Meistens läuft es gleich ab: Nach viel Überlegung und mit grosser Überwindung erzählt eine Person öffentlich, was ihr angetan wurde. Sexismus, Stalking, kleine oder grosse Grenzüberschreitungen, häusliche oder sexualisierte Gewalt. Sie erzählt von ihrem Trauma, um die Aufmerksamkeit auf ein gesamtgesellschaftliches Problem zu lenken und solche Stimmen zu übertönen, die schamfrei „Jede grosse Liebe beginnt mit einem Nein der Frau“ als Wahrheit propagieren.
Die Reaktionen sind divers: Einige bemitleiden die Person, einige sind extrem schockiert, einige glauben ihr nicht, einige üben klassisches victim blaming aus und einige beschimpfen sie sogar. Vielleicht wird die Geschichte in einem Onlinemedium aufgenommen, spätestens seit #MeToo ist das Thema ja latent aktuell. Und dann ist der Wirbel zu Ende.
Der Opferfokus scheint immer in dieselbe Spirale zu führen, und während #MeToo sehr wohl ein gesamtgesellschaftliches Problem in die Öffentlichkeit getragen hat, scheint sich nichts zu verändern. Wie verhindern wir als Gesellschaft, dass solche Übergriffe überhaupt passieren?
Um ausnahmsweise nicht auf die Opfer zu fokussieren, hat das Lamm einen Aufruf gestartet und nach Männern gesucht, die Reflexionen zu ihrem Verhalten teilen wollten. Fünf Männer, eine Expertin für sexualisierte Gewalt und ein Mitarbeiter des Männerbüros Zürich kommen in diesem Text zu Wort – in einem Versuch, diese Frage zu beantworten.
Als Frau allein wandern
Ein Beispiel des Medienwirbels handelt von Nadine Brügger: Die Journalistin publizierte Anfang Jahr einen Text, in dem sie von ihrer Solo-Wanderung erzählte. Eine Wanderung, auf der sie sehr viel unerwünschte Aufmerksamkeit von einem fremden Mann erhielt. Er war mit dem Auto unterwegs, sie zu Fuss. Er verwickelte sie in ein Gespräch, bot ihr an, sie mitzunehmen. Sie verneinte freundlich, mehrmals. Ihre Gedanken beschreibt sie im Text so: „Ich bin mir der Einsamkeit hier oben unendlich bewusst. Niemand sieht uns. Niemand hört uns. Denn niemand ist da. Nur ich. Und er. Ich spüre, wie die Angst kommt.“
Auch als Brügger sein Mitfahr-Angebot abgelehnt und das Gespräch beendet hatte, blieb er immer in ihrer Nähe, tauchte nach jeder Kurve wieder auf. Er machte ihr Angst, und so wie Brügger es beschreibt, muss er das gewusst haben.
Die Geschichte endete „gut“, Brügger erreichte mit einer Beule am Knie und klopfendem Herzen das Postauto, das den Anfang ihrer Heimreise darstellte. Wohlauf zu Hause fragte sie sich, wie viel Glück sie wohl gehabt habe. Noch einmal allein wandern gehen möchte sie auf die Schnelle nicht, schreibt sie auf Twitter.
Ihr Tweet wurde über 700-mal geteilt und erhielt rund 200 Kommentare. Als weiblich gelesene Personen drückten in den Kommentaren vor allem Mitgefühl aus. Die Kommentare von männlich gelesenen Personen hingegen reichten von ungläubig („Ist das wirklich passiert?“) über belehrend („Ich hätte die Polizei informiert“) bis zu victim blaming („Besser zu zweit wandern“). Einige wenige drückten ihr ehrliches Mitleid aus.
