Euro­pean Gold Forum in Zürich: Es ist nicht alles fair, was glänzt

 76 vornehm­lich US-ameri­ka­ni­sche und kana­di­sche Gold­kon­zerne treffen sich in einem Zürcher Luxus­hotel zum wirt­schaft­li­chen Stell­dichein. Journalist*innen sind nicht will­kommen, und auch bei der Stadt weiss man nichts vom Event, der bereits seit 2012 jähr­lich hier statt­findet. Auf dem Programm: kaufen, verkaufen, werben und bewerben — in busi­ness casual. Über Ökologie, Menschen­rechte und moderne Skla­verei wird nicht disku­tiert. Dabei wäre das im Gold­sektor drin­gend nötig. 
Newmont-Vizepräsident Brian Hill im Gespräch mit einer Minenwache in Ghana. Der Anzug wirkt deplatziert. (Foto: Crossroad Production Photos via Flickr)

Poly­metal Inter­na­tional, T‑Mac Resources, Orosur Mining: Nein, bei diesen Firmen handelt es sich nicht um multi­na­tio­nale Verbre­cher­banden in einem James-Bond-Film. Es sind drei von über 70 Rohstoff­firmen, die vom 9. bis 11. April 2019 am Euro­pean Gold Forum im Hotel Hyatt in Zürich teil­nehmen. Die 76 Unter­nehmen und Unter­neh­mens­gruppen – keine einzige mit Sitz in der Schweiz – weisen einen kumu­lierten Jahres­um­satz im zwei­stel­ligen Milli­ar­den­be­reich auf.

Das von der ameri­ka­ni­schen Denver Gold Group orga­ni­sierte Forum ist ein Networ­kin­ge­vent. Ein Unter­nehmen stellt ein neues Projekt vor, für welches es auf Inve­sti­tionen ange­wiesen ist, preist die Vorteile des Projekts mit farbigen Power­point-Präsen­ta­tionen an und schwärmt von mögli­chen Erträgen. Inter­es­sierte Investor*innen können nun anbeissen. Eine Art Tinder für Edel­me­talle also. Über ökolo­gi­sche und soziale Aspekte wird hingegen nicht gespro­chen. Das zeigt das Programm für das Forum. 

Ein Hauch von James Bond umgibt den Anlass dennoch: Weder das Sicher­heitsamt der Stadt Zürich, der Kreis­kom­man­dant vom Stadt­kreis 2 noch die Kommu­ni­ka­ti­ons­stelle der Schweizer Natio­nal­bank oder die grossen NGOs in der Rohstoff­branche sind über das Treffen der grossen Gold­firmen infor­miert. Und das, obwohl das Euro­pean Gold Forum bereits zum achten Mal in Zürich statt­findet. Wie das?

Nur gela­dene Gäste und wer bezahlen kann

Die einzigen der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Kontakt­daten für Rück­fragen bezüg­lich der Veran­stal­tung sind eine ameri­ka­ni­sche Tele­fon­nummer und eine E‑Mail Adresse, wobei weder Anruf­zeiten angeben sind, noch eine Ansprech­person aufge­li­stet ist. Anrufe bei der Denver Gold Group, zu der die Nummer gehört, blieben unbeantwortet. 

Eine Pres­se­ak­kre­di­tie­rung für den Anlass ist nicht möglich. Zutritt erhalten nur die entspre­chenden Konzerne, grosse Investor*innen wie Black­rock, Banker*innen, wirt­schaft­liche Bera­tungs­firmen wie etwa McKinsey, private Investor*innen oder inter­es­sierte Kleininvestor*innen mit dem nötigen Klein­geld (der günstigste Tages­pass kostet rund 200 Franken). Und „selected members of the finan­cial media.“ Da das Lamm zu keiner der oben genannten Gruppen gehört, bleibt nur eine Online­re­cherche. Diese ist dafür umso ergie­biger, insbe­son­dere hinsicht­lich der Finanzpresse.

Das Ergebnis dieser Zugangs­be­schrän­kung sind Schlag­zeilen wie „Gold: Jetzt wird es span­nend!” oder „Golden Star: Dies ist jetzt beson­ders wichtig!” Was sich wie Boule­vard­jour­na­lismus für Anzugträger*innen liest, ist die logi­sche Konse­quenz aus zwei Phäno­menen in der Finanz­presse: der strikten Tren­nung von Politik und Wirt­schaft und dem Fokus auf Zugangs­jour­na­lismus, also Bericht­erstat­tung auf Einladung.

