Machs doch besser! – Erfah­rungen einer Veganerin

Ich habe mich während der Fasten­zeit vegan ernährt. Noch nie wurde ich so oft und so stark für mein Essver­halten kriti­siert wie in diesem Monat. Und das, obwohl eigent­lich alle der Meinung waren, dass es gut ist, auf tieri­sche Produkte zu verzichten. 
Symbolbild (Julia Zolotova / Unsplash)

Vegan-Fasten oder Daniel-Fasten sagt man dem, was ich in den vergan­genen 40 Tagen gemacht habe. Letz­terer Begriff geht auf eine christ­liche Erzäh­lung zurück, in welcher sich Daniel und seine Freunde ausschliess­lich von Gemüse und Früchten ernährten und laut der Bibel danach sogar fitter waren als dieje­nigen, die sich an der könig­li­chen Tafel bedient hatten.

Vege­ta­risch habe ich mich schon lange ernährt. Aber über die Fasten­tage wollte ich es nun auch mal mit ausschliess­lich veganer Ernäh­rung probieren. Mein Ziel war es nicht, dadurch zur vollen Vega­nerin zu werden. Aber ich wollte mir einen Versuchs­zeit­raum schaffen, in dem ich auste­sten konnte, welche tieri­schen Produkte ich wirk­lich will – und welche ich nur aus Faul­heit oder aus Gewohn­heit konsumiere.

Butter und Milch brauche ich gar nicht

Und ich werde so einiges aus dieser Vegan-Zeit beibe­halten. Milch werde ich zum Beispiel nicht mehr kaufen. Nachdem ich das ganze Soja‑, Reis- und Mandel­milch-Sorti­ment durch­pro­biert habe, weiss ich nun, dass mir Hafer­milch sogar besser schmeckt als Kuhmilch. Und wenn ich die rich­tige Marga­rine, nämlich die Alsan-Bio auf dem Tisch stehen habe, dann kann ich getrost auf Butter verzichten. Eier werde ich nur noch sehr zurück­hal­tend essen. Vor allem seit ich die roten und entzün­deten Hinter­teile der Hühner gesehen habe, welche die Wohn­ge­mein­schaft meines Freundes vor der Schlach­tung gerettet hat. Weil die Hühner nicht mehr jeden Tag ein Ei legten, wollte man sie zu Biogas machen. Was ich mir nach Ostern aber wieder ab und zu gönnen werde, ist ein Stück Gruyère.

Dieses Huhn verbrachte sein Leben auf einem normalen Hühnerhof und sollte vergast werden, weil es nicht mehr jeden Tag ein Ei legte. Wenn man diese Ärsche sieht, ist einem ziemlich schnell klar, dass da ein Organ überstrapaziert wurde. (cc Das Lamm)
Dieses Huhn verbrachte sein Leben auf einem normalen Hühnerhof und sollte vergast werden, weil es nicht mehr jeden Tag ein Ei legte. Wenn man diese Ärsche sieht, ist einem ziem­lich schnell klar, dass da ein Organ über­stra­pa­ziert wurde. (© das Lamm)

Der Vegan-Zeit verdanke ich aber nicht nur einen neuen Spei­se­zettel, sondern auch ein neues Argu­ment. Dazu eine kleine Geschichte: Nachdem etwa die Hälfte meiner Fasten­zeit vergangen war, brachte eine Freundin einmal einen Topf Scho­ko­la­den­mousse zu einem Treffen mit. Verständ­li­cher­weise war die Freude bei allen gross. Obwohl natür­lich auch ich Scho­ko­la­den­mousse liebe, winkte ich ab. Leider nicht vegan, meinte ich. „Ach komm, das wäre doch jetzt wirk­lich mal ein guter Grund, eine Ausnahme zu machen“, meinte meine Freundin darauf. Wieso denn gerade jetzt ein guter Grund sei, meine Fasten­re­geln zu brechen, wollte ich wissen. „Naja, ich habe heute halt Geburtstag“, kam als Erklä­rung zurück, und in die ausge­las­sene Scho­ko­la­den­mousse-Freude mischte sich eine Portion „Upps... verk***t“, weil niemand an den Geburtstag gedacht hatte. Um ihr eine Freude zu machen und natür­lich auch, weil ich es mag, nahm ich dann wirk­lich eine Schale Scho­ko­la­den­mousse entgegen. „Aber das darfst du doch gar nicht“, wandte natür­lich prompt ein anderer Kumpel ein. „Du bist doch vegan.“

