Es war eine einfache Frage, die wir dem Modekonzern C&A stellten. Sie bezog sich auf dessen neue Kleiderlinie, beworben mit dem Hashtag #BestDeal.
Aber die Antwort auf unsere Frage entpuppte sich als nicht ganz so einfach:
Liebe Leute von C&A
Ich hätte eine Frage zur Werbekampagne #BestDeal, mit der ihr unter anderem T‑Shirts für 4.- CHF bewirbt. Kriegt ihr da genug Geld rein, damit es wirklich für ALLE ein guter Deal ist? Wieviel verdienen die NäherInnen dieser Shirts?
Ich würde mich sehr über eine kurze Antwort freuen.Vielen Dank und liebe Grüsse,
das Lamm
Die Antwort erreichte die Lamm-Redaktion bereits ein paar Tage später:
Sehr geehrtes Lamm
Besten Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an C&A.
C&A handelt verantwortungsbewusst und hat auf Basis seiner Unternehmenswerte hohe Standards gesetzt. Sämtliche Produktionsstätten unserer Lieferanten müssen die vertraglich bindenden Regeln unseres Verhaltenskodex einhalten. Das gilt auch für unsere #BestDeal-Produkte. So schreibt der Verhaltenskodex die Zahlung des Mindestlohns verpflichtend fest. Da die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns in unserem Verhaltenskodex zu den Zero Tolerance Regeln zählt, behalten wir uns vor die Zusammenarbeit mit einem Lieferanten zu beenden, sollte der gesetzliche Mindestlohn und weitere Anforderungen des Verhaltenskodex nicht erfüllt werden. Gleichzeitig arbeiten wir mit NGOs, Regierungsorganisationen, Gewerkschaften und anderen Händlern zusammen, um den Dialog der Sozialpartner vor Ort zu fördern und dabei zu helfen, die Grundlage für existenzsichernde Löhne zu schaffen.Ich hoffe, Ihre Frage zu #BestDeal damit beantwortet zu haben.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüsse
Die C&A Kommunikationsabteilung
C&A bezahlt also die gesetzlichen Mindestlöhne, arbeitet aber gleichzeitig an den Grundlagen für existenzsichernde Löhne. Heisst das, dass die jetzigen gesetzlichen Mindestlöhne nicht existenzsichernd sind? Laut der NGO Public Eye, die sich weltweite für eine gerechtere Welt und gegen Menschenrechtsverletzungen engagiert, ist das leider so. In den meisten Produktionsländern müsste der gesetzlich festgelegte Mindestlohn drei bis fünf Mal höher sein, um sich damit eine stabile Existenz aufbauen zu können, erklärt uns David Hachfeld von Public Eye. Das klingt eher nach working poor als nach best deal.
Mit der Frage, weshalb C&A keine existenzsichernden Löhne zahlt, wandten wir uns abermals an die Kommunikationsabteilung des Konzerns:
Vielen Dank für diese Antwort. Eine Frage hätte ich noch: Wieso bezahlen Sie Ihren Arbeitern und Arbeiterinnen keine existenzsichernden Löhne?
Vielen Dank für eine erneute, kurze Antwort.
Liebe Grüsse
das Lamm
Nach mehrmaligem Nachfragen und ein paar Wochen Warten erhielten wir folgende Antwort:
Sie finden alle Informationen betreffend Nachhaltigkeit hier: http://sustainability.c‑and‑a.com/home/
Dort ist alles sehr ausführlich beschrieben.
Ausführlich ist die Seite. Doch eine Antwort auf die Frage, weshalb C&A keine existenzsichernden Löhne bezahlt, fanden wir nicht. Und auf die Bitte, uns doch die genaue Stelle auf der Website zu schicken, schrieb uns die C&A Koomunikationsabteilung: „Leider kann ich Ihnen so detailliert nicht weiterhelfen. Ich bin überzeugt, dass Sie alle Antworten auf der Webseite finden.“ Merkwürdig, dass man einerseits nicht über das passende Detailwissen verfügt, aber gleichzeitig der vollen Überzeugung ist, dass die Antwort auf der Seite zu finden sei.
Es kann sein, dass C&A selber drauflegt. Aber das ist eher unwahrscheinlich.
In der Hoffnung, doch noch an die nötigen Infos zu kommen, wandte sich das Lamm nochmals an David Hachfeld von Public Eye. Vielleicht machen mit einem Verkaufspreis von 4 Franken pro Shirt ja tatsächlich alle einen guten Deal?:
Das ist sehr unwahrscheinlich, doch um das genau sagen zu können, bräuchte es die Zahlen von C&A. Es kann durchaus sein, dass bei diesem Angebot C&A selbst draufzahlt aber hofft Kunden anzulocken, die noch andere Artikel kaufen, mit denen sie dann auch etwas verdienen. Vermutlich liegen bereits die Materialkosten bei 1 bis 2 CHF. Bei Biobaumwolle oder gar fair gehandelter Baumwolle nochmal deutlich höher. Die Löhne sind je nach Land unterschiedlich, doch wenn sie auf Existenzlohn-Niveau wären, würde ich dafür mind. 50 Rappen ansetzen, eher auch mehr. Die Gesamt-Herstellungskosten dürften bei mindestens 2 CHF liegen, eher bei 3 CHF. Bei Bio und fair etwas höher. Dann kämen aber noch Transport, Marketing und die durchaus hohen Kosten der Filialen hinzu. Da wäre es schon ein Wunder, wenn für C&A noch etwas übrig bleibt und das Ganze auch noch fair ist. Also kurz: Sehr, sehr unwahrscheinlich.
Aber ein bisschen verstehen wir das Ausweichmanöver von C&A schon. Denn die ehrliche Antwort hätte wahrscheinlich gelautet: „Weil die stinkreiche Inhaberfamilie Brenninkmeijer noch mehr Kohle machen will.“ Oder: „Weil den KundInnen das am Arsch vorbei geht.“ Damit hätte sie natürlich weder sich selbst noch dem Konzern das Leben einfacher gemacht. Eines ist aber richtig einfach: Ist etwas zu billig, hat jemand zu wenig gekriegt.
Journalismus kostet
Die Produktion dieses Artikels nahm 32 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1924 einnehmen.
Als Leser*in von das Lamm konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produktion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rechnung sieht so aus:
Wir haben einen Lohndeckel bei CHF 22. Die gewerkschaftliche Empfehlung wäre CHF 35 pro Stunde.
CHF 1120 → 35 CHF/h für Lohn der Schreibenden, Redigat, Korrektorat (Produktion)
CHF 544 → 17 CHF/h für Fixkosten (Raum- & Servermiete, Programme usw.)
CHF 260 pro Artikel → Backoffice, Kommunikation, IT, Bildredaktion, Marketing usw.
Weitere Informationen zu unseren Finanzen findest du hier.
Solidarisches Abo
Nur durch Abos erhalten wir finanzielle Sicherheit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unterstützt du uns nachhaltig und machst Journalismus demokratisch zugänglich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.
Ihr unterstützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorgfältig recherchierte Informationen, kritisch aufbereitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Journalismus abseits von schnellen News und Clickbait erhalten.
In der kriselnden Medienwelt ist es ohnehin fast unmöglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkommerziell ausgerichtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugänglich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure solidarischen Abos angewiesen. Unser Lohn ist unmittelbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kritischen Journalismus für alle.
Einzelspende
Ihr wollt uns lieber einmalig unterstützen?