Sachbuch: CO2-Ausstoß zum Nulltarif
Auf der Grundlage dieser Artikelserie ist ein Sachbuch entstanden, welches am 18.02.2024 beim Rotpunktverlag in Zürich erschienen ist. Das Buch „CO2-Ausstoß zum Nulltarif – Das Schweizer Emissionshandelssystem und wer davon profitiert“ ist bei uns im Shop oder in der Buchfiliale deines Vertrauens erhältlich.
In Kürze
- Das Schweizer Emissionshandelssystem (EHS) hat noch weitere Defizite. Weil die Firmen, die über das EHS abrechnen, von der CO2-Lenkungsabgabe befreit sind, profitieren sie von deren Rückverteilung, ohne selbst etwas dazu beizutragen.
- Obwohl dieses Vorgehen in einer Untersuchung durch die eidgenössische Finanzkontrolle kritisiert wurde, hält das Parlament an der Bevorteilung fest.
- Auch hier wird einmal mehr klar: In der aktuellen Ausgestaltung schafft das EHS praktisch keinen Anreiz, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren.
Es geht um 15.7 Millionen Franken. 15.7 Millionen, die auf die Konti der klimaschädlichsten Konzerne der Schweiz flossen. Bezahlt durch die CO2-Lenkungsabgaben aller abgabepflichtigen Unternehmen des Landes. 2017 wurden diese 15.7 Millionen in einem Evaluationsbericht als „de facto Subventionen“ bezeichnet. Der Bericht endet mit einer klaren Empfehlung: Der millionenstarke Geldsegen für die emissionsintensivsten Konzerne der Schweiz ist ungerechtfertigt und gehört abgeschafft.
Die Empfehlung kommt nicht etwa von einer links-grünen Umweltorganisation, sondern von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). „Wir sind lediglich Verfassung und Gesetzen verpflichtet und haben keine politische Färbung. Wir prüfen nach dem, was der Gesetzgeber wollte“, betont Mathias Rickli von der EFK.
Rickli leitete 2017 unter der Aufsicht von Emmanuel Sangra die behördliche Analyse des Schweizer Emissionshandelssystem (EHS). Auch Sangra arbeitet bei der EFK und ist Leiter des Fachbereichs “Evaluation”. Wir treffen die beiden in einem digitalen Meeting. „Die EFK empfahl dem Bundesamt für Umwelt bereits 2017, diese Bevorteilung der abgabebefreiten EHS-Firmen mit einer Gesetzesänderung aus der Welt zu schaffen“, sagt Sangra.
Umgesetzt wurde die Empfehlung der höchsten Schweizer Prüfbeamt*innen jedoch bis heute nicht.
Doch wie kann es überhaupt sein, dass in der Schweiz Geld von kleineren und mittleren Firmen an jene Konzerne fliesst, die mit Abstand die höchsten Treibhausgasemissionen verursachen? Dazu muss man erst verstehen, wie die CO2-Lenkungsabgabe überhaupt funktioniert.
Wir alle zahlen die Abgabe auf CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Erdgas. Zum Beispiel dann, wenn wir zu Hause mit Erdöl heizen oder wenn Firmen Erdgas in der Produktion einsetzen. Die CO2-Abgabe ist im Laufe der letzten Jahre stetig angestiegen. Im Moment liegt sie bei 120 Franken pro Tonne Klimagase. Bezahlen müssen diese Abgaben zwar alle Privatpersonen, aber nicht alle Firmen. Von der CO2-Abgabe befreit sind unter anderem jene, die ihre Klimakosten unter dem EHS abrechnen dürfen.
Firmen, die ihre Klimakosten unter dem Emissionshandelssystem abrechnen dürfen, bezahlen keine CO2-Abgabe. Stattdessen müssen sie für jede ausgestossene Tonne CO2 ein entsprechendes Zertifikat erwerben. Diese Zertifikate sind nichts anderes als Emissionsrechte. Dabei gibt es nur eine bestimmte Menge an Zertifikaten und diese Menge, der sogenannte Cap, wird schrittweise gesenkt. Diese Verknappung soll den Preis der Zertifikate erhöhen.
