Käse­pro­duk­tion im Kongo II: Zwischen Konflikten und Korruption

Personen, die in Masisi Weide­land und Kühe besitzen, besetzen auch einfluss­reiche Macht­po­si­tionen in der DR Kongo – in der Politik, im Militär, oder im Rohstoff­ge­schäft. Sie sind während Rebel­lionen an Land gekommen, das sie seither mit aller Macht vertei­digen. Der Bevöl­ke­rung bleibt wenig ausser der stän­digen Unsi­cher­heiten. Teil II der Repor­tage „Käse im Kongo“. 
“Im Krieg geht es zu einem großen Teil um Kühe - und um das Grasen”, schreibt Ben Rawlence in seinem Buch Radio Congo (2013). Auch wenn diese Erklärung sicherlich zu kurz greift, spielen auch Kühe eine Rolle in den aktuellen Konflikten Masisis (Foto: Guerchom Ndebo).

Direkt am Stras­sen­rand stehen einfache Hütten, die mit Planen der Inter­na­tional Orga­ni­sa­tion of Migra­tion (IOM) über­dacht sind. Wir befinden uns in der Vertrie­be­nen­sied­lung Katale und sind zu Besuch bei Albert Mugi­ronake. Der ältere Mann produ­ziert in seiner kleinen Hütte Käse. Auf einem Tisch im Haupt­raum seiner Hütte steht eine Metall­schüssel. Albert hebt das Leinen­tuch, eine weisse Flüs­sig­keit kommt zum Vorschein. „Mein Gesund­heits­zu­stand und mein Alter erlauben es mir nicht mehr, Land­wirt­schaft zu betreiben.“ Seine Frau lebt mit einer Behin­de­rung, seit ihr in den Fuss geschossen wurde. „Die Käserei ermög­licht es mir, etwas zu essen zu finden und das Schul­geld meiner Kinder zu bezahlen“, erzählt der Käser.

Ein Bericht der Behörden Masisis zu Land- und Vieh­wirt­schaft bedauert „die schlechte Qualität der Käse­sorten, die in den Pira­ten­kä­se­reien herge­stellt werden, die wie Pilze in bestimmten Dörfern in der Umge­bung der Bauern­höfe wachsen“. Albert hat das Käse­ma­chen von einer ihm bekannten Familie aus dem selben Dorf gelernt. In einem Hinter­zimmer seiner Hütte zeigt er uns die Bretter und Steine, mit denen er den Käse in eine Form presst. Die teuren Produkte zur Käse­her­stel­lung wie Lab oder Milch­säu­re­bak­te­rien kann er sich ebenso wenig leisten wie die nötige Reife­zeit. 21 Tage wären ideal.

Auch wenn Behörden und moderne Käse­reien die Art des Käsens, wie es Albert prak­ti­ziert, aufgrund des fehlenden notwen­digen Equip­ments und einer offi­zi­ellen Ausbil­dung diskre­di­tieren: An einem Ort wie Katale, wo die Menschen jahr­zehn­te­lang in Kriegen ums Über­leben kämpfen und es fast keine Jobs gibt, sind Alberts Wissen und Fertig­keiten viel wert.

Zurzeit zählt das Büro der Vereinten Nationen für die Koor­di­nie­rung huma­ni­tärer Ange­le­gen­heiten (OCHA) über 220’000 intern Vertrie­bene in Masisi – in zwölf offi­zi­ellen Camps und in was die huma­ni­täre Gemein­schaft als „spon­tane Ansied­lungen“ in Gast­fa­mi­lien beti­telt. Natür­lich sind keines­wegs alle Flucht­be­we­gungen auf Land­ver­lust wegen der Umstel­lung auf Vieh­wirt­schaft zurück­zu­führen. Viele mussten ihr Zuhause wegen der stän­digen Unsi­cher­heit aufgrund der Kriege verlassen. Doch auch in diesen Fällen geht es meist um den Zugang zu Land.

