Swiss Krono: Umstrit­tene Geschäfte in der Ukraine

Vor zwei Jahren sorgte ein Bericht für Aufruhr, der dem Holz­ver­ar­beiter Swiss Krono vorwarf, in der Ukraine illegal geschla­genes Holz zu beziehen. Das Luzerner Unter­nehmen reagierte – und kündigte an, die Anschul­di­gungen zu über­prüfen. Der Bruno-Manser-Fonds erhebt jetzt erneut schwere Vorwürfe. Doku­mente, die dem Lamm vorliegen, werfen die Frage auf, ob sich viel wirk­lich geän­dert hat. 
Das Swiss Krono-Werk in Charkiv. (Bild: zvg)

Prak­tisch die ganze ukrai­ni­sche Forst­wirt­schaft ist staat­lich orga­ni­siert. Von den Karpaten im Südwe­sten über die alten Eichen im Natio­nal­park Tsum­an­sʹka Pushcha im Nord­we­sten bis zu den Wäldern der Region Charkiw nah an der Grenze zu Russ­land: Die Wälder gehören dem Staat. Aller­dings wird nur ein Bruch­teil vom Umwelt­mi­ni­ste­rium verwaltet. Der Wald­be­sitz verteilt sich auf Gemeinde- und Lokal­re­gie­rungen, gar aufs Infra­struktur- und Vertei­di­gungs­mi­ni­ste­rium. Der Gross­teil aber gehört dem Agrar- und Nahrungs­mi­ni­ste­rium, das es von der staat­li­chen Forstagentur verwalten lässt.

Diese verschach­telte Verwal­tung machte der umfas­sende Bericht der briti­schen NGO Earth­sight vor zwei Jahren als Haupt­ur­sache für den massiven ille­galen Holz­schlag aus. Earth­sight kam im Bericht Complicit in Corrup­tion zum Schluss, dass 38 bis 44 Prozent der gesamten ukrai­ni­schen Holz­ex­porte auf illegal gefällte Bäume zurückgehen.

Damals erhob Earth­sight gegen alle inter­na­tio­nalen in der Ukraine tätigen Holz­ver­ar­bei­tungs­firmen schwere Vorwürfe. Auch gegen die Swiss Krono Group mit Sitz im luzer­ni­schen Menznau.

Swiss Krono produ­ziert Möbel, Bauplatten und Lami­nat­böden. Mit zwei Milli­arden Franken Umsatz pro Jahr, Werken in acht Ländern und Exporten in 121 Länder gehört die Swiss Krono Group zu den grössten Unter­nehmen der Branche. Earth­sight warf der unga­ri­schen Fabrik von Swiss Krono vor, sie sei an illegal gefälltem Holz aus der Ukraine inter­es­siert gewesen, das Earth­sight über eine Fake-Firma zum Kauf ange­boten hatte. Zudem kaufe Swiss Krono „Tausende Tonnen Stämme von staat­li­chen Forst­un­ter­nehmen, die Teil grosser Korrup­ti­ons­un­ter­su­chungen sind“.

Swiss Krono gelobte damals gegen­über der WOZ Aufklä­rung mit Unter­stüt­zung einer „ange­se­henen, inter­na­tional tätigen Wirt­schafts­prü­fungs- und Bera­tungs­ge­sell­schaft“, die eine „neutrale Prüfung der Vorgänge vornehme“. Selbst­ver­ständ­lich wolle man die WOZ über die Ergeb­nisse informieren.

Neue Vorwürfe

Als das Lamm zwei Jahre später in Menznau nach­fragt, ist die „Unter­su­chung aller Einkaufs- und Kontroll­pro­zesse“ längst abge­schlossen. Einblick in den Bericht will Swiss Krono aber nicht gewähren.

Der voll­stän­dige Unter­su­chungs­be­richt enthalte „vertrau­liche Infor­ma­tionen, die unab­hängig von dem Unter­su­chungs­ge­gen­stand Rück­schlüsse auf unsere Geschäfts­stra­tegie zulassen“, erklärt ein Spre­cher. Nur so viel gibt er bekannt: „Die Unter­su­chung ergab, dass die Swiss Krono Group in der Ukraine weder recht­liche Vorschriften verletzt hat, noch hat sie sich der Korrup­tion bzw. der Teil­nahme an ille­galem Holz­ein­schlag schuldig gemacht.“

Trotz der Unter­su­chungen, Zerti­fi­zie­rungen und Beteue­rungen gibt es neue happige Vorwürfe gegen die Schweizer Firmen­gruppe – dieses Mal vonseiten des Bruno-Manser-Fonds in Basel. Die aktu­elle Ausgabe seines Maga­zins Tong Tana ist der Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive gewidmet. Darin wird das Bild von Swiss Krono als Exempel für ein Schweizer Unter­nehmen mit fehl­baren Geschäfts­prak­tiken im Ausland gezeichnet. Das Unter­nehmen spreche zwar von Sorg­falts­mass­nahmen, igno­riere aber „klare Hinweise zu ille­galem Holz­schlag und Korrup­tion“. Darüber hinaus belaste Swiss Krono die Gesund­heit der „Lokal­be­völ­ke­rung in Charkiw durch den Ausstoss von giftigen Chemikalien“.

