Geld machen mit Schutz­masken: Ist das OK?

Ein Unter­nehmen aus Berlin verkauft in einem Schweizer Online­shop Hygie­ne­masken und Desin­fek­ti­ons­mittel – zu sehr hohen Preisen. Nun über­prüft die KaPo das Angebot. 
Symbolbild (Foto: Mika Baumeister/ Unsplash)

Während in Öster­reich bereits beim Gang in den Super­markt Masken­pflicht gilt, erläu­tert in der Schweiz Daniel Koch, Leiter „Über­trag­bare Krank­heiten“ beim Bundesamt für Gesund­heit, in jeder Pres­se­kon­fe­renz dasselbe: Es gebe keine Empfeh­lung zum gene­rellen Masken-tragen. Trotzdem setzen nun viele Unter­nehmen auf das Geschäft mit Schutz­masken. Eines davon ist der Online­shop “Hygieneprodukte24.ch”.

Sowohl auf NZZ online, wie auch auf dem Online­auf­tritt der bz, werden heute Werbe­banner ange­zeigt, mit denen ein Unter­nehmen aus Deutsch­land mit dem Namen „Hygieneprodukte24.ch“ Schutz­masken verkaufen will. Der Shop verspricht Mund­schutz­masken und Desin­fek­ti­ons­mittel, welche in der EU herge­stellt wurden, und eine Express­lie­fe­rung innert 2–4 Tagen. “Schützen Sie sich und andere” heisst es zum Schluss.

Auf verschiedenen Onlinemedien erschienen heute Insarte von einem Onlineshop für Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel (Sreenshot bz – Zeitung für die Region Basel, 1.4.2020)
Auf verschie­denen Online­me­dien erschienen heute Inse­rate von einem Online­shop für Mund­schutz­masken und Desin­fek­ti­ons­mittel (Screen­shot von bzbasel.ch, 1.4.2020).

Wer auf den Banner klickt, landet wie ange­priesen auf einem Shop für Hygie­ne­masken und Desin­fek­ti­ons­mittel. Was auffällt: Die Preise sind extrem hoch. Ein Liter Desin­fek­ti­ons­mittel kostet 99 Franken; für 50 normale Hygie­ne­schutz­masken zahlt man bei „Hygieneprodukte24.ch“ 149 Franken oder gut 3 Franken pro Maske. Zur Erin­ne­rung: Eine normale Hygie­ne­maske kostete vor COVID-19 laut Tages-Anzeiger rund 10 Rappen. Das ist eine Preis­stei­ge­rung um den Faktor 30.

Der Onlineshop bietet die Masken für rund 3.- CHF das Stück an (Screenshot nzz.ch (1.4.2020))
Der Online­shop bietet die Masken für rund 3.- CHF pro Stück an (Screen­shot von nzz.ch, 1.4.2020).

Wer steckt hinter dem Online­shop? Laut Impressum eine Zoila GmbH mit Sitz in Berlin, als Geschäfts­führer ist Rylke Schult einge­tragen. Die Zoila GmbH verkauft sonst Gesichts­cremes und Haut­pfle­ge­pro­dukte. Ein kurzer Blick in die Wayback Machine zeigt, dass der Shop wohl am 22.03.2020 erstellt wurde. Vor zehn Tagen war noch die Schweizer Akti­en­ge­sell­schaft ‘EFFAG Royal China Europe Invest­ment AG’ mit Sitz in Kirch­berg, St. Gallen als Marken­ei­gen­tü­merin eingetragen.

Warum eröffnet eine Deut­sche Firma einen Hygie­ne­masken-Shop in der Schweiz, just in den Tagen, in denen auch hier­zu­lande der Ruf nach einer landes­weiten Masken­pflicht laut wird? Und wie sind die hohen Preise zu recht­fer­tigen? Bei der Hotline der Firma mit Sitz in Berlin ist nur eine Sekre­tärin erreichbar. Sie verspricht, die Lamm-Anfrage dem Geschäfts­führer zu schil­dern. Kurz darauf meldet sich ein Herr Müller von einer Schweizer Handy­nummer und nimmt Stel­lung zu den Vorwürfen.

