Unglück­liche Hinrichtungsmetaphern

Ein Tweet vom Magazin Megafon befeuert die Diskus­sion um Rede­frei­heit und die Grenzen des Sag- bezie­hungs­weise Darstell­baren. Exem­pla­risch zeigt sich, dass gerade jene, die gerne hart austeilen, oft nur schwer einstecken können. 
Auch eine problematische Bildsprache: Marie-Antoinette und Louis XVI als seltsames Tierwesen in einer Karikatur aus dem 18. Jahrhundert. (Bild: The Metropolitan Museum of Art, New York)

Der Skandal ist perfekt: Megafon, Magazin der Reit­schule Bern, hat auf Twitter ein bear­bei­tetes Bild gepo­stet, auf welchem eine Enthaup­tungs­szene aus der fran­zö­si­schen Revo­lu­tion zu sehen ist, wobei der abge­trennte Kopf durch jenen von Jour­na­li­stin Michèle Bins­wanger ersetzt wurde.

Dem Tweet voraus­ge­gangen war ein Inter­view Bins­wan­gers mit dem deut­schen Publi­zi­sten Stefan Aust in der Sonn­tags­zei­tung, in dessen Verlauf sich Aust darüber empörte, was man alles nicht mehr sagen dürfe, um dann über zwei Seiten hinweg zu sagen, was er will. So vergleicht Aust im Gespräch schliess­lich Fridays for Future mit «heiliger Selbst­ver­wirk­li­chung», während Bins­wanger ihm die Sugge­stiv­frage nach dem «Todes­ur­teil» stellt, welches in der heutigen Gesell­schaft beim Vorwurf falle, «rechts zu sein».

Ein solches Todes­ur­teil hat, zumin­dest in ihren Augen, nun die Tamedia Jour­na­li­stin selbst getroffen. Bins­wanger, die noch vor kurzem das «freie Denken aus dem Würge­griff» befreien wollte, ist nun selbst «Opfer» der Meinungs­äus­se­rungs­frei­heit geworden – und das ausge­rechnet durch jene, die stets von sich behaupten würden, gegen Hate Speech zu sein.

Megafon, auf der anderen Seite, wollte mit dem unglück­li­chen Bild Kritik üben an maka­bren Meta­phern, welche Bins­wanger in ihren Texten zu «Cancel Culture» gerne bedient, etwa indem sie von der «medialen Hinrich­tung» von Influen­cerin Mirjam Jäger schreibt oder vom «Schei­ter­haufen», auf dem aufge­brachte Queer­fe­mi­ni­stinnen J.K. Rowling brennen sehen wollen.

Die Redak­tion vom Megafon hat das Bild am folgenden Tag wieder gelöscht und sich für die Bild­sprache entschul­digt, denn in einer Welt in der es für Jour­na­li­stInnen mitunter lebens­ge­fähr­lich ist, ihren Job zu machen, können solche Bilder falsche Asso­zia­tionen wecken und, wie Bins­wanger auf Ihrem Twitter-Profil schrieb, «hängen bleiben.» Gemäss Tamedia Chef­re­daktor Arthur Rutis­hauser hat das Medi­en­haus mitt­ler­weile Straf­an­zeige erstattet.

Profi­tiert hat von der ganzen Aufre­gung schluss­end­lich also Tamedia-Poster­girl Michèle Bins­wanger, die das gelöschte Bild dann auch einge­bettet in einen 20Minuten Artikel, entgegen ihrer ursprüng­li­chen Kritik, selber weiter­ver­brei­tete. Sie wettert jetzt gegen die «subven­tio­nierte Reit­schule», sammelt kräftig Sympa­thien am rechten Rand und verfe­stigt erst noch ihre Selbst­be­zeich­nung als «Jeanne d’Arc der Pres­se­frei­heit». Obwohl dieser Vergleich wohl etwas heikel ist, schliess­lich ist ja bekannt, welchen Preis Jeanne d’Arc für ihr Handeln bezahlte, und solche Sprach­bilder können bekannt­lich «hängen bleiben.»

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