Beides spie­gelt sich in den Zutritts­be­din­gungen für das Gold­forum in Zürich: Hier sind Investor*innen und Rohstoff­un­ter­nehmen unter sich – ohne lästige Politiker*innen, die Neben­säch­lich­keiten wie Menschen­rechte oder Umwelt­stan­dards anspre­chen. Zwar werden die Vorträge per Webcast über­tragen, doch die infor­mellen Gespräche zwischen Produzent*innen und Investor*innen finden fernab jegli­cher Öffent­lich­keit statt. Denn die Gold­branche ist eine geschlos­sene Gemein­schaft. Darüber berichten dürfen nur einige wenige Finanzjournalist*innen, die ihren Zugang zum Event nicht mit Skepsis gefährden wollen. 

Auf das zweit­grösste Treffen der umstrit­tenen Gold­branche wird höch­stens ein nüch­terner Bericht über Gold­preise und Markt­aus­sichten folgen. Keine jour­na­li­sti­schen Artikel, sondern Invest­ment­rat­geber. Wenn über­haupt. Denn eine kurze Recherche zeigt, dass Schweizer Medien bis anhin nur selten über den Event berichtet haben. Scheinbar findet das Treffen nicht nur im blinden Fleck der Behörden, sondern auch des Jour­na­lismus statt. 

Dabei ist Gold einer der umwelt­schäd­lich­sten Rohstoffe über­haupt. Die Produk­tion von hübschen Verlo­bungs­ringen und massiven Gold­barren fügt Mensch und Natur massiven Schaden zu. Viele Firmen, die am Gold­forum teil­nehmen, haben sich beim Gold­schürfen die Hände schmutzig gemacht. Ihr Funda­ment steht auf Blut. 

13 Milli­arden USD Jahresumsatz

Von den zehn grössten und umsatz­stärk­sten Unter­nehmen der Gold­branche nimmt unter anderem die Welt­nummer zwei, Newmont Mining, am Forum teil. Auch Kinross Gold, die Welt­nummer vier, wird anwe­send sein, genauso wie Agnico Eagle, die Nummer zehn der Weltrangliste.

Newmont-Vize­prä­si­dent Brian Hill im Gespräch mit einer Minen­wache in Ghana. Der Anzug wirkt deplat­ziert. (Foto: Cross­road Produc­tion Photos via Flickr)

Die Jahres­um­sätze dieser drei Unter­nehmen betrugen 2018 summiert über 13 Milli­arden US-Dollar. Wobei Newmont mit rund 7.5 Milli­arden US-Dollar deut­lich obenaus schwingt. So viel Geld birgt auch viel Verant­wor­tung. Verant­wor­tung, der Newmont scheinbar nicht gerecht wird.

In den USA läuft momentan ein Rechts­streit gegen das Unter­nehmen: wegen Bestechung. Ein weiterer Prozess gegen den Gold­riesen ist bereits abge­schlossen. In einem aufse­hen­er­re­genden Präze­denz­fall warf eine perua­ni­sche Farmerin dem Konzern vor, sich ihr Land wider­recht­lich ange­eignet und für den Bau einer Mine rekla­miert zu haben. Gegen den Bau der Mine wurde im ganzen Land­strich teil­weise gewalt­voll prote­stiert. Die Menschen in der Region, darunter viele indi­gene Peruaner*innen, die von der Land­wirt­schaft leben, fürch­teten, dass die Mine die Land­schaft unwi­der­ruf­lich zerstören und ihre Lebens­grund­lagen erodieren würde. 

Gold wird nämlich meistens nicht idyl­lisch aus dem Bach gesiebt, sondern mittels Zyanid­lauge oder Queck­silber aus dem Gestein gelöst. Zwei Chemi­ka­lien, die schwer umwelt­schäd­lich sind. Nachdem bereits die erste Instanz der Bäuerin recht gegeben hatte, zog Newmont den Prozess an die nächst­hö­here Gerichts­stelle weiter. Diese bestä­tigte jedoch den erst­in­stanz­li­chen Entscheid zugun­sten der Bäuerin. 

