Seit 2006 ist die Asyl­or­ga­ni­sa­tion Zürich (AOZ) Teil des Migra­ti­ons­markts – mit frag­wür­digen Folgen nicht nur für die Asyl­su­chenden, sondern auch für die Angestellten

Was ist bloss los bei der Asyl­or­ga­ni­sa­tion Zürich (AOZ)? Massen­ent­las­sungen, zu viel Büro­kratie, zu wenig Mitsprache und eine Abfer­ti­gung der Asyl­su­chenden statt deren Betreuung – dies die Vorwürfe von ehema­ligen und aktu­ellen Mitar­bei­te­rInnen. Die Suche nach den Gründen für die frag­wür­dige Situa­tion führt ins Jahr 2006, als die AOZ dem Wett­be­werb über­ant­wortet wurde. 
Ein Schulzimmer im von der AOZ im Auftrag des Bundes betriebenen Zentrum Juch in Zürich Altstetten. Rund 300 Personen, die sich im beschleunigten Testverfahren des SEM befinden, leben hier. (© AOZ)

Die Zusam­men­ar­beit Europas mit der Türkei und der liby­schen Küsten­wache zeigt Wirkung: Immer weniger Asyl­su­chende gelangen vom afri­ka­ni­schen Konti­nent nach Europa. Im August 2018 vermel­dete das Staats­se­kre­ta­riat für Migra­tion (SEM) einen Rück­gang der Asyl­ge­suche um 29,4% im Vergleich zum August 2017. Gerade bei Flüch­tenden aus afri­ka­ni­schen Ländern ist der Trend seit 2015 ohnehin stark rück­läufig. Was die euro­päi­sche Abschot­tungs­po­litik für Geflüch­tete bedeutet, hat das Lamm in zwei kürz­lich erschie­nenen Arti­keln beleuchtet.

Folgen hat die Abschot­tungs­po­litik aber auch für dieje­nigen Orga­ni­sa­tionen, die sich um die Geflüch­teten kümmern, etwa im Kanton Zürich. Rund 70 Personen wurden von der AOZ kurz­fri­stig auf Ende Sommer dieses Jahres entlassen. Grund dafür ist die Schlies­sung von Asyl­zen­tren wegen rück­läu­figer Asyl­zahlen. Die beiden von der AOZ betrie­benen Zentren für minder­jäh­rige, unbe­glei­tete Asyl­su­chende (MNA oder UMA) Leut­schen­bach und Steinegg in der Stadt Zürich wurden bereits im Früh­ling geschlossen; auf Ende Juli haben nun auch das MNA-Zentrum in Zollikon und das Durch­gangs­zen­trum in der Halle 9 in Zürich den Betrieb einge­stellt. Letz­teres wurde auf Anfang September durch ein Bundes­asyl­zen­trum ersetzt.

Solche Fluk­tua­tionen gehören im Asyl­be­reich zum Arbeits­ri­siko, schreibt der Direktor der AOZ Thomas Kunz in einer schrift­li­chen Stel­lung­nahme. „Die AOZ ist momentan mit der Heraus­for­de­rung konfron­tiert, dass infolge stark gesun­kener Asyl­ge­suchs­zahlen Ange­bote redu­ziert oder abge­baut werden müssen, weil sie nicht mehr finan­ziert werden können. Die AOZ arbeitet auf der Basis von Leistungs­ver­ein­ba­rungen mit ihren auftrag­ge­benden Stellen […]. Schwan­kungen in der Auftrags­lage mit allen dazu­ge­hö­rigen Folgen sind dem Asyl- und Flücht­lings­be­reich imma­nent und können nicht vermieden werden.“

