„Poli­ti­sie­rende Kirchen“: Ein Gespenst mit rassi­sti­schem Erbe

In der ganzen Schweiz warben Kirchen für die Annahme der Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive. Dafür ernteten sie Kritik von rechts – wie vor 30 Jahren, als Exponent:innen der Kirche Geflüch­tete versteckten oder sich gegen das Apart­heid­re­gime in Südafrika enga­gierten. Zur jüngeren Geschichte eines alten Unbehagens. 
Wenn sich Pfarrer:innen auf den Universalismus besinnen, gefällt das den Rechnten nicht. (Illustration: Anna Egli/annaegli.ch)

Ende Oktober 2020. Statt dem Magazin Kirchen-News finden die Nidwaldner Refor­mierten eine Notiz des Kirchen­rats in ihren Brief­kä­sten. Darin heisst es: „Wir sehen unsere Zeitung als ein Infor­ma­ti­ons­blatt über Akti­vi­täten und Veran­stal­tungen unserer Kirche und nicht als geeig­netes Medium zur Verbrei­tung poli­ti­scher State­ments.“ Seither sind die Kirchen-News nicht mehr erschienen. Statt der übli­chen zehn blieb es 2020 bei acht Ausgaben. Was war geschehen?

Weil in den Kirchen-News wenige Wochen vor der Abstim­mung ein Pro-und-Contra zur Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive (KVI) erscheinen sollte, inter­ve­nierte der Kirchenrat der Evan­ge­lisch-Refor­mierten Kirche Nidwalden bei Redak­ti­ons­leiter Thomas Vaszary. Dieser zeigte sich unbe­ein­druckt und gab die Ausgabe trotzdem wie geplant in Produk­tion. Der Kirchenrat stoppte die Vertei­lung, Vaszary wurde entlassen.

Bald wurde in Nidwalden vermutet, die Inter­essen einzelner Kirchenrät:innen hätten zur Zensur geführt. Wolf­gang Gaede, Präsi­dent des Nidwaldner Kirchen­rats, ist Betriebs­leiter der Klebag AG in Ennet­bürgen und Vize-Präsi­dentin Diana Hartz leitet die kanto­nale Wirt­schafts­för­de­rung. Beide bestritten poli­ti­sche Motive.

Weitere kirch­liche Medien gerieten im Vorfeld der Abstim­mung über die KVI in die Kritik. So auch das Portal kath.ch mit Redak­ti­ons­leiter Raphael Rauch. Für die Bericht­erstat­tung zur KVI setzte es für kath.ch eine Rüge der Bischofs­kon­fe­renz (SBK), die das Portal mitbe­treibt. Rauch hatte unter anderem in einem Artikel geschrieben, dass es den Schweizer Banken schwerer gefallen wäre, „Hitlers mörde­ri­sche Maschi­nerie zu finan­zieren“, wenn es die Konzern­ver­ant­wor­tung damals schon gegeben hätte.

Als 33 „christ­liche Frauen“, unter ihnen CVP-Stän­de­rätin Andrea Gmür und FDP-Präsi­dentin Petra Gössi, das Enga­ge­ment der Kirchen für die KVI in einem offenen Brief kriti­siert hatten, erschienen auf dem Portal mehrere Artikel zu Gmür. Darin warfen Expert:innen der Luzerner Stän­de­rätin unter anderem vor, rassi­stisch und „wie ein Kolo­ni­al­herr im 19. Jahr­hun­dert“ zu argumentieren.

Sehn­sucht nach Heili­gung der Ordnung

Auch die Gegner:innen der KVI spitzten im Vorfeld der Abstim­mung die Federn. Eben­falls im November erschien in den meisten der 31 Gratis­zei­tungen des Verlags Swiss Regio­media AG ein Kommentar von Chri­stoph Blocher. Titel: „Poli­ti­sie­rende Kirchen“. Rund eine Million Menschen erreicht der SVP-Mentor wöchent­lich mit seiner Kolumne „Der Verleger hat das Wort“ – unge­fragt und unter Umge­hung von „Bitte keine Werbung“-Klebern. Die Quint­essenz des Texts: Jesus sei wohl für die Armen gewesen, aber eben auch „für die Nicht­armen“ (sic). Anstatt für die KVI zu werben, riet der Milli­ardär den Kirchenvertreter:innen, sich „auf die Ausle­gung des Wortes Gottes zu beschränken“.