Mit Sibanye-Still­water wird auch der dritt­grösste Palla­dium- und Platin­pro­du­zent der Welt und der grösste Gold­pro­du­zent Südafrikas am Gold­forum anwe­send sein. In den Minen des Konzerns in Südafrika kamen alleine 2018 20 Personen ums Leben. Die Umstände sind zum Teil bis heute nicht eindeutig geklärt. Im Fall von fünf toten Minen­ar­bei­tern wird Kreis­lauf­kol­laps in einer über­hitzten und schlecht belüf­teten Mine als Todes­ur­sache vermutet. 

Berichten zufolge betrug die Tempe­ratur in diesem Schacht über 50 Grad Celsius. Still­water-CEO James Well­sted reagierte auf die Nach­richten über die Todes­fälle mit einer Schuld­zu­wei­sung an die Kumpel selbst. Diese würden unnö­tige Risiken eingehen und die Sicher­heits­mass­nahmen nicht beachten. 

Mitglieder der Miner-Gewerk­schaft AMCU prote­stieren vor der von Sibanye-Still­water in Südafrika betrie­benen Phansi-Gold­mine gegen Skla­ven­löhne und für eine lücken­lose Aufklä­rung der Todes­fälle, welche sich 2018 in der Mine häuften. (Foto: AMCU via Twitter)

Die Todes­fälle in Südafrika sind leider keine Ausnahmen: Am 1. März dieses Jahres kamen bei einer unter­ir­di­schen Explo­sion in einer Gold­mine des kana­di­schen Konzerns Leagold in Brasi­lien zwei Minen­ar­beiter ums Leben – drei weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Der Konzern Leagold, der kommende Woche eben­falls im Hyatt zu Gast sein wird, gab an, Unter­su­chungen seien einge­leitet worden. Voraus­ge­hende Zwischen­fälle lassen darauf schliessen, dass fehler­hafte und veral­tete Infra­struktur für den Tod der Männer verant­wort­lich ist

Keine glän­zende Leistung für Mensch und Umwelt

Der aller­grösste Teil der teil­neh­menden Firmen hat ihren Haupt­sitz in Kanada; der Rest verteilt sich auf die Verei­nigten Staaten von Amerika, Austra­lien, Südafrika und die Tief­steu­er­in­seln Caiman und Virgin Islands. Die grossen Firmen betreiben Minen in Afrika, China, Nord­ame­rika und Russ­land. Geschürft wird im globalen Süden oder in wirt­schaft­lich schwa­chen Regionen von Russ­land und Kasach­stan. Versteuert werden die Gewinne – wenn über­haupt – im Westen oder auf den Cayman Islands. Täglich grüsst der Rohstoff-Fluch. 

Aus Konti­nen­tal­eu­ropa oder der Schweiz wird hingegen keine Firma teil­nehmen. Das mag über­ra­schen. Nicht nur, weil das Forum in der Schweiz statt­findet, sondern weil die Schweiz die welt­weit grösste Dreh­scheibe für veredeltes Gold ist. Mehr als die Hälfte des welt­weit ange­bo­tenen Goldes wurde in der Schweiz veredelt. Vier der welt­weit grössten Gold­raf­fi­ne­rien haben ihren Haupt­sitz in der Schweiz, so etwa Metalor in Neuenburg. 

Gold­prä­gung made in Switz­er­land: Laut Aussen­han­dels­sta­ti­stik macht die Kapa­zität von Schweizer Raffi­ne­rien etwa 40% der welt­weiten Kapa­zität aus. (Foto: umweltnetz-schweiz.ch)

Die Schweiz handelt also viel mit Gold. Und wie die oben genannten Beispiele zeigen, arbeiten die Betreiber der Gold­minen längst nicht immer im Rahmen, den Menschen­rechte und Umwelt­stan­dards vorgeben. Machen sich also auch Schweizer Firmen die Gold­finger schmutzig?

