Gefähr­dete Ökosy­steme: Kein Ende in Sicht nach der EACOP (3/3)

Die geplante Ölpipe­line EACOP gefährdet nicht nur die Koral­len­riffe und Mangro­ven­wälder Tansa­nias. Sie öffnet auch die Tür für zukünf­tige Ölpro­jekte in Ostafrika – und bedroht damit viele weitere Ökosysteme. 
Sicht auf den Virunga-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo, wo im Dezember 2022 neue Ölfelder erschlossen wurden. Die EACOP wird vom Energiesektor als Schlüsselinfrastruktur für die Erschliessung der immensen Ölreserven Zentralafrikas für den Weltmarkt bezeichnet. (Foto: Pablo Garrigós)

Kleine Krabben graben Löcher im feuchten Sand an einem abge­le­genen Ort im Norden Tansa­nias. Es ist vier Uhr nach­mit­tags und ausser einem vorbei­zie­henden Fischer ist am Ufer niemand zu sehen. Es ist schwer vorstellbar, dass genau an diesem Ort, an dem sich jetzt die Wellen an den Wurzeln der Mangro­ven­bäume brechen, ein 72 Hektar grosser Hafen entstehen soll. Ein Hafen, der bis zu zwei Millionen Fässer Öl lagern soll, bevor sie über den Indi­schen Ozean ins Ausland expor­tiert werden.

Die stau­bige Land­strasse, die nörd­lich der Küsten­stadt Tanga an diesen Ort führt, wird bereits für die Durch­fahrt von Last­wagen verbrei­tert. Am Ende der Strasse findet sich eine Tafel: „Der Grund­stein für das East African Crude Oil Project wurde von S.E. Dr. John Pombe Magufuli, dem Präsi­denten der Verei­nigten Repu­blik Tansania, und S.E. Yoweri Kaguta Muse­veni, dem Präsi­denten der Repu­blik Uganda, am 5. August 2017 in Chon­go­leani in der Region Tanga gelegt.“ Fast sechs Jahre später ist es immer noch der einzige Hinweis zum Ölpro­jekt im fried­li­chen Küsten­ge­biet Tansanias.

Die geplante Hafen­in­fra­struktur wird in der Nähe von ökolo­gisch wich­tigen Meeres­ge­bieten liegen. Der Schiffs­ver­kehr und die Offshore-Akti­vi­täten werden sich auf das gesamte Schutz­ge­biet des Pemba-Kanals auswirken, – eines der am besten erhal­tenen Gebiete im bereits gefähr­deten west­li­chen Indi­schen Ozean.

Bedrohte Koral­len­riffe und Mangrovenwälder

Laut einer Studie des Coastal Oceans Rese­arch Deve­lo­p­ment of the Indian Ocean East Africa (CORDIO) sind inner­halb der näch­sten 50 Jahre alle Korallen in Ostafrika bedroht. Die Pipe­line könnte ein zusätz­li­ches Problem darstellen.

„Die grösste Sorge ist ein mögli­ches Leck, das kata­stro­phale Folgen hätte. Bereits der Seever­kehr alleine wird die Korallen durch die Farb­an­striche an den Schiffen und die giftigen Treib­stoffe beein­träch­tigen“, sagt David Obura, Direktor des Insti­tuts, gegen­über das Lamm. Der Forscher, der in der kenia­ni­schen Küsten­stadt Mombasa arbeitet, ist darüber besorgt, wie sich die zuneh­menden indu­stri­ellen Akti­vi­täten an einem der intak­te­sten Koral­len­riffs in ganz Ostafrika auswirken wird.

