Act your (w)age! – Weniger Arbeit, mehr Freizeit

Junge sind faul und anspruchs­voll, findet die NZZ. Quatsch, findet unsere Kolum­ni­stin und Lamm-Jugend­be­auf­tragte. Sie lassen sich nur nicht mehr so leicht ausbeuten. 
Arbeite nur soviel, wie du musst, finden Junge. Das missfällt den Alten und der NZZ. (Bild: Johnny Cohen/Unsplash)

Letz­tens war ich mit einer Freundin spazieren. Es war ein sonniger und warmer Sonntag im Februar. Zwischen Bäumen und Feldern haben wir uns die Zukunft ausge­malt: Wie wird unser Leben wohl aussehen? Was werden wir beruf­lich machen? Wir hatten keine Antworten, nur Ideen. Die „Zukunft“ scheint uns noch zu weit weg. Trotzdem gibt es Gewiss­heiten in unserer Vorstel­lung vom guten Leben: „Ich weiss nicht wie, aber ich will nur so viel arbeiten, dass ich gut leben kann und glück­lich bin, mehr nicht“, sagte ich ihr.

Klar: Eine solche Lebens­vor­stel­lung setzt viele Privi­le­gien voraus. Aber mit diesem Wunsch bin ich nicht allein. Immer mehr junge Menschen legen Wert darauf, neben dem Beruf Zeit für Familie, Freund*innen und Hobbys zu haben. Dazu braucht es Verän­de­rungen am Arbeits­markt: mehr Ferien, weniger Über­stunden und ein gutes Arbeitsklima.

Für diese Forde­rungen haben manche Menschen aus den älteren Gene­ra­tionen wenig Verständnis. Am Arbeits­platz treffen beide aufein­ander. Hier die soge­nannten Boomer, die mit dem Traum vom beruf­li­chen Erfolg und Wohl­stand aufwuchsen. Dort die „Gene­ra­tion Z“, die diesen Traum nur dann teilt, wenn sie dafür nicht ihre Vorstel­lung eines guten Lebens opfern muss – Karriere ja, aber nicht um jeden Preis. Klar kommt es da zu Auseinandersetzungen.

Klima­hy­ste­risch und radikal oder unver­ant­wort­lich und faul: Es wird viel an jungen Menschen rumge­nör­gelt. Schlimmer als die Kritik ist aber ihre fehlende Reprä­sen­ta­tion in der Öffent­lich­keit. Während sich alle Welt über Anliegen der Jugend äussert, finden diese selbst nur in sozialen Netz­werken eine Platt­form. Das ändert nun die Kolumne „Jung und dumm“.

Helena Quarck ist 19 Jahre alt und Schü­lerin. Sie ist als Sieben­jäh­rige aus Brasi­lien in die Schweiz gezogen und musste Deutsch lernen. Diese Beschäf­ti­gung mit Sprache hat sie zum Schreiben gebracht. Helena ist Redak­torin des Jugend­ma­ga­zins Quint.

Die Zusam­men­ar­beit mit jungen Ange­stellten ist für Unter­nehmen anschei­nend eine Heraus­for­de­rung. Wir, die Gen Z, scheuen uns nicht mehr davor, bessere Arbeits­be­din­gungen zu fordern. Denn: Wegen des Fach­kräf­te­man­gels werden wir drin­gend auf dem Arbeits­markt gebraucht – und das wissen wir. Wir müssen also nicht die Ersten sein, die im Büro auftau­chen und dann noch Über­stunden machen, um es den Arbeitgeber*innen recht zu machen. Das wird „Quiet Quit­ting“ genannt oder „Acting your wage“. Man arbeitet nur genau so viel, wie im Arbeits­ver­trag gefor­dert wird.

Die NZZ veröf­fent­lichte letztes Jahr einen Artikel, der sich mit dem Arbeits­ethos von jungen Menschen ausein­an­der­setzt. Der Text versucht, dem Arbeits­ver­halten der Jungen auf die Schliche zu kommen. „Mini­maler Leistungs­auf­wand bei gleich­zei­tiger Anspruchs­hal­tung“, so beschreibt die Autorin den „Arbeits­ethos“ meiner Gene­ra­tion. Dabei miss­ver­steht die Autorin das Anliegen der Jungen. Es geht ihnen darum, genau so viel zu arbeiten, wie im Arbeits­ver­trag verein­bart wurde und wofür sie bezahlt werden, – nicht mehr und nicht weniger.

