Globus will authen­ti­sches indi­sches Fladen­brot verkaufen — und ist bereit, dafür einiges zu opfern

Nicht alles kann lokal produ­ziert werden. Ob man aller­dings ein Brot um die ganze Welt fahren muss, damit wir eine „authen­ti­sche kuli­na­ri­sche Erfah­rung“ machen können? 
Globus-Poppadum legen eine Weltreise zurück, bevor sie auf unseren Tellern landen (Foto: Michael Schillinger)

Böse Zungen würden sagen: Das Fladen­brot ist eine kuli­na­ri­sche Verwei­ge­rung, by eine Absage an die Back­kunst. Sie irren sich. Das Fladen­brot führt uns auf die Urform des Brotes zurück. Es ist das Brot für Mini­ma­li­stinnen und Mini­ma­li­sten: Mehl, Wasser, etwas Salz. Feuer. Mehr braucht es nicht. Das Rezept ist so simpel, dass man überall auf der Welt hervor­ra­gendes Fladen­brot produ­zieren kann.

Globus sieht das anders.

In seiner Deli­ka­tes­sen­ab­tei­lung bietet das Luxus-Waren­haus Spezia­li­täten aus der ganzen Welt an. Auch Fladen­brote. Bei Globus heissen die Poppa­dums.  Poppa­dums sind beson­ders im Trend. Denn sie bestehen aus Linsen­mehl und sind damit gluten­frei. Wenn sie im Globus­regal auf Käufe­rinnen und Käufer warten, haben sie bereits eine lange Reise hinter sich: Produ­ziert wurden sie in Indien, verpackt hat sie eine Firma in Südafrika. Immerhin: Das liegt am Weg – wenn man den Suez­kanal meidet und wie Vasco da Gama um das Kap der guten Hoff­nung kurven will.

Ange­sichts dessen, dass auch im Poppadum aus Indien nicht mehr als (Linsen-)Mehl, Wasser und Salz steckt, ist das eine bemer­kens­werte Produk­ti­ons­kette. Eine bemer­kens­wert umwelt­schäd­liche Produk­ti­ons­kette. Lieber Globus, geht das nicht auch einfa­cher? Ein Leser schrieb dem Gourmettempel.

Lieber Globus

Ich bin ein grosser Fan eurer Deli­ka­tes­sen­ab­tei­lung. Nirgends finde ich so viele Lecke­reien wie in der Delicatessa.

Doch immer wieder einmal stosse ich auf ein Produkt, das mich etwas ärgert. Kürz­lich zum Beispiel das Cape Malay Chili Poppadum.

Auf der Verpackung steht, dass diese in Indien produ­ziert und dann in Südafrika verpackt werden. Anschlies­send müssen sie ja noch in die Schweiz trans­por­tiert werden. Das erscheint mir ein Produkt mit einer kata­stro­phalen Ökobi­lanz zu sein. Dabei sind Papa­dams oder Poppa­dums nun wirk­lich keine raffi­nierten Bäcke­rei­pro­dukte. Sie liessen sich doch auch ganz einfach in der Schweiz produzieren.

Wieso verkauft Globus solch ein umwelt­schäd­li­ches Produkt?

Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freund­li­chen Grüssen

Umwelt­schäd­li­ches Produkt? Solch einen Vorwurf will Globus nicht auf sich sitzen lassen.

Sehr geehrter Herr

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns zu schreiben.

Sie haben recht, das erscheint tatsäch­lich nicht sehr umweltbewusst.

Bei vielen Produkten aus unseren Sorti­menten achten wir sehr auf regio­nale Spezia­li­täten. Es ist uns aber auch ein Anliegen, unseren Kunden möglichst authen­ti­sche Produkte anzu­bieten, dies im Spezi­ellen im Ethno-Bereich. Da wir aber doch nur ein eher kleiner Anbieter sind, haben wir bei der Beschaf­fung manchmal ein Mengenproblem.

Es ist uns bei Rand­pro­dukten nicht möglich, von einem einzigen Produ­zenten ganze Container zu füllen, anson­sten haben wir Probleme mit der Halt­bar­keit der Produkte. Da wir in Südafrika einen Partner haben, der mit diesem indi­schen Liefe­ranten zusam­men­ar­beitet, beziehen wir also diese Poppa­dums über ihn. Somit können wir jeweils klei­nere Mengen beziehen und in den Container laden lassen, der sowieso von Südafrika zu uns gelie­fert wird.

Wir sind aber laufend daran, die Beschaf­fungs­pro­zesse zu über­prüfen und wenn immer möglich zu opti­mieren. Es kann also sein, dass sich auch in diesem Fall die Situa­tion einmal ändert.

Vielen Dank noch einmal für Ihren Input. Kunden­mei­nungen sind uns sehr wichtig und helfen uns immer, unsere (in diesem Fall) Prozesse zu über­denken und allen­falls zu überarbeiten.

Wir hoffen, dass wir Sie weiterhin zu unseren treuen Gästen zählen dürfen.