Ist Swiss Krono Sorg­falts­pflichten-König oder ein Fall für die Konzern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­tive? Dem Lamm liegen die Doku­mente vor, auf deren Grund­lage der Bruno-Manser-Fonds seine Vorwürfe erhoben hat.

Guty­anske und Tsymanske

Da die Forst­wirt­schaft in der Ukraine staat­lich ist, unter­stehen die Agen­turen und die darin tätigen staat­li­chen Subun­ter­nehmen dem ukrai­ni­schen Öffentlichkeitsgesetz.

Zum Beispiel das staat­liche Subun­ter­nehmen Guty­anske aus der Region Charkiw. Dessen ehema­liger Direktor Viktor Sis wurde im März 2020 unter Haus­ar­rest gestellt, nachdem er auf Kaution aus der Unter­su­chungs­haft entlassen worden war. Ihm werden Bestech­lich­keit, Korrup­tion und ille­gale Holz­ver­käufe vorge­worfen. Fest­ge­nommen wurde Sis, nachdem er im Oktober 2020 einem Beamten der staat­li­chen Korruptions­bekämpfungs­agentur eine hohe Summe in US-Dollar ange­boten haben soll. Mit dem Bestechungs­geld habe Sis laufende Unter­su­chungen wegen ille­galem Holz­schlag und Preis­ma­ni­pu­la­tionen stoppen wollen.

Statt­dessen ist Sis – der sämt­liche Vorwürfe zurück­weist – mitt­ler­weile eine natio­nale Berühmt­heit: Selbst Staats­prä­si­dent Selenski hat ihn bereits öffent­lich als Exempel dafür ausge­rufen, dass man die staat­liche Holz­branche genauer unter die Lupe nehmen sollte.

Dank des ukrai­ni­schen Öffent­lich­keits­ge­setzes musste das umstrit­tene Subun­ter­nehmen Einblick in seine Verkaufs­be­richte an Swiss Krono gewähren. Aus diesen Berichten, die dem Lamm vorliegen, geht auch hervor, dass die Verkäufe an Swiss Krono Teil der Akten im laufenden Verfahren gegen den ehema­ligen Guty­anske-Direktor sind. 2018 verkaufte Guty­anske Swiss Krono 240 Kubik­meter Holz­ma­te­rial, 2019 waren es 3’698 Kubik­meter und in der ersten Jahres­hälfte 2020 noch einmal 326 Kubik­meter. Das Auftrags­vo­lumen beläuft sich auf 2.75 Millionen ukrai­ni­sche Griwna, was knapp 90’000 Schweizer Franken entspricht.

Guty­anske ist nicht das einzige umstrit­tene ukrai­ni­sche Forst­un­ter­nehmen, in dessen Büchern die Swiss Krono auftaucht. Gemäss einer weiteren Anfrage per Öffent­lich­keits­ge­setz hat Swiss Krono auch vom staat­li­chen Subun­ter­nehmen Tsymanske Holz gekauft. In diesem Fall geht es um 7’603 Kubik­meter 2019 und 233 Kubik­meter Holz in den ersten Monaten 2020, die zwei verschie­dene Toch­ter­firmen von Swiss Krono bezogen haben.

Tsymanske wurde von einer ukrai­ni­schen NGO ange­zeigt, weil sie im Natio­nal­park Tsum­an­sʹka Pushcha, wo bedrohte Storch‑, Adler- und Eulen­arten eine Heimat haben, falsche und ille­gale Bewil­li­gungen für Fällungen im geschützten Gebiet ausstellten. Die Polizei star­tete 2018 eine Straf­un­ter­su­chung, 2019 wurde Tsymanske das FSC-Zerti­fikat entzogen, im Sommer star­tete das Verfahren am regio­nalen Bezirks­ge­richt. Im Falle einer Verur­tei­lung erwartet die Verant­wort­li­chen eine Strafe von zwei bis fünf Jahren Gefängnis. Unge­achtet dieser Vorwürfe und dem laufenden Verfahren bezog Swiss Krono gemäss den dem Lamm vorlie­genden Doku­menten weiterhin Holz von Tsymanske.

