Die EU setze damit „Massstäbe für die Umsetzung von Klimapolitik weltweit“, sagte der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck Ende letzten Jahres, als sich die EU darauf einigte, die Bepreisung von Treibhausgasen zu verschärfen. Ein zentrales Element dieser Verschärfung: die Einführung eines Klimazolls.
Dieser soll die innereuropäische Schwerindustrie vor dem sogenannten Carbon Leakage schützen. Von Carbon Leakage spricht man, wenn CO2 „auswandert“ – also nicht durch Klimaschutzmassnahmen reduziert wird, sondern einfach woanders auf der Welt anfällt. Ein Beispiel dafür wäre eine europäische Stahlfabrik, die ihre Produktion in die Türkei verlegt, weil man dort nichts für die CO2-Emissionen bezahlen muss. Von Carbon Leakage spricht man aber auch dann, wenn sich die globale Nachfrage auf dem Markt zugunsten des türkischen Stahls verschiebt, weil die Produktion dort mangels CO2-Preis billiger ist.
Mit einem Klimazoll gegen Carbon Leakage…
Wer sehr emissionsintensive Güter wie Stahl, Alu oder Zement in die EU einführen will, soll deshalb ab 2026 draufzahlen. Der Aufschlag, den das türkische Stahlwerk für den Import des Stahls in die EU begleichen muss, soll dabei gleich hoch sein wie die CO2-Kosten, die bei einer Stahl-Produktion auf EU-Boden angefallen wären – um bei obigem Beispiel zu bleiben.
Dadurch will die EU für alle Konzerne, die im EU-Raum ihre Ware anbieten, gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen – egal wo diese produzieren. Mit einem solchen Klimazoll kommt es in der Theorie nicht mehr darauf an, wo der Stahl hergestellt wird, da die Klimakosten beim Import dann sowieso bezahlt werden müssen. Darum, so die Idee der EU, würde der Konzern oder die Nachfrage gar nicht erst auswandern und das Carbon Leakage wäre verhindert.
Der Bundesrat will bei diesen EU-Plänen jedoch nicht mitmachen. Dies gab er Mitte Juni per Medienmitteilung bekannt. Damit stellt er sich gegen die Interessen von ein paar wenigen Schweizer Grosskonzernen, die sich erhofft haben auch der Bundesrat würde einen solchen Klimaschutzzoll im Gleichschritt mit der EU hochziehen, um die inländische Produktion vor der aussereuropäischen Konkurrenz zu schützen, die nach wie vor grösstenteils ohne CO2-Preis produzieren kann.
…anstatt mit Gratisemissionsberechtigungen
Dabei ist der Klimazoll nicht die erste Massnahme, die verhindern soll, dass Emissionen oder ganze Produktionsanlagen ins Ausland abwandern. Vielmehr möchte die EU mit dem neuen Klimazoll die sogenannten Gratiszuteilungen, die aktuelle Präventionsmassnahme gegen Carbon Leakage, ablösen.
Die grössten Klimaverschmutzer dürfen ihre Klimagase Stand heute sowohl in der EU als auch in der Schweiz im Emissionshandelssystem (EHS) abrechnen. Damit müssen sie der jeweiligen Landesregierung für jede Tonne Klimagase ein Emissionsrecht, genannt Zertifikat, abgeben. Diese Zertifikate werden gehandelt und kosten momentan rund 80 Franken. Nur: Für die allermeisten dieser Zertifikate müssen die EHS-Firmen gar nichts bezahlen. Denn, und das klingt nun ein wenig absurd, sie bekommen den Grossteil dieser Emissionsrechte von der jeweiligen Regierung geschenkt. In der Schweiz werden diese Gratisrechte vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) an die EHS-Firmen verteilt. Auf diesem Weg erhalten sie rund 90 bis 95 Prozent der Emissionsberechtigungen gratis.
Firmen, die ihre Klimakosten unter dem Emissionshandelssystem abrechnen dürfen, bezahlen keine CO2-Abgabe. Stattdessen müssen sie für jede ausgestossene Tonne CO2 ein entsprechendes Zertifikat erwerben. Diese Zertifikate sind nichts anderes als Emissionsrechte. Dabei gibt es nur eine bestimmte Menge an Zertifikaten und diese Menge, der sogenannte Cap, wird schrittweise gesenkt. Diese Verknappung soll den Preis der Zertifikate erhöhen. Seit dem 1. Januar 2020 ist das Schweizer EHS mit dem europäischen EHS verknüpft.
