Sechs Restau­rants, die einfach geil sind, weil sie mehr machen als nur gutes Essen

Essen ist mehr als das Füllen unserer Bäuche: Essen verbindet, macht zufrieden, ist Ausdruck von Kultur und Iden­tität. Ich möchte euch sechs Restau­rants vorstellen, die das begriffen haben. 
Essen, das gut schmeckt und gut tut. Das ist die Devise des Restaurants Syr in Utrecht (Foto: Syr).

Restlos Glück­lich (Berlin): Kochen mit geret­teten Lebensmitteln

Das Restau­rant Restlos Glück­lich bekocht in Berlin Neukölln seine Gäste seit knapp einem Jahr mit all dem, was andere nicht mehr wollen, aber noch voll­kommen geniessbar ist. Den Gross­teil der Lebens­mittel, also etwa Obst, Gemüse, Salat oder Brot, bekommen die Köchinnen und Köche des Restlos Glück­lich von denn’s Biomarkt. Von anderen Koope­ra­tionen erhalten sie Bio-Gewürze oder Scho­ko­lade, deren Verpackung beschä­digt ist und die sich deshalb nicht mehr verkaufen lassen. Manchmal sind auch Weine dabei, die viel­leicht zu lange im Schau­fen­ster standen oder bei denen das Etikett verrutscht ist.

Viele der Esswaren, die das Restlos Glück­lich verar­beitet, haben Bioqua­lität. Aber das ist kein Muss. Wichtig ist vor allem, dass es Lebens­mittel sind, die so vor dem Wegwerfen gerettet werden. Kurz: Das Restlos Glück­lich will sicher­gehen, dass mehr verwertet wird, was noch aufge­tischt werden kann.

Ein Gross­teil der Arbeit wird von Ehren­amt­li­chen gelei­stet, die sich je nach Zeit und Lust unter­schied­lich stark enga­gieren. Mit dem Gewinn aus dem Restau­rant werden eigene Projekte zur Sensi­bi­li­sie­rung gegen Food­waste finan­ziert. Zum Beispiel Work­shops, bei denen man lernt, wie man Lebens­mittel richtig lagert oder haltbar machen kann. Wer einen Platz für ein Dinner im Restlos Glück­lich auf sicher will, sollte vorher reser­vieren. Vor allem am Wochen­ende ist das Lokal ausge­bucht. Leider sind die Portionen nicht sonder­lich gross. Aber dafür sitzt man am Ende ohne Reste vor seinem Teller. Denn wenn die Gäste nicht aufessen, muss leider auch das Restlos Glück­lich einmal etwas in die Tonne schmeissen.

Robin Hood (Madrid): Hier gibt es Kristall­gläser für Obdachlose

Star­köche, die für Obdach­lose kochen? Wein aus Kristall­glä­sern für Leute, die sonst Dosen­bier auf der Strasse trinken? Für den Prie­ster Ángel Garcia Rodri­guez ist das selbst­ver­ständ­lich. „Ich möchte, dass diese Leute ebenso in Würde essen können wie andere Gäste“, sagte der 80-jährige Prie­ster in einer Repor­tage des ameri­ka­ni­schen Radio­sen­ders NPR. Und gute Essens­qua­lität, Kristall­gläser, kein Plastik und freund­liche Unter­hal­tung gehörten da laut Ángel einfach mit dazu. Damit alle einen Restau­rant­be­such geniessen können, hat er in Madrid im Dezember 2016 das Restau­rant Robin Hood eröffnet.

Das Konzept ist einfach: Zum Früh­stück und Mittag­essen bezahlt man die normalen Preise. Mit dem Über­schuss werden die Abend­essen für dieje­nigen bezahlt, die sich einen solchen Restau­rant­be­such sonst niemals leisten könnten. Und weil doch alle etwas Gutes tun wollen, wenn es so einfach ist, stehen nicht nur die zahlenden Gäste, sondern auch die Star­köche Schlange, um bei Pater Ángel hinter den Herd stehen zu dürfen. Ob dabei auch auf bio, fair und saisonal geachtet wird, ist leider nicht klar. Aber auch so finden wir die Idee einfach toll.

