Die Mischung macht’s — wie Forscher:innen versu­chen, den Beton zu verbessern

Beton­pro­duk­tion ist ein wich­tiger Faktor im Klima­wandel, wird in der öffent­li­chen Debatte aber bis heute oft igno­riert. Viel­leicht auch, weil Beton so schwer zu ersetzen ist. Die meisten hippen Alter­na­tiven verpuffen bei näherem Hinsehen. Trotzdem könnte viel mehr getan werden. Eine Spuren­suche in zwei Teilen. Teil 1: Mit Bakte­rien gegen den doppelten CO2-Ausstoss. 
Kalksteinabbau bedeutet massive Eingriffe in die Umwelt – das LafargeHolcim-Werk am Mormont. (Foto: Kira Kynd)

Das Funda­ment unserer Zivi­li­sa­tion ist aus Beton gegossen. Beton steckt in Häusern, in Strassen und Brücken, in jedem Stück­chen Infra­struktur. Beton ist ein allge­gen­wär­tiger stummer Begleiter – und wird gerade darum gerne über­sehen. Beson­ders, was seine Auswir­kungen auf Umwelt und Klima betrifft.

Das ist fatal. Denn ausge­rechnet bei der Klima­bi­lanz erweist sich Beton als wahre CO2-Schleuder. Tatsäch­lich trägt der Baustoff mit etwa 6 % zum welt­weiten CO2-Ausstoss bei, was dem Drei- bis Vier­fa­chen der Luft­fahrt­branche entspricht. Nach­zu­lesen etwa im UN-Bericht zu wirt­schaft­lich trag­fä­higen Lösungen für eine nach­hal­tige Zement­in­du­strie von 2017.

Weil die Schweiz mit Lafar­ge­Holcim einen der grössten Beton­her­steller der Welt behei­matet und jähr­lich bis zu 40 Millionen Tonnen verbaut, liegt hier der Anteil CO2, der auf Beton zurück­ge­führt werden kann, sogar noch etwas höher: Zahlen, die die Eidge­nös­si­sche Mate­ri­al­prü­fungs- und Forschungs­an­stalt Empa im Auftrag des Bundes­amts für Umwelt (BAFU) ermit­telt hat.

2016 hat Lafar­ge­Holcim die Auswei­tung des Kalk­stein­ab­baus zur Beton­pro­duk­tion am Mormont-Hügel im schwei­ze­ri­schen Waadt bean­tragt. Der erwei­terte Abbau hätte tiefe Eingriffe in die Natur zufolge. Dagegen klagten Anwohner:innen und Umwelt­or­ga­ni­sa­tionen, Aktivist:innen besetzten den Mormont-Hügel mit einer ZAD. Obwohl der letzte Rekurs vor dem Bundes­ge­richt noch aussteht, wurde das Protest­camp am 30. März 2021 geräumt.

Egal ob durch den Kalk­stein­abbau am Mormont oder durch CO2-Emis­sionen bei der Verar­bei­tung: Klar ist, dass Beton­pro­duk­tion auf viel­fäl­tige Weise in die Umwelt eingreift und die Atmo­sphäre bela­stet. Nicht nur ange­sichts der drohenden Klima­ka­ta­strophe ist es also geboten, nach Wegen zu suchen, wie die schräge Umwelt­bi­lanz unseres wich­tig­sten Baustoffs verbes­sert bezie­hungs­weise der Beton selbst ersetzt werden kann.

Das Lamm hat sich auf die Suche begeben – und musste fest­stellen: Am Beton kann man sich nach wie vor die Zähne ausbeissen. Am Ende aber bleibt eine kleine Hoffnung.

living buil­ding mate­rials: Noch wenig praktikabel

Am Anfang dagegen steht eine Online-Recherche, die uns gleich eine ganze Reihe hipper Geschäfts­ideen um die Ohren haut. Mit Slogans aus der Kate­gorie „Neuer Baustoff für junge Leute“ bieten zahl­reiche Webseiten vermeint­liche Alter­na­tiven zum Beton, werben mit Umwelt­freund­lich­keit, Klima­schutz und moderner Stadt­ent­wick­lung. Hoch im Kurs stehen zum Beispiel Holz und Lehm, die wir im zweiten Teil der Arti­kel­serie unter die Lupe nehmen wollen. Hier inter­es­sieren uns abge­ho­be­nere Beton-Alter­na­tiven, die als living buil­ding mate­rial (lbm) verkauft werden – oder zukünftig verkauft werden sollen.

Der Begriff lbm fasst verschie­dene Baustoffe zusammen, die mithilfe lebender Orga­nismen herge­stellt werden und dadurch beson­ders umwelt­freund­lich sein sollen. Die Idee wurde bei Koral­len­riffen abge­schaut: Winzige Nessel­tier­chen filtern Kalk aus dem Wasser und bauen daraus riesige Kalk­stein­struk­turen wie das Great Barrier Reef, die Jahr­tau­sende über­stehen. Warum sollte das nicht auch bei mensch­li­chen Bauwerken funktionieren?

