Was passiert, wenn man beim Nach­rich­ten­dienst nach­fragt, ob er Daten über die eigene Person sammelt?

In der Schweiz müssen Behörden auf Nach­frage Auskunft darüber erteilen, ob sie Daten über die gesuchs­stel­lende Person sammeln und bear­beiten. Also haben wir nach­ge­fragt: beim Nach­rich­ten­dienst des Bundes. 
Immerhin: Im System zur "Identifikation von besonderen Kategorien von Ausländern" bin ich nicht verzeichnet. (Foto: Claude Hurni)

Gemäss Artikel 8 des Bundes­ge­setztes über den Daten­schutz kann jede Person „vom Inhaber einer Daten­samm­lung Auskunft darüber verlangen, ob Daten über sie bear­beitet werden“. Die daten­sam­melnde Instanz muss gemäss Gesetz sodann Auskunft über die gesam­melten Daten sowie deren Herkunft erteilen. So viel Trans­pa­renz: Das hinter­lässt einen guten Eindruck. Also machte ich mich auf, mal beim Nach­rich­ten­dienst des Bundes (NDB) nach­zu­fragen, ob dort auch über mich Daten gesam­melt werden.

Der Nach­rich­ten­dienst des Bundes (NDB) betreibt insge­samt zwölf verschie­dene Infor­ma­ti­ons­sy­steme, etwa das System IASA-GEX NDB, in dem Infor­ma­tionen über gewalt­tä­tigen Extre­mismus zur Wahrung wich­tiger Landes­in­ter­essen gesam­melt werden. Dazu gehört übri­gens unter anderem der „Schutz des Werk‑, Wirt­schafts- und Finanz­platzes Schweiz“. Der Schweizer Finanz­platz und ich – wir sind keine guten Freunde. Viel­leicht reicht das ja für einen Platz auf der Hitliste des NDB? Schmei­chel­haft wär’s. Also schrieb ich voller Vorfreude einen Brief (Vorlagen dafür finden sich auf der Website des Eidge­nös­si­schen Datenschutzbeauftragten):

Sehr geehrte Damen und Herren

Gestützt auf Art. 8 des Bundes­ge­setzes über den Daten­schutz vom 19. Juni 1992 bitte ich Sie, mir inner­halb von 30 Tagen schrift­lich Auskunft darüber zu erteilen, ob der NDB Daten über mich bearbeitet.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freund­li­chen Grüssen
Lukas Tobler

Die Antwort erfolgte inner­halb der vorge­ge­benen Frist: Meine Anfrage sei gültig, die „Voraus­set­zungen für die Auskunfts­er­tei­lung erfüllt“. Die Daten­schutz­be­ra­terin des NDB teilte mir erfreu­li­cher­weise mit, dass ich in insge­samt sechs verschie­denen Infor­ma­ti­ons­sy­stemen nicht verzeichnet sei. Dazu zählt etwa das System Quattro P, das der „Iden­ti­fi­ka­tion von beson­deren Kate­go­rien von Auslän­dern“ dient.

Die Auskunft darüber, ob ich in den übrigen sechs Infor­ma­ti­ons­sy­stemen – das sind die weitaus inter­es­san­teren Daten­banken – verzeichnet bin, sei hingegen „aufge­schoben“ worden, teilte mir der NDB mit. Wie das? Der NDB kann sich dabei auf das Bundes­ge­setz über den Nach­rich­ten­dienst stützen. Dort widmet sich Artikel 63 dem im Daten­schutz­ge­setz fest­ge­hal­tenen Auskunfts­recht. Will heissen, Artikel 63 hebt das Auskunfts­recht in Bezug auf den Nach­rich­ten­dienst weitest­ge­hend auf. Der Witz: Die Auskunft darüber, ob Daten über mich erhoben werden, wird aufge­schoben, wenn eine von zwei Voraus­set­zungen erfüllt ist.

Entweder, wenn ein Inter­esse an der Geheim­hal­tung besteht, was wohl immer gegeben ist, wenn der NDB verdeckt Daten erhebt.

Oder wenn der NDB keine Daten über die gesuch­stel­lende Person erhebt.

Immerhin: Falls tatsäch­lich keine Daten über mich erhoben werden, muss mir das irgend­wann im Verlauf der näch­sten drei Jahre mitge­teilt werden. Und falls Daten über mich erhoben werden, sollte ich, sobald kein „Geheim­hal­tungs­in­ter­esse“ mehr besteht, eben­falls irgend­wann darüber aufge­klärt werden. „Sofern dies nicht mit über­mäs­sigem Aufwand verbunden ist.“ Das ist im besten Fall tröst­lich — aber mit der im Daten­schutz­ge­setz verspro­chenen Trans­pa­renz hat es nicht mehr viel zu tun.

 


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