Aspekte wird hingegen nicht gesprochen. Das zeigt das Programm für das Forum.
Ein Hauch von James Bond umgibt den Anlass dennoch: Weder das Sicherheitsamt der Stadt Zürich, der Kreiskommandant vom Stadtkreis 2 noch die Kommunikationsstelle der Schweizer Nationalbank oder die grossen NGOs in der Rohstoffbranche sind über das Treffen der grossen Goldfirmen informiert. Und das, obwohl das European Gold Forum bereits zum achten Mal in Zürich stattfindet. Wie das?
Nur geladene Gäste und wer bezahlen kann
Die einzigen der Öffentlichkeit zugänglichen Kontaktdaten für Rückfragen bezüglich der Veranstaltung sind eine amerikanische Telefonnummer und eine E‑Mail Adresse, wobei weder Anrufzeiten angeben sind, noch eine Ansprechperson aufgelistet ist. Anrufe bei der Denver Gold Group, zu der die Nummer gehört, blieben unbeantwortet.
Eine Presseakkreditierung für den Anlass ist nicht möglich. Zutritt erhalten nur die entsprechenden Konzerne, grosse Investor*innen wie Blackrock, Banker*innen, wirtschaftliche Beratungsfirmen wie etwa McKinsey, private Investor*innen oder interessierte Kleininvestor*innen mit dem nötigen Kleingeld (der günstigste Tagespass kostet rund 200 Franken). Und „selected members of the financial media.“ Da das Lamm zu keiner der oben genannten Gruppen gehört, bleibt nur eine Onlinerecherche. Diese ist dafür umso ergiebiger, insbesondere hinsichtlich der Finanzpresse.
Das Ergebnis dieser Zugangsbeschränkung sind Schlagzeilen wie „Gold: Jetzt wird es spannend!” oder „Golden Star: Dies ist jetzt besonders wichtig!” Was sich wie Boulevardjournalismus für Anzugträger*innen liest, ist die logische Konsequenz aus zwei Phänomenen in der Finanzpresse: der strikten Trennung von Politik und Wirtschaft und dem Fokus auf Zugangsjournalismus, also Berichterstattung auf Einladung.
Beides spiegelt sich in den Zutrittsbedingungen für das Goldforum in Zürich: Hier sind Investor*innen und Rohstoffunternehmen unter sich – ohne lästige Politiker*innen, die Nebensächlichkeiten wie Menschenrechte oder Umweltstandards ansprechen. Zwar werden die Vorträge per Webcast übertragen, doch die informellen Gespräche zwischen Produzent*innen und Investor*innen finden fernab jeglicher Öffentlichkeit statt. Denn die Goldbranche ist eine geschlossene Gemeinschaft. Darüber berichten dürfen nur einige wenige Finanzjournalist*innen, die ihren Zugang zum Event nicht mit Skepsis gefährden wollen.
Auf das zweitgrösste Treffen der umstrittenen Goldbranche wird höchstens ein nüchterner Bericht über Goldpreise und Marktaussichten folgen. Keine journalistischen Artikel, sondern Investmentratgeber. Wenn überhaupt. Denn eine kurze Recherche zeigt, dass Schweizer Medien bis anhin nur selten über den Event berichtet haben. Scheinbar findet das Treffen nicht nur im blinden Fleck der Behörden, sondern auch des Journalismus statt.
Dabei ist Gold einer der umweltschädlichsten Rohstoffe überhaupt. Die Produktion von hübschen Verlobungsringen und massiven Goldbarren fügt Mensch und Natur massiven Schaden zu. Viele Firmen, die am Goldforum teilnehmen, haben sich beim Goldschürfen die Hände schmutzig gemacht. Ihr Fundament steht auf Blut.
13 Milliarden USD Jahresumsatz
Von den zehn grössten und umsatzstärksten Unternehmen der Goldbranche nimmt unter anderem die Weltnummer zwei, Newmont Mining, am Forum teil. Auch Kinross Gold, die Weltnummer vier, wird anwesend sein, genauso wie Agnico Eagle, die Nummer zehn der Weltrangliste.

Die Jahresumsätze dieser drei Unternehmen betrugen 2018 summiert über 13 Milliarden US-Dollar. Wobei Newmont mit rund 7.5 Milliarden US-Dollar deutlich obenaus schwingt. So viel Geld birgt auch viel Verantwortung. Verantwortung, der Newmont scheinbar nicht gerecht wird.