Umfang­reiche Präventionsmassnahmen

Das Lamm hat Swiss Krono mit diesen Verkaufs­be­richten konfron­tiert. Nun antwortet nicht mehr der Medi­en­ver­ant­wort­liche beim Sitz in Menznau bei Luzern, sondern eine Spre­cherin aus der Konzern­zen­trale. Die Antworten sind jetzt ausführ­li­cher als bei der ersten Anfrage:

Die Einhal­tung aller gesetz­li­chen Vorschriften, insbe­son­dere bei der Holz­be­schaf­fung, sei für Swiss Krono „ein zentrales Element einer nach­hal­tigen Unter­neh­mens­stra­tegie“, schreibt die Spre­cherin. Durch „risi­ko­ba­sierte Präven­ti­ons­mass­nahmen“ stelle die Firma sicher, dass sie von ihren Holz­lie­fe­ranten kein illegal geschla­genes Holz erwerbe und auch kein illegal geschla­genes Holz in die EU oder in die Schweiz einge­führt werde. „Dies umfasst unter anderem umfang­reiche länder- und liefe­ran­ten­spe­zi­fi­sche Risi­ko­ana­lysen, interne Verfah­rens­richt­li­nien, Hinter­grund-Checks, Vor-Ort-Audits, Nach­weis- und Doku­men­ta­ti­ons­pflichten sowie Kontroll­me­cha­nismen gegen­über unseren Liefe­ranten“, so Swiss Krono.

Die Vorwürfe 2018 habe man „sehr ernst“ genommen. Die unab­hän­gige Unter­su­chung infolge des Earth­sight-Berichts habe „eben­falls die Liefe­rungen der Staats­forste beleuchtet“: „Bei den an Swiss Krono erfolgten Liefe­rungen“ habe es „keinerlei  Hinweise auf die Verlet­zung von gesetz­li­chen Bestim­mungen“ gegeben und es sei „klar heraus­ge­stellt“ worden, dass sich die Swiss Krono Group in der Ukraine und Ungarn nicht der Korrup­tion oder der Teil­nahme an ille­galem Holz­ein­schlag schuldig gemacht habe. Ihren Antworten hängt sie ein ausführ­li­ches Schreiben von CEO Martin Brett­en­thaler an den Bruno-Manser-Fonds an.

In diesem führt Brett­en­thaler auf drei Seiten die Sorg­falts­mass­nahmen von Swiss Krono aus. Sein bestes Argu­ment: Swiss Krono über­prüfe jede „einzeln einge­hende Holz­lie­fe­rung über die in der Ukraine gesetz­lich mögli­chen und zur Verfü­gung stehenden Instru­mente und Verfahren“. So begleite ein Fracht­brief mit QR-Code und Chip jeden Stamm von der Fällung bis zur Verar­bei­tung in der Fabrik. So könne die gesamte Liefer­kette nach­voll­zogen werden.

Doch Brett­en­thaler schreibt auch: „Etwa 80 % des Holzes der LLC Swiss Krono werden von staat­li­chen Forst­be­trieben bezogen. Diese garan­tieren die legale Herkunft des Holzes.“ Das mag recht­lich rele­vant sein. Doch die Aussage belegt auch, dass man sich des struk­tu­rellen Problems von ille­galem Holz­schlag in der Ukraine bei Swiss Krono nicht bewusst ist. Die staat­li­chen Forst­be­triebe sind eben Teil des Problems – und deren Garantie ist nicht immer etwas wert.

Gemäss den Behörden hat sich der ille­gale Holz­schlag in der Ukraine im Jahr 2019 versie­ben­facht. Am meisten „schwarz gefällt“ wird demnach in der Region Charkiw.

Luft­ver­schmut­zung in Solonyzivka

Eine von drei Fabriken in der Ukraine betreibt Swiss Krono in Solony­zivka im Nord­osten des Landes. Anwohner*innen werfen der Firma vor, für erhöhte Emis­sionen verant­wort­lich zu sein. Swiss Krono weist die Anschul­di­gungen entschieden zurück. 