20 Minuten nahm die Geschichte auf, sprach mit Brügger und liess von Anna-Béatrice Schmaltz, Expertin für Gewaltprävention, die Gewichtigkeit des Problems bestätigen. Zum Schluss fordert die Expertin: „Es braucht mehr Aufklärung, Sensibilisierung und Gleichstellung in der Bevölkerung: Ein Nein muss man akzeptieren, auch wenn ein Angebot gut gemeint ist.“
Alle kennen Betroffene – ja, viele sogar – und sind es vielleicht sogar selbst. Aber niemand scheint Täter*innen zu kennen. Besser gesagt, Täter. Zur Übersicht: 2016 bis 2020 waren 94 Prozent der Beschuldigten von Gewalttaten (Tötungsdelikte, schwere Körperverletzungen und Vergewaltigungen) Männer. Bei den Sexualstraftaten* machen Männer sogar 98 Prozent der Beschuldigten aus.
Gemäss einer Studie der gfs.bern aus dem Jahr 2019 sind 59 Prozent der Schweizer Frauen ab 16 Jahren schon sexuell belästigt worden. Auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet betrifft das über zwei Millionen Frauen. Nicht in jedem Fall sind diese Belästigungen strafrechtlich relevant, und auch von den Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, erstatteten gemäss der Studie nur acht Prozent Anzeige.
Nichtsdestotrotz müsste es die Schweiz analog zu den zwei Millionen Opfern mit rund zwei Millionen Tätern zu tun haben. Doch darüber spricht niemand.
In der Schweizer Statistik werden Personen in Frauen und Männer aufgeteilt – non-binäre, inter und agender Personen werden also nicht als solche aufgeführt, sondern fälschlicherweise in die binäre Struktur eingeteilt. Trans Frauen und Männer fallen in die richtige Kategorie, sofern sie ihren Geschlechtseintrag angepasst haben. Was nicht vergessen werden darf: Gerade Gewalt gegen trans Frauen beruht neben Misogynie auf einer weiteren Ebene der Transfeindlichkeit. Um Verwirrungen zu vermeiden und die Statistiken korrekt zu zitieren, schreiben wir in diesem Text über „Frauen“ und „Männer“.
Abwehrend und tatenlos
„Es muss endlich allen klar werden, dass diese Übergriffe kein Frauenthema sind“, sagt Agota Lavoyer, Expertin für sexualisierte Gewalt. Lavoyer äussert sich häufig über soziale Medien zu Themen rund um sexualisierte Gewalt, mit Erklärungen, Argumenten und klaren Plädoyers.
Gemäss Lavoyer wird sich nichts ändern, solange nur Frauen über sexualisierte Gewalt schreiben, sprechen und referieren und solange nur Frauen sich angesprochen fühlen. Lavoyer plädiert dafür, nicht mehr auf (die oft weiblichen) Opfer und ihr Verhalten zu fokussieren, sondern auf Männer, „die zur Gruppe der Privilegierten und gleichzeitig Gewaltausübenden gehören“.
Denn: „Wir leben in einer rape culture: einer Gesellschaft, in der sexualisierte Gewalt verharmlost und kaum geahndet wird“, so Lavoyer. Eine Gesellschaft, die tendenziell Täter entlaste und Opfer abwerte. Würden nicht so viele Männer tatenlos zusehen, wäre das aktuelle Ausmass der sexualisierten Gewalt gemäss Lavoyer gar nicht möglich.
Das zeichnet sich auch bei Nadine Brüggers Erfahrungsbericht ab: Öffentlich geteilt haben den Text mehrheitlich weiblich gelesene Personen, bei vielen ergänzt mit einer eigenen Erfahrung. Männer hingegen, so scheint es zumindest, hielten sich eher zurück.
Das erstaunt Lavoyer nicht: Sie höre immer wieder, dass Männer ihr fehlendes Engagement gegen sexualisierte Gewalt und Übergriffe damit erklären würden, dass sie kaum Berührungspunkte mit dem Thema hätten.
Männer als Teil der gewaltausübenden Gruppe müssten das Thema zu sich nehmen und ihre Kollegen zur Verantwortung ziehen. „Nicht zuletzt wissen wir ja auch, dass Männer eher auf andere Männer hören“, sagt Lavoyer und seufzt. In der Geschlechterforschung spricht man von homosozialen Männergemeinschaften: Orte, an denen sich Männer untereinander in ihrer Weltvorstellung bestätigen. Wer Frauen nicht respektiert, wird ihnen auch nicht zuhören – anderen Männern hingegen schon.