In den USA läuft momentan ein Rechtsstreit gegen das Unternehmen: wegen Bestechung. Ein weiterer Prozess gegen den Goldriesen ist bereits abgeschlossen. In einem aufsehenerregenden Präzedenzfall warf eine peruanische Farmerin dem Konzern vor, sich ihr Land widerrechtlich angeeignet und für den Bau einer Mine reklamiert zu haben. Gegen den Bau der Mine wurde im ganzen Landstrich teilweise gewaltvoll protestiert. Die Menschen in der Region, darunter viele indigene Peruaner*innen, die von der Landwirtschaft leben, fürchteten, dass die Mine die Landschaft unwiderruflich zerstören und ihre Lebensgrundlagen erodieren würde.
Gold wird nämlich meistens nicht idyllisch aus dem Bach gesiebt, sondern mittels Zyanidlauge oder Quecksilber aus dem Gestein gelöst. Zwei Chemikalien, die schwer umweltschädlich sind. Nachdem bereits die erste Instanz der Bäuerin recht gegeben hatte, zog Newmont den Prozess an die nächsthöhere Gerichtsstelle weiter. Diese bestätigte jedoch den erstinstanzlichen Entscheid zugunsten der Bäuerin.
Mit Sibanye-Stillwater wird auch der drittgrösste Palladium- und Platinproduzent der Welt und der grösste Goldproduzent Südafrikas am Goldforum anwesend sein. In den Minen des Konzerns in Südafrika kamen alleine 2018 20 Personen ums Leben. Die Umstände sind zum Teil bis heute nicht eindeutig geklärt. Im Fall von fünf toten Minenarbeitern wird Kreislaufkollaps in einer überhitzten und schlecht belüfteten Mine als Todesursache vermutet.
Berichten zufolge betrug die Temperatur in diesem Schacht über 50 Grad Celsius. Stillwater-CEO James Wellsted reagierte auf die Nachrichten über die Todesfälle mit einer Schuldzuweisung an die Kumpel selbst. Diese würden unnötige Risiken eingehen und die Sicherheitsmassnahmen nicht beachten.

Die Todesfälle in Südafrika sind leider keine Ausnahmen: Am 1. März dieses Jahres kamen bei einer unterirdischen Explosion in einer Goldmine des kanadischen Konzerns Leagold in Brasilien zwei Minenarbeiter ums Leben – drei weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Der Konzern Leagold, der kommende Woche ebenfalls im Hyatt zu Gast sein wird, gab an, Untersuchungen seien eingeleitet worden. Vorausgehende Zwischenfälle lassen darauf schliessen, dass fehlerhafte und veraltete Infrastruktur für den Tod der Männer verantwortlich ist.
Keine glänzende Leistung für Mensch und Umwelt
Der allergrösste Teil der teilnehmenden Firmen hat ihren Hauptsitz in Kanada; der Rest verteilt sich auf die Vereinigten Staaten von Amerika, Australien, Südafrika und die Tiefsteuerinseln Caiman und Virgin Islands. Die grossen Firmen betreiben Minen in Afrika, China, Nordamerika und Russland. Geschürft wird im globalen Süden oder in wirtschaftlich schwachen Regionen von Russland und Kasachstan. Versteuert werden die Gewinne – wenn überhaupt – im Westen oder auf den Cayman Islands. Täglich grüsst der Rohstoff-Fluch.
Aus Kontinentaleuropa oder der Schweiz wird hingegen keine Firma teilnehmen. Das mag überraschen. Nicht nur, weil das Forum in der Schweiz stattfindet, sondern weil die Schweiz die weltweit grösste Drehscheibe für veredeltes Gold ist. Mehr als die Hälfte des weltweit angebotenen Goldes wurde in der Schweiz veredelt. Vier der weltweit grössten Goldraffinerien haben ihren Hauptsitz in der Schweiz, so etwa Metalor in Neuenburg.

Die Schweiz handelt also viel mit Gold. Und wie die oben genannten Beispiele zeigen, arbeiten die Betreiber der Goldminen längst nicht immer im Rahmen, den Menschenrechte und Umweltstandards vorgeben. Machen sich also auch Schweizer Firmen die Goldfinger schmutzig?
Auf diese Frage gab der Bundesrat letzten November in seinem Bericht „Goldhandel und Verletzung der Menschenrechte” eine Antwort. Und die möglichen Probleme, die in diesem Bericht aufgezählt werden, sind typisch für die Rohstoffindustrie: schlechte Behandlung von Arbeitnehmer*innen, Vertreibung von indigenen Völkern und Verletzung von Umweltstandards. Die Rechtslage der Schweiz sei zwar eine der strengsten der Welt, aber: „Die Frage, ob Gold, das aus einer informellen Produktion stammt, bei welcher der Verdacht der Nichteinhaltung der internationalen Sozial- und Umweltstandards besteht, und das von Schweizer Firmen erworben wurde, als unrechtmässiges Gut gelten kann, bleibt offen.” Der bestehende Rechtsrahmen stelle lediglich sicher, dass Schweizer Firmen kein Gold aus betrügerischen Quellen verarbeiten, aber er enthalte keine ausdrücklichen Bestimmungen hinsichtlich der Menschenrechte.
