Das CO2-Gesetz in acht Folgen: Dieser Artikel ist der dritte Teil einer Serie. Alle Artikel findest du hier.
Fossile Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas verursachen Treibhausgase. Über die CO2-Abgabe zahlen wir auf diese Treibhausgase unter dem aktuellen CO2-Gesetz eine Abgabe von 96 Franken pro Tonne verursachtes CO2. Mit dem neuen CO2-Gesetz, über welches wir in ein paar Wochen abstimmen, könnte der Betrag bis auf 210 Franken pro Tonne im Jahr 2030 erhöht werden. Fossile Treibstoffe wie Diesel oder Benzin fallen hingegen nicht unter die CO2-Abgabe.
Dem einen oder anderen Portemonnaie tut die CO2-Abgabe weh. Dennoch ist sie eigentlich ein faires Instrument, um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Denn die Abgabe funktioniert nach dem Verursacher:innenprinzip: Wer CO2 ausstosst, soll auch dafür bezahlen.
Doch nicht alle Verursacher:innen werden gleich zur Kasse gebeten. Beim aktuellen und auch beim revidierten CO2-Gesetz gibt es Hintertüren – also Möglichkeiten, die CO2-Abgabe zu umgehen und erst noch davon zu profitieren, dass andere sie zahlen. Und das ausgerechnet für Firmen, welche die grössten Mengen an Klimagasen verursachen. Eine dieser Hintertüren ist der Emissionshandel. Wer dort mitmacht, muss keine CO2-Abgabe bezahlen.
An Komplexität kaum zu überbieten
Das Emissionshandelssystem (EHS) ist wohl das komplizierteste Instrument in der Klimapolitik. Dahinter steckt die Idee, einen neuen Markt zu schaffen. Einen Markt, auf dem ein dreckiges Gut gehandelt wird: das Recht, CO2 in die Luft zu pusten.
Dabei definiert die Politik, wie viel Tonnen CO2 maximal in einem Jahr auf Schweizer Boden ausgestossen werden dürfen. Diese Obergrenze ist der sogenannte Cap. Auf der Basis von diesem Cap gibt der Staat Zertifikate raus. Wenn eine Firma solche Zertifikate kauft, darf sie dafür eine bestimmte Menge CO2 ausstossen. Um die Emissionen runterzubringen, senkt der Staat diese Obergrenze jedes Jahr ein wenig mehr. Zuständig für die Umsetzung ist das Bundesamt für Umwelt (BAFU).
In der Theorie soll die unsichtbare Hand des Markts so aufspüren, wo am billigsten CO2 reduziert werden kann. Denn die Firmen, bei denen die Reduktionen am wenigsten kosten, könnten neben ihren eigenen auch die Reduktionen der Betriebe übernehmen, bei denen die nötigen Anpassungen teurer wären. Denn: Die EHS-Teilnehmer:innen können die Emissionsrechte nicht nur bei den regelmässig vom BAFU durchgeführten Versteigerungen ergattern, sondern dürfen sich die Emissionsrechte auch gegenseitig verkaufen. Zahlen müssten so beide: die einen, um die für die CO2-Reduktion nötigen Schritte umzusetzen, die anderen für das Recht, CO2 auszustossen.
Das hat für die Firmen einen Vorteil: Es müssen nicht alle gleich stark runter mit ihren Klimagasen. Doch was in der Theorie gut klingt, hat in der Praxis so einige Haken.
Die grössten Verschmutzer:innen müssen beim EHS mitmachen. Andere dürfen.
Welche Firmen sich von der CO2-Abgabe befreien lassen können, steht in den Anhängen 6 und 7 der geltenden CO2-Verordnung. Branchen, die von der CO2-Abgabe befreit sind, dafür aber gleichzeitig am EHS teilnehmen müssen, sind im Anhang 6 aufgelistet. Im Anhang 7 stehen die Branchen, in denen die Firmen freiwillig mitmachen können. Diese dürfen also wählen, ob sie Abgaben auf CO2 bezahlen oder Zertifikate kaufen möchten. Zudem haben diese Firmen auch noch eine andere Möglichkeit, sich von der CO2-Abgabe zu befreien. Dazu aber mehr im nächsten Teil unserer CO2-Serie.