Aus Blochers Text spricht die Sehn­sucht nach einer Kirche, die sich berufen fühlt, die bestehende Ordnung von Wirt­schaft und Gesell­schaft zu heiligen. Bei Bibel­schau und Weih­rauch sollen die Menschen am Sonntag Linde­rung von den Ernied­ri­gungen erfahren, die sie werk­tags in Betrieb, patri­ar­chaler Familie und anderen Ausbeu­tungs- und Unter­drückungs­kom­plexen erleiden und zufügen müssen.

Das Gespenst, das im Vorfeld der KVI in der bürger­li­chen Schweiz umging, ist alt. Die Wurzeln des Unbe­ha­gens an den „poli­ti­sie­renden Kirchen“ reichen zurück bis in die Zeit der Refor­ma­tion und den deut­schen Bauern­krieg. 1525 stachelte der revo­lu­tio­näre Prediger Thomas Müntzer die unter hohen Abgaben leidenden Bauern in Thüringen zum Aufstand gegen die Obrig­keit an – unter Beru­fung auf gött­li­ches Recht, das höher­ge­stellt sei als das welt­liche Recht der Fürsten.

Versam­melt unter Münt­zers Regen­bo­gen­fahne zogen die Bauern in den Frei­heits­kampf. Martin Luther versuchte zuerst zu vermit­teln, doch als die Rebel­lion eska­lierte, befand der Refor­mator: Die „Mächte der Finsternis“ könnten nur besiegt werden, wenn die Fürsten ihrer christ­li­chen Pflicht nach­kämen und für Ruhe und Ordnung sorgten, indem sie den Aufstand niederschlügen.

Die Rache der Gewinner:innen

Verant­wort­lich für das bürger­liche Unbe­hagen vor der Abstim­mung über die KVI waren die über 650 Kirch­ge­meinden des Komi­tees Kirche für Konzern­ver­ant­wor­tung. Mit Plakaten an den Pforten und Bannern an den Fassaden warben sie für die Initia­tive. Auch Verbände wie die Schweizer Bischofs­kon­fe­renz, die evan­ge­lisch-refor­mierte Kirche und die kirch­li­chen Hilfs­werke unter­stützten die Initiative.

Die christ­li­chen Gegner:innen der KVI sammelten sich wiederum im Ethik-Komitee gegen die KVI. Ihr Kern­ar­gu­ment: Die Initia­tive schade den Ländern, in denen Schweizer Konzerne Menschen­rechte und Umwelt­stan­dards verletzen, weil die Firmen dann aus Angst vor Klagen nicht mehr inve­stieren würden.

Die Website des Komi­tees wurde von der Agentur Furr­erhugi betreut, zu deren Kund:innen auch der Rohstoff­kon­zern Glen­core zählt. Zwecks Posi­tio­nie­rung tauschte sich Ulrich Knoepfel, Kirchen­rats­prä­si­dent der Evan­ge­lisch-Refor­mierten Landes­kirche des Kantons Glarus und Mitglied im Komitee, unter anderem mit dem Wirt­schafts­dach­ver­band Econo­mie­su­isse aus. Ausserdem befürch­tete Knoepfel, das Enga­ge­ment der Kirchen für die KVI könnte Kirchen­mit­glieder verschrecken.

Am 29. November wurde die KVI von der Stimm­be­völ­ke­rung ange­nommen, schei­terte aber am Stän­de­mehr. Wie tief der Schock bei den Gewinner:innen sitzt, zeigt sich darin, wie bürger­liche Politiker:innen, allen voran Bundesrat Ignazio Cassis, seither versu­chen, Hilfs­werken und NGOs die finan­zi­ellen Mittel zu entziehen.

