Braucht es die Eidge­nös­si­sche Kommis­sion gegen Rassismus?

Viele haben schon von der Eidge­nös­si­schen Kommis­sion gegen Rassismus (EKR) gehört, aber nur wenige wissen, was sie eigent­lich macht. Wir haben uns für euch schlau gemacht. 
Die EKR steht für präventive Rassismusbekämpfung. (Foto: Philipp Krauer)

„Kennst du die EKR?“ fragte ich neulich einen Freund, als wir an einem dieser Werbe­pla­kate mit kolo­nialem Anstrich vorbei­schlen­derten. „EKR? Das ist doch dieser Mundart-Rapper?“, entgeg­nete er leicht verun­si­chert. „Nein, nicht Eki… die Eidge­nös­si­sche Kommis­sion gegen Rassismus!” — „Nö, kenn’ ich nicht. Sollte ich die kennen? Was macht die denn?“ Gute Frage, dachte ich mir. Was macht die denn? 

Mein Freund ist keines­wegs unbe­lesen. Täglich besucht er News­por­tale, hört des öfteren Nach­richten im Radio und schaut abends gele­gent­lich die Tages­schau. Doch die EKR ist ihm auf seinen Streif­zügen durch den News-Dschungel noch nie unter­ge­kommen. Ihre Akti­vi­täten haben die Nach­rich­ten­re­dak­tionen nur selten auf dem Schirm. Höchste Zeit also, sich das Gremium ein wenig genauer anzuschauen.

Präven­tion statt Kontrolle

Die EKR wurde 1995 vom Bundesrat mit dem Ziel ins Leben gerufen, das inter­na­tio­nale Über­ein­kommen zur Besei­ti­gung jegli­cher Formen von Rassismus aus dem Jahr 1965 umzu­setzen. Es stellte nicht nur rassi­sti­sche Propa­ganda und Taten unter Strafe, sondern verlangte auch, dass dem Rassismus präventiv entge­gen­ge­wirkt wird. Das Ziel: Alle „Menschen unge­achtet ihrer ethni­schen oder natio­nalen Herkunft, Aussehen oder Reli­gion“ sollen gleich behan­delt werden. 

Versam­melt sind in der EKR Exper­tInnen und Vertre­te­rInnen bestimmter Inter­es­sen­gruppen. Ihre Mitglieder werden vom Bundesrat ernannt, wobei dieser dabei auf eine ausge­wo­gene Zusam­men­set­zung nach Geschlecht, Sprache, Alter und Inter­es­sen­gruppe achtet. Dementspre­chend sind Reli­gi­ons­ge­mein­schaften, Minder­heiten, Arbeit­geber- und Arbeit­neh­mer­or­ga­ni­sa­tionen sowie die Konfe­renzen der kanto­nalen Erzie­hungs- und der Poli­zei­di­rek­toren (EDK) vertreten. Aktuell gehören der EKR 16 Kommis­si­ons­mit­glieder an. Darunter sind etwa Wolf­gang Bürg­stein von der eidge­nös­si­schen Bischofs­kon­fe­renz, die Islam­wis­sen­schaft­lerin Rifa’at Lenzin oder der Experte für Sinti und Roma Stefan Heinichen.

Die EKR sei „keine Rassis­mus­po­lizei“, stellte die Präsi­dentin der EKR, die FDP-Poli­ti­kerin Martine Brun­schwig Graf, in einem Inter­view mit dem Tages­an­zeiger klar. Will heissen: Sie geht nicht im Auftrag der Justiz Vergehen nach, sondern sorgt proaktiv dafür, dass es gar nicht erst zu solchen kommt. Ihre Aufgaben lassen sich grob in fünf Bereiche gliedern.

Sensi­bi­li­sie­rung der Bevölkerung

Erstens sensi­bi­li­siert die EKR mittels Kampa­gnen, öffent­li­chen Auftritten und Stel­lung­nahmen die Öffent­lich­keit. In einer Medi­en­mit­tei­lung im März 2016 wies sie beispiels­weise darauf hin, dass die Publi­ka­tion von Adolf Hitlers Mein Kampf nur im Rahmen einer kriti­schen Edition mit entspre­chender histo­ri­scher Kontex­tua­li­sie­rung erlaubt sei. Am 1. Januar 2016 war nämlich das Urhe­ber­recht Bayerns auf das Pamphlet abge­laufen. Man musste dementspre­chend darauf aufmerksam machen, dass dies kein Frei­pass für sendungs­be­wusste, kopier­wü­tige Neonazis ist. Neben solchen Inter­ven­tionen gibt sie halb­jähr­lich das Magazin Tangram heraus. Es widmet sich jeweils einem Schwer­punkt­thema und kann gratis herun­ter­ge­laden oder bestellt werden. Die letzte Ausgabe handelte von Rassen­dis­kri­mi­nie­rung und dem Zugang zur Justiz.