Auf der Liste im Anhang 6 stehen die Wirtschaftszweige, die am meisten Treibhausgase verursachen: die Produktion von Aluminium und Zement etwa, aber auch die Metallverarbeitung und gewisse Teile aus der Chemiebranche. Nicht aufgezählt, aber gleichfalls zur Teilnahme am EHS verpflichtet ist die Luftfahrt (aktuelles CO2-Gesetz, Art. 16a).
Auf der Liste der Freiwilligen befinden sich unter anderem die Uhrenbranche, der Anbau von Pflanzen in Gewächshäusern, die Herstellung von Getränken und Papier oder die Tabakverarbeitung. Sie stehen gemeinsam auf einer Liste, weil der Bundesrat befürchtet, dass die CO2-Abgabe ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stark beeinträchtigen könnte. Aber auch bei den Branchen auf dieser Liste handelt es sich typischerweise um CO2-intensive Wirtschaftszweige, wie das BAFU auf Anfrage schreibt.
Wer nun aber denkt, dass die Branchen, die auf den Listen 6 und 7 stehen, stärker an die Kandare genommen werden, weil sie viel CO2 ausstossen, liegt weit daneben. Was nach einer Pflicht aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinschauen für einige Firmen als Segen.
Zum Beispiel für den Zementriesen Holcim. Das SRF-Wirtschaftsmagazin Eco berichtete Anfang 2020, dass sich bei Holcim durch die Teilnahme am EHS über die Jahre ziemlich viele ungebrauchte Emissionszertifikate angesammelt haben. Sprich: Holcim hat mehr Emissionsrechte ergattert, als der Konzern für den Ausstoss seiner Treibhausgase eigentlich gebraucht hätte. Emissionsrechte, die der Zementriese in den letzten Jahren nicht nutzen musste, hat er zur Seite gepackt. Das SRF schätzt deren Wert auf 40 Millionen Franken. Wie kam es dazu? Antworten finden sich tief in den Details des CO2-Gesetzes.
Der Markt versagt: Die Firmen horten die Zertifikate, anstatt damit zu handeln
2017 hat die eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Wirkung des Emissionshandels überprüft. In ihrem Bericht schreibt die EFK: „Würde das EHS in seiner Reinform angewendet, […] wären die Vermeidungskosten für eine bestimmte Menge CO2 theoretisch identisch wie bei der CO2-Abgabe.“ In dieser „Reinform“ würden die EHS-Firmen also nicht weniger, sondern nur anders für ihren CO2-Ausstoss bezahlen. Die einen, weil sie für Massnahmen zur Reduktion von CO2 Geld in die Hand nehmen müssen. Und die anderen, weil sie nicht reduzieren und darum Lizenzen dafür kaufen müssen, um weiterhin verschmutzen zu dürfen.
Doch von dieser „Reinform“ ist das derzeitige EHS-Konstrukt weit entfernt. „Nach den ersten drei Jahren Emissionshandel […] muss festgehalten werden, dass die Handelsaktivität zwischen den Firmen schwach ausgeprägt ist. Alle Verkäufer haben Reserven gebildet“, schreibt die EFK. Sprich: Anstatt durch Handel die billigsten CO2-Reduktionen ausfindig zu machen, horten die EHS-Firmen Verschmutzungsrechte.
Dass die Firmen wenig mit Emissionen handeln, erstaunt nicht. Im Gegenteil: Die Verknappung des gehandelten Gutes, also der Emissionsrechte, ist gerade der Kern des künstlich geschaffenen EHS-Marktes. Und wenn etwas knapper wird, wird es in der Regel teurer. Und wenn zu erwarten ist, dass ein Gut an Wert gewinnt, wird es gehortet. BWL, erste Stunde.