Die Firmen können die Zertifikate auf zwei Arten beziehen: Entweder sie erwerben sie käuflich oder sie bekommen sie geschenkt. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) verteilt jedes Jahr eine grosse Menge an Gratiszertifikaten an die Schweizer EHS-Firmen, um Carbon Leakage zu verhindern. In der Handelsperiode von 2013 bis 2020 mussten alle Schweizer EHS-Firmen zusammen 39 Millionen Zertifikate abgeben. Vom BAFU wurden 38 Millionen Zertifikate gratis verteilt.
Wichtig: Die Zertifikate im Emissionshandelssystem sind nicht an Projekte gekoppelt, die der Atmosphäre Klimagase entziehen, wie man das zum Beispiel von Kompensationen für Flugreisen kennt. Bei diesen freiwilligen Kompensationszahlungen spricht man zwar oft auch von “Zertifikaten”, diese haben aber nichts mit dem EHS zu tun.
Wer darf beim EHS mitmachen?
Grundsätzlich sind im EHS die Firmen aus den Branchen mit den höchsten Treibhausgasemissionen vertrete, die gleichzeitig auch in einem internationalen Wettbewerb stehen. Momentan sind das rund 100 Firmen aus der Metall‑, Zement‑, Chemie‑, Papier- oder Holzindustrie. Kurzum: Im EHS versammeln sich die Grosskonzerne aus der Energieproduktion und der Schwerindustrie.
Der überwiegende Teil der Schweizer Firmen darf aber nicht am EHS teilnehmen. Diese zahlen stattdessen für jede Tonne Klimagase eine CO2-Abgabe von 120.– Franken.
Wie wird bestimmt, wer wie viele Gratiszertifikate erhält?
Die Anzahl Gratiszertifikate, die eine Firma vom BAFU erhält, ist von zwei Faktoren abhängig. Einerseits erhalten Firmen, die bereits eine gute CO2-Bilanz haben, mehr Gratiszertifikate als solche, die schlecht dastehen. Was man dabei aber nicht vergessen darf: Auch Firmen, die in diesem Ranking zu den besten zählen, emittieren immer noch Unmengen an Klimagasen.
Anderseits erhalten Firmen, die für ihre Produkte den sogenannten Carbon-Leakage-Status beanspruchen, mehr Gratiszertifikate als solche ohne. Von Carbon-Leakage spricht man dann, wenn die Klimagasemissionen wegen hoher Abgaben, Steuern oder anderen Klimaschutzmassnahmen in ein anderes Land verlagert werden, in dem es billiger ist, CO2 zu emittieren.
Im Schweizer EHS haben praktisch alle privatwirtschaftlichen Industriekonzerne zumindest teilweise den Carbon-Leakage-Status. Viele Schweizer EHS-Firmen erhalten deshalb gar mehr Zertifikate, als sie für ihre eigenen Emissionen brauchen und konnten eine beträchtliche Menge EHS-Zertifikate beiseitelegen. Diese Reservebildung schwächt die Wirkung des EHS-Konzepts ab. Überschüssigen Emissionsrechte konnen weiterverkauft werden.
Recherchen von das Lamm zeigen: Der Bund erliess den grössten Umweltverschmutzern von 2013 bis 2020 rund drei Milliarden Franken an CO2-Abgaben. Der Wert der Emissionsrechte, die die Konzerne beiseitelegen konnten, beläuft sich auf schätzungsweise 361 Millionen Franken. Wie viel Geld die einzelnen Grosskonzerne durch ihre Teilnahme am EHS einsparen könnten, errechnete das Lamm in der Serie „Eine Flatrate auf Monsteremissionen“.
Die Begründung für diesen Zertifikatssegen: Mit der Zuteilung von Gratisemissionsrechten will der Bund den CO2-Kostendruck auf die Schwerindustrie tief halten und damit verhindern, dass es zu Carbon Leakage kommt. Während also ein Klimazoll dadurch Wettbewerbsgleichheit erreichen möchte, dass alle gleich viel bezahlen müssen, soll mit den Gratisemissionsrechten Carbon Leakage dadurch verhindert werden, dass alle gleich wenig bezahlen.