„Am lieb­sten würden sie heute entscheiden, wie viel sie morgen arbeiten“, erzählen die Gastro­nomen Michel Péclard und Florian Weber der NZZ. Die Arbeit mit jungen Menschen sei für die beiden dermassen anstren­gend, dass sie am lieb­sten nur noch afgha­ni­sche Mitar­bei­tende einstellen würden, zitiert der Text sie weiter. Diese seien weni­ge­stens dankbar.

Diese Aussage ist äusserst proble­ma­tisch. Die beiden Unter­nehmer sagen damit: Wer sich über schlechte Arbeits­be­din­gungen beschwert, ist ein Problem. Die Lösung sei es, Menschen einzu­stellen, die sich gar nicht beschweren können. Problem gelöst? Nein – nur verstummen lassen.

Eine Ärztin, welche im Artikel anonym bleibt, spricht von einer „Opfer­men­ta­lität“ ihrer jungen Assistent*innen. Einige würden wegen – Achtung – Menstrua­ti­ons­be­schwerden zu Hause bleiben! Für sie sei das beson­ders bela­stend, weil ihr mit Diskri­mi­nie­rungs­klagen gedroht werde, wenn sie nicht auf diese Forde­rung eintrete. Denn die Jungen – oh Schreck – würden das Arbeits­recht kennen!

Wen nervt, dass die Ange­stellten ihr Rechte kennen, offen­bart damit: Mein Unter­nehmen stützt sich auf die Ausbeu­tung von Arbeitnehmer*innen. Die Ärztin stelle inzwi­schen nur noch ältere Assistent*innen ein, die nichts anderes kennen, als ausge­beutet zu werden. Der Trost für diese Frauen? Manchmal kämen sie sogar erfüllt nach Hause.

Dafür, dass wir Jungen uns ein ange­nehmes Arbeits­klima wünschen, gibt die Autorin unseren Eltern die Schuld: Sie hätten uns zu fest das Gefühl gegeben, einzig­artig zu sein. Darum bräuchten wir nun dauernd Wert­schät­zung, um klar­zu­kommen. Ach schade! Hätten sie uns doch lieber beigebracht, dass Einzig­ar­tig­keit etwas Schlechtes ist und wir alle lang­weilig und gleich sein müssen. Wir seien ausserdem „Schnee­flocken“, die wenig Wider­stands­kraft haben, wenn mal „rauerer Wind wehe“.

Dabei zeigt doch gerade unsere Gene­ra­tion, die während einer Pandemie aufwuchs, sich gegen Unter­drückung wehrt und für mehr Gerech­tig­keit am Arbeits­platz kämpft, ihre enorme Wider­stands­kraft. Wir stehen zuvor­derst in einem gesell­schaft­li­chen Wandel zu einem nach­hal­ti­geren, gesün­deren und erfüll­teren Lebens­stil, und ein solcher Wandel wird selten von Faul­heit angetrieben.

Die Jugend der Gen Z ist in sich über­la­gernden Krisen aufge­wachsen. Dies hat auch unseren Blick auf die Arbeits­welt geprägt. Die Pandemie etwa hat andere Arbeits­formen erzwungen: Einige Jugend­liche, deren Eltern sonst kaum zu Hause waren, konnten plötz­lich mit ihnen Zmittag essen. Andere junge Menschen, deren Eltern Pfleger*innen sind, haben ihre Eltern noch gestresster, ängst­li­cher und müder erlebt als sonst und somit ein Bewusst­sein für schlechte Arbeits­be­din­gungen entwickelt.

Die Klima­krise verleiht unserem Leben eine Dring­lich­keit. Sie ist eine kleine Stimme, die schreit: „Achtung, Achtung! Geh die Welt anschauen, solange es sie noch gibt!“ Ein Leben mit diesem stän­digen Reminder hat uns beigebracht, nach­hal­tiger mit Ressourcen umzu­gehen – das spie­gelt sich in unserem Arbeits­ver­halten wider. Wir wollen nicht von Montag bis Freitag an einen Büro­stuhl gefes­selt sein, sondern das Leben geniessen.

Bewusst mit den eigenen Kräften umgehen – darum geht es. Es geht uns nicht darum, möglichst lange auf dem Sofa rumzu­liegen, nur dann zu arbeiten, wenn es absolut sein muss und auch dann möglichst wenig zu leisten. Es geht darum, eine erfül­lende Arbeit zu haben und nebenbei noch Zeit für einen Kaffee mit Freund*innen und einen Spazier­gang durch die Innen­stadt zu haben. Viel­leicht hat meine Gene­ra­tion erkannt, dass sich der eigene Selbst­wert nicht nur über die Karriere defi­niert. Die Gene­ra­tion Z weiss, was ihr guttut. Ich finde das wundervoll.


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