Kann die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive den Rohstoffriesen Glen­core zur Verant­wor­tung ziehen?

Glaubt man NGO-Berichten und Auszügen aus den Para­dise Papers, gehören Korrup­tion und die Verlet­zung von Menschen­rechten bei Glen­core zur Konzern­kultur. Der Konzern schweigt oder demen­tiert die Vorwürfe, meist steht am Ende Aussage gegen Aussage. Kann die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive Licht ins Dunkel bringen? 
Steinkohlemine von Glencore/Xstrata in Kolumbien (Foto: Buena Vida)

Der Zuger Rohstoff­multi Glen­core ist nicht klein­zu­kriegen: Kein Skandal, keine Anzeige und kein Protest scheinen dem Rohstoff­gi­ganten etwas anzu­haben. Ob und wie sich die Vorwürfe und Anschul­di­gungen auf die Firmen­po­litik auswirken, weiss niemand. Denn trotz medialer Dauer­prä­senz hält sich der Konzern gegen­über den Medien bedeckt, beant­wortet keine E‑Mails, gibt keine State­ments. Gegen­über SRF ECO bestä­tigte die Glen­core-Pres­se­stelle letzten Sommer mit einer Ausnahme die Regel: „Glen­core ist ein privates Unter­nehmen und zieht es vor, mit seinen Aktio­nären, den Kredit­ge­bern, den Banken, Rating-Agen­turen und Behörden direkt zu kommu­ni­zieren und nicht über die Medien.“

Ein privates Unter­nehmen – aber was für eines: Glen­core ist der grösste Kohle­lie­fe­rant, einer der grössten unab­hän­gigen Ölhändler der Welt und die welt­weit grösste im Rohstoff­handel tätige Unter­neh­mens­gruppe. Glen­core handelt aber nicht nur mit Rohstoffen, sondern fördert und verar­beitet diese seit Jahren auch selbst: Drei Minen­kon­zerne auf drei Konti­nenten gehören dem Giganten, weitere Minen werden von diversen Unter­händ­lern auf der ganzen Welt betrieben.

Glen­core expan­diert laufend weiter. 2000 Glen­core-Händler in über 50 Nieder­las­sungen betreuen heute die lokalen Geschäfte des Multis. 130 Tanker und Frachter sind für Glen­core auf den Welt­meeren unter­wegs. Über 60’000 Mitar­bei­te­rInnen arbeiten welt­weit in der Rohstoff­schöp­fung für den Konzern. Glen­core besitzt Ölfelder, Minen, Raffi­ne­rien und Schmelz­hütten. Auch im Agrar­be­reich ist Glen­core tätig, handelt mit Reis, Ölsaaten, Pflan­zen­ölen und Zucker. Glen­core ist der umsatz­stärkste Konzern der Schweiz. 2017 betrug Glen­cores Umsatz gemäss Handels­zei­tung 202 Milli­arden Schweizer Franken.

CC: freeimage4life via flickr
Der Glen­core-Haupt­sitz in Baar (ZG): Hinter der unauf­fäl­ligen Kulisse versteckt sich ein mulit­na­tio­naler Rohstoffriese. (CC: freeimage4life via Flickr)

Doch all diesem wirt­schaft­li­chen Erfolg zum Trotz – der Ruf Glen­cores ist mise­rabel. Stephan Suhner von der Arbeits­gruppe Schweiz-Kolum­bien (ask!) sagt, in den Förder­län­dern habe Glen­core den Ruf des abwei­senden, unzu­gäng­li­chen Giganten, der keinen Dialog mit der Lokal­be­völ­ke­rung oder der kommu­nalen Politik suche und statt­dessen auf die Hilfe von Para­mi­li­tärs und korrupten Eliten setze. Dieses Vorgehen sei typisch für Akteure in der Rohstoff­branche. „Die Para­mi­li­tärs erle­digten die schmut­zige Arbeit für die Berg­bau­un­ter­nehmen. Sie schützen etwa deren Besitz und gehen mit extremer Bruta­lität gegen Gewerk­schaften vor, die oft als verlän­gerter Arm der Guerillas darge­stellt werden“, erzählt Stephan Suhner. Auch Glen­core habe vor fast 20 Jahren Para­mi­li­tärs in Kolum­bien unter­stützt, neuere Berichte zu einer poten­zi­ellen weiteren Zusam­men­ar­beit fehlen.

