Geplaper: Eine Gesund­heits­platt­form gegen Diskriminierung

Mit der Such­platt­form geplaper können margi­na­li­sierte Personen medi­zi­ni­sche Fach­kräfte empfehlen und finden. Das Kollektiv füllt so eine Lücke im Gesundheitswesen. 
Das Ziel der Gesundheitsplattform geplaper: Diskriminierungsfreie medizinische Behandlung für alle. (Bild: Anna Weber)

Stell dir vor: Deine Gynä­ko­login begegnet dir mit einem miss­bil­li­genden Blick, als du ihr von deiner Abtrei­bung erzählst. Dein Psycho­loge rät dir, „noch­mals zu über­denken“, ob du wirk­lich homo­se­xuell bist. Oder dein Arzt verwei­gert dir bei der Geburt deines Kindes eine lokale Betäu­bung, weil er dich als Schwarze Person für schmerz­re­si­stenter hält.

Solche Situa­tionen sind für viele Menschen in der Schweiz bittere Realität. Für sie ist der Gang zur gesund­heit­li­chen Betreuung oft von Scham, Unwohl­sein und Leid geprägt. Diese Diskri­mi­nie­rungs­er­fah­rungen verhin­dern, dass alle Menschen die medi­zi­ni­sche Versor­gung erhalten, die ihnen zusteht.

Geplaper, eine Platt­form für persön­liche Empfeh­lungen von Gesund­heits­fach­per­sonen, möchte das ändern. Sie bietet ein schweiz­weites Verzeichnis von medi­zi­ni­schen Fach­kräften, die auf Diskri­mi­nie­rungen sensi­bi­li­siert sind. „Geplaper möchte die Empfeh­lungen von Familie und Freund*innen für alle zugäng­lich machen, auch für Menschen, die keinen Zugang zu solchen Netz­werken haben“, erklärt Sophia Egli, eine der sieben Betreiber*innen.

Vorur­teile und Pseudodiagnosen

Die Rele­vanz von geplaper zeigt sich nicht nur durch persön­liche Erfah­rungen, sondern auch in wissen­schaft­li­chen Unter­su­chungen. Laut der Grund­la­gen­studie zu struk­tu­rellem Rassismus in der Schweiz neigen medi­zi­ni­sche Fach­kräfte dazu, bei Über­for­de­rung durch Sprach­bar­rieren oder kultu­relle Unter­schiede anzu­nehmen, dass Patient*innen ihre Symptome über­treiben oder gar simu­lieren. Um diesen Bias sind etliche Pseu­do­dia­gnosen bekannt: Mamma-Mia-Syndrom, Mittel­meer­syn­drom oder Morbus Balkan.

Studien haben belegt, dass Diskri­mi­nie­rungs­er­fah­rungen sowohl psychisch als auch physisch krank machen können. “Man muss sich vor Augen führen, dass viele, die rassi­stisch diskri­mi­niert werden, nicht einfach einmal eine solche Erfah­rung machen, sondern schon ihr ganzes Leben lang”, sagt Renate Bühl­mann vom Schwei­ze­ri­schen Roten Kreuz gegen­über Swiss Health Web. “Das ist immer wieder ein Trauma, dessen muss man sich als Gesund­heits­fach­person bewusst sein.” 

Die Einträge auf geplaper.ch entstehen durch Empfeh­lungen von Personen, die ähnliche Erfah­rungen teilen.

Auch der soge­nannte Gender Data Gap erschwert vielen Menschen eine gleich­wer­tige medi­zi­ni­sche Behand­lung: Häufig gilt der cis-männ­liche Körper als Stan­dard, während andere Geschlechter in medi­zi­ni­schen Daten unter­re­prä­sen­tiert sind oder gar ganz fehlen.

Von der Commu­nity empfohlen

Geplaper basiert auf einem soge­nannten Peer-to-Peer-Ansatz: Die Einträge auf der Website geplaper.ch stammen aus der Commu­nity der Nutzer*innen, wobei Menschen mit ähnli­chen Lebens­rea­li­täten ihre Empfeh­lungen teilen, um anderen den Zugang zu fairer Gesund­heits­ver­sor­gung zu erleich­tern. “Je mehr Menschen ihre Empfeh­lungen abgeben, desto nütz­li­cher wird das Verzeichnis”, sagt Sophia Egli.

Die Such­re­sul­tate lassen sich entlang Kate­go­rien wie queer­freund­lich, anti­ras­si­stisch” oder “barrie­rearm” filtern und zeigen, welche Perso­nen­gruppen eine medi­zi­ni­sche Fach­kraft empfohlen haben. Um sicher­zu­stellen, dass die Empfeh­lungen einer­seits verläss­lich sind und ande­rer­seits tatsäch­lich von Betrof­fenen und nicht von den Dienst­lei­stenden selbst stammen, prüft das Team jeden Eintrag sorg­fältig, wie die Betreiber*innen versichern.

Das Bedürfnis nach diskri­mi­nie­rungs­freier medi­zi­ni­scher Behand­lung ist gross.

