Alles, was man über Palmöl wissen muss

Seit Anfang 2016 muss auf Lebens­mit­teln stehen, wenn sie Palmöl enthalten. Und in Zürcher Stadt­kü­chen soll auf das tropi­sche Fett gar ganz verzichtet werden. Was hat es mit Palmöl auf sich, dass es Poli­ti­ke­rInnen so auf Trab hält? 
Die Früchte einer Ölpalme auf einem Markt in Burkina Faso. (Foto: Marco Schmidt)

 

Was ist Palmöl?

Palmöl ist so etwas wie das Olivenöl der tropi­schen Küche. Wo wir Raps‑, Sonnen­blumen, Erdnuss- oder Olivenöl nehmen, greifen afri­ka­ni­sche, asia­ti­sche oder südame­ri­ka­ni­sche Köche meist zum Palmöl. Dieses teilt eine weitere Gemein­sam­keit mit unserem medi­ter­ranen Lieb­lings­fett: Indu­striell produ­ziert schmeckt es deut­lich schlechter als frisch gepresst. Frisches Palmöl ist klar, leicht süss­lich, ja, es hat gar einen leichten Veil­chen­ge­ruch. Indu­stri­elles Palmöl erkennt man an der trüben Färbung und dem stren­geren Geschmack.
Das Öl gewinnt man aus dem Frucht­fleisch der Ölpalme, einem unge­mein ertrag­rei­chen Baum. 30 Meter hoch trägt sie bis zu 6000 Früchte, die zusammen fast 50 Kilo­gramm wiegen.

Manchmal spricht man auch von Palm­kernöl, das aus den Kernen der Früchte, die an der Ölpalme baumeln, gewonnen wird.

Wer produ­ziert Palmöl?

Indo­ne­sien und Malaysia, wobei das natür­lich nur die Länder sind, in denen die wich­tig­sten Palm­öl­pro­du­zenten ihre Plan­tagen haben: 85 Prozent des Palmöls stammt aus einem der beiden Länder.

Von den Firmen, die dort Palmöl anbauen, wirst du aber noch nie gehört haben. Dabei hat Wilmar Inter­na­tional, der Welt­markt­führer, 2014 einen Umsatz von 43 Milli­arden US-Dollar erzielt und 94‘000 Personen beschäf­tigt. Auch die anderen grossen Palm­öl­pro­du­zenten sind Milli­ar­den­kon­zerne. Sime Darby Berhad machte 2013 13 Milli­arden, IOI 12 Milli­arden Dollar Umsatz.

Wo steckt Palmöl drin?

Überall. In allen mögli­chen Lebens­mit­teln, etwa in Ovomal­ti­n­eguetzli, in Buitonis Fertig­pizzen oder in Züri Tirg­geln – ja, sogar in diesem lokal produ­zierten Tradi­ti­ons­ge­bäck findet sich heute das tropi­sche Fett. Palmöl steckt aber auch in Kerzen oder in Sham­poos. Green­peace geht davon aus, dass Palmöl in 50 Prozent aller im Super­markt erhält­li­chen Produkte zu finden ist.

Auf dem Welt­markt hat Palmöl 30 Prozent Markt­an­teile. Damit ist es das meist­ge­nutzte pflanz­liche Öl welt­weit. Und es erfreut sich nach wie vor stei­gender Beliebt­heit. 2015 erreichte die Palm­öl­pro­duk­tion 60 Millionen Tonnen; 2001 waren bloss 25.6 Millionen Tonnen produ­ziert worden.

Wieso ist Palmöl so beliebt?

Die Sache ist ganz einfach: Palmöl ist günstig, weil es effi­zient zu produ­zieren ist. Eine Ölpalme ist etwa deut­lich effi­zi­enter als das eben­falls sehr günstige Raps. Das gab kürz­lich auch die Zürcher Stadt­rätin Claudia Nielsen zu bedenken, als im Zürcher Stadt­par­la­ment debat­tiert wurde, ob in den Küchen städ­ti­scher Betriebe künftig auf Palmöl verzichtet werden sollte.

