Was Frau­en­rechte mit der Durch­set­zungs­in­itia­tive zu tun haben

Im neuen Kino-Spiel­film von Sarah Gavron kämpfen Akti­vi­stinnen Anfang des 20. Jahr­hun­derts für die Einfüh­rung des Frau­en­wahl­rechts. Mit der Durch­set­zungs­in­itia­tive fordert die SVP ein Sonder­straf­recht für Auslän­de­rInnen. Auf den ersten Blick hat das eine mit dem andern nichts zu tun. Im Kern aber eine ganze Menge. 
Hier waren die Männer bis 1971 unter sich: Die Landsgemeinde in Glarus (Foto: Gemeinde Glarus).

London, Anfang des 20. Jahr­hun­derts: Die junge Mutter Maud Watts arbeitet über zehn Stunden täglich in einer Gross­wä­scherei; nebenbei zieht sie ihren Sohn gross. Durch Zufall kommt sie mit Anhän­ge­rinnen der Frau­en­rechts­be­we­gung in Kontakt. Anfäng­lich noch zurück­hal­tend, wandelt sich Watts rasch zur entschlos­senen Akti­vi­stin, die nach einer ersten Inhaf­tie­rung von ihrem Mann verlassen wird. Der Kampf für geschlecht­liche Gleich­be­rech­ti­gung erfor­dert Opfer, etwa den Verlust der eigenen Familie.

Die Suffra­getten waren eine vorwie­gend bürger­liche Bewe­gung von Frau­en­recht­le­rinnen, die zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts in Gross­bri­tan­nien und den USA für die Einfüh­rung des Frau­en­wahl­rechts kämpften – mit öffent­li­chem Protest, Hunger­streiks und phasen­weise radi­kalen Mitteln wie Bomben­an­schlägen. Der neue Film Suffra­gette von Sarah Gavron erzählt ihre Geschichte. Zentrale Figur der Bewe­gung war Emmeline Pankhurst. Sie grün­dete im Jahr 1903 die Woman’s Social and Poli­tical Union (WSPU), die sich von anderen Frau­en­rechts­or­ga­ni­sa­tionen bereits mit ihrem Slogan klar abgrenzte: Die WSPU setzte auf „Taten, nicht Worte“, eine Stra­tegie, die Pankhurst mehrere Verhaf­tungen einbrachte. Die aufse­hen­er­re­gendste Verhaf­tung vor dem Buck­ingham Palace produ­zierte eines der einpräg­sam­sten foto­gra­fi­schen Zeug­nisse des Kampfes der Frauen für mehr Rechte.

Emmeline Pankhurst, Anführerin der Suffragettenbewegung in Grossbritannien und Gründerin der Woman’s Social and Political Union. Rechts: Pankhursts Verhaftung 1914 vor dem Buckinham Palace.
Emmeline Pankhurst, Anfüh­rerin der Suffra­get­ten­be­we­gung in Gross­bri­tan­nien und Grün­derin der Woman’s Social and Poli­tical Union. Rechts: Pankhursts Verhaf­tung 1914 vor dem Buck­inham Palace.

Im Film wird Pankhurst von Oscar-Preis­trä­gerin Meryl Streep verkör­pert. Doch ob der filmi­schen Umset­zung der histo­ri­schen Bege­ben­heiten kann man geteilter Meinung sein. Der Kampf um Gleich­be­rech­ti­gung wirkt manchmal klischee­haft und des Öfteren ziem­lich fried­lich. Carey Mulligan ist als Maud Watts nicht immer über­zeu­gend und die promi­nente Rolle von Meryl Streep bei der Vermark­tung des Filmes frag­würdig, hat diese doch bloss einen Kurz­auf­tritt von knapp drei Minuten, Pankhursts zentraler Rolle inner­halb der Frau­en­be­we­gung zum Trotz.
Weil uns die Geschichte aber vor Augen führt, wie umkämpft die geschlecht­liche Gleich­be­rech­ti­gung in diesen Tagen war, und welche Opfer die Einfüh­rung des Frau­en­wahl­rechts letzt­end­lich erfor­derte, lohnt sich der Gang ins Kino allemal. Gleiche Rechte für alle Menschen, unab­hängig von Geschlecht, Haut­farbe und Herkunft sind keine Selbst­ver­ständ­lich­keit und zu oft hart umkämpft – das macht einem der Film über die Suffra­getten bewusst.

Aber die Geschichte verläuft nicht geradlinig

Die Bewe­gung hat ihr Ziel erreicht: Am 2. Juli 1928 führte Gross­bri­tan­nien das Frau­en­wahl­recht ein. In der Schweiz geschah dies auf Bundes­ebene über 40 Jahre später, am 7. Februar 1971. Auf kanto­naler Ebene blieb die Unge­rech­tig­keit teil­weise noch länger bestehen. Am läng­sten in Appen­zell Inner­hoden, wo das kanto­nale Frau­en­stimm- und wahl­recht erst 1991 einge­führt wurde – per Bundesgerichtsentscheid.