Im Kanton St. Gallen zum Beispiel wollen Poli­tiker von CVP, FDP und SVP regeln, wie sich öffent­lich-recht­lich aner­kannte Reli­gi­ons­ge­mein­schaften künftig in Abstim­mungs­kämpfen einbringen dürfen und ihre poli­ti­sche Neutra­lität im Gesetz veran­kern. Eine Stimm­rechts­be­schwerde der Jung­frei­sin­nigen gelangte gar vor das Bundes­ge­richt und musste von der Bundes­kanzlei beur­teilt werden. Die Beschwerdeführer:innen sehen durch den Einsatz der Kirchen für die KVI den Schutz der freien Willens­bil­dung gefährdet.

Die Kirchenwächter:innen vom rechten Rand

Im Mai 1988 liess es der deut­sche Theo­loge Wilhelm Hahn in Basel ordent­lich krachen. An der Mitglie­der­ver­samm­lung der rechten Watchdog-Orga­ni­sa­tion Aktion Kirche wohin? (AKW) legte er dar, was der Feind denkt – Dinge wie: „Das Evan­ge­lium ist poli­ti­sches Dynamit.“ Oder: „Der Satan sind Kolo­nia­lismus und der Neoko­lo­nia­lismus, der Kapi­ta­lismus, der Rassismus und Militarismus.“

Diese Theo­logie, so Hahn, sei jedoch eine „Theo­logie von oben“, vertreten von Pfar­rern und kirch­li­chen Medien. Wie das Ethik-Komitee vor der KVI befürch­tete auch Hahn, dass die „poli­ti­sie­renden Kirchen­leute“ mit ihrem Treiben die braven Leute aus der Kirche jagen. Weiter beschwor er in seiner Rede das Schreck­ge­spenst einer vom Weltrat der Kirchen geför­derten ideo­lo­gi­schen Kape­rung der Kirche mit dem Ziel, „Jesu revo­lu­tio­nären Kampf bis zur Errei­chung des Reiches sozialer Gerech­tig­keit auf Erden mit poli­ti­schen Mitteln fort­zu­führen und zu vollenden“.

Dass sich das poli­ti­sche Enga­ge­ment der Kirchen und die Reak­tion darauf in den 70er- und 80er Jahren inten­si­vierten, ist kein Zufall. Welt­weit andau­ernde Prozesse der Deko­lo­ni­sie­rung und der soziale Aufbruch 68er-Bewe­gung liessen inner­halb der christ­li­chen Ökumene eman­zi­pa­to­ri­sche Strö­mungen erstarken, welche die Befreiung verschie­dent­lich Unter­drückter ins Zentrum ihrer Theo­logie rückten.

Auch in der Schweiz. Schon seit 1906 gibt es die Zeit­schrift Neue Wege, in der reli­giöse Diskurse mit linken gesell­schafts­po­li­ti­schen verbunden werden. In den 70er- und 80er-Jahren geriet das „Tagungs- und Studi­en­zen­trum Boldern“ in Männedorf in den Fokus der rechten Kirchen­po­lizei. In Boldern fanden schon in den 60er-Jahren regel­mässig Vorträge und Tagungen mit christ­lich-progres­siver Stoss­rich­tung statt – zum Beispiel im Vorfeld der Abstim­mung über die Schwar­zen­bach-Initia­tive oder um die „Fremd­ar­bei­ter­po­litik aus Sicht der christ­li­chen Gewerk­schaften“ zu diskutieren.

Auch Chri­stoph Blocher knöpfte sich die „poli­ti­sie­renden Kirchen“ in seiner Kolumne zur KVI nicht zum ersten Mal vor. Schon vor dreissig Jahren waren ihm enga­gierte Exponent:innen der Kirchen ein Dorn im Auge. Am Berni­schen Kirchen­sonntag in Büren an der Aare 1988 durfte er, der dama­lige Chef der EMS-Chemie, als Laie eine Predigt halten. Das Thema seines Vortrags: Kirche und Politik.

Blochers Bibellese endete auf der Erkenntnis: Jesus hat die Welt schon gerettet, bevor es die Kirche gab. Der Pfar­rers­sohn und heutige Milli­ardär fragte sich deshalb, ob die Kirche „ihren Auftrag erfülle, Gehorsam leiste, ein Werk­zeug gemäss ihrer Bestim­mung sei“, anstatt sich dem „Zwang der aktu­ellen Themen“ zu unterwerfen.