Das stimme zwar, sagt Martina Flüh­mann, Gewerk­schafts­se­kre­tärin der Sektion Zürich des Verbands der Personen des öffent­li­chen Dien­stes (VPOD). Aber wie mit den Fluk­tua­tionen umge­gangen wird, sei für eine Insti­tu­tion wie die AOZ gera­dezu blamabel. Die sinkenden Zahlen wären zudem zu anti­zi­pieren gewesen: „Uns wurde von Seiten der AOZ bis heute nicht aufge­zeigt, wieso man Menschen noch im neuen Jahr für die beiden Zentren unbe­fri­stet ange­stellt hatte.“ Flüh­mann verweist auf die in Gesprä­chen mit Betrof­fenen mehr­fach geäus­serte Vermu­tung, dass sich hinter der Kurz­fri­stig­keit Kalkül verbirgt: „Hätte die AOZ-Leitung schon im Januar kommu­ni­ziert, dass die Zentren voraus­sicht­lich schliessen werden, hätte man womög­lich nicht garan­tieren können, dass noch genug Ange­stellte für den Betrieb bis zur Schlies­sung verbleiben werden.“

AOZ-Direktor Kunz spricht dagegen von einer schier unmög­li­chen Prognose, gesteht aber ein: „Die grosse Zahl von MNA, die das 18. Alters­jahr erreich(t)en und damit aus dem Zustän­dig­keits­be­reich der MNA-Zentren fallen würden, war absehbar. Anfang 2018 ging die AOZ aber noch davon aus, dass ein weiterer Abbau von UMA-Struk­turen sanfter, das heisst weniger kurz­fri­stig erfolgen sollte.“

„Es gibt keine Sicher­heit bei Stellen im Asylbereich“

Kalkül hin oder her: Für im Asyl­be­reich beschäf­tigte Personen sind solche Fluk­tua­tion Teil ihrer Arbeits­rea­lität. Gehen die Zahlen zurück, wird Personal entlassen, steigen sie wieder an, werden neue Mitar­bei­te­rInnen ange­stellt – nicht nur bei der AOZ. „Es gibt keine Sicher­heit bei diesen Stellen“, erzählt Thomas, der seit rund zwei Jahren als Betreuer in einem von der AOZ betrie­benen Zentrum arbeitet und genau wie die anderen in diesem Artikel zitierten Mitar­bei­te­rInnen seinen rich­tigen Namen lieber nicht nennen möchte: „Das merkt man im Gespräch mit Menschen, die schon lange dabei sind: Sie bewegen sich in diesen Struk­turen von einem Betrieb zum anderen und wieder zurück, je nachdem, wer grad einen Leistungs­auf­trag kriegt.“ Martina Flüh­mann sieht einen Grund dieses Problems im verselbst­stän­digten Charakter der Insti­tu­tion: „Bei einem städ­ti­schen Betrieb hat man im Hinblick auf Entlas­sungen andere Möglich­keiten für die Weiter­be­schäf­ti­gung oder Entschä­di­gung der Betroffenen.“

Seit 2006 ist die AOZ ein verselbst­stän­digter Betrieb, auf der Website der AOZ wird sie als „selbst­stän­dige öffent­lich-recht­liche Anstalt der Stadt Zürich“ beschrieben. Die Stadt Zürich sitzt als Haupt­ak­tio­närin im Verwal­tungsrat, die Verbin­dung zwischen der AOZ und der Stadt ist weiterhin eng – so präsen­tiert sich die AOZ etwa weiterhin als Teil des Stadt­zür­cher Online­auf­trittes und an AOZ-Veran­stal­tungen treten regel­mässig Vertre­te­rInnen von Stadt und Kanton als Redne­rInnen auf.