Solche oder ähnliche Szenen spielten sich während meiner Fasten­zeit öfter ab. Wer sich vegan ernährt, muss sich für die eigene Ernäh­rung recht­fer­tigen. Immer wieder. Sei es wegen einer Scho­ko­la­den­mousse-Ausnahme, wegen eines Kekses, der „Reste von Milch enthalten kann“ oder weil ich einen Löffel Sahne verputze, der sonst im Müll gelandet wäre. Das dürfe man als Vega­nerin nicht tun, heisst es dann. Aber stimmt das wirklich?

Ein Drittel der Klima­gase kommt von unserem Essen

Laut dem Bundesamt für Umwelt darf jedeR 0.6 — 1.5 Tonnen CO2 pro Jahr ausstossen, wenn wir die Klima­ziele errei­chen wollen. Momentan sind wir in der Schweiz jedoch bei minde­stens 5.6 Tonnen pro Jahr und Person. Und gewisse Emis­sionen, wie zum Beispiel die vom Flug­ver­kehr, sind in dieser Zahl noch nicht einmal enthalten. Ein Drittel dieser 5.6 Tonnen kommt laut der NGO Eater­nity von unserer Ernäh­rung. Auf der Website des WWF kann man nach­lesen, dass sich der ernäh­rungs­be­zo­gene Klima­gas­aus­stoss von Herrn und Frau Schweizer um 24 Prozent redu­ziert, wenn sie oder er sich vege­ta­risch ernährt. Stellt man auf vegane Ernäh­rung um, dann sind es sogar 40 Prozent.

Mit einer angepassten Ernährung kann mensch den Klimagasausstoss, der sein Essen verursacht etwa halbieren. Leider sind aber auch die über als 1000 kg Klimagase aus der veganen Ernährung ziemlich viel, wenn wir insgesamt auf maximal 0.6 - 1.5 Tonnen kommen sollten. (Screenshot WWF Schweiz)
Mit einer ange­passten Ernäh­rung kann jeder Mensch den Klima­gas­aus­stoss, der sein Essen verur­sacht, etwa halbieren. Leider sind aber auch die über 1000 kg Klima­gase aus der veganen Ernäh­rung ziem­lich viel, wenn wir insge­samt auf maximal 0.6 — 1.5 Tonnen kommen sollten. (Screen­shot WWF Schweiz)

Zurück zum Scho­ko­la­den­mousse: Wer darf wirklich?

Wer sich vegan ernährt, haut also massiv weniger CO2 in die Luft. Mit der Schale Scho­ko­la­den­mousse in meiner Hand erwi­derte ich deshalb: „Hm, ich glaube, das ist falsch. Denn wahr­schein­lich bin ich hier sogar dieje­nige, die als erste und am meisten Mousse essen darf.“ Wieso? Weil niemand anders in der Scho­ko­mousse-Runde in den letzten Wochen so wenig tieri­sche Produkte gegessen hat wie ich. Meine momen­tane Ernäh­rung war auch mit dieser Scho­ko­la­den­mousse-Ausnahme halb­wegs mit den Klima­zielen zu verein­baren. Einige andere hingegen hatten ihr CO2-Budget wahr­schein­lich schon lange vor der Mousse gesprengt.

Natür­lich gibt es auch tier­ethi­sche Gründe, weshalb man auf Fleisch, Eier und Milch­pro­dukte verzichten will, kann oder soll. Aber wenn man die Geschichte mal nur aus der Klima­ecke betrachtet, dann sind es eigent­lich die Vega­ne­rInnen, die am ehesten mal zu einem tieri­schen Produkt greifen dürften. Wenn sie das aber tun, sind es ironi­scher­weise genau sie, die beson­ders stark dafür kriti­siert werden.

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