Die Reden von Blocher und Hahn wurden jeweils wenige Wochen nach ihrer Auffüh­rung in der natio­nal­kon­ser­va­tiven Zeitung Schweiz­erzeit (SZZ) nach­ge­druckt. Die SZZ wird bis heute vom ehema­ligen SVP-Natio­nalrat Ulrich Schlüer heraus­ge­geben. Bevor er von 1995 bis 2011 im Natio­nalrat sass, war Schlüer Sekretär der Repu­bli­ka­ni­schen Bewe­gung, die wiederum ein Spin-off der Natio­nalen Aktion gegen die Über­frem­dung von Volk und Heimat war. Beide Parteien wurden mass­geb­lich von James Schwar­zen­bach geprägt, einem ehema­ligen Fron­ti­sten und Vater der nach ihm benannten rassi­sti­schen Schwar­zen­bach-Initia­tive, bei deren Annahme 1970 Hundert­tau­sende Menschen aus der Schweiz ausge­wiesen worden wären.

In den 70er- und 80er-Jahren erschienen in Schlüers anti­kom­mu­ni­sti­schem Kampf­blatt haufen­weise Artikel und Kommen­tare über die „poli­ti­sie­renden Kirchen“. Ins Visier gerieten die Enga­ge­ments der Kirchen für die 80er-Jugend­be­we­gung, die Anti-Apart­heid-Bewe­gung oder für Geflüch­tete, die von der Ausschaf­fung bedroht waren.

Für die Bericht­erstat­tung zu den Kirchen stellte die SZZ eigens einen Redaktor ein. Dessen Aufgabe bestand wesent­lich darin, Artikel im refor­mierten Kirchen­boten, insbe­son­dere die des Chef­re­dak­tors Chri­stoph Stückel­berger, zu kommen­tieren und die angeb­lich hege­mo­niale „marxi­stisch-leni­ni­sti­sche Reli­gi­ons­theorie“ im Auge zu behalten.

Auch die Formate mit Reli­gi­ons­bezug des Schweizer Fern­se­hens wie das Wort zum Sonntag oder das Magazin Zeit­geist waren den rechten Kirchenwächter:innen ein Dorn im Auge. Im Februar 1988 ging es in einer Zeit­geist-Sendung um Wirt­schafts­sank­tionen gegen das Apart­heid­re­gime Südafrikas aus theo­lo­gi­scher Sicht. Die Schweiz war damals „das einzige Land mit ausge­bauten Wirt­schafts­be­zie­hungen, das keine Sank­tionen gegen­über Südafrika kennt“, wie SP-Natio­nalrat Paul Rech­steiner in der Sendung sagte. Zahl­lose Firmen wie Nestlé, Holder­bank, Alus­u­isse, Schindler und die Basler Pharma trieben Geschäfte mit dem Regime und Schweizer Banken vermark­teten südafri­ka­ni­sches Gold.

Als Kirchen­leute Ausschaf­fungen sabotierten

Ein anderes Enga­ge­ment, mit dem die rechten Kirchenwächter:innen haderten, war die Praxis, von der Ausschaf­fung bedrohte Menschen unter Beru­fung auf das Wider­stands­recht zu verstecken. So brachten evan­ge­lisch-refor­mierte Kirch­ge­meinden im Kanton Bern 1986 vierzig Tamil:innen in Sicherheit.

Für noch grös­seres Aufsehen sorgte der Fall Musey. Nach 17 Jahren in der Schweiz sollten der Professor Mathieu Musey und seine Familie 1988 nach Zaïre, die heutige Demo­kra­ti­sche Repu­blik Kongo, ausge­schafft werden. Um die Depor­ta­tion zu verhin­dern, versteckte die Bewe­gung für eine offene, demo­kra­ti­sche und soli­da­ri­sche Schweiz (heute Soli­da­rité sans fron­tières) die Familie bei Wieder­täu­fern im Jura.