Nega­tive Erfah­rungen mit Gesund­heits­fach­per­sonal sind auf geplaper selbst zwar nicht sichtbar, doch Nutzer*innen können sich an eine der vielen Anlauf- und Bera­tungs­stellen wenden, die auf der Website aufge­li­stet sind, um Unter­stüt­zung zu erhalten. Diese Stellen – von geplaper auch Kompliz*innen genannt – reichen von Test­zen­tren für sexuell über­trag­bare Krank­heiten wie die Aids Hilfe Schweiz und Check-Point, über Anlauf­stellen für Gewalt­be­trof­fene wie brava bis hin zu Hilfs­an­ge­boten für Personen ohne Papiere wie Santé Sans-Papiers.

“Ausserdem kann man uns melden, wenn man bei einer aufge­li­steten Fach­person schlechte Erfah­rungen gemacht hat”, so Egli. “Dann schränken wir die Empfeh­lung ein oder löschen die Fach­person aus unserem Verzeichnis.”

Wissen und Erfah­rungen teilen

Das Basler Start-up wurde im Herbst 2023 über ein Crowd­fun­ding initi­iert und ist als Kollektiv orga­ni­siert – es gibt also keine Chef*innen und wich­tige Entschei­dungen treffen alle gemeinsam. Der Name geplaper setzt sich aus den Begriffen Gesund­heit, Platt­form und persön­lich zusammen – den zentralen Werten des Projekts. Er ist aber auch eine femi­ni­sti­sche Wieder­an­eig­nung des abwer­tenden Begriffs “plap­pern”. Für die Verant­wort­li­chen bedeutet das: das Teilen von Wissen und Erfah­rungen unter Patient*innen. 

Das Team hinter geplaper besteht aus Personen mit verschie­denen Erfah­rungen: Einige arbeiten selbst in Gesund­heits­be­rufen, andere setzen sich auf theo­re­ti­scher Ebene mit Gesund­heit und Gleich­stel­lung ausein­ander oder sind im Kultur­be­reich tätig. Die Erfah­rung der letz­teren mit Stif­tungs­an­trägen ist notwendig. Denn obwohl die Arbeit bei geplaper ehren­amt­lich ist, sind die Betreiber*innen der Website auf Spen­den­gelder ange­wiesen. Sei es, um die Seite zu unter­halten oder damit das Kollektiv zukünftig mehr in Bildungs­ar­beit inve­stieren kann. “Die Viel­falt der Menschen wird im Gesund­heits­wesen, in der Forschung und der medi­zi­ni­schen Lehre noch immer nicht ausrei­chend berück­sich­tigt”, so die Begrün­dung von Egli. 

Die Platt­form lebt vom Enga­ge­ment einer grossen Community.

Das Bedürfnis nach diskri­mi­nie­rungs­freier medi­zi­ni­scher Behand­lung zeigt sich auch in den Nutzer*innenzahlen: Über 5000 Personen haben die Platt­form seit der Lancie­rung Ende Juni 2024 besucht. Bislang wurden bereits mehr als 100 Fach­per­sonen empfohlen und die Zahl wächst mit der zuneh­menden Bekannt­heit konti­nu­ier­lich – alle zwei bis drei Tage kommt eine neue Empfeh­lung hinzu. 

Für eine gerechte Gesundheitsversorgung

Die Betreiber*innen von geplaper wollen nicht nur eine Lücke füllen, sondern sie fordern ein grund­le­gendes Umdenken im Gesund­heits­wesen: Weg vom Profit­in­ter­esse, hin zu einer bedarfs­ge­rechten Gesund­heits­ver­sor­gung, die für alle zugäng­lich und erschwing­lich ist. “Eigent­lich ist es eine Kata­strophe, dass es uns braucht”, sagt Egli, die ausser­halb des Kollek­tivs als Ärztin arbeitet. “Wir hoffen, das staat­liche Gesund­heits­sy­stem mitzu­ziehen, damit ein Angebot wie geplaper irgend­wann insti­tu­tio­na­li­siert und entlohnt wird.”

Um den struk­tu­rellen Rassismus zu bekämpfen, strebt das Kollektiv an, dass Fach­per­sonen sich vermehrt auch mit ihren eigenen diskri­mi­nie­renden Denk­mu­stern ausein­an­der­setzen. Dazu möchten die Betreiber*innen Info­ma­te­rial auf ihrer Website inte­grieren. Denn auch unter dem Medi­zin­per­sonal stehen Diskri­mi­nie­rungen und Macht­miss­brauch an der Tagesordnung.

In Zukunft will das Kollektiv auch auf verschie­dene Commu­ni­ties zugehen, um gemeinsam an geplaper weiter­zu­ar­beiten, damit möglichst viele Perspek­tiven und Erfah­rungen einen Platz finden. Durch die Mithilfe vieler könnte eine gerechte Gesund­heits­ver­sor­gung für alle ein Stück näher rücken.


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