Die Katze beisst sich also in den eigenen Schwanz. Eigentlich wollte man mit dem EHS durch die Bepreisung der Emissionen einen Kostendruck erzeugen, der Unternehmen dazu veranlassen sollte, schnell in die Dekarbonisierung zu investieren. Weil das Ganze aber tatsächlich funktioniert hätte, fingen die Staaten an, die Emissionsrechte zu verschenken. So konnten sie verhindern, dass die Emissionen oder Konzerne samt den Steuereinnahmen und Arbeitsplätze ins Ausland abwandern, wo deren Dekarbonisierung nicht mehr kontrollieren werden könnte. Die Folge: Den ursprünglich erhofften CO2-Kostendruck gibt es bis heute nicht.
Gratisverschmutzung in 10 Jahren zu Ende
Die Absurdität dieses Systems blieb nicht unbemerkt: Deshalb will die EU die Gratisemissionsrechte nun runterfahren und durch Zölle ersetzen. Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der deutschen Grünen und Verhandlungsführer für die grüne Partei im EU-Parlament, schreibt dazu auf seiner Webseite: „Die kostenlose Verschmutzungsparty hat ein Ende [...]. Bis 2030 werden die kostenlosen Emissionszertifikate fast halbiert und bis 2034 komplett gestrichen.“
Während die EU die Gratisemissionsrechte als Schutz gegen Carbon Leakage langsam runterfährt, wird sie den Klimazoll oder – wie er auch genannt wird – den CO2-Grenzausgleich zeitgleich hochfahren. Dies geschieht bedacht langsam: 2026 fallen den Konzernen erst 2.5 Prozent der Gratisrechte weg, 2027 werden es 5 Prozent sein. Erst 2034 schafft die EU die Gratisverschmutzungsrechte vollständig ab.
7 Konzerne, 12 Produktionsstandorte, 6 Prozent aller Emissionen
Zurück in die Schweiz: Während die Gratisemissionsrechte auch hierzulande im Gleichschritt mit der EU reduziert werden sollen, will man jedoch auf die Einführung eines Klimazolls als neue Präventionsmassnahme gegen Carbon Leakage verzichten.
Dagegen wehren sich nun diejenigen Konzerne, bei denen in Zukunft weniger Gratisemissionsrechte landen sollen. Viele sind das nicht. In der Schweiz sind es lediglich sieben Konzerne mit zwölf Produktionsstandorten, die sowohl im EHS sind als auch vom Klimazoll betroffen wären. Aus der Zementbranche sind das Holcim, die Jura-Cement-Fabriken und Ciments Vigier. Aus der Stahlverarbeitung Steeltec und Stahl Gerlafingen. Und aus der Aluminiumbranche Constellium Valais und Novelis.
Diese sieben Konzerne verursachen gemeinsam stattliche sechs Prozent der gesamten Inlandsemissionen der Schweiz. Das hält sie jedoch nicht davon ab, – vermeintlich im Namen des Klimaschutzes vom Bund – mehr Engagement für einen CO2-Grenzausgleich zu fordern.
„Statt Konsequenz beim Klimaschutz erwartet die betroffenen Industrien nun Ungewissheit und ungleiche Wettbewerbsbedingungen mit dem Ausland – zu Lasten der Umwelt“, schreibt zum Beispiel cemsuisse, der Interessenverband der Schweizerischen Zementindustrie, in seiner Medienmitteilung. Die zentrale Forderung der Zementbranche sind gleiche Wettbewerbsbedingungen: „Es geht nicht an, klimapolitische Verschärfungen via Anpassungen im EHS vorzunehmen, ohne gleichzeitig entstehende Wettbewerbsverzerrungen für Schweizer Unternehmen zu korrigieren.“ Schweizer Unternehmen würden gleich lange Spiesse mit ihrer Konkurrenz im Ausland benötigen, schreibt cemsuisse weiter.
Was der Dachverband dabei nicht erwähnt: Es ist gerade die Zementbranche, die zusammen mit weiteren Branchen der Schwerindustrie im Moment einen weitaus besseren Deal hat hinsichtlich ihrer CO2-Kosten als die allermeisten „normalen“ Schweizer Unternehmen.