Albert und seine Familie zählen nicht zu den intern Vertrie­benen, zwischen deren Hütten ihr Zuhause steht. Sein Leben hatte eine schwie­rige Wende erfahren als sein ehema­liger Chef, der in Masisi für eine huma­ni­täre Orga­ni­sa­tion arbei­tete und bei dem er als Koch ange­stellt war, nach Europa zurück­ging. Der Bau seines Hauses wurde von diesem Euro­päer finan­ziert. (Foto: Guer­chom Ndebo)

Mit Rebel­lionen zu Macht und Land

Der Forscher Inno­cent Muganzo erklärt mir weitere Hinter­gründe des Land­kon­fliktes von Luhonga, von welchem mir Baseme Katabu­misa erzählt hatte (siehe Teil I dieser Repor­tage). Bevor das Grund­stück 1973 zairia­ni­siert wurde, war die Kaffee­plan­tage in den Händen eines belgi­schen Kolo­ni­al­herren. Der neue kongo­le­si­sche Besitzer verstarb, bevor er seinen Besitz über­haupt zu Gesicht bekommen hatte. Wie viele andere Plan­tagen, die unzu­rei­chend verwaltet wurden, kam sie 1998 ins Visier der Führungs­riege der Rebel­lion des Rassem­blement congo­lais pour la Démo­cratie (RCD).

Käse­pro­duk­tion im Kongo: Eine drei­tei­lige Repor­tage
In drei Beiträgen erkunden wir die Verknüp­fung der Käse­pro­duk­tion mit den histo­ri­schen und andau­ernden Konflikten in der Region Masisi:
Teil I blickt auf die Anfänge der Käse­pro­duk­tion in Masisi und das kolo­niale Erbe der Land­ver­tei­lung.
Teil II folgt der Rolle der Rebel­lionen für die aktu­ellen Land­kon­flikte und beleuchtet, was die Vieh­wirt­schaft heute für den Zugang zu Land und die Sicher­heit der Bevöl­ke­rung bedeutet.
Die abschlies­sende Foto­re­por­tage in Teil III gibt Einblick in das Hand­werk der Käse­pro­duk­tion und der Vieh­hal­tung in Masisi.

Der RCD wandte sich im soge­nannten zweiten Kongo­krieg gegen die Regie­rung unter Laurent-Désirée Kabila in Kinshasa. Wieder kamen die Mittel zur Kriegs­füh­rung gröss­ten­teils aus dem Nach­bar­land Ruanda, aber auch von kongo­le­si­schen Berg­bau­res­sourcen sowie von Steuern, die der Bevöl­ke­rung aufer­legt wurden. Ausge­hend von Goma errich­teten die Rebell*innen zwischen 1998 und 2003 eine paral­lele Staats­ver­wal­tung in einem grossen Teil des Ostkongos.

„Während dieser Zeit sind viele der ehema­ligen Plan­tagen von Mitglie­dern des RCD-Staates über­nommen worden“, sagt Inno­cent. Obwohl die Bevöl­ke­rung auf der Konzes­sion Luhonga weiterhin Kaffee anbaute und Land­wirt­schaft betrieb, wurde sie als verlas­senes Grund­stück dekla­riert. Im Paral­lel­staat des RCD beklei­dete ein Mann namens Emma­nuel Kamanzi die Posi­tion des Vorste­hers des Depart­ments für Land, Minen und Energie. Er riss sich die Konzes­sion Luhonga unter den Nagel. Niemand konnte sich ihm in den Weg stellen. Wie andere Personen der RCD-Führung kontrol­lierte Kamanzi die Agro­nomen und Agenten für Landangelegenheiten.