Aber Palmöl ist nicht nur günstig, es ist auch gesund. Ein Esslöffel rotes Palmöl enthält bereits mehr als die täglich benö­tigte Dosis an Vitamin A, Betaka­rotin und Vitamin E. Das ist aber nicht der Grund, weshalb Nahrungs­mit­tel­pro­du­zenten auf Palmöl setzen. Diese schätzen am Palmöl seine heraus­ra­gende Hitze- und Oxida­ti­ons­sta­bi­lität — und dass es kaum unge­sät­tigte Fett­säuren enthält, die sich beim Braten in gefähr­lich Trans­fette umwandeln.

Palm­kernöl hat zudem die schmack­hafte Eigen­schaft, bei Raum­tem­pe­ratur fest zu sein, bei Körper­tem­pe­ratur aller­dings schnell zu schmelzen. Das macht Palm­kernöl für Scho­ko­la­de­pro­du­zenten unverzichtbar.

Ok, bis jetzt klingt Palmöl nach einem Wunder­mittel. Wieso reagieren denn alle so hyste­risch, wenn ein Produkt Palmöl enthält?

Weil Palmöl auf Plan­tagen in den Tropen gewonnen wird. Und für diese Plan­tagen sind in den letzten 15 Jahren Millionen von Hektaren Regen­wald abge­holzt worden. Pro Jahr rodet Indo­ne­sien etwa 800’000 Hektar Regen­wald. Zum Vergleich: Die ganze Schweiz verfügt über Acker­land von 400’000 Hektar.

Wissen­schaf­te­rInnen haben mithilfe von Satel­li­ten­bil­dern berechnet, dass Indo­ne­sien zwischen 2000 und 2012 sechs Millionen Hektar Regen­wald abge­holzt hat; ein grosser Teil der so gewonnen Fläche wird heute von Ölpalmen bedeckt. Zum

Vergleich: Die gesamte Wald­fläche der Schweiz macht 1.3 Millionen Hektar aus.
Im Regen­wald und vor allem im Boden, auf dem dieser seit Millionen Jahren wächst, sind gigan­ti­sche Mengen CO2 gespei­chert. In einem Hektar Regen­wald sind 6’000 Tonnen Kohlen­stoff gespei­chert; ein mittel­eu­ro­päi­scher Wald spei­chert auf der glei­chen Fläche bloss 120 Tonnen. Rodet man den Regen­wald, entweicht dieses CO2 in die Atmo­sphäre. Indo­ne­sien wurde dadurch zu einem der grössten CO2-Emit­tenten weltweit.

In Indo­ne­sien wurden in den letzten Jahren zudem Torf­ge­biete trocken­ge­legt und anschlies­send abge­brannt, um weiteren Platz für Palm­öl­plan­tagen zu gewinnen. Satel­li­ten­auf­nahmen belegen, dass die riesigen Brände auf Sumatra und Borneo im Jahr 2013 auf Brand­ro­dung von Torf­ge­bieten zurück­zu­führen sind, auf denen später Palmö­plan­tagen ange­legt werden sollten. Auch in den Torf­ge­bieten lagert so viel Kohlen­stoff, dass Indo­ne­sien seine CO2-Reduk­ti­ons­ziele eigent­lich gleich vergessen kann, wenn es die Trocken­le­gungen nicht stoppt.

In Indonesien sind gigantische Flächen Regenwald abgeholzt worden. Nicht nur, aber auch für Palmölplantagen. (CC by Rainforest Action Network)
In Indo­ne­sien sind gigan­ti­sche Flächen Regen­wald abge­holzt worden. Nicht nur, aber auch für Palm­öl­plan­tagen. (Foto: Rain­fo­rest Action Network)

Die Zerstö­rung der Regen­wälder ist natür­lich nicht nur für das Welt­klima verhee­rend. Ganz nebenbei verlieren Tausende Tier­arten, von denen der Orang-Utan der bekann­teste ist, ihren Lebens­raum.
Ach ja, da wären natür­lich noch die Viel­zahl an Menschen­rechts­ver­let­zungen zu nennen, mit denen die Palm­öl­kon­zerne von sich reden machen. Die alle aufzu­li­sten, würde zu weit führen.