Die schwierigste Gruppe zum Knacken sei die breite Masse an Männern, die von sich sagen, sie würden sich nie übergriffig verhalten. Das sei eine Abwehrhaltung, erklärt Lavoyer. Und genau an diese Menschen müsse man rankommen: „Damit sie endlich zugeben, dass sie sich auch nicht immer korrekt verhalten haben.“ Dann könne die richtige Arbeit beginnen.
Nadine Brügger hat viele Reaktionen auf ihren Text bekommen. „Einige Männer haben mir gesagt, dass sie nicht wissen, wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen: Frau ignorieren, Strassenseite wechseln, schneller laufen?“, erzählt sie am Telefon. „Ihnen ist bewusst, welche Wirkung sie haben können, und sie möchten gerne verhindern, dass jemand Angst bekommt“, so Brügger. Sie habe einige spannende Gespräche mit Männern geführt, jedoch immer im Vertrauen.
Die öffentliche männliche Auseinandersetzung mit dem Thema Übergriffe und sexualisierte Gewalt fehlt. Deshalb hat das Lamm einen Aufruf gestartet und nach Männern gesucht, die ihre Gedanken zu Brüggers Text teilen wollten – anonym.
Hilflose Wut
Es meldeten sich insgesamt 29 Männer. Ein grosser Teil meldete sich nach der Kontaktaufnahme nicht mehr, einige Männer teilten schriftlich ihre Gedanken zum Text. Sechs Männer beantworteten ein paar Nachfragen und fünf weitere willigten zu einem Telefongespräch ein.
Auf die Frage, welche Gefühle Brüggers Text bei ihnen auslöste, reichten die Antworten von Betroffenheit über Enttäuschung bis Unwohlsein. Am allermeisten genannt wurde jedoch Wut. Wut, die sich aus einem Gefühl der Ohnmacht entwickelt – oder aus der Angst, in denselben Topf geworfen zu werden.
„Ich fühle mich so hilflos, wenn meine Freundinnen mir von ihren Erlebnissen erzählen“, erklärt Alex, „als könnte ich kaum etwas tun, um sie zu unterstützen“. Der 27-Jährige wird wütend, wenn er an alle Frauen denkt, die solche negativen Erfahrungen haben machen müssen.
Auch bei Daniel löste der Text von Nadine Brügger Wut aus. „Solche Männer machen viel mehr kaputt als nur das Sicherheitsgefühl dieser einen Frau“, sagt er am Telefon. Das übergriffige Verhalten solcher Männer führe unter anderem dazu, dass alle Männer in den gleichen Topf geworfen und unter Generalverdacht stehen würden, so der 23-Jährige. Übergriffige Männer machen ihn wütend, da er sich selbst vorverurteilt fühlt.
Elia hat der Text betroffen gemacht, weil er Brüggers Angst in der Situation nachvollziehen konnte. „Gleichzeitig dachte ich: Männer sind doch nicht per se gefährlich.“ Ihn habe gestört, dass Brügger dem Mann eine böswillige Intention zugeschrieben habe. Der Mann habe sich grenzüberschreitend verhalten, ja, aber vielleicht aus Unwissen, meint Elia. Zu einem gewissen Grad kann sich der 31-Jährige mit dem Mann identifizieren: „Ich hätte sie wahrscheinlich auch mit dem Auto mitnehmen wollen und nach dem Nein gefragt, ob sie wirklich sicher sei.“
Elia ist klar, dass es wahrscheinlich auch in seinem Kollegenkreis grenzüberschreitendes Verhalten gibt: „Als Mann muss man ehrlich sein und zugeben, dass man schon mal Grenzen übertreten hat.“ Man müsse sich nur die Zahlen anschauen: Jede zweite Frau in der Schweiz ist schon sexuell belästigt worden.