2003 wurde der RCD nach den Sun-City-Frie­dens­ge­sprä­chen als Partei Teil des Über­gangs­staates. Deshalb besetzen Expo­nenten der ehema­ligen Führungs­riege des RCD-Staates auch heute poli­tisch sehr einfluss­reiche Posi­tionen. Kamanzi etwa ist heute Vorsit­zender des Verwal­tungs­rates von ACOGE­NOKI, dem Verband der Vieh­züch­ter­ko­ope­ra­tiven Nord-Kivus.

Der Fall Kamanzi zeigt beispiel­haft, wie sich die Führungs­riege des RCD-Staates grossen Land­be­sitz aneig­nete und diesen während der CNDP-Rebel­lion konso­li­dierte. Die komplexen Prozesse der Land­an­eig­nung und ‑siche­rung machen es bis heute schwierig abzu­schätzen, wer in Masisi Anspruch auf welches Land hat.

Im Büro für Land­an­ge­le­gen­heiten der Region Masisi in der Stadt Sake türmen sich die Land­ur­kunden. Die meisten Mappen in ausge­bleichtem Grün, Blau, Rosa und Gelb sind an den Rändern ausge­franst. Viele dieser Urkunden seien unter Druck geschrieben worden, um die Enteig­nung zu erleich­tern, bekräf­tigt Inno­cent, während ein Beamter an einem Holz­tisch nebenan wild in die Tastatur einer Schreib­ma­schine haut.

Inno­cent rechnet vor, wie wert­voll die Geschenke an die ehema­ligen Kriegs­treiber wirk­lich sind: „Stell dir jemanden vor, der während der RCD-Periode 300 Hektar umsonst bekommen hat. Wenn du diese Fläche mit 2’000 multi­pli­zierst – der Durch­schnitts­preis in Dollar, zu dem heute in Masisi ein Hektar Land gehan­delt wird – dann bekommst du, was diese Person an Vermögen geschenkt bekommen hat – 600’000 Dollar“.

Das Militär im Rücken

Ein Gross­teil der Gross­grund­be­sitzer ist nicht nur unter zwei­fel­haften Umständen in den Besitz der Lände­reien gekommen. Der Wert ihrer Besitz­tümer lässt sie bis heute genauso umstrit­tene Methoden anwenden, um diese zu verteidigen.

Am 22. Februar lese ich in den Lokal­nach­richten, dass der natio­nale Abge­ord­nete Jean-Babtiste Kasekwa die sofor­tige Einstel­lung der mili­tä­ri­schen Einmi­schung in Land­strei­tig­keiten in Masisi und die Eröff­nung eines Gerichts­ver­fah­rens fordert. Ich rufe Kasekwa in Kinshasa an. Ich will wissen, weshalb sich das kongo­le­si­sche Militär in den Land­kon­flikt einmischt. „Es gibt mehrere Gründe“, antwor­tete der Poli­tiker. „Einer davon ist, dass Mili­tär­of­fi­ziere selber Konzes­sionen besitzen.“

Ein Beispiel dafür ist General Inno­cent Gahizi. Allein in Masisi besitzt der ehema­lige CNPD-Colonel 2’500 Hektar Farm­land. Aus einem 2008 veröf­fent­lichten Bericht der UNO geht hervor, dass ihm ein Teil davon während der CNPD-Rebel­lion zuge­spro­chen wurde. Nach dem Frie­dens­ab­kommen zwischen dem CNDP und der Regie­rung von Joseph Kabila wurde Gahizi in die natio­nale Armee reinte­griert und damit rehabilitiert.

Der Abge­ord­nete Kasekwa spricht weiter. „Ein weiterer Grund ist, dass die Offi­ziere oft Fami­li­en­mit­glieder oder Freunde von Besit­zern sind.“ Anstatt dass die Regie­rung als Schieds­rich­terin zwischen der enteig­neten Bevöl­ke­rung und den Eigen­tü­mern dieser Weiden auftritt und eine faire Lösung anstrebt, schlage sie sich auf die Seite der Gross­grund­be­sitzer. Dies werde durch die Macht­ver­hält­nisse in der Region begün­stigt. „Die Gross­grund­be­sitzer haben die Mittel, nach Kinshasa zu kommen, um sich für ihre Anliegen einzu­setzen und offi­zi­elle Doku­mente zu erhalten“, so Kasekwa. Oft würden die Eigen­tümer dann eine Inter­ven­tion der Streit­kräfte fordern.

