Wie schlimm steht es wirklich um die Welt? Das weiss niemand ganz genau. Eine Nachricht jagt die nächste – wie einen Überblick gewinnen, das Chaos ordnen? Wir helfen, indem wir ausgewählte News häppchenweise servieren und einordnen. So liefern wir Ihnen einmal pro Monat Anhaltspunkte zur Lage der Welt aus Lamm-Sicht.
Heute: Die Schweiz kauft 2017 unverpackt ein — aber was bringt das, wenn Trump nicht an den Klimawandel glaubt? Zudem spannende Lese- und Filmtipps zu den Themen, die den Januar geprägt haben.
Good News: 2017 wird das Jahr der unverpackten Supermärkte!
Was ist passiert? Die Schweiz wird 2017 weniger Abfall produzieren. Zumindest lässt das der Enthusiasmus hoffen, der verschiedene Supermarktprojekte auf Crowdfundingportalen ihre Finanzierungsziele in kurzer Zeit erreichen liess. Hinter all den Projekten steckt dasselbe Ziel: Einkaufen ohne Abfall zu erzeugen! Auf unnötige Verpackungen zu verzichten und nur soviel zu kaufen, wie man wirklich braucht, soll bald in noch mehr Städten, vor allem in der Deutschschweiz, möglich sein. Chez Mamie, der bisher grösste verpackungsfreie Supermarkt mit verschiedenen Niederlassungen in der Westschweiz, eröffnet im Februar einen Laden in Zürich. Eine Gruppe namens Foifi baut Zürichs ersten Zerowaste-Quartierladen auf. Zum Supermarkt soll auch ein Café gehören, wo Veranstaltungen durchgeführt werden sollen. Basel ist ähnlich aktiv: Hier war das Crowdfunding für die Abfüllerei erfolgreich. Zudem hat ein zweiter Laden, Basel unverpackt, Ende Januar den Vertrag für sein zukünftiges Lokal unterschrieben. Auch ein Unverpackt Luzern steht in den Startlöchern und soll im März seine Türen öffnen.
Weshalb ist das wichtig? Abfall braucht Ressourcen, verschmutzt die Natur und verursacht CO2. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) veröffentlicht folgende Zahlen: 730 kg Abfall erzeugt eine Person pro Jahr. Davon wird mehr als die Hälfte verbrannt, das heisst: Die Ressourcen sind verloren, CO2 wird ausgestossen.
Pionierin der abfallfreien Bewegung ist Bea Johnson, die durch ihren Blog, ihr Buch und ihre Vorträge weltweit bekannt wurde, und mit ihrer vierköpfigen Familie gerade einmal ein Glas Müll pro Jahr produziert. Sie sagt: Der beste Abfall ist kein Abfall. Damit hat sie nicht unrecht: Selbst Recycling braucht Ressourcen und Energie. Unser Ziel sollte es sein, Abfall zu reduzieren, wenn nicht gar zu vermeiden.
Ausserdem gehört es zur Philosophie dieser verpackungsfreien Läden, nur saisonale und regionale Ware zu verkaufen, was umweltschonenden Konsum begünstigt.
Aber: Ganz neu ist das nicht unbedingt. Bisher hiessen solche Läden einfach Bauernmärkte und Dorflädeli. Ein Grund, wieso viele Leute nicht dorthin gehen, sondern in den Coop um die Ecke, ist, dass ein Besuch dieser Orte vorausschauende Planung erfordert. Denn der Markt findet oft nur einmal die Woche vormittags statt und das Dorflädeli schliesst um 15 Uhr. Zudem kosten viele Produkte auf dem Markt und im Dorflädeli ein gutes Stück mehr als im Coop. Nicht vorausschauende Planung könnte auch bei den Unverpackt-Läden ein Problem sein, denn wer hat schon immer fünf leere Gläser und zehn Stoffsäcke dabei? Hinzu kommt, dass die Läden oft nicht am Weg liegen. In den Städten mit dichtem Tramnetz ist das weniger ein Problem. Aber zum verpackungsfreien Supermarkt Chez Mamie in Le Châble zum Beispiel, einer Gemeinde mit 7000 EinwohnerInnen im Wallis, werden viele KundInnen von ausserhalb kommen — vermutlich mit dem Auto.
Nichtsdestotrotz ist die Motivation hinter solchen Läden ein Schritt in die richtige Richtung und die erfolgreichen Crowdfundings bezeugen, dass dafür eine Nachfrage existiert.
Bad News: Donald Trump ist kaum im Amt und sorgt weltweit für Empörung und Proteste. Wozu wird er in Sachen Klimawandel fähig sein?
Was ist passiert? Die Person, die im Januar die Berichterstattung in den Medien dominiert hat, war zweifellos der neue Präsident der USA. Es sieht auch nicht so aus, als ob sich das bald ändern würde, hat Donald Trump in den ersten Tagen im Amt doch bereits für reichlich Unmut gesorgt. Auch die Proteste werden so bald nicht abreissen. Nach der Streichung von Geldern für Abtreibungen in Entwicklungsländern, dem Startschuss für die Mauer zu Mexiko und dem Einreiseverbot für Muslime fragt sich die Bevölkerung der USA, aber auch der Rest der Welt, auf was sie sich noch gefasst machen muss.