Zu den „Guten“ gehören wollen
Alex hingegen ist sich sicher, dass er noch nie eine Grenze überschritten hat: „Es gab vielleicht Situationen, in denen ich unreif agiert habe, aber ich hatte schon immer genug Respekt vor Frauen und genug Menschenverstand, um nicht gegen den Willen einer anderen Person zu handeln.“
Etwas weniger abwehrend antwortet Ben. Er erzählt am Telefon von seinen Teenagerjahren: Im Ausgang habe er jeweils den „zufälligen“ Körperkontakt gesucht. Dass das grenzüberschreitend war, sei ihm ein paar Jahre später bewusst geworden. Mit Feminismus beschäftigt sich der 28-Jährige erst seit Kurzem und wie bei vielen anderen auch war bei ihm die persönliche Betroffenheit der Auslöser. Es geschah ein Übergriff an einer Veranstaltung, die er mitorganisierte.
„Wenn man sich selbst nicht direkt übergriffig verhält und bei einem Fall im Umfeld der Betroffenen glaubt und den Übergriff verurteilt, gehört man schon zu den ‚Guten‘ “, erklärt Ben. Dies spiegle man sich gegenseitig und ist somit fein raus.
Nach dem Telefonat fügt Ben in einer Nachricht an: „Ich lerne jeden Tag dazu, wie fest diese Idee der ‚Guten‘ verankert ist. Es ist richtig schwer, meine eigenen Fehler einzugestehen. War ich schon mal grenzüberschreitend? Ja. Ich habe Frauen berührt ohne Zustimmung. Ich habe mit 18 versucht, meine damalige Freundin zu Penetrationssex zu überreden.“ Es gebe viele Momente in seinem Leben, die übergriffig oder grenzüberschreitend waren, schreibt Ben weiter. Das niederzuschreiben löse schon Schweissausbrüche aus – er habe ein tiefes Bedürfnis, als „gut“ wahrgenommen zu werden.
Was Ben zum Ausdruck bringt, ist etwas, das viele dieser Männer beschäftigt und Teil des Kernproblems ist: die Vorstellung, dass es die „Guten“ gibt, die nie einer anderen Person etwas zu Leide tun würden und die „Bösen“, die absichtlich Frauen erniedrigen, indem sie ihre Grenzen überschreiten und ihnen Gewalt antun.
Ein Blick auf die Statistik reicht, um zu verstehen, dass es eben nicht so schwarz-und-weiss ist. Die Rechnung geht nicht auf: Niemand scheint einen Täter zu kennen (oder gar zu sein), dennoch geschehen so viele Übergriffe. Die Schlussfolgerung ist, dass es eben doch viel mehr Täter gibt als angenommen.
Agota Lavoyer bringt es auf den Punkt: „Es haut mich nicht aus den Socken, wenn mir ein Mann sagt, er habe schon mal eine Grenze überschritten. Eigentlich weiss ich das.“ Trotzdem sei genau diese Reflexion und Offenheit wichtig, um weiterzukommen.
Ben und Elia waren die Einzigen, die zugeben konnten, dass sie schonmal eine Grenze überschritten haben. Alle anderen relativierten oder blockten gar ab – und fokussierten dabei mehr auf sich selbst und darauf, wie sie von anderen wahrgenommen werden, als auf das Problem und ihre Handlungsmöglichkeiten.
Gespräche unter sich
Um solche Grenzüberschreitungen zu verhindern, plädieren die fünf Männer für mehr Verurteilungen, mehr Aufklärung in der Schule und allgemein mehr Dialog. Den letzten Punkt haben denn auch alle genannt, als sie gefragt wurden, was sie selbst beitragen könnten.
Die entscheidende Frage ist: Reden sie tatsächlich mit ihren Kollegen über das Thema? Haben sie Nadine Brüggers Text als Anlass genommen, ein ehrliches Gespräch über das eigene Verhalten zu beginnen?
Die geführten Gespräche liefern eine klare Antwort: Nein.
Alex, Ben und Daniel haben nur mit Freundinnen über den Text gesprochen. Mit den Kollegen sei so ein Gespräch „nicht so etabliert“, sagt Alex, es sei halt „eher in Gesprächen mit Frauen“ ein Thema, so Daniel. Ein Gespräch hier und da würden sie mit ihren Freunden schon führen, aber da bleibe es generell unpersönlich. Ben gibt zu, dass es einfacher ist, selbst mit einem problematischen Verhalten aufzuhören, als es den Kollegen zu erklären.