Die Tanga Marine Conser­va­tion Area verfügt über einen der am besten erhal­tenen Mangro­ven­wälder der Region. Wenige Kilo­meter von diesem Schutz­ge­biet entfernt soll das EACOP-Terminal gebaut werden, um täglich mehr als 216’000 Barrel Rohöl mit Öltan­kern zu expor­tieren. (Foto: Pablo Garrigós)

Auch die tansa­ni­schen Behörden sorgen sich um die einzig­ar­tige Tier- und Pflan­zen­welt in diesem Gebiet. Cathe­rine Msina zeigt auf den Strand vor dem Haupt­quar­tier des Tanga Coela­canth Marine Park, der sich über eine 100 Kilo­meter lange Küsten­linie erstreckt und gefähr­dete Arten wie den namens­ge­benden Quasten­flosser beher­bergt. Mit einer mehr als 400 Millionen Jahre alten Geschichte ist er einer der älte­sten Fische der Welt. Er lebt in Tiefen zwischen 100 und 200 Metern und verträgt keine Wasser­tem­pe­ra­turen über 23 Grad und keinen Lärm. “Wegen dem Lärm der Öltanker können sich die Quasten­flosser nicht mehr orien­tieren und ernähren“, sagt die Leiterin des Meeresparks.

Die Mitarbeiter*innen des Tanga Coela­canth Marine Park über­wa­chen den Zustand der Korallen und Mangroven regel­mässig – denn beide sind lebens­wichtig, da sie CO2 binden und das Ökosy­stem regu­lieren. Sie fahren jeden Monat aufs Meer hinaus und vermessen 40 Meter Korallen, notieren die Koral­len­arten, die Anzahl der Fische und die Seeigel im Schutzgebiet. 

Die Mangroven über­wa­chen die Teams, indem sie mit einem Seil aus Bast eine Fläche von 100 Quadrat­me­tern bedecken, um die verschie­denen Arten und ihr Wachstum zu notieren. Alle vier Monate messen sie so die Breite und das Auftreten neuer Blätter. „Die meisten Mangroven sind am Absterben, deshalb ist es wichtig, dass wir sie kontrol­lieren“, sagt Humphrey Mahudi, der Leiter dieser Teams.

Humphrey Mahudi, der leitende Biologe und Biodi­ver­si­täts­ma­nager des Coela­canth Marine Park in Tanga, während der vier­tel­jähr­li­chen Über­wa­chung des Gesund­heits­zu­stands der Mangro­ven­wälder. (Foto: Pablo Garrigós)

Der Tanga Marine Coela­canth Park arbeitet auch mit anderen Orga­ni­sa­tionen wie der Wild­life Conser­va­tion Society (WCS) zusammen, um die Gebiete zu begrenzen, in denen Menschen inner­halb des Parks fischen dürfen. Johnson Mshana, regio­naler Projekt­ko­or­di­nator der WCS, kann noch immer nicht glauben, dass dort, wo er jetzt arbeitet, in zwei Jahren Öltanker vorbei­fahren sollen. „Man kann sich nicht vorstellen, dass in diesem völlig grünen, von Mangroven bedeckten Gebiet ein Hafen gebaut werden soll“, sagt er. 

Die WCS hat jedoch mit den EACOP-Entwickler*innen zusam­men­ge­ar­beitet. Diese Posi­tion kriti­sierten einige Umweltschützer*innen: Es sei unver­einbar, für ihre Arbeit Geld von Ölfirmen zu erhalten. Mshana aber vertei­digt die Mitar­beit am Projekt der EACOP: “Wir müssen sicher­stellen, dass die Umwelt­aus­wir­kungen so gering wie möglich sind“, sagt er. „Wenn es etwa ein Ölleck gibt, muss es ein Proto­koll geben, das befolgt wird.“ 

Der Weg zu künf­tigen Ölpro­jekten in Ostafrika

Die EACOP soll ugan­di­sches Öl trans­por­tieren. Aber sobald die Pipe­line gebaut ist, wird sie Möglich­keiten für weitere Projekte in der Region eröffnen, die das Ökosy­stem Ostafrikas weiter gefährden würden.

Die Demo­kra­ti­sche Repu­blik Kongo hat als erstes Land Inter­esse an der EACOP gezeigt, um das Öl des eigenen Landes zu erschliessen. Im August 2022 kündigte die Regie­rung eine Auktion für 27 der 32 Ölblöcke des Landes an. Laut Schät­zungen, kommu­ni­zierte der kongo­le­si­sche Präsi­dent Felix Tshise­kedi, belaufen sich die Ölre­serven auf 22 Milli­arden Barrel im ganzen Land.