Freund­liche Grüsse

Klingt eigent­lich ganz logisch: Der Container fährt sowieso, da kann es ja kein Problem sein, die paar Tausend Fladen­brote gleich mitein­zu­packen. Und dass die nun mal von Indien nach Südafrika geschickt werden, dafür kann Globus nun wirk­lich nichts. Klingt gut, nur stimmt die Argu­men­ta­tion leider nicht.

Das Fracht­schiff fährt nicht sowieso

Ein Container wird nie „sowieso verschifft“. Ein Schiff, bezie­hungs­weise ein Container, macht erst dann den Weg über die hohe See, wenn die Nach­frage so gross ist, dass sich der Weg für das Fracht­schiff lohnt. Globus mag zwar kein ganzes Fracht­schiff füllen, aber das Unter­nehmen erhöht trotzdem die Nach­frage nach der Trans­port­lei­stung. Es ist die gleiche Recht­fer­ti­gung, die oft von Leuten zu hören ist, die sich zwar bewusst sind, dass Fliegen eigent­lich umwelt­schäd­lich ist, die aber trotzdem nicht vom Shop­ping­trip nach New York ablassen können: „Der Flieger fliegt ja sowieso“. Mhm, ja, weil alle genau so denken.

Globus will jeden­falls authen­ti­sche Produkte anbieten. Das ist löblich. Nur: Ist es dafür wirk­lich nötig, diese absurde Produk­ti­ons­ma­schi­nerie anzuwerfen?

Bestimmt: Viele Produkte legen heute weite Strecken zurück, bis sie schliess­lich auf unseren Tellern oder auf unseren Körpern landen. T‑Shirts und Jeans reisen mehrere Zehn­tau­send Kilo­meter, von kasa­chi­schen Baum­woll­fel­dern zu bangla­de­schi­schen Nähfa­briken bis zu portu­gie­si­schen Verpackungs­ma­schinen. Das mag bei T‑Shirts und Jeans sogar eini­ger­massen Sinn ergeben. Natür­lich liesse sich die Produk­ti­ons­kette auch bei Klei­dung opti­mieren. Baum­wolle wächst schliess­lich nicht nur in den Steppen Kasach­stans. Auch könnte man die Baum­wolle an Ort und Stelle zu Stoff verar­beiten, diesen gleich färben und zu Klei­dern verar­beiten, ohne dass man mit Last­wagen und Schiffen in Dutzenden von Ländern verschie­denste spezia­li­sierte Fabriken bemüht. Die Verein­fa­chung wäre theo­re­tisch möglich, prak­tisch aber ist sie komplex – zumin­dest im Vergleich mit dem Fladenbrot.

Hier – so scheint es uns zumin­dest – wäre es sehr simpel, die Produk­ti­ons­kette zu verein­fa­chen. Eben weil ein Poppadum ein so simples Produkt ist. Linsen­mehl, Wasser, Salz – fertig ist das Fladen­brot. Wenn es nur einen Bäcker gäbe, der für Globus dieses Drei­kom­po­nenten-Gebäck in der Schweiz backen könnte.

Gibt es doch: Denn Globus gehört zum Migros-Konzern. Dieser besitzt eigene Bäcke­reien und Indu­strie­be­triebe. Ein so einfa­ches Produkt wie ein Fladen­brot könnten die Jowa-Bäcke­reien mit klein­stem Aufwand in der Schweiz selbst produ­zieren. Wieso arbeitet Globus nicht mit Jowa zusammen?

Wieso ein Fladen­brot grosse Inno­va­ti­ons­ko­sten nach sich zieht

Auf Nach­frage von das Lamm sagt Globus, die Bestell­mengen seien zu klein, als dass sich der Auftrag für Jowa lohnen würde. Kann natür­lich sein. Wäre dann aber einfach ein Entscheid zu Gunsten der Profi­ta­bi­lität und zu Ungun­sten der Umwelt. Denn tech­nisch wäre es für Jowa sicher­lich ein leichtes, ein Fladen­brot herzu­stellen. Oder, Jowa?

Heike Zimmer­mann, Medi­en­spre­cherin der Jowa-Bäcke­reien: „Bei Ihrem speziell ange­fragten Poppadum wären wohl neben hohen Entwick­lungs­ko­sten vermut­lich auch hohe tech­ni­sche Inno­va­ti­ons­ko­sten nötig. Umso mehr das Produkt ja authen­tisch nach indi­schem Fladen­brot schmecken soll, sollte es auf dem Markt Anklang finden wollen.“

Hohe Entwick­lungs- und Inno­va­ti­ons­ko­sten? Für ein Fladen­brot? Zimmer­mann präzi­siert: „Naja, die grosse Heraus­for­de­rung besteht auch darin, das Produkt haltbar zu machen. Es handelt sich ja nicht um einen klas­si­schen Tagesartikel.“

Damit hat Zimmer­mann Recht: In der Schweiz ist ein Poppadum tatsäch­lich kein Tages­ar­tikel. Und ange­sichts der immensen tech­ni­schen Heraus­for­de­rungen, die Globus und Jowa zu über­for­dern scheinen, bleibt es an den Konsu­men­tinnen und Konsu­menten zu entscheiden, ob sie für eine solch authen­ti­sche Geschmacks­explo­sion im Gaumen ein Fracht­schiff die halbe Welt umrunden lassen wollen.

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