Im Morgen­grauen des 11. Januars 1988 umzin­gelten Poli­zi­sten das Versteck in den Bergen. Per Heli­ko­pter wurde die Familie Musey auf den Mili­tär­flug­hafen Payerne geflogen – statt in den Kanton Bern, der für die Ausschaf­fung zuständig gewesen wäre. Von der Nord­waadt aus flog ein extra gemie­tetes Flug­zeug nach Kinshasa. Wie später bekannt wurde, hatte der dama­lige „Flücht­lings­de­le­gierte“ der Schweiz Peter Arbenz die Aktion bei einem Nacht­essen mit dem zairi­schen Geheim­dienst­chef ausge­han­delt. Wenige Wochen nach der skan­da­lösen Ausschaf­fung liess sich der Bundes­be­amte in der SZZ über das Enga­ge­ment der Kirchen­leute zugun­sten von Asyl­su­chenden aus.

Viel Liebe für die Apartheid

Einge­reicht wurden viele der gegen die „poli­ti­sie­renden Kirchen“ gerich­teten Medi­en­be­richte von der oben erwähnten AKW. Der „Mitglie­der­brief“ der Aktion Kirche wohin? – ausdrück­lich als Vorlage für Leser­briefe gedacht – wurde zwischen­zeit­lich an 8’500 Adressen verschickt. Damit erreichte er eine gewisse Brei­ten­wir­kung: Gemäss einer Lizen­zi­ats­ar­beit stammten zum Beispiel bei den Hilfs­werks­ak­tionen Frieden wagen sowie Geld und Geist über die Hälfte der nega­tiven Leser­briefe zu den Aktionen von Mitglie­dern der AKW.

Betreut wurde die AKW von SZZ-Heraus­geber Schlüer im zürche­ri­schen Flaach – genau wie die Arbeits­gruppe südli­ches Afrika (asa), deren Präsi­dent Chri­stoph Blocher war. Die asa unter­stützte das Apart­heid­re­gime und die Schweizer Unter­nehmen, die mit Südafrika geschäf­teten. Ein Artikel in der Zeit­schrift work zeichnet die Geschichte der asa und Chri­stoph Blochers Verstrickungen mit dem Apart­heid­re­gime nach. In der Haus­pu­bli­ka­tion der asa, dem asa-Bulletin, wurde unter anderem Verständnis für den Immo­ra­lity Act, der sexu­elle Bezie­hungen zwischen Weissen und Schwarzen unter Strafe stellte, geäus­sert und die „euro­päi­sche Neuko­lo­nia­li­sie­rung zur Rettung des ster­benden Afrikas“ gefordert.

Die alte Angst der Herrschenden

Zur Einfüh­rung des Wahl­rechts für schwarze Südafrikaner:innen („One man, one vote“) sagte Blocher noch 1989 zur Schweizer Illu­strierten: „‚Ein Mann, eine Stimme‘ würde Südafrika ökono­misch und sozial innert kürze­ster Zeit in ein Chaos stürzen.“ Dreissig Jahre später, vor der Abstim­mung über die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive, von Blocher bis zum Ethik-Komitee die gleiche Anteil­nahme: Wenn Schweizer Firmen aus Angst vor Klagen wegen Menschen­rechts­ver­let­zungen nicht mehr in den Ländern des globalen Südens inve­stierten, schade das diesen Ländern am meisten.

Dazu noch­mals ein Blick etwas weiter zurück in der Geschichte und über die Landes­grenzen hinaus: Als es in den USA um die Abschaf­fung der Skla­verei ging, malten die weissen Plan­ta­gen­be­sitzer den drohenden ökono­mi­schen Kollaps der Südstaaten an die Wand. Weit davon entfernt, reprä­sen­tativ für die dama­ligen Kirchen der USA zu sein, kämpften auch damals Kirchen­leute mit der Bibel in der Hand gegen das Unrecht.

Damals wie heute sahen die ökono­misch Mäch­tigen ihre Privi­le­gien gefährdet, wenn die Durch­set­zung der Menschen­rechte die Verän­de­rung der Produk­ti­ons­ver­hält­nisse verlangte. Die allge­meine Ethik, die den Menschen­rechten zugrunde liegt, lässt sich mit der Bibel begründen. Auf diese univer­sa­li­sti­sche Substanz besinnen sich die Kirchen, wenn sie „poli­ti­sieren“. Und stellen sich damit dem feudalen Traum vom Kirchen­schiff entgegen, in dem die Armen mit den Reichen beten, bevor alle gestärkt auf ihren Platz in der gött­li­chen Ordnung zurückkehren.


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