Gemäss einem Brief der betrof­fenen Bevöl­ke­rung, der Kasekwa vorliegt, wurden seit März 2017 mehr als 36’000 Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Mehr als 4’000 Häuser wurden abge­rissen, 32 Tote und 25 Verge­wal­ti­gungen regi­striert. Die Gross­grund­be­sitzer umgehen nicht nur das Gesetz, indem sie unrecht­mässig Doku­mente erlangen oder Richter*innen schmieren. Die natio­nalen Streit­kräfte verbreiten im Inter­esse der reichen Vieh- und Farm­be­sitzer auch Angst und Schrecken. „Ich habe dem Vertei­di­gungs­mi­ni­ster einen Brief geschrieben“, sagt Kasekwa. „Ich verlange von der Regie­rung, dass dieser schlimme Zustand ein Ende hat“.

Bei einem dieser Fälle handelt es sich um die ehema­lige Plan­tage Kisumu. Sie wurde von einem früheren Abge­ord­neten des RCD und einfluss­rei­chen Geschäfts­mann Faustin Dunia Baka­rani beschlag­nahmt. Auch er hat die Plan­tage inzwi­schen in Kuhweiden umfunk­tio­niert. General Gahizi streitet seine Betei­li­gung an der Mili­tär­ge­walt in diesen Fall ab und schiebt die Verant­wor­tung statt­dessen dem Regi­ments­kom­man­danten vor Ort in die Schuhe. Dies scheint aller­dings unwahr­schein­lich, da es sich bei der Frau des Besit­zers Dunia Bara­kani um die Schwe­ster der Frau des Gene­rals handelt.

Von Vertrei­bung zu Gewalt

Die 2015 in Kisumu begin­nende Vertrei­bung der ehema­ligen Plantagenarbeiter*innen und deren Fami­lien, welche dieses Land weiterhin bewirt­schaftet hatten, führt uns zurück nach Katale, wo wir den Käser Albert Mugi­ronake besucht hatten. Ein Teil dieser Vertrie­benen hat sich im Vertrie­be­nen­lager Katale nieder­ge­lassen. Auch dieser Ort ist von Mili­tär­ge­walt betroffen. Denn es handelt sich gleich­zeitig um eine Konzes­sion der einfluss­rei­chen Geschäfts­fa­milie Maka­buza, die bereits mehr­mals wegen ille­galen Mine­ra­li­en­ex­porten und der finan­zi­ellen Unter­stüt­zung der Rebellen­bewegung des CNDP in UN-Berichten erwähnt wurde.

Blick auf die einfa­chen Behau­sungen der Vertrie­be­nen­sied­lung Katale. (Foto: Guer­chom Ndebo)

In Katale wurde das Militär einge­setzt, um die Bevöl­ke­rung von der Kulti­vie­rung des Landes abzu­halten und um die Kühe vor Über­griffen zu schützen. Die Familie Maka­buza bean­spruche auch das Land, auf welcher sich das Vertrie­be­nen­lager befindet. „Aber wohin sollten die Menschen gehen?“, fragt der Forscher Inno­cent rheto­risch, als wir über diesen Fall spre­chen – und liefert dann doch eine Antwort, die zumin­dest für einen Teil der Bewohner zutrifft: „Die meisten Jugend­li­chen haben sich der bewaff­neten Gruppe Nyatura angeschlossen.“

„Wenn das Militär einge­setzt wird, führt das dazu, dass die Bevöl­ke­rung zur Gewalt greift“, meint auch der Abge­ord­nete Kasekwa. Die Kühe würden oft erschossen oder mit Macheten aufge­schlitzt und dann auf den Weiden liegen gelassen. Die Täter*innen hoffen, dass sie durch diese Attacken die Gross­grund­be­sitzer loswerden und wieder Land­wirt­schaft betreiben können. Das Abschlachten einer Kuh ist auch ein symbo­li­scher Akt. Der vieh­be­sit­zenden Tutsi-Bevöl­ke­rung gelten sie als Symbol für Ansehen und Reichtum.

