Die CO2-Abgabe: Der hohle Kern der Schweizer Klimapolitik

Die CO2-Lenkungs­ab­gabe auf fossile Brenn­stoffe ist das Kern­stück des CO2-Gesetzes. Bezahlen müssen sie jedoch nicht alle. Diese Ungleich­be­hand­lung soll mit der neue­sten Revi­sion noch verschärft werden. 
Wer Klimagasse emittiert, muss laut CO2-Gesetz eine Abgabe bezahlen. Diese Regel gilt aber nicht für alle Firmen. (Illustration: Luca Mondgenast)
Wer Klimagase emittiert, muss laut CO2-Gesetz eine Abgabe bezahlen. Diese Regel gilt aber nicht für alle Firmen. (Illustration: Luca Mondgenast)

Die Flug­ticket­ab­gabe erhitzte die Gemüter. Im Abstim­mungs­kampf um das revi­dierte CO2-Gesetz im letzten Jahr wurde sie immer wieder gegen die Vorlage ins Feld geführt. Asozial und unnötig sei sie. 30 Franken pro Kurz­strecken­flug wären bei einer Annahme erhoben worden. Was dagegen unter­ging: Schon lange ist eine Abgabe auf CO2-Emis­sionen das Kern­stück der Schweizer Klimagesetzgebung.

Mit der CO2-Abgabe sollen fossile Brenn­stoffe verteuert und erneu­er­bare Lösungen dadurch konkur­renz­fähig werden. Ziel ist eine Lenkung: weg von der fossilen hin zur erneu­er­baren Energie. Eigent­lich hat sich das Instru­ment als wirkungs­voll erwiesen. Aber schon heute kann die Abgabe umgangen werden. Und wenn es nach dem Bundesrat geht, sollen die Regeln jetzt noch weiter ausge­höhlt werden.

2008 wurde die Abgabe auf fossile Brenn­stoffe einge­führt und in den folgenden Jahren konti­nu­ier­lich erhöht. Seit Jahres­be­ginn beträgt sie 120 Franken pro Tonne CO2. Zur Einord­nung: Ein Economy-Flug von Basel nach Riga und wieder zurück verur­sacht pro Person eine solche Tonne CO2.

Die CO2-Abgabe ist keine Steuer, sondern eine Lenkungs­ab­gabe. Sprich: Das so einge­nom­mene Geld bleibt nicht beim Staat, sondern wird gröss­ten­teils gleich­mässig an die Firmen und die Privat­haus­halte zurück­ver­teilt. Die Idee dahinter ist eigent­lich über­zeu­gend: Wer wenig CO2 verur­sacht hat, sollte unter dem Strich finan­ziell profi­tieren. Ein Teil der CO2-Abgabe wird ausserdem in Klima­schutz­mass­nahmen inve­stiert. Dazu später mehr.

Aller­dings fällt die CO2-Abgabe nicht bei jeder emit­tierten Tonne CO2 an. Sie wird nur auf Brenn­stoff, nicht aber auf Treib­stoff erhoben. Sprich: Für Heizöl oder Erdgas bezahlen die Verbraucher:innen und Firmen eine Abgabe, für Benzin, Diesel oder Kerosin aber nicht. Der besagte Flug von Basel nach Riga verur­sacht also zwar eine Tonne Klima­gase – CO2-Abgabe muss man darauf aber keine bezahlen.

Der gesamte Verkehrs­be­reich ist also von der CO2-Lenkungs­ab­gabe ausge­nommen. Sie dient ledig­lich dazu, die Emis­sionen im Gebäu­de­be­reich und in der Indu­strie zu senken. Nicht, dass das nicht nötig wäre: Fossile Heizungen verur­sa­chen einen Gross­teil der Schweizer Klima­gase und auch in der Indu­strie sind fossile Brenn­stoffe nach wie vor weit verbreitet. Zusammen sind sie für rund die Hälfte aller Klima­gase verant­wort­lich, die in der Schweiz ausge­stossen werden.

