Inhaltswarnung: In diesem Beitrag wird rassistische Polizeigewalt explizit beschrieben.
Als Wilson A. und sein Freund B. am 19. Oktober 2009 in Zürich auf dem Heimweg sind, klopfen zwei Polizist*innen gegen die Türen und Fenster der fahrenden Strassenbahn. Diese hält abrupt an, lässt die Uniformierten einsteigen und fährt erneut los. Die Beamt*innen gehen direkt auf Wilson A. und seinen Freund zu und weisen sie an, für eine Personenkontrolle an der nächsten Haltestelle auszusteigen.
Direkt nach dem Ausstieg habe ihm eine Polizistin Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Ein dritter Polizist sei hinzugekommen und habe ihn mit seinen Fäusten und seinem Knie in Unterleib und Brust gestossen. Danach sei Wilson A. von allen drei Beamt*innen mit ihren Stöcken geschlagen worden, bis er umkippte. Angesichts seiner Herzerkrankung und des Defibrillators in seiner Brust sei er in Panik geraten und habe verzweifelt versucht, sich zu verteidigen und wieder aufzustehen.
„Wilson, they will kill you!“, habe B. immer wieder geschrien. Er selbst sei gefesselt und vom Geschehen isoliert worden.
„Scheiss-Afrikaner, geh zurück nach Afrika!“ Während einer der Polizeibeamten Wilson A. rassistisch beleidigt habe, hätten sie weiter auf ihn eingeschlagen. Einer der Beamten habe ihm sogar einen Daumen ins Auge gedrückt. Dann habe ihn ein Polizist so lange von hinten in den Würgegriff genommen, bis Wilson A. benommen dagelegen sei. In diesem Zustand seien ihm Handschellen angelegt und seine Beine verdreht worden, sodass sie später operiert werden mussten.
Das ist die Version des Tatvorganges, wie sie Wilson A. und sein Anwalt zusammen mit der „Allianz gegen Racial Profiling“ detailgetreu rekonstruiert haben. Die Gruppe unterstützt Wilson A. seit Jahren in seinem Rechtsverfahren gegen die Polizist*innen der Stadtpolizei Zürich, die ihn in jener Nacht verprügelt haben sollen.
Laut Polizei sei die Kontrolle in dieser Nacht nach Vorschrift verlaufen und keiner dieser Übergriffe passiert. Stattdessen werden sie Wilson A. dafür anklagen, sich aggressiv verhalten zu haben.
Kein rechtsmedizinisches Gutachten
Statt in die Notaufnahme zu fahren, nehmen die Polizist*innen Wilson A. in Untersuchungshaft. Auf dem Revier dokumentiert ein Rechtsmediziner zwar, dass A. weder Alkohol noch andere Drogen konsumiert habe, erstellt aber kein rechtsmedizinisches Gutachten der Verletzungen des Betroffenen. Zum selben Zeitpunkt schreiben die Polizist*innen einen subjektiven Wahrnehmungsbericht über die Auseinandersetzung und halten ihre eigenen Verletzungen fotografisch fest: Schürfungen an Knien und Armen.
Nach der Untersuchungshaft wird Wilson A. ins Unispital Zürich eingeliefert, wo er medizinisch untersucht wird. Der Arzt stellt unter anderem einen gebrochenen Lendenwirbel, ein verletztes Knie sowie Prellungen und Blutergüsse an der Stelle des implantierten Herzschrittmachers fest.
In derselben Nacht erstatten die Polizist*innen Anzeige gegen Wilson A.
Dieser habe sich bei der Kontrolle aggressiv verhalten und die Beamt*innen beleidigt. Angeblich führten die Polizist*innen den Einsatz wegen einer Fahndungsmeldung durch. Das entsprechende Dokument der Fahndungsmeldung findet die Stadtpolizei allerdings erst vier Monate nach dem Vorfall.