Auf die Frage, ob die EHS-Firmen seit dem Erscheinen des EFK-Berichts stärker untereinander gehandelt haben, schreibt uns das Bundesamt für Umwelt (BAFU), dass man dazu keine Informationen habe.
Zu viele gratis verteilte Emissionsrechte
Ein weiteres Problem: Jedes Jahr bekommen alle Firmen, die am EHS teilnehmen, vom BAFU gratis neue Verschmutzungsrechte zugeteilt. Die einen mehr, die anderen weniger. Das soll die EHS-Firmen in zwei Gruppen teilen. Die Firmen der einen Gruppe produzieren CO2-mässig so gut, dass ihnen die Gratiszertifikate genügen, um übers Jahr zu kommen. Einige haben Ende Jahr sogar noch Emissionsrechte übrig. Die anderen müssen noch Zertifikate dazu kaufen, um ihre ausgestossenen Klimagase zu legalisieren.
Da der Schweizer Emissionshandel Anfang 2020 mit dem EHS der EU zusammengeschlossen wurde, orientiert sich das BAFU beim Verteilen der Gratiszertifikate an Bezugswerten aus der EU, den sogenannten Benchmarks. Sie werden anhand der besten, also treibhausgaseffizientesten 10 % aller EU-Betriebe berechnet und für jede Branche einzeln gesetzt. Zum Beispiel beim Zement: Für die Berechnung des Zement-Benchmarks werden die besten 10 % der Zementhersteller:innen der EU herangezogen. Die CO2-Bilanz der besten 10 % der Alu-Fabriken in der EU bestimmen den Alu-Benchmark der Schweiz und so weiter. Weil viele Schweizer Firmen im europäischen Vergleich vorne dabei sind, werden in der Schweiz viele Gratiszertifikate verteilt.
Um die Verknappung der Emissionsrechte trotzdem voranzutreiben, wird die Menge der jährlich kostenlos zugeteilten Emissionsrechte laufend reduziert. Und zwar um den „Anpassungsfaktor“, der im Anhang 9 der geltenden CO2-Verordnung steht. 2021 beträgt dieser Anpassungsfaktor 0.3. Die Firmen kriegen für das Jahr 2021 also nur 30 % der Gratiszertifikate, die ihnen laut dem Benchmarking zustehen würden.
Das klingt streng. Doch da steht noch etwas anderes im Anhang 9. Der Anpassungsfaktor 0.3 gilt nämlich nur für die Firmen, die nicht im Anhang des Beschlusses 2019/708/EU aufgeführt sind. Auf dieser Liste stehen Branchen, bei denen die Gefahr bestehe, dass Firmen ihre Produktion und damit ihre CO2-Emissionen ins Ausland verlagern könnten. Um Carbon Leakage, also das Auslagern von CO2 ins Ausland, zu vermeiden, kriegen die Firmen den Anpassungsfaktor 1. Und damit 100 % der Gratiszertifikate.
Von den 51 Firmen, die in der Schweiz am EHS teilnehmen, fallen laut BAFU derzeit 35 in die Kategorie «Carbon-Leakage-gefährdet». Nur etwa ein Drittel aller EHS-Firmen hat im 2021 also tatsächlich 70 % weniger Gratiszertifikate gekriegt.
Billige Auslandszertifikate kaufen und die teuren vom BAFU horten
Und noch etwas hat dazu geführt, dass einige EHS-Firmen Emissionsrechte bunkern konnten. Die EHS-Teilnehmer:innen durften sich nämlich bis vor Kurzem eine bestimmte Menge ihres CO2-Ausstosses mit sogenannten CERs (Certified Emission Reductions) erkaufen. Das sind Zertifikate für Reduktionsmassnahmen, die im Ausland erbracht wurden. Laut dem bereits erwähnten Bericht der EFK waren diese Zertifikate 2013 bereits ab einem Franken zu haben. Die regulären Emissionsrechte kosteten zu derselben Zeit zwischen 20 und 40 Franken. Laut dem BAFU kosten die CERs heute je nach Qualitätsstandard zwischen ein paar Rappen und 15 Franken.