Auf diese Frage gab der Bundesrat letzten November in seinem Bericht Gold­handel und Verlet­zung der Menschen­rechte” eine Antwort. Und die mögli­chen Probleme, die in diesem Bericht aufge­zählt werden, sind typisch für die Rohstoff­in­du­strie: schlechte Behand­lung von Arbeitnehmer*innen, Vertrei­bung von indi­genen Völkern und Verlet­zung von Umwelt­stan­dards. Die Rechts­lage der Schweiz sei zwar eine der streng­sten der Welt, aber: „Die Frage, ob Gold, das aus einer infor­mellen Produk­tion stammt, bei welcher der Verdacht der Nicht­ein­hal­tung der inter­na­tio­nalen Sozial- und Umwelt­stan­dards besteht, und das von Schweizer Firmen erworben wurde, als unrecht­mäs­siges Gut gelten kann, bleibt offen.” Der bestehende Rechts­rahmen stelle ledig­lich sicher, dass Schweizer Firmen kein Gold aus betrü­ge­ri­schen Quellen verar­beiten, aber er enthalte keine ausdrück­li­chen Bestim­mungen hinsicht­lich der Menschenrechte.

„Die Gross­minen sind für Vertrei­bungen von indi­genen Völkern verant­wort­lich. Ausserdem pumpen sie Unmengen von Wasser ab, welches der ansäs­sigen Bevöl­ke­rung dann fehlt”, sagt Julia Büsser, Kampa­gnen­lei­terin Wirt­schaft und Indi­ge­nen­rechte für die Gemein­schaft für bedrohte Völker (GfbV). Mit der Analyse des Bundes­rats ist die GfbV nicht restlos einver­standen. „Der Gold­be­richt des Bundes­rats beschreibt die Risiken im Gold­ge­schäft und weist darauf hin, dass weder die bestehende Gesetz­ge­bung noch die frei­wil­ligen Stan­dards des Privat­sek­tors komplett verhin­dern, dass menschen­rechts­widrig produ­ziertes Gold in die Schweiz gelangt, steht in der Medi­en­mit­tei­lung der GfbV und Public Eye zum Gold­be­richt. „Die bundes­rät­liche Analyse hat jedoch entschei­dende Schwach­stellen: Die Mass­nahmen der Gold­branche werden über­schätzt und der Bundesrat verpasst es, die Lücken im Schweizer Recht zu iden­ti­fi­zieren.” Tatsäch­lich sieht der Bundesrat keinen Anlass, gesetz­ge­be­risch gegen die Verlet­zungen von Menschen­rechten und Umwelt­stan­dards vorzu­gehen. Er vertritt somit die gleiche, erwart­bare Haltung, die er in anderen Berei­chen der Rohstoff­branche geäus­sert hat: Nicht staat­liche Regu­la­tionen braucht das Land, sondern mehr Eigen­ver­ant­wor­tung der milli­ar­den­schweren Konzerne. 

Dass diese dazu nicht fähig sind, scheint indes immer klarer zu werden. Die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive erfreut sich weiterhin grosser Beliebt­heit, auch über die poli­ti­sche Linke hinaus. Wie im Diaman­ten­handel wären in der Schweiz vor allem klei­nere und mittel­stän­di­sche Unter­nehmen im Hoch­ri­si­ko­be­reich von der Initia­tive betroffen, sagt Julia Büsser von der GfvB. Aber die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive verlangt auch, dass eine gene­relle Sorg­falts­pflicht für Rohstoff­firmen gelten sollte; samt Sank­ti­ons­mög­lich­keiten. Ausserdem verlangen die NGOs mehr Trans­pa­renz durch die Offen­le­gung der Sorg­falts­prü­fung von Schweizer Goldraffinerien. 

Das erscheint sinn­voll, denn wie das Euro­pean Gold Forum wieder einmal eindrück­lich zeigt, gefällt sich die Rohstoff­branche gut in der Rolle der verschwie­genen Gruppe von Super­rei­chen, die jenseits der öffent­li­chen Aufmerk­sam­keit Gewinne maxi­mieren und Regu­lie­rungen vermeiden kann. Zumin­dest in dieser Hinsicht passt das Euro­pean Gold Forum viel­leicht tatsäch­lich in einen Holly­wood-Streifen. Nur findet das Treffen nicht versteckt in einem Geheim­labor in den Alpen statt, sondern in aller Öffent­lich­keit im wirt­schaft­li­chen Herzen der Schweiz. 

 


Jour­na­lismus kostet

Die Produk­tion dieses Arti­kels nahm 24 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1508 einnehmen.

Als Leser*in von das Lamm konsu­mierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demo­kratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produk­tion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rech­nung sieht so aus:

Löse direkt über den Twint-Button ein Soli-Abo für CHF 60 im Jahr!

Ähnliche Artikel