Doch die Geschichte der Mensch­heit, der Gleich­be­rech­ti­gung und der Demo­kratie verläuft nicht immer gerad­linig. Es ist manchmal eine Geschichte, die zu ihren Anfängen zurück­zu­kehren schient. So auch dieser Tage.

Rund 25 Jahre nachdem der Diskri­mi­nie­rung der weib­li­chen Bevöl­ke­rung auf Ebene der Bürger­rechte hier­zu­lande ein Ende gesetzt wurde, droht am 28. Februar die Einfüh­rung einer gesetz­lich veran­kerten Ungleich­be­hand­lung einer anderen Bevöl­ke­rungs­gruppe: Der fast zwei Millionen Auslän­de­rInnen, die in der Schweiz leben, rund einem Viertel der stän­digen Wohn­be­völ­ke­rung. Wenn an diesem Tag über die Durch­set­zungs­in­itia­tive der SVP abge­stimmt wird, entscheiden sich die Stimm­bür­ge­rInnen für oder gegen eine neue Zwei­klas­sen­ge­sell­schaft in der Schweiz. Gleiche Gesetze für alle Menschen, das wäre Schnee von gestern.

Wir müssen zwar nicht in den Hunger­streik treten

Klar, Auslän­de­rinnen und Ausländer werden faktisch schon heute diskri­mi­niert. Sie dürfen, zumin­dest auf Bundes­ebene, nicht wählen und abstimmen und sind somit dem Willen der rund 5,2 Millionen Stimm­bür­ge­rInnen in der Schweiz ausge­setzt. Das ist frag­würdig, steht momentan aber nicht zur Debatte. Indem die SVP ein Sonder­straf­recht für Auslän­de­rInnen verlangt, will sie Mitmen­schen aber nicht nur aus dem demo­kra­ti­schen Gesetz­ge­bungs­ver­fahren ausschliessen, sondern sie auch anderen Gesetzen unter­werfen. Das erin­nert an dunkle Kapitel der Welt­ge­schichte: An das Apart­heid-Regime in Südafrika beispielsweise.

 

Doch dem nicht genug: Weil die Bestim­mungen zur Ausschaf­fung krimi­neller Ausländer direkt und detail­liert in die Verfas­sung geschrieben werden sollen, würde das Parla­ment als Gesetz­geber umgangen und den Gerichten die Prüfung der Verhält­nis­mäs­sig­keit im Einzel­fall verwehrt. Damit hebelt die SVP faktisch den Rechts­staat aus. Das ist bedenk­lich und höchst proble­ma­tisch. Eine gerechte Gesell­schaft sieht anders aus.

Die Geschichte hat gezeigt: Die Demo­kratie ist eine fragile Staats­form und Bürger­rechte sind keine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Die Suffra­getten haben ebenso dafür gekämpft wie Nelson Mandela in Südafrika und Martin Luther King in den USA. Sie alle haben für ihren Kampf grosse Opfer gebracht. Um das, was sie erreicht haben, zu bewahren, müssen wir heute keinen Hunger­streik antreten, keine Bomben­an­schläge planen und auch nicht unsere Fami­lien dem poli­ti­schen Kampf opfern. Aber um eines kommen wir nicht herum: am 28. Februar „Nein“ zu stimmen und damit ein deut­li­ches Zeichen gegen Diskri­mi­nie­rung zu setzten.


Jour­na­lismus kostet

Die Produk­tion dieses Arti­kels nahm 8 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 676 einnehmen.

Als Leser*in von das Lamm konsu­mierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demo­kratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produk­tion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rech­nung sieht so aus:

Soli­da­ri­sches Abo

Nur durch Abos erhalten wir finan­zi­elle Sicher­heit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unter­stützt du uns nach­haltig und machst Jour­na­lismus demo­kra­tisch zugäng­lich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.

Ihr unter­stützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorg­fältig recher­chierte Infor­ma­tionen, kritisch aufbe­reitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unab­hängig von ihren finan­zi­ellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Jour­na­lismus abseits von schnellen News und Click­bait erhalten.

In der kriselnden Medi­en­welt ist es ohnehin fast unmög­lich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkom­mer­ziell ausge­richtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugäng­lich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure soli­da­ri­schen Abos ange­wiesen. Unser Lohn ist unmit­telbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kriti­schen Jour­na­lismus für alle.

Ähnliche Artikel

Revolte statt Rosen

Der 8. März wird vielerorts als „Hommage an das weibliche Geschlecht“ verstanden. Dabei wird die politische Dimension des Tages komplett ignoriert. Eine Chronologie von über hundert Jahren proletarischem, feministischem Kampf.