Kleine Krabben graben Löcher im feuchten Sand an einem abgelegenen Ort im Norden Tansanias. Es ist vier Uhr nachmittags und ausser einem vorbeiziehenden Fischer ist am Ufer niemand zu sehen. Es ist schwer vorstellbar, dass genau an diesem Ort, an dem sich jetzt die Wellen an den Wurzeln der Mangrovenbäume brechen, ein 72 Hektar grosser Hafen entstehen soll. Ein Hafen, der bis zu zwei Millionen Fässer Öl lagern soll, bevor sie über den Indischen Ozean ins Ausland exportiert werden.
Die staubige Landstrasse, die nördlich der Küstenstadt Tanga an diesen Ort führt, wird bereits für die Durchfahrt von Lastwagen verbreitert. Am Ende der Strasse findet sich eine Tafel: „Der Grundstein für das East African Crude Oil Project wurde von S.E. Dr. John Pombe Magufuli, dem Präsidenten der Vereinigten Republik Tansania, und S.E. Yoweri Kaguta Museveni, dem Präsidenten der Republik Uganda, am 5. August 2017 in Chongoleani in der Region Tanga gelegt.“ Fast sechs Jahre später ist es immer noch der einzige Hinweis zum Ölprojekt im friedlichen Küstengebiet Tansanias.
Die geplante Hafeninfrastruktur wird in der Nähe von ökologisch wichtigen Meeresgebieten liegen. Der Schiffsverkehr und die Offshore-Aktivitäten werden sich auf das gesamte Schutzgebiet des Pemba-Kanals auswirken, – eines der am besten erhaltenen Gebiete im bereits gefährdeten westlichen Indischen Ozean.
Bedrohte Korallenriffe und Mangrovenwälder
Laut einer Studie des Coastal Oceans Research Development of the Indian Ocean East Africa (CORDIO) sind innerhalb der nächsten 50 Jahre alle Korallen in Ostafrika bedroht. Die Pipeline könnte ein zusätzliches Problem darstellen.
„Die grösste Sorge ist ein mögliches Leck, das katastrophale Folgen hätte. Bereits der Seeverkehr alleine wird die Korallen durch die Farbanstriche an den Schiffen und die giftigen Treibstoffe beeinträchtigen“, sagt David Obura, Direktor des Instituts, gegenüber das Lamm. Der Forscher, der in der kenianischen Küstenstadt Mombasa arbeitet, ist darüber besorgt, wie sich die zunehmenden industriellen Aktivitäten an einem der intaktesten Korallenriffs in ganz Ostafrika auswirken wird.
Auch die tansanischen Behörden sorgen sich um die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt in diesem Gebiet. Catherine Msina zeigt auf den Strand vor dem Hauptquartier des Tanga Coelacanth Marine Park, der sich über eine 100 Kilometer lange Küstenlinie erstreckt und gefährdete Arten wie den namensgebenden Quastenflosser beherbergt. Mit einer mehr als 400 Millionen Jahre alten Geschichte ist er einer der ältesten Fische der Welt. Er lebt in Tiefen zwischen 100 und 200 Metern und verträgt keine Wassertemperaturen über 23 Grad und keinen Lärm. “Wegen dem Lärm der Öltanker können sich die Quastenflosser nicht mehr orientieren und ernähren“, sagt die Leiterin des Meeresparks.
Die Mitarbeiter*innen des Tanga Coelacanth Marine Park überwachen den Zustand der Korallen und Mangroven regelmässig – denn beide sind lebenswichtig, da sie CO2 binden und das Ökosystem regulieren. Sie fahren jeden Monat aufs Meer hinaus und vermessen 40 Meter Korallen, notieren die Korallenarten, die Anzahl der Fische und die Seeigel im Schutzgebiet.
Die Mangroven überwachen die Teams, indem sie mit einem Seil aus Bast eine Fläche von 100 Quadratmetern bedecken, um die verschiedenen Arten und ihr Wachstum zu notieren. Alle vier Monate messen sie so die Breite und das Auftreten neuer Blätter. „Die meisten Mangroven sind am Absterben, deshalb ist es wichtig, dass wir sie kontrollieren“, sagt Humphrey Mahudi, der Leiter dieser Teams.
Der Tanga Marine Coelacanth Park arbeitet auch mit anderen Organisationen wie der Wildlife Conservation Society (WCS) zusammen, um die Gebiete zu begrenzen, in denen Menschen innerhalb des Parks fischen dürfen. Johnson Mshana, regionaler Projektkoordinator der WCS, kann noch immer nicht glauben, dass dort, wo er jetzt arbeitet, in zwei Jahren Öltanker vorbeifahren sollen. „Man kann sich nicht vorstellen, dass in diesem völlig grünen, von Mangroven bedeckten Gebiet ein Hafen gebaut werden soll“, sagt er.