Trotz diesen engen Verbin­dungen zur Stadt und obwohl die AOZ weiterhin nicht gewinn­ori­en­tiert agiert, ist sie, verein­facht gesagt, priva­ti­siert worden. Entspre­chend sind die bei der AOZ beschäf­tigten Personen nicht städ­ti­sche Ange­stellte und verfügen auch nicht über die entspre­chenden Verträge: „AOZ-Ange­stellte haben GAVs, die sich zwar an den städ­ti­schen Verträgen orien­tieren, aber überall dort, wo die Verträge nicht explizit auf die Stadt Bezug nehmen, gilt das Obli­ga­tio­nen­recht – und dieses enthält nur einen mini­malen Arbeit­neh­me­rIn­nen­schutz“, erklärt Mattia Mandaglio, eben­falls Gewerk­schafts­se­kretär beim Zürcher VPOD. Diese Unter­schiede zu städ­ti­schen Verträgen betreffen etwa den Kündi­gungs­schutz und insti­tu­tio­na­li­sierte Sozialpläne.

Konkur­renz­kampf und Lohn­dum­ping – und die Stadt mischt mit

„Die Stadt­zür­cher Stimm­be­völ­ke­rung befür­wortet mit über 70 Prozent Ja-Stimmen eine Verselb­stän­di­gung der AOZ: Die bishe­rige Verwal­tungs­ein­heit des Sozi­al­de­par­te­ments wird per 2006 eine selb­stän­dige öffent­lich-recht­liche Anstalt der Stadt Zürich mit dem Namen AOZ. Der neue Artikel der Gemein­de­ord­nung der Stadt Zürich sieht vor, dass die AOZ neben den gesetz­li­chen Aufgaben im Asyl- und Flücht­lings­be­reich Aufgaben im Rahmen von Leistungs­ver­ein­ba­rungen mit Dritten erfüllt [und] Dienst­lei­stungen im Bereich der Inte­gra­tion erbringt“, heisst es auf der AOZ-Website zum dama­ligen Ausgliederungsentscheid.

AOZ-Direktor Kunz sieht diesen Entscheid bis heute als erfolg­rei­chen Schritt: „Die Verselb­stän­di­gung ermöglicht(e) der AOZ, sich in den Geschäfts­fel­dern Sozi­al­hilfe und Unter­brin­gung im Asyl- und Flücht­lings­be­reich‘ sowie Beruf­liche und soziale Inte­gra­tion‘ im Wett­be­werb erfolg­reich weiter­zu­ent­wickeln. Sie ermög­licht, dass die AOZ nebst den städ­ti­schen Aufträgen auch für den Kanton und Bund sowie für andere Gemeinden arbeiten kann.“ Kunz fügt hinzu, dass der Vorteil der heutigen Lösung auch darin liege, dass die AOZ auch ausser­halb der Stadt kommu­nale, kanto­nale und natio­nale Aufträge über­nehmen kann. „Von der damit verbun­denen Fach­lich­keit der AOZ profi­tiert übri­gens auch die Stadt Zürich.“ Kunz ist über­zeugt: Eine Wieder­ein­glie­de­rung der AOZ in die offi­zi­ellen Insti­tu­tionen würde die Schwan­kungs­pro­ble­matik und deren Auswir­kungen auf die Ange­stellten nicht eindämmen, sondern nur die Annahme zusätz­li­cher Aufträge verhindern.

Ein Schul­zimmer im von der AOZ im Auftrag des Bundes betrie­benen Zentrum Juch in Zürich Altstetten. Rund 300 Personen, die sich im beschleu­nigten Test­ver­fahren des SEM befinden, leben hier. (Foto: AOZ)

Die AOZ funk­tio­niert seit der Ausglie­de­rung auf Auftrags­basis. Aufträge im Bereich von Unter­brin­gung, Inte­gra­tion, Sprach­un­ter­richt und Beschäf­ti­gung von Asyl­su­chenden nimmt die Orga­ni­sa­tion, wie Kunz sagt, sowohl von der Stadt und vom Kanton als auch vom Bund entgegen. Um an diese Leistungs­auf­träge zu gelangen, muss sich die AOZ im Wett­be­werb durch­setzen – Aufträge der öffent­li­chen Hand werden öffent­lich ausgeschrieben.

