Fünf Tipps für einen Kaffee­konsum, bei dem du kein schlechtes Gewissen wegen Kinder­ar­beit, Pesti­ziden und hungernden Klein­bauern haben musst

Eigent­lich wäre es ganz einfach: Wer weder Umwelt noch Mensch schaden will, sollte wohl besser keinen Kaffee trinken. Nur ist das keine ernst­hafte Option. Der moderne Mensch braucht Kaffee. Wir zeigen, wie du ohne schlechtes Gewissen deinen Koffe­in­be­darf decken kannst. 
Bis der Kaffee geröstet werden kann, dauert es lange. Eine Frau in Yirgacheffe, Äthiopien, schichtet die noch grünen Bohnen zum Trocknen um. (Foto: Counter Culture Coffee)

„Gespräche über guten Milch­schaum haben keine Existenz­be­rech­ti­gung“, singt die Band Von Wegen Lisbeth. Sie hat recht: Inno­va­tive Latte­krea­tionen sind zwar zum Life­styl­e­thema avan­ciert, Gespräche über die Herkunft des Kaffees, sowie die Arbeits­be­din­gungen, unter denen er gewonnen wird, sind aber viel zu selten.

Das hat auch seine Gründe: Der Wach­ma­cher wird oft unter mise­ra­blen Arbeits­be­din­gungen geerntet. Ausserdem schaden Anbau, Trans­port und Verpackungs­ma­te­rial der Umwelt. Da kann einem die Lust schon vergehen. Aber es gibt Alter­na­tiven. Wir fassen die fünf grössten Probleme zusammen, die dein Kaffee­konsum verur­sacht – und wie du sie vermeiden kannst.

Problem 1: Kaffee­bauern und ‑bäue­rinnen sind Preis­schwan­kungen ausgesetzt

Der Preis für Kaffee­bohnen schwankt welt­weit stark. Das liegt manchmal an schlechten Ernten und manchmal an Speku­la­tionen an den Börsen. Die Kaffee­bau­ern­fa­mi­lien müssen sich aber darauf verlassen können, dass sie ihre Ernte trotzdem jedes Jahr zu einem fairen Preis loswerden.

Lösungs­an­satz: Fairtrade

Hier setzt die Idee des fairen Handels an. Kaffee­im­por­teure, die mit einem Fair­trade­label zerti­fi­ziert wurden, kaufen den Kaffee zu einem stabilen Preis, der zuvor und unab­hängig vom Markt­preis verein­bart wird. Ausserdem garan­tieren sie lang­fri­stige Handels­be­zie­hungen mit den Produ­zenten und eine zins­freie Vorfi­nan­zie­rung für den Kaffee. So sind die Bauern und Bäue­rinnen den Preis­schwan­kungen nicht völlig ausge­lie­fert und haben ein sicheres Einkommen.

Zu den vertrau­ens­wür­dig­sten Fair­trade­la­bels der Schweiz gehören Max Havelaar und das Claro-Fairtradelabel.

Problem 2: Giftige Pesti­zide auf den Kaffeeplantagen

Um die Ernte zu stei­gern, werden auf Kaffee­plan­tagen oft Pesti­zide gesprüht. Häufig sind die Arbei­te­rInnen auf dem Feld nicht genü­gend geschützt. Dabei ist das Einatmen einiger dieser Pesti­zide gesund­heits­schäd­lich. Manche der Pesti­zide, die beispiels­weise in Brasi­lien einge­setzt werden, sind in der EU deswegen verboten.

Lösungs­an­satz 2: Bio-Labels

Bio-Labels verbieten den Einsatz von Pesti­ziden. Hier ist beson­ders Verlass auf die Bio-Knospe und andere Labels, die dem Stan­dard der Bio-Knospe entspre­chen, wie Natu­ra­plan von Coop.

Problem 3: Plan­ta­gen­ar­bei­te­rInnen arbeiten oft unter schlechten Bedingungen

Letztes Jahr haben zwei der grössten Kaffee­im­por­teure welt­weit, Nestlé und Jacob Douwe Egberts, zuge­geben, Kaffee von Plan­tagen einge­kauft zu haben, auf denen die Arbei­te­rInnen wie Sklaven behan­delt werden. Sie hatten weder Zugang zu Trink­wasser noch ange­mes­sene Unter­künfte. Die Arbeits­be­din­gungen brachen mehrere Konven­tionen der inter­na­tio­nalen Arbeits­or­ga­ni­sa­tion, unter anderem das Verbot von Kinderarbeit.

Inter­na­tio­nale Konzerne wie auch Nestlé erklären zwar seit langem, dass sie solcherlei Arbeits­be­din­gungen inak­zep­tabel fänden. Selbst wenn sie diese Worte aller­dings ernst meinen, bleibt das  Problem, dass die Herkunft des Kaffees bei solch grossen Konzernen nicht trans­pa­rent ist. Je länger die Wert­schöp­fungs­kette, desto geringer die Wahr­schein­lich­keit, dass am Ende alle Invol­vierten wissen, von welcher Plan­tage die Bohnen eigent­lich kommen. So vertei­digen sich  zumin­dest Nestlé und Co…

Lösungs­an­satz: Labels mit Anfor­de­rungen an die sozialen Verhält­nisse auf den Plantagen

Um sicher­zu­stellen, dass die Arbeit­neh­menden auf den Plan­tagen fair bezahlt und gut behan­delt werden, gibt es eben­falls zahl­reiche Labels. Die Labels von Claro, Fair for Life, Max Havelaar, Gebana und UTZ zerti­fi­zieren nur Impor­teure, die ihren Kaffee bei Produ­zenten beziehen, die Kinder­ar­beit ausschliessen, einen gesetz­li­chen Mindest­lohn bezahlen und sichere Arbeits­plätze bieten.

