Gemäss Artikel 8 des Bundesgesetztes über den Datenschutz kann jede Person „vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft darüber verlangen, ob Daten über sie bearbeitet werden“. Die datensammelnde Instanz muss gemäss Gesetz sodann Auskunft über die gesammelten Daten sowie deren Herkunft erteilen. So viel Transparenz: Das hinterlässt einen guten Eindruck. Also machte ich mich auf, mal beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) nachzufragen, ob dort auch über mich Daten gesammelt werden.
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) betreibt insgesamt zwölf verschiedene Informationssysteme, etwa das System IASA-GEX NDB, in dem Informationen über gewalttätigen Extremismus zur Wahrung wichtiger Landesinteressen gesammelt werden. Dazu gehört übrigens unter anderem der „Schutz des Werk‑, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz“. Der Schweizer Finanzplatz und ich – wir sind keine guten Freunde. Vielleicht reicht das ja für einen Platz auf der Hitliste des NDB? Schmeichelhaft wär’s. Also schrieb ich voller Vorfreude einen Brief (Vorlagen dafür finden sich auf der Website des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten):
Sehr geehrte Damen und Herren
Gestützt auf Art. 8 des Bundesgesetzes über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 bitte ich Sie, mir innerhalb von 30 Tagen schriftlich Auskunft darüber zu erteilen, ob der NDB Daten über mich bearbeitet.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüssen
Lukas Tobler
Die Antwort erfolgte innerhalb der vorgegebenen Frist: Meine Anfrage sei gültig, die „Voraussetzungen für die Auskunftserteilung erfüllt“. Die Datenschutzberaterin des NDB teilte mir erfreulicherweise mit, dass ich in insgesamt sechs verschiedenen Informationssystemen nicht verzeichnet sei. Dazu zählt etwa das System Quattro P, das der „Identifikation von besonderen Kategorien von Ausländern“ dient.
Die Auskunft darüber, ob ich in den übrigen sechs Informationssystemen – das sind die weitaus interessanteren Datenbanken – verzeichnet bin, sei hingegen „aufgeschoben“ worden, teilte mir der NDB mit. Wie das? Der NDB kann sich dabei auf das Bundesgesetz über den Nachrichtendienst stützen. Dort widmet sich Artikel 63 dem im Datenschutzgesetz festgehaltenen Auskunftsrecht. Will heissen, Artikel 63 hebt das Auskunftsrecht in Bezug auf den Nachrichtendienst weitestgehend auf. Der Witz: Die Auskunft darüber, ob Daten über mich erhoben werden, wird aufgeschoben, wenn eine von zwei Voraussetzungen erfüllt ist.
Entweder, wenn ein Interesse an der Geheimhaltung besteht, was wohl immer gegeben ist, wenn der NDB verdeckt Daten erhebt.
Oder wenn der NDB keine Daten über die gesuchstellende Person erhebt.
Immerhin: Falls tatsächlich keine Daten über mich erhoben werden, muss mir das irgendwann im Verlauf der nächsten drei Jahre mitgeteilt werden. Und falls Daten über mich erhoben werden, sollte ich, sobald kein „Geheimhaltungsinteresse“ mehr besteht, ebenfalls irgendwann darüber aufgeklärt werden. „Sofern dies nicht mit übermässigem Aufwand verbunden ist.“ Das ist im besten Fall tröstlich — aber mit der im Datenschutzgesetz versprochenen Transparenz hat es nicht mehr viel zu tun.
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