Stel­lung­nahme Hygieneprodukte/ Zoila GmbH:
„Der Einkauf von Schutz­klei­dung hat sich auf Grund der COVID-19 „Corona-Virus“ in den letzten Wochen sehr dyna­misch gezeigt. Die Nach­fragen welt­weit sind um den Faktor 1’000 und mehr ange­stiegen. Wir als eCom­merce-Anbieter für den privaten Endkun­den­be­reich sind abhängig von direkten Produ­zenten und Zwischen­händ­lern. Diese leiten uns teils aben­teu­er­liche Preise weiter, die wir dann mit einer tiefen Handels­marge an den Kunden durch­leiten müssen. Wir haben nach­weis­lich an kranke Kunden oder von Konkurs bedrohte KMUS (u.a. Zügel­un­ter­nehmen) in den letzten Tage bereits bestellte Ware unter unseren aktu­ellen Einkaufs­preisen abgeben.
Sollten die Preise weiter im Einkauf steigen, was aktuell der Fall ist, müssten wir noch­mals die aktu­ellen Preise erhöhen. Sollten die Einkaufs­preise für uns fallen, werden wir unsere Preise umge­hend nach unten anpassen und auch bereits bestellte, bezahlte Ware rück­wir­kend rabattieren.
Die Firma Zoila, Berlin betreibt seit nunmehr 3 Jahren Handel in die Schweiz. Auch mit eigenen Platt­formen u.a. zoila.de und via Amazon. Zoila wird zeitnah eine eigene Schweizer-Gesell­schaft betreiben; die Grün­dung hat sich auf Grund der durch die Convid-Krise verur­sachten Stau bei Behörden (Handels­re­gi­ster, Anwälte) und dem Einrei­se­verbot für den Berliner Zoila-Geschäfts­führer verzögert.”

Ausserdem spricht er von Aufträgen aus dem Kanton Zürich. Auf Anfrage bei der Zürcher Gesund­heits­di­rek­tion antwortet die KaPo: “Die Kantons­po­lizei Zürich hat Ihre Anfrage von der Gesund­heits­di­rek­tion erhalten. Wir werden das Angebot prüfen und allfäl­lige Mass­nahmen einleiten. Die Beur­tei­lung liegt schluss­end­lich bei der Untersuchungsbehörde.”

Inter­es­sant: Tippt man die Handy­nummer bei Google ein, landet man auf der Home­page einer Zürcher Digital Marke­ting-Firma mit dem Namen addFu­ture. Der Jour­na­list Johannes Hapig ist ein Kenner der Schweizer Marke­ting­welt, aber von addFu­ture hat er noch nie gehört. Laut Money­house ist die Firma seit 2016 in Liqui­da­tion.

Laut der Webseite von addFu­ture gehört die Handy­nummer aller­dings keinem Herrn Müller, sondern einem Ruben Welsch. Den Vorwurf, dass er sich als jemand anders ausge­geben habe, bestreitet Herr Müller: “Das ist eine alte Seite. Mein Name ist Müller”. Im schrift­li­chen Austausch mit support@hygieneprodukte24.ch zeichnet der Absender seine Nach­richten mit dem Namen Dirk Müller. Der Herr Müller im Schutz­masken-Geschäft heisst anschei­nend gleich wie Dirk “Mr. Dax” Müller, ein bekannter deut­scher Börsenmakler.

„Hygieneprodukte24.ch“ ist nur ein Beispiel für Unter­nehmer, die von der stei­genden Nach­frage an Hygie­ne­masken profi­tieren wollen. Der Tages­an­zeiger berichtet heute von einem Zürcher Jungn­ter­nehmer, der 500’000 Hygie­ne­masken aus China impor­tiert hat und diese an Alters­heime, Spitex-Orga­ni­sa­tionen, aber auch Privat­per­sonen verkauft. Preis pro Maske: bis zu 1.50 Franken, rund 10mal mehr als vor Covid-19.


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