Suhner war zum ersten Mal 1994 in Kolum­bien, seit über 20 Jahren ist er Mitglied der ask!. Die NGO sieht es als ihre Aufgabe, der kolum­bia­ni­schen Zivil­be­völ­ke­rung eine Stimme zu geben Wenn man Suhner zuhört, ist diese Stimme eine angrif­fige. Und eine klagende. Denn die Anschul­di­gungen sind happig, beruhen laut Suhner aber auf zahl­rei­chen, gut doku­men­tierten Aussagen von Gewerk­schaften, Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen und inhaf­tierten Paramilitärs.

Das Problem: Wenn sich Glen­core ausnahms­weise zu den Anschul­di­gungen äussert, steht oft Aussage gegen Aussage. Könnte die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive (KI) da helfen? Sicher ist: Bei einer recht­li­chen Grund­lage wie sie die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive fordert, wäre der Konzern bei Fällen wie sie Suhner beschreibt recht­lich verpflichtet, offen und trans­pa­rent seine Unschuld zu beweisen. Auf der offi­zi­ellen Website fassen es die Initi­an­tInnen wie folgt zusammen:

„Die Initia­tive verpflichtet alle Konzerne, die Menschen­rechte und Umwelt­stan­dards bei ihren Geschäften zu achten. Damit sich auch dubiose Multis an das neue Gesetz halten, müssen Verstösse Konse­quenzen haben. Konzerne sollen deshalb in Zukunft für Menschen­rechts­ver­let­zungen haften, die sie oder ihre Toch­ter­firmen verursachen.“

Das sei heute nicht der Fall, sagt auch die NGO Public Eye, die feder­füh­rend bei der Ausar­bei­tung der Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive ist. Der Rohstoff­handel sei, so Public Eye, „das gefähr­lichste Geschäft der Schweiz“. Die Initia­tive fokus­siert entspre­chend gerade auch auf dieses prekäre Busi­ness. Glen­core als grösster Schweizer Rohstoff­multi und Para­de­bei­spiel für die Obsku­rität der Branche bewegt sich wegen der nicht enden wollenden Vorwürfe der Menschen­rechts­ver­let­zungen in den Förder­län­dern, meistens in Südame­rika oder Afrika, seit Jahren auf dünnem Eis. Dann, im vergan­genen Winter, sah es plötz­lich so aus, als gebe dieses endlich nach.

Auftritt eines dubiosen Mittelmannes

Der Name Glen­core war im November 2017 in den von einem Konsor­tium inve­sti­ga­tiver Jour­na­li­stInnen veröf­fent­lichten Para­dise Papers an promi­nenter Stelle aufgetauchte.

Die Enthül­lungen brachten weitere Indi­zien für einen suspekten Deal ans Licht: Laut auf den Para­dise Papers gestützten Berichten von Public Eye bezahlte Glen­core im Kongo 2009 für Berg­bau­li­zenzen für Kupfer und Kobalt rund eine halbe Milli­arde Dollar weniger als die Konkur­renz, „weil der Konzern mit einem dubiosen Türöffner mit besten Kontakten zum Präsi­denten zusammenarbeitete“.

Beim dubiosen Türöffner handelte es sich um den israe­li­schen Geschäfts­mann und Diaman­ten­händler Dan Gertler. Dieser habe laut Public Eye Gespräche zwischen der Glen­core und der kongo­le­si­schen Regie­rung mode­riert. 45 Millionen Dollar wurden Gertler von Glen­core im Fall des Gelin­gens scheinbar in Aussicht gestellt. Die Mode­ra­tion von Gesprä­chen ist das eine, die Mode­ra­tion von Schmier­gel­dern aber das andere. Letz­teres ist ein Straf­be­stand und der wird Gertler und seiner Auftrag­ge­berin Glen­core vorgeworfen.

Als Reak­tion auf den dubiosen Deal im Kongo hat Public Eye in der Schweiz eine Straf­an­zeige gegen Glen­core einge­reicht. Plötz­lich hätte sich Glen­core vor einem Schweizer Gericht recht­fer­tigen müssen. Ein Knacken im Eis – doch mehr nicht. Denn der Aufruf der NGO an die Schweizer Bundes­an­walt­schaft, den Deal auf dessen Recht­mäs­sig­keit zu unter­su­chen, blieb bisher erfolglos. Bis zum Tag dieser Veröf­fent­li­chung hat die Bundes­an­walt­schaft nicht entschieden, ob sie Unter­su­chungen gegen Glen­core aufnehmen will.

Glen­core in der Schweiz ange­zeigt – und das für etwas, das der Konzern im Ausland getan hat? Wieso braucht es da über­haupt noch die KI? Im beschrie­benen Fall geht es um Korrup­tion und nicht um die Menschen­rechts­ver­let­zungen. Für letz­tere würde die Konzern­in­itia­tive eine Grund­lage schaffen.