Auch das Leben der Bevöl­ke­rung Luhongas nahm eine Wende zum Schlech­teren, als der Konzes­sionär Emma­nuel Kamanzi 2007 die Kaffee­bäume fällte und mit der Vieh­wirt­schaft begann. Baseme Katabu­misa erzählte mir davon bei unserem Treffen im Restau­rant in Sake: „Er hat uns sogar das Land genommen, auf dem wir für unser Über­leben anbauen konnten. Als wir uns wider­setzten, hat er uns mit dem Militär gewaltsam vertrieben. Es war katastrophal.“

Die Bevöl­ke­rung Luhongas ging vor Gericht. Von den 370 Hektar Land wurden ihnen 24 Hektar zuge­spro­chen. Dies nur, weil UN-Habitat vermit­telt und für die Bevöl­ke­rung plädiert hatte. Doch: „Die uns zuge­spro­chenen Hektare befinden sich inmitten der Farm, wir fühlen uns umzin­gelt.“ Baseme greift sich meinen Notiz­block und Stift, und skiz­ziert die Situa­tion. „Wir sind nun gezwungen, über den Anbau auf seiner Konzes­sion zu verhan­deln und dafür zu zahlen, aber uns fehlt das Geld“, sagt Baseme.

Diese Situa­tion habe auch Folgen für die beschäf­ti­gungs­be­dürf­tige Jugend: „Einige gehen kleinen Akti­vi­täten nach, andere werden straf­fällig, wieder andere schliessen sich Rebel­len­be­we­gungen an.“ Etwa den Forces démo­cra­ti­ques de libe­ra­tion du Rwanda (FDLR), die unter anderem aus dem angren­zenden Virunga-Natio­nal­park agieren.

Hoff­nung auf Gerechtigkeit?

Am 13. April kam es zu einem Vorfall, den es so in der Geschichte des kongo­le­si­schen Staates noch nicht gegeben hatte. Im Zusam­men­hang mit den Ermitt­lungen zum 100-Tage-Programm des derzei­tigen Staats­chefs Félix-Antoine Tshise­kedi wurden mehrere hoch­ran­gige Politiker*innen wegen Korrup­ti­ons­ver­dacht verhaftet. Der Haupt­an­ge­klagte Vital Kamerhe wurde am 20. Juni schuldig gespro­chen. Unter den Ange­klagten war auch der bereits genannte Emma­nuel Kamanzi, der Vorsit­zende des Verwal­tungs­rates von ACOGE­NOKI, dem genos­sen­schaft­li­chen Verband der Vieh­züchter von Nord-Kivu.

Das 100-Tage-Programm hatte die Verbes­se­rung von Infra­struktur und Wirt­schaft im ganzen Land in den ersten 100 Tagen von Tshise­kedis Amts­zeit zum Ziel. Im Rahmen dieses Programms hat ACOGE­NOKI Ende 2019 eine Milch­ver­ar­bei­tungs­ein­heit in Masisi in Betrieb genommen, in der neben Käse auch Joghurt und Butter herge­stellt wird. Eine Unter­su­chung förderte jedoch zutage, dass die Kosten für die Inbe­trieb­nahme keines­wegs deckungs­gleich mit dem Betrag waren, den Emma­nuel Kamanzi dafür erhalten hatte. Wegen mutmass­li­cher Verun­treuung staat­li­cher Gelder wird Kamanzi nun straf­recht­lich verfolgt.

