Teile dieses Beitrags sind unserer Stellungnahme entnommen, die wir dem Presserat als Reaktion auf die gegen uns erhobene Beschwerde zukommen liessen. Die ganze Stellungnahme ebenso wie der Entscheid des Presserats finden sich am Ende dieses Texts.
Am 13. März 2020 publizierte das Lamm den Artikel „Binswanger und die Frauendemo: Opportunismus über Solidarität“, verfasst von unserer Co-Chefredaktorin Natalia Widla und unserer Kolumnistin Miriam Suter.
Unsere Autorinnen kritisierten im Artikel die Tagesanzeiger-Redaktorin und Weltwoche Kolumnistin Michèle Binswanger. Anlass dafür war ein Text Binswangers über die Demonstration am 8. März. Die Journalistin hatte die Demo-Teilnehmenden darin als „revolutionär dumm“ bezeichnet.
Um zu verdeutlichen, dass sich Michèle Binswanger nicht zum ersten Mal anderen, besonders aktivistischen Frauen gegenüber kritisch bis herablassend geäussert habe, fügten die Autorinnen dem Artikel einen kurzen Exkurs zur Causa Spiess-Hegglin bei.
Im Text hiess es, Binswanger hätte unzählige Artikel gegen Spiess-Heglin verfasst. Sie habe eine regelrechte Hetzkampagne gegen ein mutmassliches Opfer sexualisierter Gewalt geführt. Sie betreibe einen opportunistischen, bevormundenden Journalismus, der die Meinung einer privilegierten Person als hegemonial zementieren wolle.
Binswanger, so unsere Autorinnen weiter, argumentiere so, wie es auch ein Journalist der Weltwoche tun würde. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes war Frau Binswanger nach unserem Wissensstand noch nicht für die Weltwoche tätig.
Nach Veröffentlichung des Artikels suchte Michèle Binswanger den Kontakt zu das Lamm, und sie reichte beim Presserat eine Beschwerde ein. Einer ihrer zentralen Forderungen kam die Redaktion sogleich nach: Es stimme nicht, dass sie unzählige Artikel zum Thema geschrieben habe. Tatsächlich war diese Aussage nachweislich falsch; ihre Kritik war gerechtfertigt. Binswanger hatte drei Artikel zum Thema geschrieben.
Das Lamm hat die entsprechende Stelle umgehend geändert, den Artikel mit einem Korrigendum versehen und für den vorgefallenen Fehler um Entschuldigung gebeten.
In ihrer Beschwerde bemängelte Binswanger weiter, dass es nicht zutreffe, dass sie mit Vorliebe gegen Frauen anschreibe, die sich gegen Ungerechtigkeit wehrten. Und dass sie nicht zu den schweren gegen sie erhobenen Vorwürfen angehört worden sei.
Auszug aus der Stellungnahme des Presserats: „Vor dem Hintergrund ihrer Reputation als feministische Autorin sei der Vorwurf, sie schreibe generell gegen Frauen, schwer.“ Den Redaktor*innen von das Lamm war diese Reputation nicht bekannt. Die beiden Verfasserinnen des Artikels halten nach wie vor an der entsprechenden Aussage im Artikel fest.
Michéle Binswanger forderte von uns, eine Gegendarstellung bei das Lamm publizieren zu dürfen. Diese Forderung lehnten wir in unserer Stellungnahme aus den folgenden vier Gründen ab:
1) Wir sehen uns nicht in der Pflicht, in einem solchen Fall eine Stellungnahme zu gewähren.
2) Die zu Recht kritisierte Stelle wurde korrigiert, und zu den übrigen Aussagen des Artikels stehen wir nach wie vor.
3) Michèle Binswanger passt in ihrer politischen Ausrichtung nicht als Autorin in unser Format, und sie für „das Lamm“ schreiben zu lassen, widerspricht unserer journalistischen Ausrichtung und Authentizität.
4) Wir fühlen uns als kleines, unabhängiges Magazin nicht dazu verpflichtet, Frau Binswanger, die Zugriff auf die grösste mediale Plattform der Schweiz hat, noch eine weitere Plattform zu gewähren.
Der vierte und letzte Grund hat an zusätzlichem Gewicht gewonnen, seit Frau Binswanger kürzlich als Kolumnistin für die Weltwoche zu arbeiten begonnen hat. Diese Tatsache stützt zudem den Punkt 3), und wir halten den Entscheid, Frau Binswanger keine Plattform auf daslamm.ch zu gewähren, nach wie vor für richtig.
Der Entscheid des Presserats
Diese Woche erreichte uns die Stellungnahme des Presserats vom 25. August zu den gegen uns erhobenen Vorwürfen. Wir messen diesem Urteil viel Gewicht bei und respektieren den Entscheid des Presserats vollumfänglich.
In seiner Stellungnahme hält der Presserat fest, dass er Frau Binswangers Beschwerde teilweise gutheisst. Konkret: Es trifft zu, dass wir mit unserer Aussage, Binswanger habe unzählige Artikel zum Thema verfasst, das Wahrheitsgebot verletzt haben. Er bestätigt damit, was wir bereits wenige Tage nach Veröffentlichung unseres Artikels selbst eingestanden und korrigiert haben.
Darüber hinaus weist der Presserat Michèle Binswangers Beschwerde in allen anderen Punkten ab.
Und was die Frage einer allfälligen Gegendarstellung betrifft, so sei nicht der Presserat dafür zuständig, sondern das Zivilgericht.
Wir halten diesbezüglich an unserem Standpunkt fest, wie wir auch in unserer Stellungnahme festhielten:
„Es ist uns abschliessend wichtig zu betonen, dass wir uns als kleines Magazin durch Frau Binswangers Verhalten in der Tonalität und Vehemenz, welche sie dabei wählte, sehr unter Druck gesetzt fühlten und wir es deswegen als noch wichtiger erachten, uns nicht davon einschüchtern zu lassen oder uns für unsere Berichterstattung zu entschuldigen.
Wir sind der Meinung, dass eine Beschwerde in diesem Ausmass und zum momentanen Zeitpunkt keinen weiteren Zweck erfüllen soll, als denjenigen, die weitere kritische Berichterstattungen über die Person Michèle Binswanger zu unterbinden. Das wollen wir uns nicht bieten lassen.“
Gezeichnet,
die Co-Chefredaktion von das Lamm
Anhänge:
Die Stellungnahme des Presserats
Die Stellungnahme von das Lamm
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