In anderen Glen­core betref­fenden Fällen wäre der mutmass­liche Tatbe­stand bei Annahme der Initia­tive gegeben. Etwa im Fall der Mutanda-Mine im Kongo. Die von Glen­core betrie­bene Mine liegt in einem Jagd­re­ser­voir und Natur­schutz­ge­biet. „Das verant­wort­liche Depar­te­ment hat Glen­core die Erlaubnis für den Minenbau erteilt, obwohl dies die Umwelt­po­li­cies des Kongos verbieten“, sagt Chantal Peyer von der NGO Brot für alle. Die Mutanda-Mine ist verant­wort­lich für massive Probleme in der Region: „Unsere Partner vor Ort stellen regel­mäs­sige Verschmut­zungen fest, die von der Mine ausgehen. 2013 und 2014 wurden so die Felder vieler Klein­bauern verun­rei­nigt und somit deren Lebens­grund­lage unwi­der­ruf­lich zerstört.“

Die Mutanda-Mine in der Provinz Katanga in der DR Kongo — umgeben von dichtem Wald eine 25 Quadrat­ki­lo­meter grosse Insel der Geschäf­tig­keit. (Foto: Screen­shot Google Earth)

Würde die Initia­tive ange­nommen, dürften die kongo­le­si­schen Bauern­fa­mi­lien, deren Felder die Mine verschmutzt, in der Schweiz gegen den Multi Klage einrei­chen, wenn sie nach­weisen können, dass Glen­core die Sorg­falts­pflicht verletzt hat: „In diesem konkreten Fall handelt es sich um eine Verschmut­zung, die zur Menschen­rechts­ver­let­zung wird“, erklärt Peyer die Rechts­grund­lage. „Das Einkommen der Menschen in diesen Regionen kommt von den Feldern. Wenn diese Felder zerstört werden, gefährdet das sowohl das Recht auf Nahrung als auch das Recht auf ein Einkommen.“ Könnte Glen­core auf der anderen Seite beweisen, dass die Schäden nicht auf eine verletzte Sorg­falts­pflicht von Seiten des Konzerns zurück­zu­führen sind, würde dies wohl auch dem Konzer­ni­mage helfen, glaubt Peyer.

Heute aber, ohne Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive, läuft solch ein Fall so ab: „Glen­core reagierte zuerst mit Dementi. Später wurde die Verant­wor­tung zwar partiell aner­kannt, der Konzern wollte aber nicht bezahlen. Schliess­lich gab es eine Media­tion mit der lokalen Regie­rung und die Firma gab den Bauern finan­zi­elle Mittel für die Ernte­kom­pen­sa­tion“, erzählt Peyer. So sei es eigent­lich immer: „Die Firma sagt, sie werde sorg­fältig sein. Kommt es doch zu Verschmut­zungen, reagiert die Firma zuerst mit Aberken­nung der Schuld. Statt mit den Menschen zu reden, sie zu fragen und ihnen Mass­nahmen zur Koope­ra­tion und Kompen­sa­tion anzu­bieten, verwei­gert Glen­core den Diskurs. Erst wenn es viel Druck durch die Medien und inter­na­tio­nale NGOs wie uns gibt, tut sich manchmal was.“

Zumin­dest, wenn sich Glen­core davon Vorteile verspricht. So zum Beispiel, als der Konzern 2012, ein Jahr nach dem Börsen­gang, wegen der massiven Verschmut­zung des kongo­le­si­schen Flusses Luilu mit Schwe­fel­säure durch die Kamoto-Kupfer­mine in die Schlag­zeilen geriet: „Hier hat sich die Situa­tion anschlies­send gebes­sert, da Glen­core eine neue, siche­rere Fabrik gebaut hat“, erzählt Peyer. „Die neue Fabrik entstand jedoch aus wirt­schaft­li­chen Gründen, um die Produk­tion zu inten­si­vieren. Da war der Verweis auf Verant­wort­lich­keit ledig­lich ein Marketingtool.“

Mit Papier zur reinen Weste — und weg von der Verantwortung

Eigent­lich verfügt Glen­core seit einigen Jahren über firmen­ei­gene Menschen­rechts­po­li­cies. Auslöser für deren Ausfor­mu­lie­rung war die Fusion mit dem Schweizer Berg­bau­un­ter­nehmen Xstrata und der Börsen­gang 2011, beides Prozesse, die mehr Trans­pa­renz von Seiten des Konzerns erforderten.