Denn im EHS erhalten sie nicht nur die allermeisten Emissionsberechtigungen umsonst, sondern sie sind auch von den 120 Franken CO2-Abgabe befreit, die „normale“ Firmen und auch alle Privatpersonen pro Klimagastonne aus fossilen Brennstoffen in der Schweiz bezahlen müssen.
Das Lamm hat in einer kürzlich erschienenen Investigativ-Recherche über das Emissionshandelssystem berechnet, was das genau heisst. Obwohl es sich bei Holcim, Stahl Gerlafingen und Co. unumstritten um die klimaschädlichsten Firmen der Schweiz handelt, wurde ihnen in den letzten Jahrzehnten nicht nur die CO2-Abgabe erlassen (1. Spalte), sie erhielten im Namen der Carbon-Leakage-Prävention auch Unmengen an Gratisemissionsrechten geschenkt. Die CO2-Kosten via EHS fielen für sie dementsprechend klein aus (2. Spalte).
Viele Firmen erhielten gar mehr Gratisemissionsrechte, als sie für ihre eigenen Emissionen selbst brauchten. Die überschüssigen Berechtigungen können sie verkaufen (3. Spalte).
Eine Möglichkeit, von der die Firmen durchaus Gebrauch machen. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch im EU-Ausland, wie eine französisch-spanische Recherche kürzlich publik machte. „Wie aus einer Umweltmassnahme ein milliardenschweres Fiasko wurde“, titelt el Diario, ein spanisches Onlinemedium. „Wie umweltverschmutzende Unternehmen kostenlose CO2-Zertifikate in einen Milliardenmarkt verwandelt haben“, liest man bei der Tageszeitung Le Monde.
Die Vorwürfe von cemsuisse, dem Verband der Schweizerischen Zementindustrie haben es in sich: „Der Bundesrat setzt mit diesem Entscheid mindestens implizit darauf, CO2-intensive Wirtschaftsaktivitäten aus der Schweiz ins Ausland zu verlagern, um damit die Klimabilanz der Schweiz […] zu beschönigen.“
Damit hat der Verband nicht per se Unrecht: Bereits heute verursacht die Schweiz im Durchschnitt pro Person sieben von zwölf Emissionstonnen im Ausland. Langfristig könnte es ohne Klimazoll dazu kommen, dass dieser Anteil noch weiter zunimmt.
Gleichwohl ist auch hier die Kommunikation von cemsuisse nicht ganz ehrlich. In der bereits zitierten Medienmitteilung schreibt der Dachverband, dass sich die Zementimporte aus Nicht-EU-Ländern in die EU seit 2016 bereits vervierfacht hätten. Damit will der Dachverband die Dringlichkeit aufzeigen, den heimischen Markt vor billigerem ausländischem Zement zu schützen.
Nur: Laut den hauseignen Kennzahlen von cemsuisse haben die Zementimporte in die Schweiz in den letzten Jahren – anders als in der EU – nicht zu genommen, sondern blieben stabil. Eine akute Carbon Leakage-Gefahr sieht anders aus.
Dass es Carbon Leakage gibt, ist unter Expert*innen unumstritten. Ebenso dass nicht alle Branchen gleich stark davon betroffen sind. Vor allem in einer stark lokal geprägten Industrie wie der Zementherstellung ist unklar, wie hoch das Carbon Leakage-Level ohne Präventivmassnahmen tatsächlich wäre.
Deswegen und angesichts der Tatsache, dass die Schweizer Regierung es nun wagt, zumindest vorerst die Gratisemissionsrechte an die Zement‑, Stahl- und Alu-Branche runter zu fahren, ohne gleichzeitig sofort einen Klimazoll einzuführen, stellt sich auch noch eine viel grundsätzlichere Frage: Ist die Schweizer Politik vielleicht einfach zu nett mit einigen der grössten Klimagasschleudern der Schweiz?
Milliarden verschenkt
Hierzu ein Beispiel: Holcim, der grösste Zementhersteller der Schweiz, hatte dank der Carbon-Leakage-Prävention in Form von Gratiszertifikaten von 2013 bis 2020 folgenden Deal: Anstatt wie alle anderen 833 Millionen Franken CO2-Abgabe zu bezahlen, musste der Betonriese im EHS schätzungsweise nur 1.8 Millionen Franken für seine Klimagase hinlegen. Gleichzeitig hat Holcim mehr Gratisemissionsrechte erhalten, als der Konzern für seine eigenen Emissionen verbrauchte. Diese überschüssigen Zertifikate kann Holcim weiterverkaufen. Mit dem aktuellen Zertifikatspreis von rund 80 Franken hat Holcim überschüssige Emissionsberechtigungen im Wert von über 200 Millionen Franken.
