Die Grillsaison ist in vollem Gang. Und: kein Grillspass ohne Feuer. Nur ist das gar nicht immer so einfach. Wer kennt es nicht: Alle sind parat mit ihren Tofus, Seitans und Grillkäseplätzchen, und dann will das Feuer einfach nicht richtig in Fahrt kommen. Um wirklich immer zu brillieren beim Grillieren, empfiehlt es sich deshalb, ein paar Anzündhilfen griffbereit zu haben. Wer wie wir alles richtig machen will, holt sich die „ökologischen Feueranzünder“ von Warrlich, die seit Kurzem in der Migros neben den üblichen Giardino-Anzündhilfen im Regal liegen.
Guten Tag
Soeben habe ich mir Ihre Öko-Anzünder gekauft. Cool, dass Sie sich ökologisch engagieren. Eine Frage hätte ich aber.
In der Produktbeschreibung auf Ihrer Webseite steht Folgendes: „Diese ökologischen Grill- und Kohleanzünder basieren auf Holz und sind getränkt mit Wachs bzw. Öl aus nachwachsenden Rohstoffen.“
Mit welchen nachwachsenden Wachsen und Ölen werden die Anzündhilfen genau hergestellt?
Vielen lieben Dank und Grüsse
Das Lamm
Die Antwort kommt rasch, und unser Öko-Grillspass fällt ins Greenwashing-Wasser.
Hallo Lamm
Bei diesem Artikel verwenden wir zurzeit noch Holz und ein Paraffinwachs. […]
Mit freundlichen Grüßen
Der Produktmanager
Es ist also Paraffinwachs, der die vermeintlichen Öko-Holzwollewickel zusammenhält. Nur ist Paraffin in etwa so ökologisch wie ein Ikeamöbel langlebig. Denn Paraffin ist Erdöl. Beim verwendeten Wachs kriegen die angeblichen Öko-Anzünder der Firma Warrlich also keine Nachhaltigkeitspunkte. Und wie sieht es beim Holz aus? Vielleicht können die Feuerhilfen ja dort mit einem Label auftrumpfen. Deshalb fragten wir nach, ob die Anzünder immerhin aus FSC-Holz hergestellt werden.
Hallo Lamm
bei den großen Gebinden ist dies zurzeit noch nicht möglich. Bei dem 1‑kg-Beutel und der 32-Stück-Faltschachtel ist das Holz FSC zertifiziert.
Mit freundlichen Grüßen
Der Produktmanager
Unser Öko-Grillherz blutet ein zweites Mal. Denn anders als die Migros-Zündwolle kann die als ökologisch angepriesene Zündwolle der Firma Warrlich nicht einmal ein Nachhaltigkeitslabel für das verwendete Holz vorweisen. Um wirklich zu brillieren, hätten wir also besser zur üblichen und zudem noch billigeren Migros-Variante gegriffen. Denn deren Verpackung ziert immerhin ein FSC-Label.
Oder haben wir etwas übersehen? Um ganz sicherzugehen, fragen wir bei den Warrlichs nochmals nach und wollen wissen, was genau ihre Anzünder von denen der Migros unterscheide und zu ökologischen Anzündhilfen mache.
Guten Morgen
Ich kann Ihnen leider nicht sagen, um welche Anzünder es sich genau bei der Migros handelt.
Jedenfalls versuchen wir stetig, unsere Produkte zu verbessern und das Thema ökologische Nachhaltigkeit zu pushen.
Dabei handelt es sich um einen Prozess, der teilweise Zeit benötigt. Bei den kleineren Gebinden ist uns dies bereits gelungen, weswegen wir diese auch mit dem FSC-Label zertifizieren lassen.
Weitere Produkte sind dabei in Arbeit und werden ebenfalls folgen.
Mit freundlichen Grüßen
Der Produktmanager
Die Lockerheit, mit welcher die Firma hier kommuniziert, ist schon sehr erstaunlich. Immerhin ziehen sie ihre Kund*innen offensichtlich mit nicht einhaltbaren Versprechen über den Tisch. Eine Rechtfertigung scheint man nicht für nötig zu halten. Mit keinem Wort erklärt uns der Produktmanager, wie die Betitelung „ökologisch“ zu rechtfertigen sein könnte. Das ist Greenwashing und entspricht nicht den Regeln eines lauteren Wettbewerbes. Nachdem wir sie darauf aufmerksam gemacht haben, erhalten wir jedoch keine Stellungnahmen mehr von der Firma Warrlich.
Und was sagt die Migros dazu?
Deshalb haben wir dann auch noch bei der Migros nachgefragt, wie es sein kann, dass in ihren Regalen plötzlich ein Produkt liegt, das zwar als „ökologisch“ angepriesen wird, in Tat und Wahrheit die Umwelt aber stärker belastet als die üblichen Anzündhilfen. Die Migros schreibt uns, dass es sich bei den Anzündhilfen von Warrlich um einen coronabedingten Übergangsartikel handle, der nicht zum Standardsortiment der Migros gehöre.
Sobald der Artikel ausverkauft sei, werde man ihn nicht mehr nachbestellen. „Wir wollten keinesfalls unsere Kundinnen und Kunden täuschen, sondern nur die Verfügbarkeit sicherstellen“, schreibt uns die Medienstelle der Migros. Eine (Ent-)Täuschung ist es trotzdem.
Natürlich: Es gibt schlimmere Umweltsünden als diese Anzündwürfel. Aber die Episode ist nur eine unter vielen und zeigt erneut, dass die ungestörte Erfüllung aller individuellen Konsumwünsche offenbar wichtiger ist als die Nachhaltigkeit. Und dass ein bisschen Schummeln scheinbar problemlos drin liegt, wenn das Zeugs dafür besser über den Ladentisch geht.
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