Und das ganze scheint kein Ende nehmen zu wollen. Bis 2025 will Indo­ne­sien seine Anbau­fläche für Palmöl fast verdoppeln.

Also sollten wir auf Palmöl ganz verzichten?

Das ist auch nicht wirk­lich klug. Denn wollte man Palmöl durch andere Öle ersetzen, etwa durch Sonnen­blumen- oder Rapsöl, bräuchte man viel grös­sere Anbau­flä­chen für diese Pflanzen.

Wie wär es denn mit nach­hal­tigem Palmöl?

Das wäre, rein theo­re­tisch, eine Möglich­keit. Es ist keine Hexerei, die Ölpalme nach­haltig anzu­bauen. In West­afrika, von wo die Palme ursprüng­lich stammt, kochte man mit Palmöl, lange bevor Wander für seine Ovomal­ti­n­eguetzli die hervor­ra­genden Schmelz­ei­gen­schaften nutzen wollte. Aber das war zu vorin­du­stri­ellen Zeiten. Und wie wir wissen, hat die Indu­stria­li­sie­rung der Umwelt nur wenig Freude bereitet.

Heute gibt es zwar Biopalmöl. Auf Biopro­dukten ist jeweils ange­geben, ob das Palmöl aus biolo­gi­schem Anbau stammt. Sonst bleibt Konsu­men­tInnen nur eins: Nach­zu­fragen, woher das Palmöl in den Produkten stammt. Fragt man Unter­nehmen an, ob sie sich bewusst sind, dass für ihre Guetzli oder für ihr Shampoo Regen­wald gerodet wird, verweisen sie auf eine Art Label, das beschei­nigen soll, wie nach­haltig ihr Palmöl ist: Den Runden Tisch für nach­hal­tiges Palmöl (RSPO, Round­table for Sustainable Palm Oil). Der WWF hat diesen 2004 ins Leben gerufen, um zusammen mit der Indu­strie Krite­rien für nach­haltig produ­ziertes Palmöl festzulegen.

Green­peace, Rettet den Regen­wald und weitere Umwelt­schutz­or­ga­ni­sa­tionen kriti­sieren den RSPO aller­dings massiv. Der Runde Tisch werde von Palm­öl­pro­du­zenten domi­niert, der RSPO wider­spiegle bloss einen unge­nü­genden Mini­mal­kon­sens. Das zeige sich beispiels­weise darin, wie der RSPO sein Abhol­zungs­verbot umsetze. Der RSPO verbiete die Abhol­zung nämlich nur dann, wenn die Unter­nehmen die durch die Abhol­zung entste­henden Emis­sionen nicht in irgend­einer Form kompen­sieren würden. Diese Rege­lung öffne weiteren Rodungen Tür und Tor, so Green­peace. Auch sei es nach RSPO erlaubt, in Indo­ne­sien Torf­ge­biete abzu­brennen, um Land für Palm­öl­plan­tagen zu gewinnen. Es sei daher nicht auszu­schliessen, dass die Brände von 2013 für neue RSPO-Plan­tagen gelegt wurden.

Das klingt alles so depri­mie­rend, was kann ich nun tun?

Den Kopf nicht hängen lassen. Wenn immer möglich, keine Produkte kaufen, die Palmöl enthalten. Dank der neuen Verord­nung, die Anfang Jahr in Kraft getreten ist, muss auch in der Schweiz dekla­riert werden, wenn Lebens­mittel Palmöl enthalten. In der EU ist eine entspre­chende Rege­lung seit 2014 in Kraft.
Aller­dings ist auch solch ein Boykott­ver­such voller Fall­stricke. In Kosme­tika versteckt sich Palmöl in verschie­denen Stoffen, die Konsu­menten kaum verständ­lich sind. Eine Liste findet ihr hier.


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