Laut der „Allianz gegen Racial Profiling“ handle es sich dabei um die Fahndung eines anderen Schwarzen Mannes, der Wilson A. und seinem Freund B. nicht einmal ähnlich sehe. Auch kann der Einsatzleiter Z. nicht belegen, dass er zum gegebenen Zeitpunkt bereits von der Fahndungsmeldung wusste.
Bis zuletzt bleibt ungeklärt, ob die Polizist*innen von ihrer Perspektive ausserhalb des fahrenden Trams Wilson A. und seinen Freund überhaupt hätten erkennen können, oder ob sie einfach zwei Schwarze Männer gesehen hatten und daraufhin die Personenkontrolle durchführten. Wenn sie von draussen durch die Scheibe lediglich zwei Schwarze Männer erahnt hätten, wäre es ein Fall von Racial Profiling.
Doch die zuständige Staatsanwältin Christina Braunschweig leitet keine einzige Ermittlung zu diesen Ungereimtheiten ein.
Im Dezember 2009 reicht Wilson A. eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch, Körperverletzung, Gefährdung des Lebens und unterlassener Hilfeleistung gegen die drei Polizist*innen der Stadt Zürich ein.
Das Verfahren gegen Wilson A. wird kurze Zeit später wieder eingestellt.
Staatsanwältin fehlt vor Gericht, Polizist*innen freigesprochen
Da die Staatsanwältin Braunschweig zweimal vergeblich versucht, das Verfahren gegen die Polizist*innen einzustellen, dauert es ganze sechs Jahre, bis die Anzeige von Wilson A. gegen die Stadtzürcher Polizist*innen beim Gericht eingereicht wird. So soll die erste Verhandlung im November 2016, also knappe sieben Jahre nach dem Vorfall stattfinden.
Doch als der Prozesstag ansteht, taucht die Staatsanwältin, die die Anklage vor Gericht vertreten müsste, entgegen ihrer Pflicht nicht vor dem Bezirksgericht auf.
Der Auftrag der Staatsanwaltschaft ist es, das Vorverfahren unparteiisch zu leiten und alle mutmasslichen Straftaten im Vorfeld zu untersuchen. In einem Verfahren gegen die Polizei muss die Staatsanwaltschaft eine neutrale Position einnehmen, wobei sie sonst eng mit der Polizei zusammenarbeitet.
Anwalt Bruno Steiner forderte bereits 2014, dass die Staatsanwältin das Verfahren abgeben solle, da sie befangen sei und alles dafür getan hätte, den Prozess zu verunmöglichen. Die Beschwerdekammer des Obergerichts lehnte dies jedoch ab, da der Antrag zu spät eingereicht worden sei.
Durch das Fehlen der Staatsanwältin sah sich der zuständige Richter dazu gezwungen, den Termin abermals zu verschieben. Zum zweiten Termin am 29. November 2016, der über eine Woche später stattfindet, erscheint die Staatsanwältin schliesslich.
Laut Anklageschrift, die die Staatsanwältin formulieren musste, wird den Polizist*innen Amtsmissbrauch und einfache Körperverletzung vorgeworfen. Als Beweismittel legt die Staatsanwältin Befragungsprotokolle mit den drei involvierten Polizist*innen, Wilson A. und seinem Freund B. vor. Letztere wurden allerdings erst acht beziehungsweise dreizehn Monate nach dem Vorfall befragt. Weitere Beweise hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten der lebensgefährlichen Verletzungen von Wilson A. etwa, gibt es nicht.
Auch die Vorwürfe des Racial Profilings und des lebensbedrohlichen Würgegriffs, die Wilson A. gegen die Stadtpolizist*innen erhoben hat, nimmt die Staatsanwältin nicht in ihre Anklageschrift auf. Und da nur diejenigen Themen vor Gericht verhandelt werden, die die Staatsanwaltschaft anklagt, wird an diesem Tag weder über die Rechtmässigkeit noch über das möglicherweise rassistische Vorgehen der Stadtpolizei diskutiert, die eigentlich der zentrale Bestandteil der Verhandlung hätten sein sollen.