Die Firmen können die Zertifikate auf zwei Arten beziehen: Entweder sie erwerben sie käuflich oder sie bekommen sie geschenkt. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) verteilt jedes Jahr eine grosse Menge an Gratiszertifikaten an die Schweizer EHS-Firmen, um zu verhindern, dass sie ihre Emissionen ins Ausland verlagern.
Zeitlich ist das EHS in mehrjährigen Handelsperioden mit mehr oder weniger gleichbleibenden Regeln organisiert. Die letzte Handelsperiode lief von 2013 bis 2020.
Wichtig: Die Zertifikate im Emissionshandelssystem sind nicht an Projekte gekoppelt, die der Atmosphäre Klimagase entziehen, wie man das zum Beispiel von Kompensationen für Flugreisen kennt. Bei diesen freiwilligen Kompensationszahlungen spricht man zwar oft auch von “Zertifikaten”, diese haben aber nichts mit dem EHS zu tun.
Wer darf beim EHS mitmachen?
Grundsätzlich sind im EHS Firmen aus den Branchen mit den höchsten Treibhausgasemissionen vertreten. Dabei gibt es solche, die beim EHS mitmachen „müssen“, weil sie im Anhang 6 der CO2-Verordnung stehen. Auf dieser Liste sind beispielsweise die Metall- oder die Zementindustrie. Dieses „müssen“ kann jedoch zu Missverständnissen führen. Denn die Firmen werden hier zu etwas gezwungen, das ihnen bis jetzt vor allem Vorteile verschafft hat.
Zusätzlich gibt es Branchen, die freiwillig beim EHS mitmachen können. Diese stehen im Anhang 7 der CO2-Verordnung. Hier befinden sich zum Beispiel die Chemie‑, die Papier- oder die Holzindustrie. Kurzum: Im EHS versammeln sich die Grosskonzerne aus der Energieproduktion und der Schwerindustrie.
Der überwiegende Teil der Schweizer Firmen darf aber nicht am EHS teilnehmen. Diese zahlen stattdessen für jede Tonne Klimagase eine CO2-Abgabe von 120.– Franken.
Im EHS registriert werden genau genommen nicht die Firmen selbst, sondern die verschiedenen Industrieanlagen der Firmen – also ein Zementwerk, ein Stahlwerk oder ein Heizwerk. Deshalb kann eine Firma auch mit mehreren Standorten im EHS vertreten sein.
Wie wird bestimmt, wer wie viele Gratiszertifikate erhält?
Die Anzahl Gratiszertifikate, die eine Firma vom BAFU erhält, ist von zwei Faktoren abhängig. Einerseits erhalten Firmen, die bereits eine gute CO2-Bilanz haben, mehr Gratiszertifikate als solche, die schlecht dastehen. Was man dabei aber nicht vergessen darf: Auch Firmen beziehungsweise deren Produktionsanlagen, die in diesem Ranking zu den besten zählen, emittieren immer noch Unmengen an Klimagasen.
Anderseits erhalten Firmen, die für ihre Produkte den sogenannten Carbon-Leakage-Status beanspruchen, mehr Gratiszertifikate als solche ohne. Von Carbon-Leakage spricht man dann, wenn die Klimagasemissionen wegen hoher Abgaben, Steuern oder anderen Klimaschutzmassnahmen in ein anderes Land verlagert werden, in dem es billiger ist, CO2 zu emittieren.
In der Handelsperiode von 2013 bis 2020 mussten alle Schweizer EHS-Firmen zusammen 39 Millionen Zertifikate abgeben. Vom BAFU wurden 38 Millionen Zertifikate gratis verteilt. Viele Schweizer EHS-Firmen haben deshalb eine beträchtliche Menge EHS-Zertifikate beiseitelegen können. Diese Reservebildung schwächt die Wirkung des EHS-Konzepts ab.