Alles für die Wirtschaft

Im vergan­genen Sommer wurde die Revi­sion des CO2-Gesetzes an der Urne versenkt. Das Resultat sorgte für Ratlo­sig­keit. Jetzt liegt der Entwurf einer neuen Revi­sion des CO2-Gesetzes vor. Er ist momentan in der Vernehm­las­sung. Bis am 4. April 2022 können die Kantone, Gemeinden und Städte, die poli­ti­schen Parteien, aber auch Dach­ver­bände aus der Wirt­schaft wie econo­mie­su­isse oder Umwelt­schutz­or­ga­ni­sa­tionen wie der WWF den neue­sten Entwurf kommen­tieren und Ände­rungs­vor­schläge anbringen (das Lamm berich­tete). Nach der Vernehm­las­sung muss das Gesetz noch durch das Parla­ment – es kann sich also noch vieles ändern.

In Bezug auf die CO2-Abgabe sind zwei wesent­liche Neue­rungen absehbar, die vor allem in Kombi­na­tion proble­ma­tisch wären. Erstens sollen neu alle Firmen die Möglich­keit erhalten, sich von der CO2-Abgabe befreien zu lassen, zwei­tens soll die soge­nannte Teil­zweck­bin­dung erhöht werden. Beide Neue­rungen dienen vor allem einem Zweck: dem Schutz der Wirt­schaft – zu Ungun­sten der Nachhaltigkeit.

Zunächst zur Auswei­tung der Abga­be­be­freiung: Während Mieter:innen und Hauseigentümer:innen für jede ausge­stos­sene Tonne Heizemis­sionen 120 Franken bezahlen, hält bereits das geltende CO2-Gesetz gerade für die Firmen, die am meisten Klima­gase verur­sa­chen, ein Hinter­tür­chen offen.

Im aktu­ellen CO2-Gesetz gibt es den soge­nannten Anhang 7. Darin werden verschie­dene Wirt­schafts­sek­toren aufge­zählt. Die Uhren­branche ist in dieser Liste genauso zu finden wie der Anbau von Pflanzen in Gewächs­häu­sern, die Geträn­ke­her­stel­lung, die Papier­pro­duk­tion oder der Betrieb von Bädern und Kunst­eis­bahnen. Was diese Sektoren gemeinsam haben? Sie verbrau­chen beson­ders viele fossile Brenn­stoffe. Und sie können sich von der CO2-Abgabe befreien lassen.

Um die CO2-Abgabe zu umgehen, müssen die Firmen eine soge­nannte Ziel­ver­ein­ba­rung eingehen. Sie verpflichten sich damit, ihre Emis­sionen zu einem gewissen Teil zu redu­zieren. In diesen Verein­ba­rungen wird fest­ge­halten, welche Reduk­ti­ons­mass­nahmen die Firmen in den näch­sten Jahren umsetzen müssen, um von den CO2-Abgaben auf die verblei­benden Emis­sionen befreit zu werden. Was zunächst plau­sibel erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Schlupf­loch für die grössten Klimagas-Emittent:innen.

Wenig Ambi­tionen bei den Reduktionen

Im Auftrag der zustän­digen Behörden unter­suchte das unab­hän­gige Bera­tungs­büro Ecoplan 2016 das Instru­ment der Ziel­ver­ein­ba­rungen. Auch wenn die Mass­nahmen für einzelne Unter­nehmen durchaus eine Heraus­for­de­rung darstellen würden, kam das Bera­tungs­büro zum Schluss, dass die Ziele in den Verein­ba­rungen grund­sätz­lich nur dem lang­fri­stigen Reduk­ti­ons­trend der gesamten Indu­strie entsprä­chen. „Wir schätzen die Ziel­set­zungen im Durch­schnitt als wenig ambi­tio­niert ein“, schreiben die Autor:innen.