Die WCS hat jedoch mit den EACOP-Entwickler*innen zusammengearbeitet. Diese Position kritisierten einige Umweltschützer*innen: Es sei unvereinbar, für ihre Arbeit Geld von Ölfirmen zu erhalten. Mshana aber verteidigt die Mitarbeit am Projekt der EACOP: “Wir müssen sicherstellen, dass die Umweltauswirkungen so gering wie möglich sind“, sagt er. „Wenn es etwa ein Ölleck gibt, muss es ein Protokoll geben, das befolgt wird.“
Der Weg zu künftigen Ölprojekten in Ostafrika
Die EACOP soll ugandisches Öl transportieren. Aber sobald die Pipeline gebaut ist, wird sie Möglichkeiten für weitere Projekte in der Region eröffnen, die das Ökosystem Ostafrikas weiter gefährden würden.
Die Demokratische Republik Kongo hat als erstes Land Interesse an der EACOP gezeigt, um das Öl des eigenen Landes zu erschliessen. Im August 2022 kündigte die Regierung eine Auktion für 27 der 32 Ölblöcke des Landes an. Laut Schätzungen, kommunizierte der kongolesische Präsident Felix Tshisekedi, belaufen sich die Ölreserven auf 22 Milliarden Barrel im ganzen Land.
Drei Milliarden davon befinden sich in zwei Blöcken am Ufer des Albertsees in der Nähe des ugandischen Öls. Total Energies hat bereits Interesse an der Ausschöpfung dieser Blöcke bekundet, die die anfänglichen 216’000 Barrel aus dem EACOP-Projekt um bis zu 50’000 Barrel pro Tag erweitern würden.
Die von der französischen Total Energies geplante grösste beheizte Ölpipeline der Welt soll ugandisches Öl über Tansania aus dem Kontinent exportieren. Das Projekt kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Europa nach Energiealternativen sucht und die Welt darüber debattiert, ob Afrika seine eigenen Ressourcen erschliessen darf. Denn die EACOP gefährdet nicht nur Menschenrechte und sensible Gebiete mit Korallenriffen und Mangrovenwäldern, sondern öffnet auch die Tür für zukünftige Ölprojekte in Ostafrika – und bedroht damit viele weitere Ökosysteme.
Teil 1: Ostafrikas Ölpipeline: Ein Rückschlag für Umwelt und Menschenrechte
Teil 2: Neokolonialismus der EACOP: Ein beidseitiger Vorwurf
Teil 3: Gefährdete Ökosysteme: Kein Ende in Sicht nach der EACOP
Diese Recherche wurde von Journalismfund.eu unterstützt.
Die wirtschaftliche und ökologische Debatte in Uganda und Tansania wiederholt sich in der DR Kongo. Das Öl hat auf dem internationalen Markt einen geschätzten Wert von über 600 Milliarden Dollar und könnte einem der fünf ärmsten Länder der Welt, in dem weniger als 20 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität haben, dringend benötigte Einnahmen verschaffen. Doch wie auch das ugandische Öl im Murchison Falls Nationalpark liegt, befindet es sich im Kongo im Virunga Nationalpark, in dem fast die Hälfte der 1’000 Berggorillas leben, die es auf der Erde noch gibt.
Trotz des Aufschreis von Naturschützer*innen sprechen die kongolesischen Regierungsvertreter*innen Klartext: „Wir kümmern uns mehr um die Menschen als um die Gorillas. Wir sind unserem Volk verpflichtet, die NGOs hingegen nicht“, so Patrick Muyaya, der Kommunikationsminister der DR Kongo.
Abgesehen davon, dass die Ölförderung in der DR Kongo die Tierwelt beeinträchtigen könnte, sind auch die erwarteten Auswirkungen auf den Klimawandel verheerend. Das Kongobecken beherbergt einen der drei grössten Tropenwälder der Welt, der jedes Jahr 1.5 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre säubert. Wissenschaftler*innen haben berechnet, dass die Förderung des gesamten Erdöls des Landes 14 Prozent der jährlichen Emissionen der Welt verursachen würde.
Da die Infrastruktur der EACOP auch weiteren Unternehmen die Möglichkeit bietet, Rohöl aus Afrika zu exportieren, werden diese in Zukunft weniger zögern, in fossile Brennstoffprojekte zu investieren. Die aktuellen Entwicklungen in Uganda und Tansania versetzen nicht nur den Ökosystemen dieser beiden Länder einen Schlag, sondern dem globalen Kampf gegen den Klimawandel.
Dieser Artikel wurde von Maria-Theres Schuler vom Englischen ins Deutsche übersetzt.
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