Wie kommen die EHS-Firmen zu den restlichen Zertifikaten?
Einerseits führt das BAFU regelmässig Versteigerungen durch. Andererseits handeln die EHS-Firmen sowie andere am CO2-Markt interessierte Akteur*innen untereinander mit den Emissionsrechten. Dieser Handel läuft über mehrere Energiebörsen – zum Beispiel über die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Leipzig.
Verknüpft mit dem europäischen EHS und trotzdem anders. Wie geht das?
Seit dem 1. Januar 2020 ist das Schweizer EHS mit dem europäischen EHS verknüpft. Deshalb gelten in beiden Systemen grundsätzlich dieselben Regeln. Da diese EHS-Regeln aber in eine nationale Klimagesetzgebung eingebettet sind, bedeutet die Teilnahme am EHS für eine europäische Firma trotzdem nicht zu hundert Prozent dasselbe wie für eine Schweizer Firma. Ein Beispiel: Anders als in den meisten EU-Ländern bezahlen die Firmen, die nicht im EHS sind, in der Schweiz auf fossile Brennstoffe eine CO2-Lenkungsabgabe. Diese liegt momentan bei 120 Franken pro Tonne CO2.
Diese Lenkungsabgabe wird grösstenteils an die Schweizer Bevölkerung zurückverteilt. Aber auch EHS-Firmen erhalten bei dieser Rückverteilung Geld, obwohl sie gar keine CO2-Abgabe bezahlt haben. Diese zusätzlichen Einnahmen aus der nationalen CO2-Abgabe erhalten europäische EHS-Firmen nicht.
Die CO2-Abgabe ist keine Steuer, sondern eine Lenkungsabgabe. Das heisst, das Geld landet nicht beim Staat, sondern wird über zwei separate Rückverteilungstöpfe an Bevölkerung und Wirtschaft zurückgegeben – zumindest zwei Drittel davon. Die Idee dahinter: Wer weniger Klimagase verursacht, zahlt weniger CO2-Abgabe, bekommt aber nach demselben Massstab Abgaben zurückverteilt wie alle anderen – macht unter dem Strich also einen Gewinn. Kurzum: Wer umweltfreundlich agiert, wird belohnt.
Dies gilt jedoch nicht für die EHS-Firmen. Dort endet die CO2-Lenkungsabgabe immer in einem Plus – Klimafreundlichkeit hin oder her. Denn die beteiligten Firmen kriegen Geld aus dem CO2-Abgabetopf zurück, ohne dass sie je etwas einzahlen müssen.
Bei den EHS-Firmen entwickelt die CO2-Abgabe also genau den gegenteiligen Effekt als angedacht: Anstatt dass das Geld von klimafeindlich zu klimafreundlich umverteilt wird, fliesst es von klimafeindlich zu ultra-klimafeindlich. Dass diese Art von Umverteilung dem Klimaschutz nicht förderlich ist und, wie von der EFK empfohlen, abgeschafft werden sollte, liegt auf der Hand.
Das Schweizer CO2-Gesetz unterscheidet zwischen Emissionen aus Brennstoffen wie Erdöl oder Erdgas und Emissionen aus Treibstoffen wie Benzin oder Diesel. Für die Regulation der Brennstoffe gibt es neben dem EHS auch die Instrumente der CO2-Lenkungsabgabe und der Zielvereinbarung. Den Emissionen aus Treibstoffen will die Politik über das Instrument der Kompensationspflicht einen Preis geben. Diese Kompensationspflicht beschränkt sich jedoch auf Treibstoffe aus dem Strassenverkehr – sprich Diesel und Benzin. Für Kerosin gilt die Kompensationspflicht nicht.