Anfang Sommer dieses Jahres legte Glen­core mit einer uner­war­teten Publi­ka­tion zu verschie­denen Geld­flüssen nach: Im „Echo der Zeit“ kommen­tierte Glen­core-Spre­cherin Anna Krutikov diesen Schritt, dass dank der neusten Trans­pa­renz­in­itia­tive von Glen­core nun offen liege, wie viel Geld in Infra­struk­tur­pro­jekte in den Förder­län­dern geflossen sei. Nun liege es an der jewei­ligen Öffent­lich­keit nach­zu­fragen, was aus diesem Geld geworden sei. Damit impli­ziert Glen­core, dass für allfäl­lige Miss­wirt­schaft allein die unde­mo­kra­ti­schen Staaten samt löch­rigen Poli­cies vor Ort verant­wort­lich seien.

Ironi­scher­weise fordert die Glen­core-Spre­cherin fast dasselbe wie die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive. Sie lagert die Verant­wor­tung für die Verfol­gung von Menschen­rechts­ver­let­zungen jedoch aus — an Staaten, die oft nicht über die Ressourcen für eine lücken­lose Aufklä­rung und Verfol­gung verfügen und zudem von den Geld­flüssen der Konzerne abhängig sind.

Diese Logik befeuert einen alten Teufels­kreis: Nord-Süd-Abhän­gig­keiten, wie sie beispiel­haft zwischen Glen­core und einigen ihrer Förder­länder vorliegen, sind histo­risch gewachsen. Desta­bi­li­sierte Gegenden und korrupte Regie­rungen fallen nicht vom Himmel, sondern sind oft das Ergebnis jahr­zehn­te­langer west­li­cher Einfluss­nahme und Kontrolle auf poli­ti­scher wie finan­zi­eller Ebene. Multi­na­tio­nale Konzerne wie Glen­core profi­tieren von diesen Zuständen.

„Die lebten vorher in Dreckslöchern!“

Beim Blick auf die NGO-Dossiers zu Glen­core drängt sich unwei­ger­lich die Frage auf, ob Menschen­recht­le­rInnen und Konzern über­haupt dieselben Probleme wahr­nehmen. Im März 2015 wurden Stephan Suhner von der ask! zusammen mit anderen NGO-Vertre­te­rInnen von der Firmen­lei­tung nach Kolum­bien einge­laden, um sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. Es zeigte sich: Die Wahr­neh­mungen könnten nicht unter­schied­li­cher sein. Wo Suhner enteig­nete Menschen sah, die zwar in modernen Sied­lungen wohnten, aber sich nie frei­willig dafür entschieden hatten, ihr Land, ihre Lebens­grund­lage, zurück­zu­lassen, sah Glen­core-CEO Ivan Glasen­berg Fort­schritte: „They were living in shit holes! We took them out of there!“, soll er gegen­über Suhner geäus­sert haben.

Als shit­holes, als Drecks­lö­cher, bezeich­nete Glasen­berg im konkreten Fall das indi­gene Dorf Tama­quito im Nord­osten Kolum­biens. Glen­core, so die Sicht­weise des CEO, hätte den Menschen mit den forcierten Umsied­lungen zu einem höheren Lebens­stan­dard verholfen.

Mine in Kolumbien
Der Stein­koh­le­ta­gebau El Cerrejón in Kolum­bien ist der grösste welt­weit und gehört heute zur Glen­core-Xstrata-Gruppe. Um für die Mine Platz zu machen, wurden 2011 viele indi­gene Gemein­schaften teil­weise gewaltsam umge­sie­delt. Das Bild stammt aus dem Film „La Buena Vida – das gute Leben“, einer Doku­men­ta­tion über die Bewoh­ne­rInnen des Dorfes Tama­quito, die sich gegen die Umsied­lung aus ihrem ‚Drecks­loch‘ wehrten.

Akteure wie Suhner und die ask! fühlen sich nicht nur der unter­schied­li­chen Wahr­neh­mung wegen auf verlo­renem Posten. Seit zwei Jahren kämpft die ask! um Einsicht in die menschen­recht­liche Risi­ko­studie von Glen­core in Kolum­bien. Auf Hilfe von Seiten der Schweizer Politik hofft die NGO verge­bens: „Unsere Erfah­rung mit dem EDA und dem SECO sind ernüch­ternd“, sagt Suhner und spricht von Schön­wet­ter­po­litik: „Wenn es hart auf hart kommt und die Inter­essen der Schweiz bezie­hungs­weise des Fiskus auf dem Spiel stehen, äussert man sich lieber nicht.“