„Die Grossminen sind für Vertreibungen von indigenen Völkern verantwortlich. Ausserdem pumpen sie Unmengen von Wasser ab, welches der ansässigen Bevölkerung dann fehlt”, sagt Julia Büsser, Kampagnenleiterin Wirtschaft und Indigenenrechte für die Gemeinschaft für bedrohte Völker (GfbV). Mit der Analyse des Bundesrats ist die GfbV nicht restlos einverstanden. „Der Goldbericht des Bundesrats beschreibt die Risiken im Goldgeschäft und weist darauf hin, dass weder die bestehende Gesetzgebung noch die freiwilligen Standards des Privatsektors komplett verhindern, dass menschenrechtswidrig produziertes Gold in die Schweiz gelangt”, steht in der Medienmitteilung der GfbV und Public Eye zum Goldbericht. „Die bundesrätliche Analyse hat jedoch entscheidende Schwachstellen: Die Massnahmen der Goldbranche werden überschätzt und der Bundesrat verpasst es, die Lücken im Schweizer Recht zu identifizieren.” Tatsächlich sieht der Bundesrat keinen Anlass, gesetzgeberisch gegen die Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards vorzugehen. Er vertritt somit die gleiche, erwartbare Haltung, die er in anderen Bereichen der Rohstoffbranche geäussert hat: Nicht staatliche Regulationen braucht das Land, sondern mehr Eigenverantwortung der milliardenschweren Konzerne.
Dass diese dazu nicht fähig sind, scheint indes immer klarer zu werden. Die Konzernverantwortungsinitiative erfreut sich weiterhin grosser Beliebtheit, auch über die politische Linke hinaus. Wie im Diamantenhandel wären in der Schweiz vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen im Hochrisikobereich von der Initiative betroffen, sagt Julia Büsser von der GfvB. Aber die Konzernverantwortungsinitiative verlangt auch, dass eine generelle Sorgfaltspflicht für Rohstofffirmen gelten sollte; samt Sanktionsmöglichkeiten. Ausserdem verlangen die NGOs mehr Transparenz durch die Offenlegung der Sorgfaltsprüfung von Schweizer Goldraffinerien.
Das erscheint sinnvoll, denn wie das European Gold Forum wieder einmal eindrücklich zeigt, gefällt sich die Rohstoffbranche gut in der Rolle der verschwiegenen Gruppe von Superreichen, die jenseits der öffentlichen Aufmerksamkeit Gewinne maximieren und Regulierungen vermeiden kann. Zumindest in dieser Hinsicht passt das European Gold Forum vielleicht tatsächlich in einen Hollywood-Streifen. Nur findet das Treffen nicht versteckt in einem Geheimlabor in den Alpen statt, sondern in aller Öffentlichkeit im wirtschaftlichen Herzen der Schweiz.
Journalismus kostet
Die Produktion dieses Artikels nahm 24 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1508 einnehmen.
Als Leser*in von das Lamm konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produktion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rechnung sieht so aus:
Wir haben einen Lohndeckel bei CHF 22. Die gewerkschaftliche Empfehlung wäre CHF 35 pro Stunde.
CHF 840 → 35 CHF/h für Lohn der Schreibenden, Redigat, Korrektorat (Produktion)
CHF 408 → 17 CHF/h für Fixkosten (Raum- & Servermiete, Programme usw.)
CHF 260 pro Artikel → Backoffice, Kommunikation, IT, Bildredaktion, Marketing usw.
Weitere Informationen zu unseren Finanzen findest du hier.
Solidarisches Abo
Nur durch Abos erhalten wir finanzielle Sicherheit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unterstützt du uns nachhaltig und machst Journalismus demokratisch zugänglich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.
Ihr unterstützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorgfältig recherchierte Informationen, kritisch aufbereitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Journalismus abseits von schnellen News und Clickbait erhalten.
In der kriselnden Medienwelt ist es ohnehin fast unmöglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkommerziell ausgerichtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugänglich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure solidarischen Abos angewiesen. Unser Lohn ist unmittelbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kritischen Journalismus für alle.
Einzelspende
Ihr wollt uns lieber einmalig unterstützen?