Weshalb sind auf der Seite der Brennstoffe mehrere verschiedene Instrumente entstanden? Der Hauptgrund: Bei der Einführung der CO2-Abgabe gab es Bedenken, dass emissionsintensive und international tätige Schweizer Konzerne nicht mehr wettbewerbsfähig wären, wenn sie eine CO2-Abgabe bezahlen müssen. Deshalb hat der Bund für die Sektoren mit den höchsten Emissionen Speziallösungen entworfen. Die damalige Diskussion lässt sich in dieser SRF-Sendung aus dem Jahr 1995 nachschauen.
Wahrscheinlich noch mehr Millionen
„Das Bundesamt für Umwelt hat unsere Empfehlung damals eigentlich gut aufgenommen“, sagt Rickli im Gespräch mit das Lamm. Aber im Laufe des Gesetzgebungsprozesses ist der Vorschlag der EFK vom Parlament wieder gekippt worden. Und das, obwohl die Einschätzung der Expert*innen möglicherweise sogar ein Understatement war.
Denn die 15.7 Millionen, die von 2013 bis 2020 zu den klimaschädlichsten Firmen flossen, berechneten Sangra und Rickli mit einer CO2-Abgabe von 84 Franken pro Tonne Treibhausgas. 2018 stieg die Abgabe jedoch auf 96 Franken. „Mit der Erhöhung der CO2-Abgabe steigt ja auch der Betrag, den die Firmen zurückerhalten“, erklärt Rickli. In Tat und Wahrheit könnte es also noch eine grössere Summe gewesen sein, die ohne Gegenleistung an die grössten Klimasünder*innen flossen.
Wie viel es tatsächlich war, darüber schweigen sich diejenigen, die davon profitieren, aus. Der Pharmakonzern Roche schreibt uns auf Anfrage lediglich: „Beträge kommunizieren wir grundsätzlich nicht.“ Und die Verpackungsproduzentin Model AG: „Dazu machen wir keine Angaben.“ Auch vom Baustoffriesen Holcim erhalten wir nur die Antwort, dass man zur Rückverteilung der CO2-Abgabe nichts sagen will.
Viele andere angefragte EHS-Konzerne bleiben uns eine Antwort ganz schuldig. Wenn man bedenkt, dass es sich dabei um Firmen handelt, die ohne Gegenleistung von KMUs einbezahltes Geld erhalten, wirkt diese Intransparenz noch dreister.
Die Rückverteilung der CO2-Lenkungsabgabe geschieht proportional zur AHV-Lohnsumme. Das führt dazu, dass Firmen mit vielen Angestellten von der Lenkungsabgabe viel zurückerhalten. Einige Firmen haben sich dazu entschieden, das CO2-Geld zu spenden. Und zwar für Klimaschutzmassnahmen bei der Klimastiftung Schweiz. Eine Firma, die beim EHS mitmacht, sucht man hier aber vergebens.
Immerhin ein kleiner Trost im Sinne der Gerechtigkeit bleibt: „Die EHS-Firmen kriegen im Vergleich zu anderen Konzernen eher wenig Rückverteilung.“ Und zwar, weil sie trotz hoher Emissionen und Umsätzen nicht so viele Angestellte haben, erklärt Experte Sangra. Da die Rückverteilung proportional zur AHV-Lohnsumme erfolgt, fallen die Beträge kleiner aus als bei arbeitsintensiven Unternehmen.
Dass dies stimmt, zeigt ein einfacher Vergleich: Auch die Stadt Zürich bezahlt auf den Verbrauch von Erdöl und Erdgas die CO2-Abgabe und erhält bei der Rückverteilung Geld zurück. In der Zeit von 2013 bis 2020 erhielt die Stadt laut Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) auf diesem Weg rund 13.8 Millionen Franken. Also fast gleich viel wie alle EHS-Konzerne zusammen. Denn die Stadt beschäftigt rund 30’000 Mitarbeitende. Und je höher die totale Lohnsumme ist, desto höher fällt die Rückverteilung aus dem Topf der CO2-Abgabe aus.
