Wenn man sich genauer anschaut, was Rauchen alles anrichtet, so bleibt einem der blaue Dunst ziemlich direkt im Hals stecken. Dass ich mit den Glimmstängeln meine eigene Gesundheit ruiniere, ist dabei eigentlich noch das kleinste Übel. Um Platz für den Anbau der Pflanze und Brennholz zum Trocknen des Tabaks zu gewinnen, geht so einiges an Regenwald drauf. Für das Trocknen von einem Kilogramm Tabak braucht es beispielsweise rund 160 Kilogramm Holz. Deswegen vernichtet ein durchschnittlicher deutscher Raucher alle drei Monate einen Tropenbaum.
Zudem arbeiten die Tabakbauern und ‑bäuerinnen zumeist unter üblen Bedingungen. Kaum eine Tabakpackung oder eine Zigarettenschachtel schmückt sich mit einem Fair-Trade-Label. Und bei der Ernte nehmen die Bauern, Bäuerinnen und ihre Kinder, die beim Ablesen der Blätter oft mithelfen, das Nikotin direkt über die Haut auf. Das kann zu Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen, Muskelschwäche und Schwindel oder gar Schlaf- und Essstörungen führen. Als die Grüne Tabakkrankheit wird dieses Krankheitsbild beschrieben.
Kann der Ökofilter unsere Badestrände sauberer machen?
All das kann auch der Tabakzubehör-Hersteller OCB mit seinem Ökofilter nicht verbessern. Aber das behauptet er auch gar nicht. Dafür verspricht OCB etwas anderes.
OCB will für ein riesiges Problem eine Lösung gefunden haben: für die Massen an Zigarettenstummeln, die sich an den Strassenrändern, neben den Parkbänken oder an gut besuchten Sandstränden anhäufen. Laut einer Untersuchung der Technischen Universität Berlin aus dem Jahr 2014 liegen in Berlin auf einem Quadratkilometer Freifläche durchschnittlich 2,7 Millionen Kippen. Die zwei Drehtabakfilter OCB Organic Slim und die OCB Unbleached Slim Virgin sollen dieses Problem lösen. Sie sind nämlich biologisch abbaubar.
Das Versprechen von OCB: Während normale Stummel 10 bis 15 Jahre brauchen, bis sie sich zersetzt haben, seien die Öko-Filter von OCB nach 28 Tagen zu 84 Prozent verrottet. Und deshalb ziert OCB die Packung dieser Filter mit dem Schriftzug «Umweltfreundliche Filter».
Doch obwohl sich die Filter angeblich natürlich und umweltfreundlich zersetzen, fordert mich OCB dazu auf, meine Kippen im Abfalleimer zu entsorgen. Das macht mich stutzig. Was bringt es, wenn ich einen biologisch abbaubaren Filter in den Abfalleimer schmeisse? Dann landet er ja genau gleich wie ein normaler Stummel in der Kehrichtverbrennungsanlage? Wieso kann ich einen Zigarettenfilter, der sich natürlich zersetzt, nicht einfach am Strand liegen lassen oder aus dem fahrenden Auto schmeissen? Nach 28 Tagen, so die Behauptung von OCB, sollte er doch so gut wie aufgelöst sein – und zwar ohne, dass irgendwelche Gifte in der Natur zurückbleiben. Oder ist da etwas faul?
Die Marketingabteilung von OCB muss sich ziemlich winden
Es macht den Eindruck, als hätte OCB irgendetwas zu verbergen. Und das Lamm hat auch bereits einen Verdacht: Sobald man nämlich durch einen Zigarettenfilter eine Ladung Tabak gezogen hat, wird auch der ungebleichteste Ökofilter zur Dreckschleuder. Der Filter einer Zigarette hält bis zu 50 Prozent des im Zigarettenrauch enthaltenen Teers zurück. Zudem enthält ein Stummel knapp zwei Milligramm Nikotin. Deshalb wollte ich von OCB wissen, ob ihr Prädikat «biologisch abbaubar» auch für die gerauchten Filter gelte.
„Guten Tag liebe OCB, ich kaufe eure Produkte gerne. Kürzlich bin ich auch auf die OCB EcoPaper Filter umgestiegen, da es mir sinnvoll erscheint, auch beim Rauchen die ökoverträglichste Variante zu wählen (auch wenn Rauchen an und für sich halt nicht so gut ist ;-). Nun hätte ich aber eine Frage: Auf der Verpackung steht, die Filter zersetzen sich auf natürliche Weise. Bezieht sich das auf die ungerauchten Filter oder die gerauchten Filterstummel?“
OCB antwortet kurz und knackig.
„Wir bestätigen hiermit, dass unsere OCB Organic Slim Filter als auch unsere OCB Unbleached Slim Virgin Filter biologisch abbaubar sind und sich auf natürliche Weise zersetzen. Dies gilt für ungebrauchte sowie für gebrauchte Filter.“
Aber was passiert mit den Giftstoffen in den Zigarettenstummel, wenn sich die Ökofilter zersetzt haben, will ich nun von OCB wissen:
„Vielen Dank für das Feedback. Es ist sehr nett, dass sie sich für mich Zeit nehmen. Leider ist aber meine eigentliche Frage noch nicht beantwortet. Was passiert denn mit den Giftstoffen (Teer und Nikotin), die im Filter zurückgehalten werden, wenn ich den Zigarettenstummel in die Natur werfe. Die werden ja nicht biologisch abgebaut, oder? Dementsprechend wären auch nur die ungerauchten Filter biologisch abbaubar, oder?“
Diese Frage scheint selbst für geübte Marketingmitarbeiter eine Herausforderung zu sein.
