Jeden Tag verschwenden Schweizer*innen im Schnitt 320 Gramm Lebensmittel. Das entspricht fast einer ganzen Mahlzeit. 63 % des in der Schweiz verfügbaren Frischgemüses wird nie konsumiert: Es geht entweder in der Produktionskette verloren oder wird von den Konsument*innen weggeworfen.
Tobias Vega hat im Dezember 2015 die Restessbar in Olten mitgegründet. Gemeinsam mit seinen Mitstreiter*innen hat er es sich zum Ziel gemacht, Lebensmittel vor der Tonne zu retten. Täglich sammelt das Team der Restessbar Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können, aus Läden und Restaurants der Umgebung – und bringt sie zur Restessbar im Vorgarten eines privaten Hauses. Bedienen darf sich, wer will, und die Lebensmittel sind kostenlos.
2017 meldet sich ein Gemüsegrossproduzent aus dem Mittelland bei Vega. Er hat vom Projekt gehört – und bietet Vega an, regelmässig B‑Ware kostenlos zur Verfügung zu stellen. B‑Ware ist Gemüse, das meist aus ästhetischen Gründen von Grosshändlern wie Coop und Migros abgelehnt wird.
Bei der angebotenen B‑Ware handelt es sich um grosse Mengen. Zu viel für die kleine Restessbar. Vega beschliesst deshalb, zusätzlich zur Restessbar ein neues Projekt auf die Beine zu stellen. In der Region Olten gibt es nun die Möglichkeit, ein B‑Waren-Gemüseabo zu bestellen. Das Konzept ist simpel. Jeden Donnerstagabend wird den Abonnent*innen ein Korb mit Gemüse nach Hause geliefert: beste Qualität, saisonal, bunt durchmischt – und von einem Betrieb, der zur Zeit auf Bio umgestellt wird. Einzig Form oder Grösse des Gemüses entsprechen manchmal nicht den gängigen Vorstellungen.
Immer wieder melden sich bei Vega auch andere Produzenten, die einen Teil ihrer Ernte nicht an ihre Grossabnehmer verkaufen können. Dann koordiniert Vega Rettungsaktionen, indem er einen Teil der Ernte kauft und seinem Kundenstamm zu einem günstigen Preis anbietet. So konnten letzten Sommer Tonnen von Tomaten, Kartoffeln und Karotten gerettet werden.
Das B‑Waren-Abo ist kostenpflichtig. Einerseits, weil die Abholung des Gemüses beim Produzenten sowie die Lieferung durch den Velolieferdienst „Collectors“, der Stellensuchende und Langzeitarbeitslose beschäftigt, Kosten verursacht. Andererseits ist es Vega wichtig, dass die Konsument*innen die Lebensmittel wertschätzen – auch wenn der Grosshandel sie ablehnt.
Die B‑Waren-Abos gibt es lokal organisiert in Olten, Solothurn, Fulenbach und Eptingen. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Gemüse nicht weiter als in einem Umkreis von 25 Kilometern zu retten“, sagt Vega. Ziel sei es vielmehr, ein Netzwerk von Produzenten, Abobetreiber*innen und Sammelpunkten entstehen zu lassen. Interessierte können sich direkt bei der Organisation melden.
Allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda hat sich das Projekt „B‑Waren“ über die letzten zwei Jahre etabliert. Inzwischen gibt es zusätzlich zu den Abos jeden Donnerstagabend einen Direktverkauf der B‑Waren aus einer Garage, der „Foodsave-Garage“.
Der Lamm-Fotograf Claude Hurni hat die Foodsave-Garage und Tobias Vega besucht.
[info-box post_id=„12570“]
Ähnliche Projekte in Zürich:
Grassrooted
Ortoloco
Journalismus kostet
Die Produktion dieses Artikels nahm 20 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1300 einnehmen.
Als Leser*in von das Lamm konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produktion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rechnung sieht so aus:
Wir haben einen Lohndeckel bei CHF 22. Die gewerkschaftliche Empfehlung wäre CHF 35 pro Stunde.
CHF 700 → 35 CHF/h für Lohn der Schreibenden, Redigat, Korrektorat (Produktion)
CHF 340 → 17 CHF/h für Fixkosten (Raum- & Servermiete, Programme usw.)
CHF 260 pro Artikel → Backoffice, Kommunikation, IT, Bildredaktion, Marketing usw.
Weitere Informationen zu unseren Finanzen findest du hier.
Solidarisches Abo
Nur durch Abos erhalten wir finanzielle Sicherheit. Mit deinem Soli-Abo ab 60 CHF im Jahr oder 5 CHF im Monat unterstützt du uns nachhaltig und machst Journalismus demokratisch zugänglich. Wer kann, darf auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.
Ihr unterstützt mit eurem Abo das, was ihr ohnehin von uns erhaltet: sorgfältig recherchierte Informationen, kritisch aufbereitet. So haltet ihr unser Magazin am Leben und stellt sicher, dass alle Menschen – unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen – Zugang zu fundiertem Journalismus abseits von schnellen News und Clickbait erhalten.
In der kriselnden Medienwelt ist es ohnehin fast unmöglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Da das Lamm unkommerziell ausgerichtet ist, keine Werbung schaltet und für alle frei zugänglich bleiben will, sind wir um so mehr auf eure solidarischen Abos angewiesen. Unser Lohn ist unmittelbar an eure Abos und Spenden geknüpft. Je weniger Abos, desto weniger Lohn haben wir – und somit weniger Ressourcen für das, was wir tun: Kritischen Journalismus für alle.
Einzelspende
Ihr wollt uns lieber einmalig unterstützen?