Die Eidgenössische Finanzkommission (EFK) hält fest: „Fast alle Firmen im EHS, auch jene mit einer Überallokation an Emissionsrechten, haben ihren Spielraum genutzt, indem sie anstelle der kostenlos zugeteilten Emissionsrechte vorerst ausländische CERs gekauft und abgegeben haben.“ Die Firmen haben sich ihre Emissionsrechte also mit billigen CERs gesichert und die teuren Zertifikate vom BAFU auf die Seite gepackt. Auch die Firmen, die vom BAFU bereits mehr Emissionsrechte gratis zugeteilt bekamen, als sie eigentlich bräuchten.
Das ist in verschiedener Hinsicht fragwürdig. Zum einen werden die Firmen damit in Zukunft massiv Gewinn machen, weil die gehorteten Zertifikate voraussichtlich an Wert zulegen werden. Durch die Möglichkeit, CERs zu kaufen, kamen aber auch mehr Emissionsrechte auf den Emissionsmarkt, als von den Gesetzgeber:innen eigentlich vorgesehen waren. Denn die über die CERs erkauften Emissionsrechte kamen zusätzlich zum im CO2-Gesetz vorgesehenen Cap auf den Emissionsmarkt. Das führte dazu, dass der Fahrplan zur CO2-Reduktion nicht eingehalten werden konnte. Zwischen 2013 und 2015 haben CERs den Cap um 4 % angehoben, schreibt die EFK.
Die Emissionsrechte laufen nicht ab
Die Ansammlung von Emissionsrechten im Wert von 40 Millionen Franken beim Zementriesen Holcim hat also mehrere Ursachen: Erstens hat sich auch Holcim mit CERs eingedeckt. Zweitens schneidet der Konzern verglichen mit anderen europäischen Zementproduzent:innen gut ab, wodurch ihm eine grosse Menge Gratiszertifikate zugeteilt wird. Und drittens geniesst Holcim die Vorteile der Einstufung der Zementbranche als Carbon-Leakage-gefährdet. Der Zementhersteller kriegte also immer 100 % der gratis zugeteilten Emissionsrechte. Aus all diesen Gründen sitzt Holcim jetzt auf einem Berg Zertifikate.
Da erstaunt es nicht, dass der Holcim-Chef im Interview mit der Sonntagszeitung Anfang 2020 höhere Preise für CO2-Emissionsrechte forderte. Denn auch seine Zertifikate würden stark aufgewertet. Und: Die Zertifikate haben kein Ablaufdatum. Sowohl unter dem geltenden CO2-Gesetz (Art 48) wie auch unter dem revidierten CO2-Gesetz (Art. 77) können die EHS-Firmen die gehorteten Emissionsrechte noch in kommenden Jahren einsetzen oder verkaufen. Also auch in der Handelsperiode, in die wir mit dem Jahr 2021 soeben gestartet sind. Der WWF Schweiz fordert hingegen, dass bis Ende 2020 gratis zugeteilte Emissionsrechte nicht in die neue Periode übertragen werden dürfen. Denn in der gerade eben abgeschlossenen Handelsperiode lief nicht immer alles rund.
Nach der Schliessung der Tamoil-Raffinerie im Wallis wurde der Cap nicht angepasst
Dies zeigt auch der Fall Tamoil im Kanton Wallis. Mitte 2015 stellte die Erdölraffinerie in Collombey den Betrieb ein. Bis dahin war die Walliser Erdölraffinerie die mit Abstand grösste Käuferin von Emissionsrechten im Schweizer EHS. Durch die Schliessung der Raffinerie wurde ab 2015 im Wallis zwar viel weniger CO2 verursacht. Doch damit hatte man bei der Berechnung des Caps nicht gerechnet. Weil nun mit Tamoil die grösste Nachfragerin nach Schweizer Emissionsrechten wegfiel, war der Cap plötzlich viel zu hoch. Trotzdem entschied der Bundesrat damals, dass die für Tamoil vorgesehenen Verschmutzungsrechte im EHS bleiben sollen. Der Cap sei bereits für die gesamte Handelsperiode von 2013 bis 2020 im Voraus festgelegt worden, so die Begründung.