Wie viel die abga­be­be­freiten Firmen konkret redu­zieren müssen, kann weder für das aktuell geltende noch für das neue Gesetz einheit­lich gesagt werden, da sich die Reduk­ti­ons­ver­pflich­tungen von Firma zu Firma unter­scheiden. Das momentan geltende CO2-Über­gangs­ge­setz gibt aber einen Einblick in die zu erwar­tende Grös­sen­ord­nung: Um die Über­gangs­be­stim­mungen über­sicht­lich zu halten, wurde für die Jahre 2022 bis 2024 ein einheit­li­cher Reduk­ti­ons­pfad von 2 % pro Jahr festgelegt.

Will heissen: Indem die Firmen ihre Emis­sionen jähr­lich um 2 % redu­zieren, sparen sie sich die 120 Franken CO2-Abgabe auf die rest­li­chen 98 % der Emis­si­ons­tonnen. Die betref­fenden Firmen konnten so 2020 laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) Abgaben von über 150 Millionen Franken sparen.

Dass es bei den Ziel­ver­ein­ba­rungen letzt­lich um ein Schlupf­loch für die grossen Emittent:innen geht, gibt der Bund mehr oder weniger unum­wunden zu: Die Abga­be­be­freiung sei vor allem für Wirt­schafts­zweige gedacht mit einer hohen Abga­be­last, deren inter­na­tio­nale Wett­be­werbs­fä­hig­keit durch die Abgabe entspre­chend stark beein­träch­tigt würde. Müssten die Firmen dieser Bran­chen tatsäch­lich für jede ausge­stos­sene Tonne CO2 120 Franken bezahlen, könnten sie, so die Begrün­dung, mit der auslän­di­schen Konkur­renz nicht mehr mithalten.

Die Katze beisst sich also in den eigenen Schwanz: Die Politik konzi­piert zwar eine Abgabe, die denen wehtun soll, die das Klima bela­sten, um sie zu Reduk­tionen zu bewegen. Doch weil das Instru­ment tatsäch­lich funk­tio­nieren würde, gibt die Politik den Firmen die Möglich­keit, sich der Abgabe wieder zu entziehen. Aus Angst vor nega­tiven wirt­schaft­li­chen Konsequenzen.

Weniger Abgaben für fast alle?

Bis jetzt hat nur ein kleiner Teil der Schweizer Firmen eine solche Ziel­ver­ein­ba­rung mit dem Bund abge­schlossen. Gemäss einer Analyse der Eidge­nös­si­schen Finanz­kon­trolle waren es 2017 rund 1’000 Unter­nehmen. Die Anzahl der CO2-abga­be­pflich­tigen Firmen wird in derselben Analyse hingegen mit über 490’000 angegeben.

Mit dem vom Bundesrat ausge­ar­bei­teten Entwurf eines neuen CO2-Gesetzes würde sich das ändern. Und zwar so, dass nicht mehr nur Firmen bestimmter Wirt­schafts­sek­toren, sondern neu alle Firmen die Möglich­keit hätten, Ziel­ver­ein­ba­rungen abzu­schliessen – und sich so von der CO2-Abgabe befreien zu lassen.

Ein 2017 vom BAFU in Auftrag gege­bener Bericht kommt zum Schluss, dass wohl über 5’000 Firmen von dieser neuen Möglich­keit Gebrauch machen würden. Eben­falls laut dem BAFU könnten dadurch je nach Ausge­stal­tung der Regeln in Zukunft jähr­lich 1,7 bis 2,6 Millionen emit­tierte Tonnen CO2 von der Abgabe befreit werden. Bei 120 Franken Abgabe pro Tonne würden die Firmen mit Ziel­ver­ein­ba­rung dadurch zwischen 200 und 300 Millionen Franken einsparen. Rund doppelt so viel wie heute.