Drei Milli­arden davon befinden sich in zwei Blöcken am Ufer des Albert­sees in der Nähe des ugan­di­schen Öls. Total Ener­gies hat bereits Inter­esse an der Ausschöp­fung dieser Blöcke bekundet, die die anfäng­li­chen 216’000 Barrel aus dem EACOP-Projekt um bis zu 50’000 Barrel pro Tag erwei­tern würden.

Die von der fran­zö­si­schen Total Ener­gies geplante grösste beheizte Ölpipe­line der Welt soll ugan­di­sches Öl über Tansania aus dem Konti­nent expor­tieren. Das Projekt kommt zu einem Zeit­punkt, an dem Europa nach Ener­gie­al­ter­na­tiven sucht und die Welt darüber debat­tiert, ob Afrika seine eigenen Ressourcen erschliessen darf. Denn die EACOP gefährdet nicht nur Menschen­rechte und sensible Gebiete mit Koral­len­riffen und Mangro­ven­wäl­dern, sondern öffnet auch die Tür für zukünf­tige Ölpro­jekte in Ostafrika – und bedroht damit viele weitere Ökosysteme.

Teil 1: Ostafrikas Ölpipe­line: Ein Rück­schlag für Umwelt und Menschenrechte

Teil 2: Neoko­lo­nia­lismus der EACOP: Ein beid­sei­tiger Vorwurf

Teil 3: Gefähr­dete Ökosy­steme: Kein Ende in Sicht nach der EACOP

Diese Recherche wurde von Journalismfund.eu unterstützt.

Die wirt­schaft­liche und ökolo­gi­sche Debatte in Uganda und Tansania wieder­holt sich in der DR Kongo. Das Öl hat auf dem inter­na­tio­nalen Markt einen geschätzten Wert von über 600 Milli­arden Dollar und könnte einem der fünf ärmsten Länder der Welt, in dem weniger als 20 Prozent der Bevöl­ke­rung Zugang zu Elek­tri­zität haben, drin­gend benö­tigte Einnahmen verschaffen. Doch wie auch das ugan­di­sche Öl im Murch­ison Falls Natio­nal­park liegt, befindet es sich im Kongo im Virunga Natio­nal­park, in dem fast die Hälfte der 1’000 Berg­go­rillas leben, die es auf der Erde noch gibt.

Trotz des Aufschreis von Naturschützer*innen spre­chen die kongo­le­si­schen Regierungsvertreter*innen Klar­text: „Wir kümmern uns mehr um die Menschen als um die Gorillas. Wir sind unserem Volk verpflichtet, die NGOs hingegen nicht“, so Patrick Muyaya, der Kommu­ni­ka­ti­ons­mi­ni­ster der DR Kongo.

Abge­sehen davon, dass die Ölför­de­rung in der DR Kongo die Tier­welt beein­träch­tigen könnte, sind auch die erwar­teten Auswir­kungen auf den Klima­wandel verhee­rend. Das Kongo­becken beher­bergt einen der drei grössten Tropen­wälder der Welt, der jedes Jahr 1.5 Milli­arden Tonnen CO2 aus der Atmo­sphäre säubert. Wissenschaftler*innen haben berechnet, dass die Förde­rung des gesamten Erdöls des Landes 14 Prozent der jähr­li­chen Emis­sionen der Welt verur­sa­chen würde.

Da die Infra­struktur der EACOP auch weiteren Unter­nehmen die Möglich­keit bietet, Rohöl aus Afrika zu expor­tieren, werden diese in Zukunft weniger zögern, in fossile Brenn­stoff­pro­jekte zu inve­stieren. Die aktu­ellen Entwick­lungen in Uganda und Tansania versetzen nicht nur den Ökosy­stemen dieser beiden Länder einen Schlag, sondern dem globalen Kampf gegen den Klimawandel.

Dieser Artikel wurde von Maria-Theres Schuler vom Engli­schen ins Deut­sche übersetzt.


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