Ähnlich sehen die Zahlen bei den anderen sechs Konzernen aus, bei denen nun Gratisemissionsrechte wegfallen werden, ohne dass ein schützender Klimazoll hochgezogen wird.
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Oder anders: Wer gleich lange Spiesse für alle fordert, sollte auch bereit sein, den eigenen Spiess zu kürzen, falls der zu lang sein sollte.
Trotz allem ist das Nein zum Klimazoll mutlos
Sich nun aber einfach zu denken: “Recht ist es. Sollen die grossen Verschmutzer*innen auch mal bezahlen”, würde der Komplexität der internationalen Klimapolitik nicht gerecht werden. Zudem entspringt das bundesrätliche Nein kaum dem Wunsch, ein paar Schweizer Grosskonzernen eins auszuwischen. Laut dem erklärenden Bericht der Landesregierung führten drei andere Punkte zu diesem Entscheid:
Erstens: Der nun kommende EU-Klimazoll ist der erste seiner Art. Die Detailausgestaltung ist noch unklar und somit auch, ob ein Klimazoll mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar ist oder nicht. Ein zentraler Punkt wird hierbei sein, was mit den zusätzlichen Einnahmen geschieht – ob sie die EU selbst einsackt oder ob sie beispielsweise über Klimaanpassungsfinanzierung in Länder des globalen Südens fliessen, die schlichtweg nichts zur Klimakrise beigetragen haben. Das sind der Schweizer Landesregierungen zu viele Ungewissheiten.
Zweitens: Der EU-Klimazoll wird Vollzugkosten mit sich bringen. Diese könnten laut Berechnungen des Beratungsbüros Ecoplan jährlich zwischen 6 und 17 Millionen Franken betragen. Das ist zwar nicht nichts, aber im Vergleich zum Wert der aktuell jährlich verschenkten Gratisemissionsrechte trotzdem verschwindend klein.
Drittens: Nicht nur die sieben EHS-Konzerne wären von einem Schweizer Klimazoll betroffen, sondern auch alle Schweizer Firmen, die ausserhalb der EU Zement, Stahl und Alu einkaufen. Für sie würden sich diese Produkte verteuern, da die Stahlfabrik in der Türkei, um wieder beim Eingangsbeispiel zu landen, zumindest einen Teil des Klimazolls an die Kundschaft weiterreichen wird. Das Nein vom Bundesrat zu einem Klimazoll ist also nicht nur eine Entscheidung gegen die Interessen von ein paar Grosskonzernen, sondern auch eine für die Interessen der verarbeitenden KMUs.
Abwarten und Zuschauen
Der eigentliche Grund, weshalb der Bund auf die Einführung des Klimazolls vorerst verzichtet, ist vermutlich aber noch viel simpler: Weil er es kann.
Wegen des ziemlich unambitionierten Starts des EU-Klimazolls werden die Auswirkungen auf die heimische Schwerindustrie noch ein wenig auf sich warten lassen. Holcim und Co. werden noch jahrelang von grosszügig zugeteilten Gratisemissionsrechten profitieren. Das verschafft dem Bund Zeit. Zeit, um zu beobachten, wie das mit diesem Klimazoll genau gehen wird.
Das ist letzten Endes eine mutlose Positionierung. Ein Klimazoll macht aus Sicht der internationalen Klimapolitik Sinn. Denn er wird, wie eingangs vom deutschen Klimaminister Habeck betont, seine Wirkung über die EU hinaus entfalten. CO2-Kosten, die bereits im Herkunftsland anfallen, können vom EU-Klimazoll abgezogen werden. Das verstärkt für aussereuropäische Länder den Anreiz, selbst einen CO2-Preis einzuführen.
Zudem: Nur mit einem Klimazoll kann die EU die grössten Klimagasschleudern endlich angemessen zur Kasse bitten, ohne Angst vor dem Schreckgespenst Carbon Leakage haben zu müssen.
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