Erfolg für die Arbeiter:innen von Swiss­Just in Argentinien

Die Arbeiter:innen von Swiss­just in Argen­ti­nien gewinnen ihren Arbeits­kon­flikt. Nach der Leerung der alten Lager­hallen und einem fast zwei­mo­na­tigem Streik sind sie nun mit dem zustän­digem Unter­nehmen zu einer erfolg­rei­chen Verein­ba­rung gekommen. 

Mardonio Racedo klingt erschöpft am Telefon. „Wir sind endlich zu einer Eini­gung gekommen. Das ist schön, aber der Kampf war hart. Wir waren wochen­lang von unseren Fami­lien getrennt.“ Er und seine Arbeitskolleg:innen hatten zuletzt 18 Tage vor den Produk­ti­ons­hallen der Just Latam in einer Vorstadt von Buenos Aires ausge­harrt, um gegen ihre Entlas­sung zu demon­strieren (das Lamm berich­tete).

Nach fast zwei Monaten Arbeits­kampf kündigte die zustän­dige Gewerk­schaft Comercio, Indu­strias y Servicios (CIS) am 8. April an, dass die 52 Arbeiter:innen zu glei­chen Lohn­be­din­gungen am neuen Standort arbeiten können. „Es fiel uns schwer, dass zu akzep­tieren. Es bedeutet, dass wir unseren alten Arbeitsort endgültig verloren haben. Aber wir sind froh über die erreichte Eini­gung“, sagt Racedo.

Eine „unwür­dige“ Entlassung

Der Grund war, dass Mitte Februar Swiss­Just Argen­tina, das von Just Inter­na­tional AG recht­lich unab­hän­gige Logi­stik­un­ter­nehmen für die Produkte des Schweizer Kosme­tik­her­stel­lers Just auf dem argen­ti­ni­schen Markt, über Nacht die Lager­hallen geleert und ohne Vorwar­nung den Vertrieb der Marke an das grös­sere Logi­stik­un­ter­nehmen Trans­farmaco über­geben hatte.

Die Arbeiter:innen wurden vor die Wahl gestellt: Entweder sie akzep­tieren eine doppelte Abfin­dung oder sie nehmen den neuen Job zu schlech­teren Arbeits­be­din­gungen, 60 Kilo­meter entfernt, sowie eine doppelte Abfin­dung an. Dies kam einer Entlas­sung oder einer massiven Verschlech­te­rung der Arbeits­be­din­gungen gleich.

Die Arbeiter:innen bei der Auflö­sung ihres Protest­camps vor der Just Latam. Autor: zVg.

Die Arbeiter:innen wollten das nicht hinnehmen. In Argen­ti­nien sind Entlas­sungen aufgrund der Pandemie nur im Falle von wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­keiten der Unter­nehmen erlaubt und die Leerung der Hallen über Nacht, das soge­nannte Vací­a­mi­ento, eine ille­gale Praxis. Die Arbeiter:innen erzählen aller­dings, dass Swiss­Just Argen­tina in den vergan­genen Jahren eine konti­nu­ier­liche Auftrags­stei­ge­rung hatte, von wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­keiten keine Rede.

Die Arbeiter:innen besetzten daher die leeren Lager­hallen und zogen kurzer­hand vor die Produk­ti­ons­an­lagen der Just Latam, knapp 40 Kilo­meter vom Standort der Lager­hallen entfernt. Dort versperrten sie den Ausgang des Werks­ge­ländes und blockierten so die Vertei­lung von Just-Gütern für den ganzen ameri­ka­ni­schen Kontinent.

Die Firma aus dem Appen­zell bestritt in einer vorhe­rigen Repor­tage von das Lamm jegliche Verant­wor­tung für das Handeln des Part­ner­un­ter­neh­mens. Grund dafür ist, dass in Latein­ame­rika die Eigen­tümer von Just nur für die Produk­tion verant­wort­lich sind. Die Vertei­lung über­nehmen selbst­stän­dige Part­ner­un­ter­nehmen, die einzig den Namen von Just in sich tragen.

Den Arbeiter:innen war das bewusst, doch sie insi­stierten: „Recht­lich gesehen waren wir ein Subun­ter­nehmen der Just und wurden immer so behan­delt, deswegen ist Just Latam auch für die Entlas­sung verant­wort­lich.“ Dieser Meinung war auch die Unia. In einem offenen Brief kriti­sierte die Sektion Säntis-Bodensee das „unwür­dige“ Verfahren des Unternehmens.