Für einige Ange­stellte und die verant­wort­li­chen Gewerk­schaf­te­rInnen sind die neusten Massen­ent­las­sungen deswegen sympto­ma­tisch für einen unrühm­li­chen Trend, der seit Jahren bei der AOZ, aber auch bei anderen ausge­la­gerten Betrieben zu beob­achten sei: „Auf Auftrags­basis zu arbeiten, bedeutet, konkur­renz­fähig zu sein – und das bedeutet auch, Leistungen günstiger anbieten zu können als die Konkur­renz“, sagt Mattia Mandaglio. Hieraus resul­tiert das, was Mandaglio als staat­lich indu­ziertes Lohn­dum­ping‘ bezeichnet: „In der Stadt Zürich beispiels­weise ist bei der Leistungs­ver­gabe eigent­lich nur der Preis mass­ge­bend, im Gegen­satz zu etwa Bern gibt es keine Richt­li­nien zur Leistungs­ver­gabe.“ Beson­ders bei Sprach­kursen herr­sche eine enorme Konkur­renz und grosser Preis­druck von Seiten der Privat­an­bieter. Im Bereich der Unter­brin­gung von Asyl­su­chenden ist die private Asyl­or­ga­ni­sa­tion ORS die schärfste Konkur­rentin der AOZ. „Die ORS macht es eben meistens billiger, die AOZ muss mitziehen. Das zeigt sich dann in Entlas­sungen und sinkenden Löhnen“, so Mandaglio.

Tief­löhne gerecht­fer­tigt durch falsche Stellenbeschriebe

Ehema­lige und derzei­tige Ange­stellte bestä­tigen dies gegen­über das Lamm: „Die Konkur­renz merkt man extrem beim Lohn. Es ist klar, dass die AOZ gewisse Aufträge nicht bekommt, wenn die Löhne so bleiben wie früher“, erzählt etwa Jan, der von 2008 bis 2017 mit Unter­brü­chen in verschie­denen AOZ-Insti­tu­tionen beschäf­tigt war. Thomas spricht von einer zuneh­menden Diskre­panz zwischen Lohn, Stel­len­be­schrieb und tatsäch­li­cher Arbeit: „Der Stel­len­be­schrieb für Asyl­be­treue­rInnen ist komplett unrea­li­stisch. Wir arbeiten mit vielen schwer trau­ma­ti­sierten Menschen, auch mit krimi­nellen Menschen, mit aggres­siven Menschen, mit Menschen mit extremen Gewalt­er­fah­rungen.“ Der Stel­len­be­schrieb klinge dagegen nach Verwal­tungs­ar­beit und dem Heraus­geben von Hygie­ne­ar­ti­keln, was wiederum als Recht­fer­ti­gung für einen tiefen Lohn heran­ge­zogen wird, sagt Thomas.

Die Thematik der Abwei­chung effek­tiver Arbeits­in­halte von den Stel­len­be­schrieben in den Asyl­zen­tren sei altbe­kannt, bestä­tigt Martina Flüh­mann. Lohn und Tätig­keits­be­reich fielen meist nur bei Menschen, deren Stel­len­be­schrieb eine tertiäre Ausbil­dung voraus­setzt, zusammen. „Die AOZ und der gesamte Asyl­be­trieb leben davon, dass die Ange­stellten perma­nent mehr leisten und zusätz­liche Kompe­tenzen, wie etwa Sprach­kennt­nisse oder in der Schweiz recht­lich nicht aner­kannte Ausbil­dungen, in ihre Tätig­keiten einfliessen lassen. Der Betrieb würde zusam­men­bre­chen, wenn die Menschen nur das tun würden, was im Stel­len­be­schrieb fest­ge­halten ist.“

„Die Stel­len­be­schriebe sollten mit den tatsäch­lich verrich­teten Aufgaben über­ein­stimmen“, schreibt AOZ-Direktor Kunz auf Nach­frage, gesteht aber ein: „In Einzel­fällen kommt es sicher vor, dass sich für einige Zeit eine gewisse Diskre­panz zwischen Stel­len­be­schrieb und Arbeits­tä­tig­keiten ergibt.“ Peri­odi­sche Mitar­bei­te­rIn­nen­ge­spräche würden dazu dienen, solche Diskre­panzen zu beheben.