Bio-Labels wie die Bio-Knospe und Natu­ra­plan stellen seit 2007 eben­falls Anfor­de­rungen an die Arbeits­be­din­gungen: So müssen alle Mitar­bei­te­rInnen unter anderem einen Arbeits­ver­trag haben, einen fairen Lohn und Entlöh­nung für Über­stunden erhalten.

An der Ethiopia Commo­dity Exch­ange schliesst man einen Deal mit einem High-Five ab. Verkäu­fe­rInnen tragen grün, Käufe­rInnen beige. (Foto: UK Depart­ment for Inter­na­tional Development)

Die Bio-Labels und das UTZ-Label garan­tieren aller­dings keinen stabilen Abnah­me­preis, sondern richten sich nach dem Markt­preis, weshalb sie nicht dem Fair­trade­ge­danken entsprechen.

Sowieso: Labels gibt es wie Sand am Meer. Nicht alle sind gleich aussa­ge­kräftig. Sie setzten zudem unter­schied­liche Schwer­punkte. Auf labelinfo.ch kann man Labels verglei­chen und mehr über sie erfahren.

Und auch Fair­trade­la­bels haben ihre Kriti­ke­rInnen. Denn es ist schwierig, regel­mässig zu kontrol­lieren, ob auf den Plan­tagen alle Anfor­de­rungen einge­halten werden. Hinzu kommt, dass die Zerti­fi­zie­rung oft kost­spielig ist. Viele Kaffee­bauern und ‑bäue­rinnen können sich die Teil­nahme am fairen Handel deswegen gar nicht erst leisten. Ausserdem können die Käufer oft nicht die gesamte Ernte eines Produ­zenten zu einem fairen Preis abkaufen, was diese dazu zwingt, einen Teil doch auf dem freien Markt loszuwerden.

Dennoch ist es im Moment die einfachste Art, die mise­ra­blen Arbeits­be­din­gungen auf den Plan­tagen zu bekämpfen und den Klein­bau­ern­fa­mi­lien ein sicheres Einkommen zu gewähr­lei­sten. Ausserdem sendet der Konsum von Fair­trade­kaffee ein Signal an grosse Konzerne.

Problem 4: Müll

Eine durch­schnitt­liche Kaffee­kapsel besteht aus zwei bis drei Gramm Verpackung und sechs bis sieben Gramm Inhalt. Zwar kann man Kaffee­kap­seln mitt­ler­weile recy­clen, aber dies recht­fer­tigt noch nicht, dass sie über­haupt produ­ziert werden. Die Produk­tion benö­tigt Unmengen an Energie und Wasser. Ähnlich verhält es sich mit To-Go-Papp­be­chern. Diese sind eben­falls aufwändig in der Herstel­lung und produ­zieren unnö­tigen Müll.

Lösungs­an­satz: Grosse Packungen!

Besser ist es, grosse Packungen an gemah­lenem Kaffee zu kaufen, um das Verhältnis von Verpackung zu Inhalt zu verbes­sern. Auch auf To-Go-Becher lässt sich leicht verzichten, indem man für unter­wegs einen Mehr­weg­be­cher benützt.

Das ist dir alles zu kompliziert?

Ganz auf den Label­dschungel verzichten kannst du, indem du mit deinem Kaffee­kauf direkt ein gemein­nüt­ziges Projekt unter­stützt. Die Kaffee­marke RebelDia beispiels­weise arbeitet mit auto­nomen zapa­ti­sti­schen Kaffee­ko­ope­ra­tiven in Mexiko zusammen. Der Zürcher Verein unter­stützt so deren Lebens­un­ter­halt und ihre poli­ti­schen Ambi­tionen. Die indi­genen Zapa­ti­stInnen kämpfen für Auto­nomie und Menschen­rechte für indi­gene Menschen in Mexiko, die von der Regie­rung bis heute margi­na­li­siert werden. Das Projekt kriti­siert den Kapi­ta­lismus und schafft eine Öffent­lich­keit für die Anliegen der Zapa­ti­stInnen. Der Kaffee wird ausserdem biolo­gisch ange­baut und schmeckt hervor­ra­gend. Kaufen kannst du RebelDia übers Internet oder an einer der Verkaufs­stellen in der ganzen Schweiz – aller­dings in keinem grossen Supermarkt.

Auch die Zürcher Firma Direct Coffee legt beson­ders Wert auf eine trans­pa­rente und effi­zi­ente Wert­schöp­fungs­kette. Sie will Brücken schlagen zwischen den Konsu­men­tInnen und den Kaffee­bau­ern­fa­mi­lien. Der Kaffee kommt direkt aus Kaffee­ko­ope­ra­tiven in Äthio­pien. Die Zwischen­händler, von denen es im inter­na­tio­nalen Handel eine Menge gibt, sollen umgangen werden. Mit dem Geld, das so gespart wird, werden soziale Projekte in den Koope­ra­tiven finan­ziert: Entwur­mungen für die Kinder der Kaffee­bauern und ‑bäue­rinnen beispielsweise.

Die KundInnen in der Schweiz sollten möglichst gut darüber infor­miert sein, woher der Kaffee kommt, findet Marie Tuil, einer der beiden Köpfe hinter Direct Coffee. Deshalb will sie den Kaffee­trin­ke­rInnen noch mehr Nähe zu den Produ­zenten bieten als das Fair­t­rade­sy­stem, das ihr zu inef­fi­zient und anonym ist.


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