Eini­gung dank Erhö­hung des Drucks

Mehrere Medien, unter anderem die Work, Infosperber und das Lamm, berich­teten in der Schweiz über den Fall. Dem Lamm liegen mehrere Konsument:innenbriefe vor, die sich über das Handeln des Unter­neh­mens beschwerten und drohten, keine Produkte der Just mehr zu kaufen. Gusti Pollak, wütender Kunde und Lieder­ma­cher, schrieb: „Gesund­heits­pro­dukte können nur gesund sein, wenn sie auch auf gesunde Art und Weise vertrieben werden.“

Das Unter­nehmen aus Appen­zell schal­tete als Reak­tion einen Antwor­ten­ka­talog online und heuerte eine Kommu­ni­ka­tions- und Wirt­schafts­be­ra­tungs­firma an. Zudem kündigte es am 5. April an, eine Über­ein­kunft zwischen den Part­ner­un­ter­nehmen und der Gewerk­schaft zu unterstützen.

Der Geschäfts­führer der Just Heinz Moser zeigt sich gegen­über das Lamm erleich­tert über die Eini­gung. Man habe als „unbe­tei­ligte Dritte“ die Streit­par­teien an einen Tisch gebracht. „Wir waren immer an einer Dees­ka­la­tion inter­es­siert, einer­seits aus sozialer Verant­wor­tung, ande­rer­seits aus wirt­schaft­li­chem Inter­esse.“ Denn Just sei darauf ange­wiesen, dass die argen­ti­ni­sche Fabrik mit 220 Mitar­bei­tenden produ­zieren könne und die Vertei­lung der Produkte an die rund 70 000 Verkaufsberater:innen in Argen­ti­nien funktioniere.

In diesem Zusam­men­hang kriti­siert er auch die Gewerk­schaft CIS wegen „der Blockade der Fabrik“, die „ähnlich einer Bela­ge­rung“ gewesen sei. Zeit­weise habe man weder Rohstoffe in die Fabrik bringen noch fertige Produkte auslie­fern können. Die Aktion der Gewerk­schaft sei sehr frag­würdig gewesen, denn die blockierte Fabrik von Just in Argen­ti­nien habe direkt gar nichts mit dem Arbeits­kon­flikt bei Swiss­Just Argen­tina zu tun gehabt.

Doch sie führte zu einem erfolg­rei­chen Ergebnis und die jetzige Über­ein­kunft gibt in der Darstel­lung der Arbeiter:innen der Gewerk­schaft Recht. Die neue Arbeit­ge­berin sei als Beauf­tragte für Just Latam ein Subun­ter­nehmen des Schweizer Konzerns, und Just Latam auf Basis der argen­ti­ni­schen Gesetz­ge­bung für die Arbeiter:innen verant­wort­lich, so der zustän­dige Gewerk­schafts­se­kretär der CIS, Gustavo Córdoba.

Dieser Darstel­lung wider­spricht der Geschäfts­führer der Just Inter­na­tional AG, Heinz Moser, weder das alte noch das neue Logi­stik­un­ter­nehmen haben eine direkte Verbin­dung zur Just. Just Inter­na­tional AG bestreitet den Vorwurf, dass sie gegen geltende Gesetze verstossen habe. Auch das Lamm konnte im Zusam­men­hang seiner Recher­chen keinen Geset­zes­ver­stoss entdecken.

Die ehema­ligen Ange­stellten der Swiss­Just Argen­tina haben erreicht, dass sie zu den glei­chen Bedin­gungen ange­stellt werden und zusätz­lich aufgrund des längeren Arbeits­weges eine Entschä­di­gung und kürzere Arbeits­zeiten erhalten.

Córdoba ist sicht­lich erleich­tert: „Das Ergebnis zeigt, dass Arbeits­kämpfe erfolg­reich sein können.“ Die fast zwei­stün­dige Fahrt in die weiter entfernten Hallen der Trans­farmaco müssten die Arbeiter:innen aufgrund der schwie­rigen wirt­schaft­li­chen Situa­tion in Kauf nehmen. „Die anfäng­liche Lage sah ausweglos aus, nun konnten wir zumin­dest eine ausrei­chende Lösung für die Genoss:innen erreichen.“

Die Gewerk­schaft will nun dafür sorgen, dass die Verein­ba­rung auch einge­halten wird. Sie kündigte in einer Pres­se­mit­tei­lung an, bis zur Unter­schrift aller Verträge die leeren Lager­hallen der Swiss­Just Argen­tina besetzt zu halten. Erst wenn alles unter Dach und Fach ist, sei der Arbeits­kampf beendet.

Korrektur: Dieser Artikel wurde nach Bitten der Just Inter­na­tional AG am 14. April leicht verän­dert. Der Arbeits­kampf in Argen­ti­nien betrifft die Swiss­Just AG, bei der es sich ein von der Just Inter­na­tional AG recht­lich unab­hän­giges Unter­nehmen handelt. Die Verbin­dung zur Just Inter­na­tional AG im Appen­zell wurde durch die UNIA und die Arbeiter:innen der Swiss­Just Argen­tina gemacht.


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