Racial Profiling, auch als rassistisches Profiling bezeichnet, ist eine Praxis, bei der die Polizei Personen aufgrund von äusseren Merkmalen wie Hautfarbe oder vermuteter Religionszugehörigkeit einer bestimmten Personengruppe zuordnet und pauschal als verdächtig behandelt. Diese Praxis ist in vielen Ländern, auch in der Schweiz, weit verbreitet und wird von Menschenrechtsorganisationen als menschenrechtswidrig kritisiert. Die Praxis des Racial Profilings kann zu psychischen Schäden bei den Betroffenen führen. So können sie sich gedemütigt, verunsichert und bedroht fühlen. In einigen Fällen kann Racial Profiling auch eine lebensbedrohende Gefahr darstellen.
So fordert die Staatsanwältin an diesem Tag im November 2016 vor dem Bezirksgericht lediglich ein Strafmass von 100 Tagessätzen für die beschuldigten Polizist*innen. Gemessen am Vorwurf der schweren Körperverletzung und Gefährdung des Lebens ist dieses Strafmass ungewöhnlich tief. Der zuständige Bezirksrichter sprach sich gegen den Entscheid der Staatsanwältin aus und forderte ein höheres Strafmass, was er als Einzelrichter aber nicht entscheiden darf.
Er überweist den Fall an ein sogenanntes Kollegialgericht, bei dem ein Gremium aus Richter*innen zuständig ist. Noch immer fehlt sowohl ein gerichtsmedizinisches Gutachten von Wilson A.s Verletzungen als auch Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes des Racial Profilings.
Bei der Hauptverhandlung vor dem Kollegialgericht im Frühling 2018 plädiert die Staatsanwältin auf Freispruch für alle Polizist*innen. Das Gericht folgt ihrem Antrag, erhebt keine weiteren Beweismittel und spricht die Beamt*innen vollumfänglich frei. Die Begründung des Urteils lautet, Wilson A.s Schilderungen des Geschehens seien nicht glaubhaft, diejenigen der Polizist*innen, die alle deckungsgleich sind, jedoch schon. Die Beamt*innen hätten lediglich ihren Job gemacht.
Wilson A. aber legt Berufung gegen das Urteil ein, um endlich diejenigen Anklagepunkte vor Gericht zu bringen, um die es seit Beginn des Verfahrens gehen müsste. Etwas später zog er die Vorwürfe gegen zwei der drei Polizist*innen wieder zurück, sodass sich die Verhandlungen nur noch gegen den Einsatzleiter des besagten Tages im Oktober 2009 richtete.
Gefährdung des Lebens
Wieder vergehen Jahre, bis der Berufungsprozess gegen den polizeilichen Einsatzleiter stattfindet. Am 15. Februar 2024 ist es dann endlich so weit. Am Verhandlungstag steht ein grosses Polizeiaufgebot mit mehreren Kastenwagen vor dem Obergericht in Zürich bereit.
Einige Meter weiter versammeln sich über fünfzig Personen in der Zürcher Altstadt für eine Kundgebung gegen rassistische Polizeigewalt. „Es geht um die Verletzung der Menschenrechte und darum, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“, spricht einer der Organisator*innen an diesem Dienstagmorgen zu der Menschenmenge. „Was Wilson A. widerfahren ist, ist kein Einzelfall!“ Die Blicke des Publikums sind betrübt, die Erschütterung ist allen in die müden Gesichter geschrieben.
Nach der Kundgebung begleiten mehrere Dutzend Personen Wilson A. in den Verhandlungssaal des Obergerichts. Da nicht alle in den Verhandlungsraum passen, warten einige Personen draussen vor der schweren Holztüre des Gerichts.
Durch den ungewöhnlich grossen Zulauf beginnt die Verhandlung mit Verspätung. Entnervt und ungeduldig eröffnet der vorsitzende Oberrichter Stefan Volken den Prozess. „Wir führen hier ein juristisches Verfahren“, ermahnt er das Publikum zu Beginn. „Das ist keine politische Manifestation“. Dann fügt Volken an, er komme Wilson A. heute damit entgegen, die Verhandlung auf Hochdeutsch zu führen.