  • Webseite: haben wir leider keine gefunden
  • Adresse: Av. Castilla la Mancha 33, 45003 Toledo, Spanien

Provi­so­rium 46 (Bern): Hier gehört selbst­ver­ständ­lich jeder dazu

„Sie können nicht alles. Aber wir ja auch nicht“, stellt Jonas Staub, der Geschäfts­führer des Provi­so­riums 46, in einem Inter­view mit Tele­bärn kurz vor der Eröff­nung des Restau­rants im Sommer 2016 fest. Aber etwas sei doch eigent­lich bei allen Menschen gleich, egal ob mit oder ohne Behin­de­rung: Wir alle wollen dazu gehören. Und zwar auf eine ganz normale und selbst­ver­ständ­liche Art und Weise — und nicht in einem spezi­ellen, kleinen Umfeld, wie das bei Leuten mit einer Beein­träch­ti­gung oft geschehe.

Genau das möchte Jonas Staub mit dem Projekt Provi­so­rium 46 errei­chen. In Restau­rant Provi­so­rium 46 arbeiten nämlich Menschen mit und ohne geistige Beein­träch­ti­gung zusammen. Gestartet während der Fuss­ball-Euro­pa­mei­ster­schaft läuft der Betrieb zunächst bis ins Jahr 2018 weiter. Ende 2018 ist ein behin­der­ten­ge­rechter Umbau des Gebäudes geplant, sodass auch Menschen mit körper­li­cher Beein­träch­ti­gung mitar­beiten oder als Gäste im Restau­rant vorbei­schauen können. Was am Provi­so­rium 46 auch noch begei­stert: Hier kommen regio­nale, saiso­nale und biolo­gi­sche Lebens­mittel auf den Tisch.

  • Website: www.provisorium46.ch
  • Adresse: Mues­mattstr. 46, 3012 Bern, Schweiz
  • Öffnungs­zeiten: Di – Fr, 11.30 – 23.30 Uhr und Sa, 18 – 23.30 Uhr

Syr (Utrecht): Die Kasse muss stimmen — aber nicht um jeden Preis

Im Juni 2016 öffnete im nieder­län­di­schen Utrecht das Restau­rant Syr seine Tore. Es will geflüch­teten Menschen einen Ort bieten, wo sie ihre Talente einbringen und weiter­ent­wickeln können. Ermög­licht wurde es durch ein Crowd­fun­ding. Über 500 Inve­sto­rInnen haben das Start­ka­pital für das Restau­rant zur Verfü­gung gestellt. Inner­halb von drei Jahren soll dieses Geld zurück­be­zahlt sein. Auch im Syr muss deshalb Geld erwirt­schaftet werden.

Aber die Mache­rInnen vom Syr sehen sich nicht als normale Unter­neh­me­rInnen, sondern als Social Enter­pre­neurs. Ihr ober­stes Ziel ist nicht, den Gewinn zu maxi­mieren, sondern den sozialen Impact. Beim Syr heisst das „… to increase refugee parti­ci­pa­tion in the Nether­lands by offe­ring them educa­tion and career oppor­tu­ni­ties”. Und nebenbei ist das Syr auch noch Begeg­nungsort für altein­ge­ses­sene und neue Einwoh­ne­rInnen von Utrecht. Es gibt Ausstel­lungen, Work­shops und Diskus­si­ons­abende rund um das Thema Migration.

  • Website: www.restaurantsyr.nl
  • Adresse: Lange Nieuw­straat 71, 3512 PE Utrecht, Niederlande
  • Öffnungs­zeiten: Do — So, 11.30 – 16 Uhr und Mo — So, 17 – 22 Uhr

Conflict Kitchen (Pitts­burgh): Essen aus allen Ländern, mit welchen die USA in einem Konflikt steht

Küche? Explosiv! Das wäre wohl die rich­tige Beschrei­bung für die kuli­na­ri­sche Ausrich­tung der Conflict Kitchen in Pitts­burgh. Das Restau­rant serviert nämlich ausschliess­lich Gerichte aus Ländern, mit welchen die USA in einem Konflikt steht. Die Spei­se­karte wandelte sich bereits von der irani­schen über die afgha­ni­sche zur kuba­ni­schen und nord­ko­rea­ni­schen Küche. Aber nicht nur das Menu passt sich dem Land an, das temporär im Fokus steht, sondern das ganze Inte­rieur des Lokals.