Eine solche Auswei­tung war bereits Teil der Revi­sion des CO2-Gesetzes, das im letzten Sommer an der Urne schei­terte. Der neue Geset­zes­ent­wurf sieht im Bereich der Ziel­ver­ein­ba­rungen wenig­stens eine kleine Verschär­fung vor: Die befreiten Firmen müssten neu aufzeigen, wie sie bis 2040 ganz aus der Nutzung fossiler Brenn­stoffe (Erdöl, Gas oder Kohle) für die Ener­gie­ge­win­nung aussteigen. Was die Ambi­tionen dieser Neue­rung jedoch wieder etwas rela­ti­viert: Die Firmen dürften weiterhin fossile Treib­stoffe wie Benzin oder Diesel verwenden oder Plastik für die Herstel­lung ihrer Produkte einsetzen (Art 31c).

Die einen zahlen weniger, die anderen mehr

Grund­sätz­lich ist damit zu rechnen, dass durch die Auswei­tung der CO2-Abga­be­be­freiung gerade vonseiten derje­nigen Firmen weniger Geld in die Klima­kasse fliessen wird, die am meisten fossile Brenn­stoffe verbrau­chen. Denn je mehr CO2-Abgaben anfallen, desto eher lohnt sich der admi­ni­stra­tive Aufwand, den die Ziel­ver­ein­ba­rung mit sich bringt. Hier kommt die zweite gewich­tige Neue­rung in der geplanten Revi­sion im Bereich der CO2-Abgabe mit ins Spiel: die Erhö­hung der Teilzweckbindung.

Wie bereits erwähnt fliessen nicht alle Einnahmen, die über die CO2-Abgabe erhoben werden, direkt an die Bevöl­ke­rung und die Firmen zurück. Derzeit wird ein Drittel davon im Rahmen der soge­nannten Teil­zweck­bin­dung in verschie­dene Klima­mass­nahmen inve­stiert. Finan­ziert werden damit Gebäu­de­sa­nie­rungen, der Ersatz von Ölhei­zungen, die Förde­rung der Geothermie, verschie­dene Tech­no­lo­gie­ent­wick­lungen, aber auch der Vollzug der CO2-Vorschriften bei Auto­im­porten. Die Mass­nahmen sind unbe­stritten wichtig.

Neu soll nicht mehr nur ein Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe dafür aufge­wendet werden, sondern die Hälfte. Der Grund dafür ist klar: die geplante Auswei­tung der Abga­be­be­freiung für alle Firmen. Wenn die Einnahmen auf der einen Seite wegbre­chen, muss das Geld an einem anderen Ort wieder rein­ge­holt werden.

Das geht auf Kosten derje­nigen, die sich nicht von der CO2-Abgabe befreien können – Privat­haus­halte und kleine Firmen, für die der admi­ni­stra­tive Aufwand einer Ziel­ver­ein­ba­rung zu gross ist. Sie sollen gemäss dem vorlie­genden Entwurf nicht nur weiterhin Abgaben zahlen müssen, sie werden auch einen weitaus klei­neren Teil dieser Abgaben zurück­er­stattet erhalten. Der Vorschlag sieht also eine Umver­tei­lung von KMU und Privat­per­sonen zu Gross­kon­zernen vor.

Wenn sich alle drücken können, ist es auch nicht fair

Im vergan­genen Abstim­mungs­kampf spielte die geplante Auswei­tung der CO2-Abga­be­be­freiung so gut wie keine Rolle. Dabei wäre die Diskus­sion darüber, ob den Konzernen diese Ausnah­me­re­ge­lung zusteht oder nicht, minde­stens so wichtig wie die Diskus­sion über Benzin­preise und Flugticketabgaben.