Bereits im November 2021 sollte es zum Prozess gegen den Einsatzleiter Z. kommen. Doch Wilson A.s zuständiger Rechtsanwalt Bruno Steiner erkrankt an Krebs und muss sein Amt kurzerhand abgeben. Der leitende Oberrichter Stefan Volken aber lässt keinen Ersatz für den Anwalt von Wilson A. zu, sodass dieser ohne Rechtsvertretung vors Obergericht gehen müsste. Die Verhandlung wird daraufhin ein weiteres Mal vertagt.
Im selben Monat reichte der an Krebs erkrankte Anwalt Steiner eine Strafanzeige und eine Befangenheitsklage gegen Oberrichter Volken ein, da dieser versucht habe, die rechtliche Vertretung von Wilson A. zu verunmöglichen. In den Jahren darauf wird der Oberrichter von allen Vorwürfen freigesprochen.
Volkens Urteile haben bereits in der Vergangenheit für mediale Aufmerksamkeit gesorgt, als er beispielsweise ein äusserst geringes Strafmass für einen jungen Mann verhängte, der unter Kokain- und Ketamineinfluss seinen Freund brutal ermordete, da er ihn angeblich für einen Alien hielt. Auch die Einschätzung des Oberrichters bezüglich Vergewaltigungsvorwürfen gegenüber dem Beschuldigten in einem anderen Fall wirkten urteilsmindernd. So bediente sich Volkens dem gängigen Narrativ, die Vorwürfe seien unglaubwürdig, weil die mutmasslich Vergewaltigte ihre Anklage erst Monate nach der vermeintlichen Tat zur Anzeige brachte.
Volken erhielt daraufhin Post vom Bundesgericht. Ihm werden unter anderem „willkürliche Berücksichtigung von Beweisen, zweifelhafte Abstützung auf Gutachten, Ignorieren von Widersprüchen in den Aussagen des Täters“ sowie die Verletzung der Ermittlungspflicht und Formfehler vorgeworfen.
Trotz dieser Vorgeschichte soll Volken den Gerichtsprozess vor dem Obergericht weiterhin unbefangen leiten.
Dem damaligen Einsatzleiter Z., ein Mann mittleren Alters mit Brille und Bauchansatz, werden Amtsmissbrauch und die Gefährdung des Lebens von Wilson A. vorgeworfen. Einer seiner Polizeikollegen hockt ebenfalls im Publikum. Sein grauer Anzug sitzt stramm auf den breiten Schultern, der Blick hinter der schwarzen Brille ist stets nach vorne gerichtet.
Wilson A.s neuer Anwalt Daniel Walder hält zu Beginn des Prozesses ein fünfzehnminütiges Plädoyer, in dem er auf die bis heute fehlenden medizinischen Gutachten hinweist, weitere Untersuchungen und die vorbehaltlose Aufklärung der Sachverhalte verlangt. Auch der Aspekt des Racial Profilings soll endlich im Prozess beachtet werden.
Z.s Anwalt hält sich kurz: Er lehnt alle Forderungen von Anwalt Walder ab und kritisiert, dass der Privatkläger „seit Jahren auf Kosten des Gerichts“ prozessiere.
In der darauffolgenden Pause stehen der damalige Einsatzleiter Z., sein Anwalt und sein Polizeikollege in einer Ecke vor dem Gerichtssaal, plaudern locker und lachen entspannt.
Danach verkündet der Oberrichter sein Urteil: Die Forderungen von Walder werden gänzlich abgelehnt. Die Anklage ginge davon aus, dass die Polizeikontrolle rechtmässig war. „Es handelt sich nicht um einen Fall des Racial Profilings“, wendet sich Volken erneut direkt an das Publikum. Auch weise nichts darauf hin, dass Wilson A. lebensbedrohlich gewürgt oder sonst eine Form der unangemessenen Gewalt angewendet worden sei.