Weder die Kühe, noch die Pferde oder Schafe auf der Farm Malaika (siehe Teil I dieser Repor­tage) sind laut dem Manager der Farm von Angriffen bedroht. Denn die Nach­bars­farm des Ex-Präsi­denten Kabila würde rund um die Uhr von der Präsi­den­ten­garde bewacht. (Foto: Guys­laine Thalmann)

Genauso empö­rend wie die mögliche Verun­treuung des Geldes sind der Standort und der zukünf­tige Nutzen dieser Fabrik. Kamanzi hat als Privat­person einen Hektar seines Landes an ACOGE­NOKI, deren Vorsteher er ist, verkauft. Die neue Milch­ver­ar­bei­tungs­ein­heit steht also auf seinem Land. „Die Bevöl­ke­rung Luhongas wird nicht von dieser Fabrik profi­tieren. Nur die Mitglieder des Verbandes haben Zugang. Wir hatten aber gedacht, dass durch dieses Projekt Arbeits­plätze geschaffen werden würden“, erklärt mir Baseme.

Dass die Bevöl­ke­rung Masisis Inve­sti­tionen in die Milch- und Käse­pro­duk­tion grund­sätz­lich begrüsst, sieht auch der poli­ti­sche Admi­ni­strator der Region, Olivier Bakulu: „Wir fördern diese Inve­sti­tionen unter der Bedin­gung, dass sie die Arbeits­lo­sig­keit bekämpfen“. Im Gegen­satz zur indu­stri­ellen Land­wirt­schaft sind diese Möglich­keiten jedoch begrenzt, wenn nicht gar illu­so­risch. In der neuen Milch­ver­ar­bei­tungs­ein­heit in Luhonga haben gerade mal sieben Personen eine Anstel­lung gefunden, nur zwei davon aus der einhei­mi­schen Bevölkerung.

Doch der laufende Prozess zum 100-Tage-Programm macht Hoff­nung. Dass nun Personen vor Gericht kommen, die lange als unan­tastbar gegolten hatten, könnte der Beginn der Wieder­her­stel­lung der Rechts­staat­lich­keit in der DR Kongo bedeuten. Könnte es sein, dass die Justiz bald auch Personen für den unrecht­mäs­sigen Erwerb von Konzes­sionen belangt? Der Land­kon­flikt-Forscher Inno­cent lacht laut auf: „Das ist eine weit entfernte Vision!“ Die land­be­sit­zende Elite arbeite dafür, ein gewisses Mass an Insta­bi­lität in der Region aufrecht­zu­er­halten. Dies erschwere sowohl die Kontrolle durch staat­liche Insti­tu­tionen als auch Inter­ven­tion durch inter­na­tio­nale und lokale NGOs.

Von stolzen Käseproduzent*innen und von Schweizer Alpen­braun­vieh in den Hügeln des Kongos zu vernehmen, mag erfri­schen. Doch hinter den Post­kar­ten­mo­tiven verbirgt sich bedrückende Unge­rech­tig­keit und Ungleich­heit sowie wieder­keh­rende Gewalt. Kurz vor Abschluss meiner Repor­tage finde ich erneut eine Meldung in den Lokal­nach­richten über eine neue bewaff­nete Gruppe namens Musheka, die in den Weiden Masisis Vieh gestohlen hat.

Auch wenn verbes­serte Rechts­staat­lich­keit, mehr Sicher­heit und soziale Gerech­tig­keit für die Bevöl­ke­rung Masisis noch in weiter Ferne liegen: Das Ziel, die profi­tie­rende Elite öffent­lich an den Pranger zu stellen, verliert der Forscher Inno­cent nicht aus den Augen: „An dem Tag, an dem die Sicher­heits­lage es mir erlaubt, werde ich alles dafür tun.“

Die drei­tei­lige Repor­tage Käse­pro­duk­tion im Kongo wurde finan­ziell durch den Medi­en­fonds „real21 – die Welt verstehen“ unter­stützt. Wir danken!


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