Dass sich bald alle Firmen von der Abgabe befreien lassen könnten, ist vor allem auch aus klima­po­li­ti­scher Perspek­tive absurd. Denn eine weitere vom BAFU in Auftrag gege­bene Studie stellte fest, dass „die CO2-Abgabe im Jahr 2015 eine zwei- bis dreimal so hohe CO2-Reduk­ti­ons­wir­kung wie das Gebäu­de­pro­gramm und die Ziel­ver­ein­ba­rungen zusammen“ hatte.

Die Ecoplan-Autor:innen sind der Meinung, dass „Ziel­ver­ein­ba­rungen keinen Anreiz für den länger­fri­stig notwen­digen Struk­tur­wandel“ geben würden. Sprich: Die Befreiung von der CO2-Abgabe wird nicht dazu führen, dass sich eine Wirt­schaft entwickeln kann, die das Netto-Null-Ziel erreicht. Statt­dessen zemen­tiert sie veral­tete, klima­schäd­liche Produktionsweisen.

Deshalb kommt der Bericht zum Schluss, dass es keine gute Idee sei, die CO2-Abga­be­be­freiung auf weitere Firmen auszu­dehnen. Diese sei eigent­lich nur als flan­kie­rende Mass­nahme für emis­si­ons­in­ten­sive Unter­nehmen einge­führt worden, die im inter­na­tio­nalen Wett­be­werb stünden. 

Und auch die OECD hat die Schweiz in den regel­mässig erschei­nenden Länder­be­richten wegen dieser Praxis schon mehr­mals gerügt. In neusten Länder­be­richt von 2021 fordert sie die Schweiz dazu auf, die Befrei­ungs­mög­lich­keiten abzu­schaffen. Denn: Wenn niemand mehr die CO2-Abgabe zahlt, bringt sie auch nichts.

Und nicht zuletzt spre­chen prak­ti­sche Gründe gegen eine Auswei­tung der Ziel­ver­ein­ba­rungen. Sie würde einen gigan­ti­schen admi­ni­stra­tiven Aufwand verur­sa­chen. Tausende von Verein­ba­rungen müssten geprüft werden. Das Zollamt müsste jeder abga­be­be­freiten Firma die CO2-Abgabe auf die erwor­benen Brenn­stoffe einzeln zurück­er­statten. Und neu müsste sich die Verwal­tung auch noch um die Prüfung kümmern, ob die Firmen bezüg­lich des Fern­ziels 2040 auf Kurs sind oder nicht – und falls nötig die CO2-Abgabe doch wieder einfordern.

Kein Veto aus der Politik

Trotzdem bläst der Auswei­tung der Abga­be­be­freiung aus der Politik erstaun­lich wenig Gegen­wind entgegen. Das zeigen Anfragen bei mehreren Mitglie­dern der Kommis­sion für Umwelt, Raum­pla­nung und Energie (UREK). Die Kommis­sion ist für die Vorbe­ra­tung des CO2-Gesetzes zuständig.

Martin Bäumle, Natio­nalrat der Grün­li­be­ralen, schreibt uns auf Anfrage: „Verein­ba­rungen sind konkret, die CO2-Abgabe redu­ziert noch kein CO2.“ Deshalb mache die Auswei­tung Sinn und deshalb trage er diesen ausdrück­li­chen Wunsch aus der Wirt­schaft gerne mit.

Und wenig über­ra­schend findet man es auch bei der FDP berech­tigt, der Indu­strie mit dem Instru­ment der Ziel­ver­ein­ba­rungen eine Alter­na­tive zur CO2-Abgabe zur Verfü­gung zu stellen. „Nicht alle Emis­sionen haben dieselbe Geschichte“, findet FDP-Natio­nalrat Matthias Jauslin. „Emis­sionen, welche zum Beispiel bei der Produk­tion von Zement anfallen, sind für das Funk­tio­nieren dieser Branche und unserer Gesell­schaft rele­vanter, als wenn man zum Vergnügen einen Kurz­trip mit dem Flug­zeug nach Amsterdam unter­nimmt.“ Die Wirt­schaft liefere uns, was wir täglich brau­chen, und stelle auch entspre­chende Arbeits­plätze zur Verfügung.