Eine weitere grosse Gefahr stellt Trumps Einstellung zum Klimawandel dar. Bereits 2012 erklärte er auf Twitter, dass die Klimaerwärmung nur eine Idee der Chinesen sei, um die Wettbewerbsfähigkeit der USA zu schwächen. Hier eine Liste mit allen Trump-Tweets zum Klimawandel. Im Wahlkampf verfocht er das Ziel als Präsident Amerika wieder great zu machen, was die Förderung von Gas, Öl und Kohle beinhalten soll und den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen bedinge.
Auf der Website des Weissen Hauses hat die neue Regierung die Seite zum Klimawandel bereits mit einem Energieplan ersetzt. Darin heisst es wortwörtlich: „President Trump is committed to eliminating harmful and unnecessary policies such as the Climate Action Plan“. Zudem hat Trump mittels Dekret Neuverhandlungen über die eigentlich bereits gestoppten Ölpipelines Keystone und Dakota angeordnet. Und Chef der EPA, der amerikanischen Umweltbehörde, soll ein Mann werden, der die EPA eigentlich am liebsten abschaffen würde. Trump verordnete am ersten Tag seiner Präsidentschaft, dass keine neuen Umweltregulierungen mehr erlassen werden dürfen. Zudem ordnete er an, dass die Behörden künftig keine Studien darüber erstellen, was der Einfluss eines bestimmten Projektes auf die Umwelt ist. Er beabsichtigt das Budget der EPA um mehr als 800 Millionen Dollar zu kürzen. Geld für wissenschaftliches Arbeiten an Unis soll sowieso gestrichen werden.
Weshalb ist das wichtig? Der Pariser Klimavertrag von 2015 hat so ehrgeizige wie notwendige Ziele. Die FAZ hat diese sehr gut zusammengefasst. Unter anderem sollen die Industriestaaten den Entwicklungsländern, die bereits heute mit Schäden des Klimawandels zu kämpfen haben, helfen, mit diesen umzugehen und ihre Wirtschaft umweltfreundlicher zu machen. Tritt nun einer der grössten Industriestaaten aus dem Vertrag aus, fällt nicht nur ein massgeblicher Akteur weg, sondern das ganze Vertragskonstrukt könnte ins Wanken geraten.
Wäre die USA keine Vertragspartei mehr, könnte Trump auch die Ziele der USA zur Verringerung des Treibhausgasausstosses widerrufen, was der staatlichen Unterstützung der Kohleindustrie momentan noch im Weg steht. Auch wenn Trump die nationale Umweltbehörde EPA tatsächlich abschafft und in sein Kabinett nur erklärte KlimagegnerInnen beruft, können wir solche Aktionen nicht als das alleinige Problem der USA abtun. Denn die USA mit ihrem gigantischen Ausstoss an Klimagasen spielt eine entscheidende Rolle im globalen Klimaschutz.
Aber: Das Pariser Klimaabkommen stellt ohnehin keine alleinige Lösung zum Schutz des Klimas dar. Wie etwa dieser Gastkommentar in der NZZ argumentiert, heisst eine Teilnahme am Klimaabkommen nicht, dass man sich zurücklehnen kann. Vielmehr muss kontinuierlich an weiteren Entwicklungen und Innovationen geforscht werden. Die Gefahr einer Klimawandelleugnung von amerikanischer Seite ist auf keinen Fall zu unterschätzen. Allerdings sollte der Rest der Welt dadurch nicht auch ins Straucheln geraten, sondern vielmehr mit noch überzeugenderer Arbeit und neuen Vorschlägen gegensteuern. Soweit die Theorie. Beruhigender sind vielleicht die Stimmen, die besagen, dass Kohle und Öl ohnehin keine profitablen Geschäftszweige mehr sind. Und dass Trump, selbst wenn er das will, die Kohleförderung in den USA genau deswegen nicht mehr zum Leben erwecken wird, weil sich für dieses Geschäft kein vernünftiger Investor mehr interessiert.
Artikel- und Filmtipps zu den Ereignissen im Januar:
- Die Washington Post begleitet in den kommenden Monaten Familien durch die Trump-Ära. Zum Beginn der Serie besuchts sie mit einer Familie aus Kentucky, die Trump gewählt hat, die Vereidigung des neuen Präsidenten. Die Eltern und ihre drei Söhne haben Trumps erste Rede ganz anders wahrgenommen als viele PolitbeobachterInnen.
- Das Resistance Manual - könnte man auch für Europa und die Schweiz gebrauchen.
- Der Kunstkritiker John Berger starb am 2. Januar im Alter von 90 Jahren. Mit seiner BBC-Serie Ways of Seeing hat er Hunderttausende gelehrt, Bilder kritisch zu betrachten. Die Episode über das Bild von Frauen in der Kunst lohnt sich auch fünfzig Jahre nach der Erstausstrahlung.
- #Fortschritt: Irland hat entschieden, dass sein Investitionsfonds zukünftig nicht mehr in Gas‑, Kohle- und Ölprojekte investieren darf.
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