Bera­tung von Behörden und Departementen 

Zwei­tens steht die EKR Behörden und Depar­te­menten bera­tend zur Seite. Sie nimmt an Vernehm­las­sungen teil, gibt Empfeh­lungen ab oder verfasst Gutachten. Auch Kantone und Gemeinden können auf dieses Bera­tungs­an­gebot zurück­greifen. So gab die EKR kürz­lich ein Rechts­gut­achten bei der Univer­sität Zürich in Auftrag, das die grund­recht­liche Bewe­gungs­frei­heit von Asyl­su­chenden beleuchtet. Auf dessen Basis wies die EKR den Bund, Kantone und Gemeinden schliess­lich darauf hin, dass „subjektiv wahr­ge­nom­mene Gefühle der Verun­si­che­rung oder diffuse Ängste“ nicht ausrei­chen, „um die Bewe­gungs­frei­heit von Asyl­su­chenden einzuschränken.“ 

Beob­achten gesell­schaft­li­cher Tendenzen

Drit­tens beob­achtet und analy­siert die EKR gesell­schaft­liche Tendenzen, indem sie selb­ständig recher­chiert. Dementspre­chend verfügt das Sekre­ta­riat über eine umfas­sende Doku­men­ta­tion von Zeitungs­ar­ti­keln und wissen­schaft­li­cher Lite­ratur. Für Laien hilf­reich ist hierbei der von der EKR zusam­men­ge­stellte Reader „Begriff­lich­keiten zum Thema Rassismus im natio­nalen und im inter­na­tio­nalen Verständnis“. Darin werden die wich­tig­sten Begriffe wie Rassismus, Anti­se­mi­tismus oder Diskri­mi­nie­rung kurz erklärt und im Kontext der gängigen Rechts­lage erläutert.

Moni­to­ring von Gerichtsurteilen

Eng damit verknüpft ist vier­tens das Moni­to­ring. Die EKR sammelt Gerichts­ur­teile, die im Zusam­men­hang mit der Rassis­mus­straf­norm gefällt werden. In den letzten Jahren häuften sich Straf­be­fehle aufgrund von rassi­sti­schen Äusse­rungen auf Face­book und Twitter. Laut der EKR hängt dies mit der Flücht­lings­krise zusammen.

Opfer­be­ra­tung

Fünf­tens bilden die Präsi­dentin und das Sekre­ta­riat der EKR eine Anlauf­stelle für Opfer rassi­stisch moti­vierter Über­griffe. Die EKR geht den Vorfällen nach und vermit­telt in Konfliktfällen.

Diesen Aufgaben geht die EKR oft gemeinsam mit anderen regio­nalen oder inter­na­tio­nalen Orga­ni­sa­tionen nach, zum Beispiel mit der NGO humanrights.ch oder der verwal­tungs­in­ternen Fach­stelle für Rassis­mus­be­kämp­fung FRB des Eidge­nös­si­schen Depar­te­ments des Innern. Im Gegen­satz zur EKR berät die FRB keine Opfer von Diskri­mi­nie­rung und sie darf bei Konflikt­fällen nicht vermit­telnd eingreifen. Dafür kann die FRB Projekte von Dritten finan­ziell unter­stützen, was der EKR unter­sagt ist. Der grösste Unter­schied liegt aber in ihrer Autonomie. 

Als ausser­par­la­men­ta­ri­sche Kommis­sion ist die EKR an keine Weisungen eines Mini­ste­riums gebunden und kann sich daher jeder­zeit frei äussern. SVP-Natio­nalrat Gregor Rutz wollte 2014 das Recht auf öffent­liche Stel­lung­nahmen seitens ausser­par­la­men­ta­ri­scher Kommis­sionen verbieten lassen. Sein Vorstoss schei­terte aber am Stän­derat. Seither sieht sich die EKR darin bestä­tigt, „dass die Infor­ma­tion und öffent­liche Meinungs­bil­dung Teil ihres Auftrags ist.“ Eine Gemein­sam­keit zwischen der EKR und E.K.R. gibt’s also doch: Mund verbieten? Fehlanzeige!


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