„Das Flugi flüügt doch sowieso…“

Egal, ob ich drin­sitze oder nicht: Das Flug­zeug fliegt ja sowieso. So lautet eine häufige Antwort auf Flug­kritik. Corona zeigt: Das ist falsch. Die Luft­hansa hat ihre Flüge mangels Nach­frage halbiert. 
Corona hat geschafft, was jahreslange Proteste nicht hingekriegt hat. Die Flugzeuge bleiben am Boden (Foto: Suminch)

Laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) liegt die plane­tare Belast­bar­keits­grenze bei 600 Kilo­gramm Klima­gase pro Person. Mehr dürfte eigent­lich niemand in die Atmo­sphäre pusten. Mit der aktu­ellen, exten­siven Flie­gerei der Schwei­ze­rInnen lässt sich dieses Ziel nicht verein­baren: Einmal nach New York und zurück (2’000 Kilo­gramm CO2) zu fliegen, sprengt das Budget schon um mehr als das Drei­fache. Und auch mit einem kürzeren Flug nach Berlin und wieder zurück (335 Kilo­gramm CO2) ist bereits mehr als die Hälfte deines CO2-Jahres­bud­gets aufgebraucht.

Einmal nach New York fliegen und wieder zurück? Das macht dann zwei Tonnen CO2 bitte! Wenn die Welt nicht aus den Fugen springen soll, darfst du pro Jahr jedoch maximal 600 Kilo­gramm CO2 verur­sa­chen. (Screen­shot mycli­mate am 10.3.2020)

Der Flug­ver­kehr ist eine immense Bela­stung für unsere Umwelt und ein wich­tiger Treiber der Klima­er­hit­zung. Diese wird laut dem eidge­nös­si­schen Depar­te­ment für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommu­ni­ka­tion (UVEK) nicht nur zu jähr­li­chen Mehr­ko­sten von einer Milli­arde Franken für den Unter­halt der Schweizer Infra­struktur führen, sondern auch zum Verschwinden ganzer Inseln. Den darauf wohnenden Menschen bleibt nur eine Möglich­keit: Sie müssen sich eine neue Heimat suchen.

Die Flug­lobby weist zwar immer wieder darauf hin, dass der Flug­ver­kehr global betrachtet ledig­lich für zwei Prozent der Klima­gase verant­wort­lich sei. Diese Zahl kommt aber vorwie­gend dadurch zustande, dass laut einer Schät­zung des WWF Schweiz welt­weit ledig­lich fünf Prozent der Menschen jemals in einem Flug­zeug sassen. Die rest­li­chen 95 Prozent der Menschen, die das Flugi nur von aussen kennen, ziehen den globalen Schnitt dementspre­chend stark runter. Das erklärt auch, weshalb der Anteil des Flug­ver­kehrs an den Schweizer Klimagas-Emis­sionen laut derselben Umwelt­schutz­or­ga­ni­sa­tion 18 Prozent beträgt, also neunmal höher als der globale Schnitt.

Corona hat geschafft, was die jahre­langen Proteste von Klima­schüt­ze­rInnen und all die Warnungen von Klima­wis­sen­schaft­le­rInnen nicht hinge­kriegt haben: Die Flug­zeuge bleiben am Boden. (Foto: Suminch)

Die Fakten sind späte­stens seit dem Klima­streik­jahr 2019 weit­ge­hend bekannt. Und bei einigen zeigen sie Wirkung: Unter dem Motto „Flug­streik“ haben sich bereits 2’755 Menschen dazu bereit erklärt, aus ökolo­gi­schen Gründen im laufenden Jahr auf’s Fliegen zu verzichten. Der Gross­teil der Schwei­ze­rInnen scheint sich aber kaum beirren zu lassen. Laut einem Bericht der NZZ ging die Anzahl der Flüge trotz Klima­ka­ta­strophe nicht zurück. Um ihr Verhalten zu recht­fer­tigen, greifen Flie­ge­rInnen auf eine Viel­zahl unter­schied­li­cher Argu­mente zurück. Eines der wich­tig­sten ist der Verweis darauf, dass das Flug­zeug ja sowieso abheben würde. Ob jetzt noch ein Platz mehr gebucht werde habe keinen Einfluss auf die Emis­si­ons­werte des Flug­zeugs. Wenn, dann werde seine Ökobi­lanz wegen der grös­seren Ausla­stung sogar noch etwas besser.

Wegen Corona bleiben die Flug­häfen leer

Dass das ein faden­schei­niges Argu­ment ist, war in der Theorie natür­lich schon immer klar. Aber Corona liefert jetzt den unum­stöss­li­chen prak­ti­schen Beweis dazu: Luft­hansa und die Swiss haben bekannt­ge­geben, wegen drasti­schen Buchungs­rück­gängen in den näch­sten Wochen bis zur Hälfte ihrer Flüge zu strei­chen. Flybe, eine klei­nere Flug­ge­sell­schaft aus Gross­bri­tan­nien, ist laut der Handels­zei­tung wegen dem Corona-Virus bereits pleite gegangen. Und sogar beim Billig­flug­riesen Ryanair wird nahezu jeder vierte Kurz­strecken­flug gestri­chen. Die Flieger bleiben am Boden, weil zu wenig Leute Tickets kaufen. Und das beweist damit endgültig: Schlössen sich noch mehr Menschen der Flug­streik-Bewe­gung an, würden die Flieger auch noch lange am Boden bleiben.

In den letzten Monaten sind bei uns mehrere Artikel über die Luft­fahrt in Corona-Zeiten erschienen. Hier eine Übersicht:


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