Volken stellt dem Beschuldigten noch ein paar Fragen: Ob dieser lange juristische Prozess ihn als damaligen Einsatzleiter privat oder beruflich beeinflusst hätte. Z. antwortet, dass es beruflich keinen Einschnitt gegeben hätte, ihn der Prozess allerdings „privat belastet“. Ein Raunen geht durch das Publikum. Sofort reagiert der Oberrichter scharf: Wer aus dieser Verhandlung eine Kundgebung machen wolle, solle sofort den Raum verlassen.
Der Tag endet, wie erwartet: Auch das Zürcher Obergericht spricht den dritten Polizisten und Einsatzleiter, der Wilson A. gewürgt haben soll, frei.
Laut Urteil habe der Anwalt des Privatklägers eine Version der Tatsachen geliefert, die nicht der Wahrheit entsprechen. „Es gab kein Blutwürgen“, verkündet der Oberrichter. Auch Wilson A.s damaliger Begleiter habe in der Untersuchung nichts von Würgen erzählt. Der angeklagte Polizist habe auch sonst keine unangemessene Gewalt angewendet.
Zum Abschluss wird der damalige Polizeieinsatzleiter Z. mit 48‘000 Franken entschädigt.
Kein Einzelfall
Menschenrechtsorganisationen wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder der UN-Menschenrechtsrat kritisieren die Schweiz seit Jahrzehnten, da die Meldestellen bei polizeilichem Fehlverhalten nicht unabhängig genug seien und dem gleichen Departement wie die Polizei selbst unterliegen. Doch trotz internationaler Kritik geschieht in der Schweiz kaum etwas, um eine dauerhafte Lösung zu institutionalisieren.
So bleiben die Erfolgschancen, Beamt*innen bei Gewalt, Übergriffen und Diskriminierung zur Rechenschaft zu ziehen, gering. Eine strafrechtliche Verurteilung von Polizist*innen kommt beinahe nie zustande. Die Möglichkeiten, sich über polizeiliches Fehlverhalten zu beschweren, sind unübersichtlich und können schnell teuer werden. Wer eine Anzeige wegen polizeilichem Fehlverhalten einreicht, muss zudem mit einer Gegenanzeige der Polizei rechnen. Statistiken darüber, wie oft Polizist*innen angezeigt werden, gibt es in der Schweiz keine.
Zahlen aus Deutschland können einen Hinweis auf die geringen Erfolgschancen geben: 2021 wurden über 5’000 Ermittlungsverfahren gegen die Polizei eingeleitet, wobei lediglich 61 Fälle vor Gericht landeten.
Der Umstand, dass in der Schweiz noch nie ein*e Polizist*in wegen rassistischer Handlungen verurteilt wurde, weist auf die unzulängliche juristische Auseinandersetzung mit polizeiinternen Vergehen hin. Es gibt keine Gerichtspraxis zu rassistischem Profiling und auch keine expliziten Verbote für dessen Anwendung.
Der unerschütterliche Korpsgeist der Polizei und ihre Nähe zur Staatsanwaltschaft reduzieren die Wahrscheinlichkeit auf einen fairen Prozess. Beamt*innen sagen nur in den seltensten Fällen gegen ihre Kolleg*innen aus. Strafrechtler*innen führen das auf eine falsch verstandene Loyalität im Polizeikorps zurück.
„Angesichts einer in der sogenannten Cop Culture verankerten internen Werteordnung, die Zusammenhalt und Loyalität grossschreibt und das öffentliche Eingestehen von Fehlern sanktioniert“, so Rechtsanwalt Benjamin Derin und Rechtswissenschaftler Tobias Singelnstein, müsse man davon ausgehen, dass in polizeiinternen Ermittlungen nicht immer das gleiche Problembewusstsein bestehe, wie es in anderen Strafverfahren üblich sei.
Trotz alledem wird Wilson A. den Fall weiter ans Bundesgericht und wenn nötig, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ziehen.
Im Februar 2024 verurteilte das EGMR die Schweiz wegen einer rassistischen Polizeikontrolle. Dieser Präzedenzfall und das neue, breite mediale Interesse an Fällen des Racial Profilings bergen Hoffnung.
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