Begleitet wird das kuli­na­ri­sche Konzept von Events, Auffüh­rungen und Diskus­sionen. Die Conflict Kitchen will über den Magen die Diskus­sionen zu Länder anregen, über welche viele Leute in Pitts­burgh anson­sten nur über die Schlag­zeilen in grossen Zeitungen Dinge erfahren – meist unschöne. Ergän­zend trägt die Conflict Kitchen viel zur ethni­schen Diver­sität von Pitts­burgh bei: In welcher anderen Stadt gab es in den letzten Jahren schon im Wechsel ein afgha­ni­sches, irani­sches, vene­zo­la­ni­sches und kuba­ni­sches Restaurant?

  • Website: www.conflictkitchen.org
  • Adresse: 221 Schenley Drive, Pitts­burgh PA, USA 15213
  • Öffnungs­zeiten: Mo — So, 11 — 18 Uhr

Refugio (Berlin): Hier kann jeder einem Menschen beim Deutsch lernen helfen

In einem hundert­jäh­rigen Haus gleich neben dem Hermann­platz in Berlin Neukölln befindet sich das Refugio. Das Café bietet leckere Kaffee­spe­zia­li­täten wie Cappuc­cino, Latte oder Flat White. Dazu gibt es selbst­ge­backene Kuchen. Und am Wochen­ende geniesst man im Refugio einen syri­schen Brunch. So weit, so unspek­ta­kulär. Aber das Refugio ist viel mehr als nur ein Café.

In den oberen Stock­werken leben und arbeiten über 40 Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Zuhause sind. Die meisten stammen aus dem arabi­schen oder deut­schen Kultur­kreis und wollen sich in Berlin ein neues Leben aufbauen. Das Refugio hilft ihnen dabei, indem sie hier die ersten 1.5 Jahre wohnen können.

Aber auch als Café-Besu­cherIn kann man helfen. Jeden Mitt­woch­abend findet im Café Refugio nämlich das Sprach­café statt. Dort werden deutsch­spra­chige Kaffee­be­su­che­rInnen mit solchen, die es werden wollen, an einen Tisch gesetzt. „Berlin ist ein wahrer Melting Pot für Expats“, meint Andreas Romeike, der Leiter des Cafés. „Die Tatsache, dass auch Leute aus Austra­lien, Irland, Kanada, Frank­reich und vielen anderen Ländern dieses Angebot wahr­nehmen, macht einen Einstieg sehr einfach.“ Hier sei man nicht ein Geflüch­teter, eine Geflüch­tete, sondern einfach jemand, der Deutsch lerne. An- oder abmelden muss man sich nicht. Mitma­chen können alle, Vorkennt­nisse braucht es keine. Zwar hätten die Neuber­li­ne­rInnen viel­leicht von Tandem­part­ne­rInnen, die sich verpflichten, jeden Mitt­woch anzu­tanzen, mehr. Ander­seits macht gerade die Nieder­schwel­lig­keit des Enga­ge­ments das Mitwirken beim Sprach­café so attraktiv. Zu viel Commit­ment kann halt auch abschreckend wirken —  auf die Locals wie auch auf die Non-Locals.

  • Website: www.refugio.berlin
  • Adresse: Lenau­straße 3–4, 12047 Berlin, Deutschland
  • Öffnungs­zeiten: Di — So, 10 — 18 Uhr, Sprach­café: Mi, 17.30 — 19.30 Uhr

Kennst du noch mehr so geile Restau­rants? Dann poste sie doch bitte auf unserer Face­book-Seite!

Und falls du nun wegen diesem Artikel über einen Städ­te­trip nach Berlin, Utrecht oder Madrid nach­denkst, dann probiere es doch mal mit Auto­stopp anstatt mit einem Billig­flug von Ryan Air. Da pustest du wenig­stens kein zusätz­li­ches CO2 in die Luft. Ich habs schon öfters auspro­biert. Klappt hervorragend.


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