Weg von der Betreuung, hin zum Manage­ment von Menschen

Im Gespräch mit mehreren ehema­ligen und aktu­ellen AOZ-Ange­stellten ergibt sich ein anderes Bild. Mehrere Personen berichten, dass sie perma­nent über ihren Kompe­tenz­be­reich hinaus arbeite(te)n – teils aus Verant­wor­tungs­be­wusst­sein den ihnen anver­trauten Personen gegen­über, teils aus Angst. „Bei der Arbeit im Asyl­be­reich sind verschie­dene Abhän­gig­keiten zu beob­achten“, sagt Flüh­mann. „Einer­seits aus Gewis­sens­gründen und Verant­wor­tungs­ge­fühl gegen­über den Asyl­su­chenden, ande­rer­seits aber auch, weil oft Personen ange­stellt sind, die selber einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund haben und auf die Stelle ange­wiesen sind.“ Feed­back­me­cha­nismen würden gemäss Ange­stellten schlecht oder nicht funk­tio­nieren und Rück­spra­chen seien, wenn über­haupt, nur auf Team­ebene möglich. Die starke Büro­kra­ti­sie­rung und steilen Hier­ar­chien inner­halb der AOZ werden als Haupt­grund dafür genannt.

„Ich merkte, wie sich der Auftrag von Seiten der AOZ-Leitung langsam wandelte: von Betreuung hin zu Verwal­tung. Wenn man die Zeit, die nicht mehr für die Betreuung aufge­wendet werden konnte, nicht über­mässig unbe­zahlt kompen­sieren wollte, hatte man nicht mehr wirk­lich die Möglich­keit, die Leute ordent­lich zu unter­stützen, weil es Zahlen und Ziele einzu­halten gab“, erzählt Jan.

„Gewisse persön­liche Verhal­tens­weisen können plötz­lich nicht mehr gerecht­fer­tigt werden, denn alles muss messbar sein, und der soziale Aspekt, der eben schwer quan­ti­fi­zierbar ist, gerät in den Hinter­grund“, sagt Luca, der im Bereich Sprach­un­ter­richt tätig ist. „Der Trend bei der AOZ geht klar von der Betreuung von Menschen hin zum Manage­ment von Fällen.“ Gemäss einer anderen Ange­stellten gibt es im Grunde drei Möglich­keiten: „Man macht alles nach Plan und vernach­läs­sigt die Betreu­ungs­ar­beit; man beutet sich selber aus, indem man über seine Kompe­tenzen hinaus unbe­zahlt arbeitet; oder man geht – wenn man es sich denn leisten kann.“ Sie betont, dass sich diese Entwick­lung nicht nur auf die Ange­stellten negativ auswirken würde, sondern auch im Umgang mit den Asyl­su­chenden merkbar würde: „Es gibt ständig Situa­tionen, bei denen wir eigent­lich keine Zeit und Ressourcen für Einzel­fälle aufwenden dürften. Das ist mensch­lich fahr­lässig und grenzt an Willkür.“

Auch AOZ-Direktor Kunz ist sich der zuneh­menden Büro­kra­ti­sie­rung in seinem Betrieb bewusst, versteht sie aber als Teil eines grös­seren Ganzen: „Der Trend zu mehr Ökonomie und Büro­kratie in der öffent­li­chen Verwal­tung, aber auch in Non-Profit-Orga­ni­sa­tionen [etc.] geht auf das New Public Manage­ment im ausge­henden 20. Jahr­hun­dert zurück.“ Die stetig stei­genden ökono­misch moti­vierten Ansprüche von Seiten der Politik würden eine verstärkte Doku­men­ta­tion der eigenen Tätig­keiten unver­meidbar machen und somit an dem Gleich­ge­wicht zwischen „Papier­kram und Kern­ar­beit“ rütteln. Kunz merkt an: „Gleich­zeitig ist fest­zu­halten, dass dieses Quali­täts­ma­nage­ment auch eine Menge Profes­sio­na­li­sie­rung und sinn­volle Effi­zi­enz­stei­ge­rung hervor­ge­bracht hat.“

Mit mehr Aufträgen zu mehr Möglichkeiten?