Eine von drei Swiss-Krono-Fabriken in der Ukraine liegt im 12’000-Einwohner*innen-Ort Solony­zivka bei der Millio­nen­stadt Charkiw im Nord­osten des Landes. Die Umwelt­an­wältin und ‑akti­vi­stin Iris del Sol war vergan­genen Sommer vor Ort. „Ich bin eher empfind­lich und habe das Form­aldehyd in meiner Nase und auf der Haut gespürt“, erzählt del Sol, die zurzeit in Basel weilt, gegen­über dem Lamm. Die Fabrik ist ein wich­tiger Arbeit­geber vor Ort. Trotzdem wehren sich viele Bewohner*innen von Solony­zivka gegen die Luft­ver­schmut­zung. Einer von ihnen ist der Webde­si­gner Valera Volkov.

Volkov sagt im Gespräch mit dem Lamm, er schätze Swiss Krono als Arbeit­geber. „Wir wollen aber nicht, dass die Wirt­schaft zula­sten unserer Gesund­heit geht.“ Er fordert, dass Swiss Krono bessere Filter und Kata­ly­sa­toren einbaut.

Er selbst und weitere Anwohner*innen messen die Luft­qua­lität mit ihren eigenen Geräten. Auf der Home­page von www.eco-city.ua.org kann man die Ergeb­nisse der beiden Mess­sta­tionen, die sich in wenigen Hundert Metern Entfer­nung zur Fabrik befinden, live verfolgen. In der Vergan­gen­heit habe der Form­aldehyd-Wert gemäss Volkov „kriti­sche Werte“ erreicht. Der krebs­er­re­gende Stoff erreicht während einer Woche, in der das Lamm die Werte verfolgt hat, zwischen 24 und 30 Mikrogramm/m³.

Die Fach­stelle des Schweizer Bundes­amts für Gesund­heit teilt auf Anfrage mit, dass es keine wissen­schaft­liche Evidenz für eine Gesund­heits­ge­fähr­dung bei dieser Form­alde­hyd­kon­zen­tra­tion gebe. Der Jahres­durch­schnitt von Form­aldehyd in euro­päi­schen Städten liegt gemäss WHO zwischen 1 und 20 Mikrogramm/m³; der Schweizer Grenz­wert für Innen­räume beträgt 125 Mikrogramm/m³. Die Swiss-Krono-Fabrik in Solony­zivka ist 24 Stunden, sieben Tage die Woche in Betrieb. Volkov sagt, in letzter Zeit sei die Luft ein wenig besser geworden. Über die Gründe wisse er nichts.

Am 18. März unterzog das staat­liche Umwelt­in­spek­torat die Fabrik von Swiss Krono einer ausser­or­dent­li­chen Inspek­tion. Das Proto­koll liegt dem Lamm vor. Demnach stellte der Umwelt­in­spektor zahl­reiche Mängel und Verfeh­lungen fest. Swiss Krono habe während der Kontrolle falsche Infor­ma­tionen und gefälschte Doku­mente vorge­legt. Zudem stellte der Inspektor fest, dass die Bewil­li­gung für die Luft­ver­schmut­zung durch ein bestimmtes Förder­band sowie durch Verbren­nungs­an­lagen gefehlt habe. Und schliess­lich proto­kol­lierte er Nach­läs­sig­keiten bezüg­lich der Wartung und Reini­gung der Maschinen.

Swiss Krono weist den Vorwurf der Falsch­in­for­ma­tion und Doku­men­ten­fäl­schung gegen­über dem Lamm entschieden zurück. Die Firma habe „korrek­ter­weise“ Doku­mente eines mitt­ler­weile aufge­lö­sten Unter­neh­mens der Swiss-Krono-Gruppe vorge­legt, deren Rechts­nach­folger die heutige Toch­ter­firma in Solony­zivka ist. Eine Beschwerde bei den Behörden habe Swiss Krono recht gegeben. Die vom Inspektor fest­ge­stellten Mängel habe Swiss Krono mitt­ler­weile gänz­lich behoben und das kriti­sierte Späne­för­der­band sei mit einer neuen Abdeckung versehen worden.

Swiss Krono bestreitet, Ursache für die Emis­sionen zu sein. Als die Fabrik in Solony­zivka vor einem Jahr während zwei Monaten nicht in Betrieb war, hätten die Sensoren keine Verän­de­rung der Luft­ver­schmut­zung ange­zeigt. Die Messungen von Swiss Krono stellten zu keinem Zeit­punkt eine Über­schrei­tung des lokalen Form­aldehyd-Grenz­werts fest. „Uns liegt es fern, mit unserer Tätig­keit die Bevöl­ke­rung zu schä­digen. Wenn Sie derar­tige Unter­lagen zur Verfü­gung stellen können, sind wir gern bereit, diesen Sach­ver­halt weiter zu prüfen“, so die Spre­cherin der Firma.

 


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