Suhner vermisste vom EDA ein klares State­ment dazu, was die Erwar­tungen an Glen­core in Kolum­bien und sonstwo auf der Welt sind. Auch die Präsenz vor Ort hält er für unzu­rei­chend: „Es gibt Botschaften anderen Länder, die häufiger in die Kohle­minen gehen. Die Schweiz, Haupt­sitz von Glen­core, hält sich dagegen sehr zurück, um dem Konzern nicht auf den Schlips zu treten.“

Laut NGOs ist der Kampf gegen Glen­core aus den genannten Gründen bis zum heutigen Tag einer gegen Wind­mühlen – und er gleicht eher dem Löschen akuter Brand­herde als einer voraus­schau­enden Präven­tion. Die Menschen­recht­le­rInnen geben dem mangelnden Koope­ra­ti­ons­willen der Konzern­lei­tung die Schuld dafür, dass sich die Zusam­men­ar­beit zwischen NGOs und Konzern nicht weiter­ent­wickelt: „Wenn wir Partner vor Ort unter­stützen oder einen Bericht schreiben, gibt es immer Ausein­an­der­set­zungen mit der Firma“, erzählt Peyer.

Warum die NGO dennoch das klärende Gespräch sucht, liegt auf der Hand: „Wir versu­chen, vor jeder Publi­ka­tion den Stand­punkt der Firma einzu­holen, um uns gegen Klagen zu schützen.“ Glen­core hatte Brot für alle 2014 mit einer Klage gedroht, sofern die NGO einen Text nicht von ihrer Website entferne. Passiert ist zwar nichts, aber der mühse­lige oder fehlende Dialog, der diskur­sive und juri­sti­sche Druck, das alles behin­dert die Arbeit von kleinen NGOs enorm.

Die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive: Kein Spazier­gang, aber ein erster Schritt

So erklärt sich auch, wieso die NGOs auf die Konzern­in­itia­tive hoffen: „Wer einen Schaden verur­sacht, soll dafür gera­de­stehen und Scha­den­er­satz bezahlen. So einfach ist der Grund­satz der Initia­tive. Konkret bedeutet das: Neu haften Konzerne mit Sitz in der Schweiz zivil­recht­lich für Menschen­rechts­ver­let­zungen oder Umwelt­schäden, die von ihnen kontrol­lierte Unter­nehmen im Ausland begehen“, steht auf der Website der Initiative.

Die Gegne­rInnen befürchten, dass die Multis von einer Klagen­flut über­rollte werden. Doch diese dürfte wohl ausbleiben. Denn in der Schweiz zu klagen, ist kein Spazier­gang. Und schon gar kein Auto­ma­tismus: „Bei Annahme der Initia­tive müssten wir erst von den Fällen erfahren, um sie vor Gericht zu bringen. Denn wenn niemand vor Ort hinschaut, wird sich nichts ändern“, resü­miert Suhner. „Aber es ist ein Anfang.“

Der Weg von der Menschen­rechts­ver­let­zung über deren Doku­men­ta­tion, die einwand­freie Schuld­zu­wei­sung bis vor das verant­wort­liche Schweizer Gericht ist steinig und lang: „Es braucht extrem viele Infor­ma­tionen, viel Arbeit und vor allem auch Geld, um so eine Zivil­klage zu bezahlen“, sagt Peyer. Poten­ziell rufschä­di­gend ist eine ange­drohte Klage dennoch. Sowohl Peyer als auch Suhner glauben deshalb an eine präven­tive Wirkung der Initia­tive. „Bis jetzt liegt keine solche Hand­ha­bung gesetz­lich vor. Es würde uns helfen, Trans­pa­renz einzu­for­dern. Meine Hoff­nung ist, dass Firmen wie Glen­core die Präven­tion endlich ernst nehmen, weil sie wüssten, dass man sie belangen kann“, so Peyer. Ausserdem würde eine gesetz­liche Grund­lage die Arbeit vieler Akteure erleichtern.

Zur Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive hat Glen­core erwar­tungs­ge­mäss keine Stel­lung genommen, auch der Zuger Regie­rungsrat schweigt sich bisher aus. Thomas Aeschi (SVP), der einzige Zuger Natio­nalrat in der Wirt­schafts­kom­mis­sion des Bundes, war für ein Inter­view eben­falls nicht zu haben. Das mag damit zu tun haben, dass eine ableh­nende Haltung äusserst skurril wäre, wie Peyer erklärt: „Man kann nicht sagen, dass die Initia­tive zum Wegzug von Konzernen aus der Schweiz führen wird, und im selben Atemzug behaupten, dass es diese Initia­tive nicht braucht, da die Unter­nehmen die Menschen­rechte respek­tieren. Dann wäre ja jegliche Furcht unbegründet.“


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