Tatsächlich schien der Bundesrat gar keine andere Wahl gehabt zu haben. Laut dem Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (Seite 24) wäre es gesetzeswidrig gewesen, wenn das BAFU die Emissionsrechte von Tamoil nicht versteigert hätte. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Etwas Spielraum wäre dem BAFU nämlich geblieben: Das Bundesamt darf jedes Jahr 5 % der Zertifikate als Reserve zurückhalten. Dies für den Fall, dass neue Firmen auftauchen, die ebenfalls mit Emissionsrechten versorgt werden wollen.
Wir haben das BAFU gefragt, was in den letzten Jahren mit diesen 5 % Reserven passiert ist. Die Antwort: „Sie wurden versteigert. Bis Anfang dieses Jahres gab es keine gesetzliche Grundlage, Emissionsrechte stillzulegen.“
Die eidgenössische Finanzkontrolle sieht das jedoch anders. Laut ihrem Bericht hätte das BAFU den gesetzlichen Spielraum gehabt, die 5 % Reserven vom Markt zu nehmen, anstatt sie zu versteigern (Seite 24).
Keine CO2-Abgabe zahlen und dafür Geld bekommen
Holcim bunkert Zertifikate, Tamoil macht die Raffinerie zu und flutet den Markt mit Emissionsrechten. Ob solchen Konstruktionsfehlern geht der grösste von allen fast vergessen. Er ist nämlich so gross, dass man ihn glatt übersehen könnte und führt uns zurück zur CO2-Abgabe.
Anders als die meisten anderen Firmen müssen die EHS-Firmen ja keine CO2-Abgabe bezahlen. Da die CO2-Abgabe nicht als Steuer, sondern als Lenkungsabgabe gedacht ist, landet sie am Schluss nicht in der Staatskasse, sondern wird an die Schweizer Haushalte und Firmen zurückverteilt – auch an die EHS-Firmen. Und das, obwohl diese keinen Rappen in diesen Umverteilungstopf einbezahlt haben. Laut der EFK waren diese Rückverteilungsbeträge beträchtlich und deckten den Firmen zum Teil sämtliche Kosten für den Kauf von Emissionsrechten.
Die EFK kommt zu einem vernichtenden Fazit: „Generell kann gefolgert werden, dass das Schweizer EHS in der Verpflichtungsperiode 2013–2020 für die teilnehmenden Firmen praktisch keine direkten Anreize schafft, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren.“
Was wird sich an den EHS-Regeln ändern, wenn wir das revidierte CO2-Gesetz annehmen?
Von 2013 bis 2020 ging das EHS also ziemlich in die Hose. Was als marktfreundlich verkauft wurde, hat sich schlicht als wirkungslos entpuppt. Doch was wird sich ändern, wenn wir in ein paar Wochen das revidierte CO2-Gesetz annehmen?
