In Waddinxveen, einem Ort in den Niederlanden in der Nähe von Gouda, steht eine unscheinbare, aber möglicherweise revolutionäre Maschine: ein Förderband, ein Kasten, dann wieder ein Förderband — so sehen viele Anlagen in Fabriken aus. Aber dieser Kasten könnte die Welt etwas besser, sprich, etwas plastikfreier machen. Denn im Kasten steckt ein Laser.
Eigentlich handelt es sich bei dem Gerät um eine Art Brandzeichensetzer für Obst und Gemüse. Mittels Niedrigenergie-Kohlendioxidlaser brennt er all das auf Avocados und Süsskartoffeln, was früher auf eine Etikette gedruckt wurde, die auf einer Plastikverpackung klebte: Herkunft, Nummer, Logo, Sortenname — kurz: Alles, was KonsumentInnen wissen müssen, um einen vernünftigen Kaufentscheid zu fällen. Der Laser erhitzt hierzu die gewünschten Punkte in der obersten Schalenschicht, bis die Farbe sozusagen weggebrannt ist.
Der Laser, der Verpackungen überflüssig machen soll, gehört der Firma eosta. Sie ist nach eigenen Angaben die grösste europäische Importeurin von Biogemüse und ‑obst. Eosta beliefert Supermarktketten in ganz Europa, Jahresumsatz: 100 Millionen Euro. Und eosta weiss: Eigentlich ist es offensichtlich widersinnig, Biogemüse und Bioobst in Plastik einzupacken, aber man erkläre das mal bitte sehr Supermärkten. Diese wollen sichergehen, dass die teuren biologischen Produkte von konventionellen Produkten unterscheidbar sind. Manche Supermärkte wie die Migros in der Schweiz haben in der Vergangenheit auch etwas speziellere Gründe gesucht, um zu rechtfertigen, weshalb einer einzelnen Biogurke ein Kondom übergezogen werden muss: Es müsse verhindert werden, dass das Biogemüse durch Pestizide der konventionellen Gemüse kontaminiert wird. Gerade bei den Beispielen der Biogurke oder Bananen, die ja eigentlich durch ihre Schale bereits verpackt sind, ist dieses Argument nur schwer nachvollziehbar.
Für die Bioimporteurin eosta, die ganz Europa beliefert, war der Verpackungsmüll ein Ärgernis grösseren Ausmasses. Alleine in Deutschland verursacht die Verpackung von Gemüse und Obst jedes Jahr 90’000 Tonnen Müll. Die Lösung fand eosta im Süden Europas, dort, wo das Gemüse, das später in Plastik verpackt durch Europa wandert, geerntet wird: In Valencia versuchte die Firma Laserfood ihre Lasertechnologie mit Unterstützung der EU, einem amerikanischen Konzern und der Universität von Valencia so weiterzuentwickeln, dass Gemüse belasert werden konnte, ohne Schaden zu nehmen. Der Hintergedanke war kein ökologischer.
Denn Carrefour Spanien hatte ein Problem: Der Detailhandelsgigant führte in seinem Sortiment zwei Sorten Wassermelonen: Günstige und deutlich teurere Premium-Wassermelonen. Um zu sparen, begannen die KundInnen die Kleber der Premium-Wassermelonen mit den Klebern von Budget-Wassermelonen auszutauschen. Die Lasertechnologie versprach eine Lösung: Carrefour verpflichtete alle Lieferanten von Premium-Wassermelonen, fortan das Premium-Siegel direkt auf die Wassermelonen zu lasern.
Eosta erkannte: Diese Technologie ergibt gerade für Biogemüse und ‑obst besonders Sinn. Die NiederländerInnen lizenzierten die Technologie und suchten KundInnen. Fündig wurden sie — wie könnte es anders sein — in Schweden. Für die Supermarktkette ICA verpackt eosta die Bioavocados seither nicht mehr in Plastikschalen, sondern lasert die Informationen direkt auf die einzelnen Früchte. Für das Lasern einer Avocado sollen 0,2 Prozent des CO2 eingesetzt werden, das für einen Sticker gleicher Grösse notwendig wäre. ICA will so 725’000 Plastikschalen und ‑folien pro Jahr einsparen. Das sind 2042 Kilogramm Plastik. In einem Jahr. Das rettet die Welt zwar noch nicht. Aber es ist ein Anfang.
Auch sonst ist die Technologie nicht uneingeschränkt einsetzbar: Das Verfahren eignet sich auch nicht für jede Art von Früchten. Die Schale von Zitrusfrüchten zum Beispiel erneuert sich ständig. Weglasern gleicht da einer Sisyphusarbeit.
Avocados, Wassermelonen: die LaseradvokatInnen beginnen ihren Feldzug gegen die Verpackung bewusst mit Produkten deren Schale ohnehin nicht verzehrt wird. Denn KonsumentInnen, so glauben sie, könnten verunsichert sein, wenn sie wissen, dass ein Laser ihr Gemüse und ihre Früchte „verbrennt.“ Dabei müssen sie sich keine Sorgen machen: Mittels Laser gebrandmarkte Lebensmittel sollen genau gleich sicher sein wie mit Plastik umwickelte. Wenn man die Weichmacher im Plastik mitbedenkt, womöglich sogar gesünder. Die EU und die USA haben dann die Methode auch bereits zugelassen. Auch in der Schweiz wäre die Technik dank bilateraler Abkommen mit der EU bereits erlaubt.
Laserfood sagt auf Anfrage von das Lamm, dass verschiedene Schweizer Supermärkte Interesse hätten. Um wen es sich dabei handelt, will die Firma nicht verraten. Migros erklärte auf Nachfrage, dass sie kürzlich von der Methode erfahren hätten und diese genau prüfen würden. Und auch Coop prüft momentan, wie er die Verpackung von Biogemüse und ‑früchten reduzieren kann. „Das Lasern der Produkte ist dabei einer von unterschiedlichen möglichen Ansätzen“, sagt Coop gegenüber das Lamm. Das klingt vielversprechend. Wobei — welche anderen Ansätze prüft Coop denn noch? „Zum Beispel Aufkleber.“
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