Doch im Rahmen einer Ziel­ver­ein­ba­rung wird nicht unter­schieden, wofür die Klima­gase ausge­stossen werden. Wenn sich dereinst alle Firmen von den Abgaben befreien dürfen, wird der Bund eben gerade nicht mehr unter­scheiden, was für eine Geschichte die befreiten Emis­sionen haben. Egal, ob eine Firma Duft­bäum­chen und Diamant­ringe oder Herz­schritt­ma­cher und Brot produ­ziert – alle könnten sich mit einer Ziel­ver­ein­ba­rung von der CO2-Abgabe befreien.

Trotzdem begrüsst auch Stefan Müller-Alter­matt von der Mitte-Frak­tion die geplante Auswei­tung: „Die Vermin­de­rungs­ver­pflich­tungen wirken – und zwar mehr als der Lenkungs­ef­fekt aufgrund der CO2-Abgabe“, so der Natio­nalrat in krassem Wider­spruch zu oben­ge­nannter Studie.

Bei der SP begrüsse man es, wenn möglichst alle Unter­nehmen in die Dekar­bo­ni­sie­rung ihres Betriebes inve­stieren. Aus Perspek­tive des Klima­schutzes sei es nicht falsch, wenn Firmen wählen können zwischen umfang­rei­chen eigenen Klima­schutz­mass­nahmen oder Abgaben, die teil­weise in Klima­schutz­pro­jekte fliessen.

Probleme sieht die SP-Natio­nal­rätin Martine Munz bei der Admi­ni­stra­tion: „Die perso­nellen Ressourcen für die Erstel­lung der Ziel­ver­ein­ba­rungen und deren Über­prü­fung müssen gewähr­lei­stet sein.“ Mit Ziel­ver­ein­ba­rungen könnten jedoch vor allem bei klei­neren Unter­nehmen grosse Fort­schritte bezüg­lich Klima und Energie erreicht werden.

Und schluss­end­lich könne man im Sinne eines Kompro­misses auch bei den Grünen die Auswei­tung unter­stützen, schreibt uns der grüne Natio­nalrat Bastien Girod auf Anfrage: „Wichtig ist aber, dass die Befreiung der CO2-Abgabe späte­stens 2040 ausläuft und bis dahin die Emis­sionen wenn möglich auf null gesenkt werden.“

Der Kompro­miss wäre eine Teilbefreiung

Dass die Unter­nehmen sich zu Vermin­de­rungen verpflichten, ist natür­lich grund­sätz­lich zu begrüssen. Ange­sichts der Klima­krise bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Dass sie bei der Erar­bei­tung der Ziel­set­zungen von den Bundes­äm­tern unter­stützt werden: sicher hilfreich.

Dass sie dafür aber gleich von den gesamten Abgaben auf die verblei­benden Emis­sionen befreit werden, ist vor allem ein beacht­li­cher Lobbying-Erfolg. Der gutschwei­ze­ri­sche Kompro­miss wäre wohl eher eine Teil­be­freiung von den Abgaben auf die verblei­benden Emissionen.

Die CO2-Abgabe führt für manche Firmen und Haus­halte zwar zu einer finan­zi­ellen Bela­stung. Im Grund­satz ist sie aber ein faires, verursacher:innengerechtes Mittel, um der Klima­er­hit­zung Einhalt zu gebieten. Wer CO2 verur­sacht, soll auch dafür bezahlen. Wer viel CO2 verur­sacht, soll entspre­chen viel dafür zahlen. Die Ziel­ver­ein­ba­rungen stehen schon heute mit diesem Grund­satz im Wider­spruch. Und wenn in Zukunft nur noch die KMU und die Privat­haus­halte zur Klima­kasse gebeten werden, verkommt der Kern der Schweizer Klima­ge­setz­ge­bung zu einer hohlen Farce.


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