Darum geht es: | Geltendes CO2-Gesetz | Neues CO2-Gesetz |
Benchmarks: Orientierung an den treibhausgaseffizien-testen 10%-EU-Betriebe | Die 10%-EU-Benchmarks gelten seit 2013. | Der Schweizer EHS wurde 2020 mit dem Europäischen EHS verknüpft. Die 10%-EU-Benchmarks bleiben dementsprechend bestehen. |
Carbon Leakage: Für Firmen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihre Produktion und damit ihre CO2-Emissionen ins Ausland verlagern könnten, gilt der Anpassungsfaktor 1. Sie erhalten 100% der Gratiszertifikate. | Laut dem Bafu fallen gegenwärtig mehr als zwei Drittel der Firmen in die Kategorie «Carbon-Leakage-gefährdet». | Die Revision des CO2-Gesetzes ändert daran nichts. |
CERs: Die EHS-Firmen können einen Teil ihrer Emissionsrechte durch den Kauf von billigeren Auslandszertifikaten, sogenannten CERs, decken. | Der Zukauf von billigen CERs war in der Handelsperiode von 2013 bis 2020 zugelassen. | Ab 2021 ist der Zukauf von CERs nicht mehr zugelassen. Egal, ob wir das neue Gesetz annehmen oder nicht. Denn diese Änderung hat nichts mit der Revision des CO2-Gesetzes zu tun. Der Zukauf von CERs wurde verboten, um die Regeln im Schweizer EHS mit der EU in Einklang zu bringen. |
Übertragung der Emissionsrechte: Die EHS-Firmen dürfen nicht gebrauchte Emissionsrechte in die nächste EHS-Phase weiternehmen. | Erlaubt nach Artikel 48 des aktuellen CO2-Gesetzes. | Das Übertragen der gehorteten Emissionsrechte in neue Handelsperioden wäre weiterhin erlaubt (revidiertes CO2-Gesetz, Artikel 77). |
Regulation: Kann der Cap beim Wegfall von grossen Playern angepasst werden? | Das BAFU kann den für eine Handelsperiode definierten Cap nicht beeinflussen. Die einzige Möglichkeit, die Höhe des Caps zu steuern, ist über die 5% Reserve. | 2020 wurde der Schweizer EHS mit dem EHS der EU verknüpft. Dabei wurde das CO2-Gesetz angepasst. Neu kann der Bundesrat entscheiden, dass nur ein Teil der übrigen Emissionsrechte versteigert wird (aktuelles CO2-Gesetz, Art. 19 Abs. 5). Eine entsprechende Regelung ist auch im neuen CO2-Gesetz vorgesehen (revidiertes CO2-Gesetz, Art. 26 Abs. 5). |
Rückverteilung der CO2-Abgabe: Erhalten Firmen, die keine CO2-Abgabe bezahlen, trotzdem etwas zurück bei der Rückverteilung der Lenkungsabgabe? | Auch Firmen, die von der CO2-Abgabe befreit sind, erhalten Geld aus dem Rückverteilungsfonds zurück. | Das Parlament hat bei der Revision des CO2-Gesetzes beschlossen, dass die EHS-Firmen weiterhin von der Rückverteilung der CO2-Abgabe profitieren sollen, obwohl sie selbst nichts einzahlen. Die Begründung: Die Firmen könnten nicht selbst wählen, ob sie beim EHS mitmachen oder nicht. |
Auch bei einer Annahme des revidierten CO2-Gesetzes würden die EHS-Firmen also weiterhin Geld aus dem Topf der CO2-Abgabe erhalten, obwohl sie selbst keine CO2-Abgabe bezahlen. Zudem dürfte die Mehrheit der Firmen auch künftig als Carbon-Leakage-gefährdet eingestuft werden. Und die Gratiszertifikate, die sie dafür bekommen, dürften sie auch unter dem neuen CO2-Gesetz in die nächste Handelsperiode mitnehmen.
Es gibt aber auch Verbesserungen: So können die EHS-Firmen nicht mehr auf die billigen CERs ausweichen. Und bei einem zweiten „Fall Tamoil“ könnte das BAFU eingreifen. Diese Anpassungen haben aber eigentlich nichts mit der Revision des CO2-Gesetzes zu tun.
Und ob diese Verschärfungen tatsächlich zu mehr Druck führen werden, ist noch alles andere als klar. Auch wenn die Preise für die Emissionsrechte in den letzten Wochen erstaunlich stark gestiegen sind. Denn die Tresore einiger EHS-Firmen sind noch rappelvoll mit Lizenzen zum Verschmutzen.
Damit ihr die Übersicht nicht verliert – Hier die Schweizer Klimagesetzgebung auf einen Blick (oder vielleicht auf zwei):
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