Für die meisten der diesen Sommer entlas­senen Personen ging die Situa­tion nach langen Verhand­lungen durch den VPOD vorerst glimpf­lich aus: „Die Sozi­al­plan­ver­hand­lungen haben über mehrere Runden bis in den August gedauert und die Mehr­zahl unserer Forde­rungen wurde schliess­lich aufge­nommen“, berichtet Flühman Ende September. „Die meisten der Betrof­fenen hatten zum Zeit­punkt der Schlies­sung eine neue Anstel­lung gefunden, wobei fest­zu­halten ist, dass gerade jene, die bei der AOZ eine Stelle im MNA-Bereich inne­hatten, meist nur eine befri­stete Anstel­lung erhalten haben. Sie haben zwar eine neue Anstel­lung, aber eine prekäre. Dementspre­chend müssen sie weiterhin die Augen für andere Stellen offenhalten.“

Keines der mutmass­lich zugrun­de­lie­genden Probleme sei damit wirk­lich gelöst: „Für uns stellt sich schon die Frage, wie die AOZ auf lange Sicht mit schwan­kenden Zahlen umgehen will. Wird es nur noch befri­stete Anstel­lungen geben? Das wäre aus gewerk­schaft­li­cher Sicht eine nega­tive und gefähr­liche Entwick­lung.“ Ein fahler Beigeschmack bleibt also.

AOZ-Direktor Kunz sieht in der Annahme von mehr Leistungs­auf­trägen die beste Möglich­keit, die AOZ auf zukünf­tige Schwan­kungen vorzu­be­reiten. Die Stra­tegie der AOZ sei es, sich noch weiter von einer reinen Asyl­be­treu­ungs­or­ga­ni­sa­tion hin zu einer Fach­or­ga­ni­sa­tion im Migra­tions- und Inte­gra­ti­ons­be­reich zu entwickeln. „Das verhin­dert die Notwen­dig­keit, Personal einzu­stellen oder zu entlassen nicht, kann aber die Abbau­folgen mildern, weil die AOZ so über andere Ange­bots­be­reiche verfügt.“ Die unter­schied­li­chen Schwan­kungs­zy­klen, so Kunz, würden eher die Möglich­keit offen­halten, für Personen eine Weiter­be­schäf­ti­gung in einem anderen Bereich zu finden.

Kunz gesteht ein, dass die AOZ eben nur so viele Mitar­bei­tende anstellen kann, wie sie bezahlte Aufträge zu erfüllen hat. Damit wäre die Diskus­sion wieder bei der Frage ange­kommen, ob es richtig ist, dass eine quasi-städ­ti­sche Asyl­or­ga­ni­sa­tion mit rund 1000 Ange­stellten in einem Wett­be­werb mit privaten, gewinn­ori­en­tierten Orga­ni­sa­tionen wie der ORS um Aufträge konkurriert.

„Es ist eine poli­ti­sche Entschei­dung, Wett­be­werb zuzu­lassen und auch private Orga­ni­sa­tionen mit ins Boot zu holen“, ist Jan über­zeugt. „Aber dies­be­züg­lich steht im Endef­fekt auch die Politik unter dem Druck grös­serer Phäno­mene und gesell­schaft­li­cher Entwick­lungen.“ Ähnlich sieht es die Gewerk­schafts­se­kre­tärin Martina Flüh­mann: „Was am Ende der Diskus­sion bleibt, ist die Frage: Welche Asyl­po­litik will die Gesellschaft?“


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