Trotzdem hat die Rückverteilung an die EHS-Konzerne dazu beigetragen, dass von 2013 bis 2020 der Druck, CO2-Emissionen zu reduzieren, kleiner wurde, sagt Rickli. „Das ist und bleibt unschön“, bestätigt auch Sangra. Laut ihrem Bericht von 2017 hat das so rückverteilte Geld bei einigen Firmen die Kosten für den Kauf von Emissionsrechten bis 2020 zu hundert Prozent gedeckt.
Schwache Erklärungen aus dem Parlament
Weshalb bevorteilt die Politik die grössten Klimazerstörer*innen? In einem älteren Beitrag begründet FDP-Nationalrat Matthias Jauslin gegenüber das Lamm die Ungleichbehandlung damit, dass die EHS-Firmen viele Arbeitsplätze bieten. Ein offenkundig schwaches Argument.
Auch Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt hat bei den letzten Verhandlungen rund um das CO2-Gesetz der Rückverteilung zugestimmt. Im selben Beitrag begründet er dies so: „Das EHS hat mit der CO2-Abgabe nicht viel zu tun. Gewisse Firmen werden aber dazu gezwungen, am EHS teilzunehmen.“ Entsprechend steht ihnen die Rückverteilung der CO2-Abgabe genauso zu wie allen anderen Firmen, so Müller-Altermatt. Nur: Laut Art. 41 der CO2-Verordnung können alle Betreiber*innen von EHS-Anlagen, die weniger als 25’000 Tonnen CO2 pro Jahr emittieren, den EHS mit einem sogenannten „opt-out“ verlassen. 2021 hatten von den 95 Schweizer EHS-Firmen 68 weniger als 25’000 Tonnen CO2 ausgestossen und hätten dementsprechend theoretisch aus dem EHS austreten können. Das taten sie aber nicht.
Die Model AG schreibt uns beispielsweise, dass sie die Möglichkeit für einen „opt-out“ hätte. „In dem Sinne haben wir freiwillig am EHS teilgenommen“, so die Kartonverpackungsproduzentin.
Die Konzerne verlassen das EHS also keineswegs fluchtartig, wenn sich ihnen dafür die Möglichkeit bietet. Wieso auch? Wenn Anlagen oder Firmen die CO2-Kosten unter dem EHS abrechnen, wird ihnen damit nicht etwas aufgebrummt. Im Gegenteil: Das EHS ist eine finanzielle Erleichterung. Und zwar aus zwei Gründen.
Erstens hat das EHS, anders als von Müller-Altermatt dargestellt, durchaus etwas mit der CO2-Abgabe zu tun. Denn wer seine Klimakosten nicht unter dem EHS abrechnen kann, untersteht automatisch der CO2-Abgabe. Und diese ist teurer als die Preise, die im EHS zu berappen sind. Momentan zahlen Unternehmen über die CO2-Abgabe 120 Franken pro Tonne Klimagase. Der CO2-Preis im EHS variiert zwar, hat aber den Preis der CO2-Abgabe in den letzten Jahren nie überschritten. Ende Januar 2023 lag der Preis im EHS bei rund 80.– Franken pro Tonne CO2.
Zweitens erhalten Firmen je nach Tätigkeitsbereich im EHS zusätzliche staatliche Unterstützung in Form von Gratiszertifikaten (Artikel 2). Erkennbare Nachteile entstehen den Firmen durch die Teilnahme am EHS keine.
Zu viel Luft im System
Bleibt die Frage, ob die zwei Experten der EFK trotz allem noch hinter dem Klimaschutzinstrument EHS stehen. Beide bejahen. Aber: „Es kommt eben auf die Ausgestaltung des Systems an“, sagt Sangra. „In der vergangenen Handelsperiode hatte es einfach zu viel Luft im System“, ergänzt Rickli. Sprich: Mit den aktuellen Regeln schafft das Ganze praktisch keinen Anreiz, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Genauso schreiben es die beiden auch in ihrem Bericht.