„Die Schadstoffe machen ca. 10 Prozent des Gesamtgewichts des Filters aus. Die biologische Abbaubarkeit unserer Organic und Unbleached Filter bleibt unverändert bestehen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nur für unsere Produkte sprechen können. Der Umwelt zu Liebe sollten Sie Ihre Zigarettenreste jedoch auch weiterhin verantwortungsbewusst in den Müll werfen.“
Es bleibt also paradoxerweise zu hoffen, dass möglichst wenig der potentiell biologisch abbaubaren OCB-Filter dann auch wirklich biologisch abgebaut, also einfach in der Natur entsorgt werden. Denn die 10 Prozent Giftstoffe will ja wohl niemand in der Umwelt haben. Bei 2,7 Millionen Kippen pro Berliner Quadratkilometer und einem Kippengewicht von 0.5 Gramm wären das über hundert Kilo Nikotin, Teer und Co. pro Quadratkilometer. Auch biologisch abbaubare Filter gehören, sobald sie zum Einsatz gekommen sind, deshalb in den normalen Müll, damit sie in einer Kehrichtverbrennungsanlage entsorgt werden können.
Weniger umweltfeindlich ist noch nicht unbedingt umweltfreundlich
Sind diese Ökofilter dementsprechend für rein gar nichts gut? Doch! Immerhin werden für die Filter nachhaltig angebaute Zellulosefasern mit einem FSC-Label verwendet und ihre Herstellung kommt mit weniger Energie und Chemikalien aus. Zudem lancierten die OCB-Leute im Rahmen der «100% Natural Experience-Kampagne» weitere «ökologische» Neuerungen. Zum Beispiel bietet OCB auch Blättchen für Drehtabak aus biologisch angebautem Hanf mit einem Klebstreifen aus Akaziengummi an. Und auf der OCB-Website kann man nachlesen, dass die Firma ein internes Umweltmanagement aufgegleist hat. Dafür ein ehrliches Lob an OCB.
Trotzdem ist die Behauptung, dass nun dank der neuen Ökofilter auf eine umweltfreundliche Art geraucht werden kann, weil sich diese auf natürliche Weise zersetzten, einfach falsch. Denn das Umweltproblem von Zigarettenstummeln beruht in erster Linie nicht auf dem Filtermaterial selber, sondern auf den in den gerauchten Filtern enthaltenen Giftstoffen, die durch den Regen ausgewaschen werden und schlussendlich im Wasser und in der Erde landen.
Zwar können Filter, die schon nach wenigen Tagen verrottet und damit verschwunden sind, unsere Strassengräben, Parkbeete und Strandpromenaden, rein ästhetische betrachtet, aufwerten. Die darin enthaltenen Giftstoffe lösen sich deswegen aber nicht einfach in Luft auf, sondern gelangen durch den Zersetzungsprozess in die natürlichen Kreisläufe. Eventuell wäre eine Kippe, die man auch noch Jahre später zusammensammeln kann deswegen fast besser. Auch wenn das in der Landschaft unschön aussieht.
Zudem ist es ziemlich verwirrend, wenn etwas, das eindeutig in den Restmüll gehört, das Prädikat «biologisch abbaubar» trägt. Ich habe mehr als einem Kumpel erklären müssen, dass auch Ökofilter in den Abfalleimer und nicht in die Blumenbeete gehören.
Das Fazit: Umweltfreundlich zu rauchen, geht nicht. Und dies, wie bereits betont, nicht nur wegen den giftigen Stummel. Das muss ich mir als Raucherin einfach bewusst sein. Auch mit Ökofiltern und Blättchen aus Biohanf werden sich die Tabakbauern weiterhin bei der Ernte vergiften, und der Regenwald wird weiter wegen meiner Sucht schrumpfen.
Da OCB keinen Tabak, sondern nur Raucherzubehör verkauft, lässt sich das französische Traditionsunternehmen nur bedingt für die schlechte soziale und ökologische Bilanz des Tabakanbaus verantwortlich machen. Aber ohne Tabak keinen Drehzigaretten. Und ohne Drehzigaretten keine OCB-Filter. Und deshalb müsste man den Werbeslogan «Helfen sie uns, den Planeten zu schützen» immerhin umändern in «Helfen sie uns, den Planeten ein bisschen weniger zu zerstören». Das wäre ein ehrliches Marketing. Obwohl, vielleicht geht halt Ehrlichkeit und Marketing genauso schlecht zusammen, wie giftig und biologisch abbaubar.
PS: Laut Wikipedia besitzt der Mutterkonzern von OCB, Bolloré, Anteile an verschiedenen Plantagenbetreibern in Entwicklungsländern. Falls sich darunter auch Tabakplantagen befinden, beschert dies OCB nicht nur eine gewisse Verantwortung bezüglich der Tabakherstellung, sondern auch einen Handlungsspielraum, den es im Rahmen eines glaubwürdigen Umweltmanagements zu nutzen gebe.
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