Alex führt aus: „In meinem Umfeld gehe ich davon aus, dass sich alle darin einig sind, dass wir Frauen keine Angst machen und ihre Grenzen respektieren sollten.“ Zugegeben, dass sie selbst schon eine Grenze überschritten hätten, habe in seinem Kollegenkreis niemand. Das würde beinhalten, dass man sich selbst beschuldige, erklärt Alex. Bei Ben ist es ähnlich: Gespräche zum persönlichen Verhalten blieben aus.
Mit Kollegen darüber zu reden, die gleicher Meinung sind, sei einfach, meint Chris. Er habe aber auch Kollegen, von denen er wisse, dass sie Frauen nicht respektieren würden. „Weil ich ihre Sympathie behalten will, fällt es mir schwer, ihr Verhalten zu kommentieren“, so der 19-Jährige weiter und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
Tausend Entschuldigungsgründe
„Dass Männer diesen Konversationen ausweichen, ist ein Zeichen dafür, wie real die Männlichkeitsanforderungen in unserer Gesellschaft immer noch sind“, erklärt Timo Jost. Er arbeitet im mannebüro züri und ist Vorstandsmitglied des Vereins „Die Feministen“.
Da stecke eine Angst dahinter, so Jost weiter. „Angst, als schwach oder unmännlich angeschaut zu werden.“ Denn in der Schweiz sei die Anforderung, dass Männer den ersten Schritt machen, immer noch omnipräsent.
„Das ist total herausfordernd und viele machen dann einfach mal, ohne je über Konsens nachgedacht zu haben“, so Jost. „Das ist oft sehr problematisch.“ Diese Männer wüssten es aber nicht besser. Es gebe solche, die es gut meinen und schlecht machen, und solche, die dieses Machtgefühl eben doch geniessen würden.
Gemäss Jost gibt es tausend Entschuldigungsgründe, sich als Mann nicht mit dem Thema Männlichkeit und dessen Auswirkungen zu befassen. Und wenn man sich doch dazu entschliesse, gebe es zwei Wege: „Du kannst dich mit deiner Männlichkeit auseinandersetzen und Feminist werden. Oder – und das finde ich so krass – wenn dir das zu schmerzhaft ist, kannst du abweichen und in die Männerrechtsbewegung gehen.“
Zwischen Feministen und Männerrechtlern gebe es zudem ein grosses Feld von Männern, die Feminismus eigentlich gut fänden, aber das Gefühl hätten, es gehe sie nichts an.
Was braucht es, damit diese Männer sich angesprochen fühlen, ihr Verhalten reflektieren und ändern? „Sie müssen verstehen, was das Problem ist und wieso es Sinn macht, dass sie sich damit beschäftigen“, so Jost. Zudem müsse das Problem irgendwie lösbar sein: Sie müssten wissen, was sie konkret dagegen tun können. Jost spricht dabei ein Modell an, das in der Männlichkeitsarbeit verwendet wird. „Beim Thema Männlichkeit sehe ich leider an allen drei Ecken Fluchtwege“, fügt Jost an.
Wie überhaupt ein Mann heute noch sagen könne, sexualisierte Gewalt als solches betreffe ihn nicht, versteht Agota Lavoyer derweil nicht. „Männer, die von sich selbst sagen, sie hätten noch nie eine Grenze überschritten, wissen genau, dass ihre Kollegen das schon getan haben. Wie kann man sich da trotzdem zurücklehnen?“, fragt Lavoyer rhetorisch.
Männer müssen das Thema zu sich nehmen, das sagt Lavoyer schon seit Jahren. Dass eine persönliche Betroffenheit zentral sei, um sich zu engagieren – dem sei nicht so. „Ich engagiere mich dafür, weil ich eine gesellschaftliche Änderung vorantreiben möchte und es ein verdammt grosses Problem ist“, so Lavoyer.
Erst wenn Männer das begreifen und sich überwinden würden, unangenehme Gespräche mit ihren Kollegen zu führen, werde sich die Gesellschaft verändern.
* Artikel zu Pornografie und Prostitution ausgenommen
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