Einen Punkt betonen die zwei Experten zum Schluss unseres Gesprächs besonders: Man muss die 15.7 Millionen Franken auch ins Verhältnis setzen zu anderen Vorzügen, die für EHS-Firmen gelten. Verglichen mit den Beträgen, die die Firmen durch den Wegfall der CO2-Abgabe sparen, fielen die 15.7 Millionen nicht so stark ins Gewicht. Oder anders: Den Firmen mit den höchsten Klimagasemissionen wurden auch noch ganz andere Beträge geschenkt. Die 15.7 Millionen sind nur das Sahnehäubchen oben drauf.
Wie viel Geld die EHS-Firmen eingespart haben, weil sie keine CO2-Abgabe bezahlen mussten und wie viel Geld dem Staat dadurch durch die Lappen ging, das halten wir in unserem nächsten Artikel für euch bereit. So viel sei gespoilert: Es sind einige Milliönchen.
Übersichtsartikel
Emissionshandelssystem: Eine Flatrate auf Monsteremissionen
Der Bund erliess den grössten Umweltverschmutzern von 2013 bis 2020 drei Milliarden Franken an CO2-Abgaben und schenkte ihnen gleichzeitig Emissionsrechte im Wert von schätzungsweise 361 Millionen Franken. Das zeigen bislang unveröffentlichte Berechnungen vom Onlinemagazin das Lamm.
Artikel 1
Weniger CO2 dank Emissionshandel? Eine Bilanz der letzten Jahre
Die Konzerne mit den meisten Klimagasemissionen rechnen ihre CO2-Kosten im Emissionshandelssystem ab. Das sollte die Klimaverschmutzung bremsen. Gewirkt hat es kaum.
ArtikeL 2
Selbstsabotage beim Klimaschutz. Der Grund: die Wettbewerbsfähigkeit
Damit Klimaverschmutzung für die Verursacher*innen etwas kostet, führte man in der Schweiz 2008 den Zertifikatshandel ein. Weil das für emissionsintensive Firmen ziemlich teuer werden kann, verschenkt der Staat kostenlose Zertifikate. Unsere Recherche zeigt auf, wer die meisten Gratiszertifikate erhalten hat.
Artikel 3
Klimaumverteilung: Von den KMUs zu den Grosskonzernen
Nur ein paar wenige Firmen dürfen ihre CO2-Emissionen im Emissionshandelssystem abrechnen. Damit ist es für sie nicht nur günstiger, Emissionen zu verursachen. Sie profitieren auch ganz direkt von den CO2-Abgaben der KMU.
Artikel 4
Klimamilliarden für Holcim, Lonza, BASF und Co.
Erstmals zeigen Berechnungen von das Lamm: Der Staat erliess Grosskonzernen CO2-Abgaben in Milliardenhöhe. Wer hat wie stark davon profitiert? Wir bringen Licht in das letzte Jahrzehnt Emissionshandelsdunst.
Artikel 5
Ein Spezialdeal für die Klimakiller. Warum eigentlich?
Von 2013 bis 2020 subventionierte der Staat die emissionsintensivsten Firmen des Landes mit rund 3 Milliarden Franken. Ob das gerechtfertigt ist oder nicht, diskutierte man bereits vor 30 Jahren.
Artikel 6
Wann fällt die Dauerflatrate?
Die EU plant Reformen. Diese könnten das EHS raus aus der Geiselhaft der globalisierten Industrie und rein in eine tatsächliche Dekarbonisierung führen. Der Wermutstropfen: So bald wird sich kaum etwas ändern.
Artikel 7
Braucht es das EHS?
Wer heute Klimagase verursacht, der zahlt. Nur zahlen bis jetzt nicht alle gleich viel, wenn sie das Klima zerstören. Das ist nicht nur unfair, sondern bremst auch die notwendigen CO2-Reduktionen aus. Gehört das EHS deshalb abgeschafft? Eine Einordnung.
Die Recherchen für diesen Artikel wurden vom Peter Hans Hofschneider-Recherchepreis für Wissenschafts- und Medizinjournalismus der Stiftung Experimentelle Biomedizin unterstützt. Der Recherchepreis wird in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Recherche vergeben.
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