Je nach verwen­deter Lebens­form lassen sich beim lbm grob zwei Mate­ri­al­ka­te­go­rien unter­scheiden: bakte­rien- und pilz­ba­sierte Stoffe.

Schon bei der ersten Recherche fällt jedoch auf, dass die meisten Ansätze noch tief in der Erpro­bungs­phase stecken. Beworben werden sie in der Regel von Start-Ups, die in direkter Verbin­dung mit Forschungs­an­stalten und Univer­si­täten stehen. Führend sind die Forschungs­pro­gramme Resi­lient Mate­rials 4 Life (RM4L), ein Zusam­men­schluss mehrerer briti­scher Elite­uni­ver­si­täten, und Engi­neered Living Mate­rials (ELM), mitfi­nan­ziert vom US-ameri­ka­ni­schen Verteidigungsministerium.

2020 gingen Forscher:innen des ELM an die Öffent­lich­keit und stellten unter grossem Start-Up-Getöse ein neues living buil­ding mate­rial vor: eine Mischung aus Sand und Gela­tine, die mithilfe von kalk­stein­pro­du­zie­renden Bakte­rien in eine feste Emul­sion verwan­delt wird.

In Form gegossen und getrocknet entstehen daraus Back­steine, die theo­re­tisch zum Haus- und Stras­senbau verwendet werden können. Der Clou soll sein, dass die Bakte­rien im Prozess atmo­sphä­ri­sches CO2 binden und in das Mate­rial einla­gern – eine nega­tive CO2-Bilanz wäre also theo­re­tisch möglich.

Wir durch­for­sten die Website der Defense Advanced Rese­arch Projects Agency, Dach­or­ga­ni­sa­tion der ELM, die auch Waffen­tech­no­logie anpreist, nach einer E‑Mail-Adresse, stellen eine Inter­view­an­frage – und warten.

Als trotz des bemüht öffent­lich­keits­af­finen Inter­net­auf­tritts auch Tage später noch keine Antwort rein­ge­kommen ist, beschliessen wir, uns erst mal ein biss­chen Hinter­grund­wissen über den herkömm­li­chen Beton anzueignen.

Dazu geht die gleiche Anfrage an die Eidge­nös­si­sche Mate­ri­al­prü­fungs- und Forschungs­an­stalt (Empa). 2020 ist bei der Empa aus der Fusion zweier früherer Abtei­lungen die Abtei­lung Beton und Asphalt entstanden. Eine ihrer Haupt­auf­gaben ist die Forschung an „Tech­no­lo­gien und Mate­ria­lien für eine nach­hal­tige Produk­tion“ von Beton. Der Leiter der neuen Abtei­lung, Pietro Lura, antwortet schon am näch­sten Tag und trifft sich mit uns zum Gespräch – noch coro­na­kon­form via Zoom.

Gleich zum Auftakt zerstört Lura mit einem kleinen Rund­um­schlag fürs Erste die Träume von Science-Fiction-artigen Beton-Alter­na­tiven: Der gewöhn­liche, auf Zement basierte Beton ist ein Grund­pfeiler unserer Zivi­li­sa­tion, sagt er, und darum auf abseh­bare Zeit nicht zu ersetzen. Die Gründe liegen in einer Kombi­na­tion aus einfa­cher Verfüg­bar­keit und guten Mate­ri­al­ei­gen­schaften. Keines der bisher ange­boten Alter­na­tiv­ma­te­ria­lien kann da mithalten. Sie sind entweder in der Produk­tion aufwendig und teuer oder weniger haltbar als Beton – meistens beides.

Auch was das neue living buil­ding mate­rial der ELM angeht, winkt Lura ab: „Wenn die Bakte­rien kalk­hal­tige Struk­turen bauen sollen, woher kriegen sie das dafür benö­tigte Kalzium? Man muss es beigeben und dafür muss das Kalzium erst einmal aus Kalk­stein gewonnen werden.“ Genau wie beim Zement sind also grosse Kalk­stein­brüche notwendig.

Trotzdem sieht auch Lura im CO2-Ausstoss bei Produk­tion und Verar­bei­tung von Beton ein grosses Problem, das es zu lösen gilt. Für mögliche Lösungs­an­sätze muss jedoch zunächst verstanden werden, woher das Beton-CO2 tatsäch­lich kommt.

Brenn­stoffe und Altbeton: Einiges wäre möglich

„Bei der Herstel­lung von Beton wird CO2 nämlich auf zwei unter­schied­liche Arten frei“, sagt Lura. „Einer­seits muss der Zement zur Beton­her­stel­lung unter hohem Ener­gie­auf­wand gebrannt werden. Dabei wird CO2 ganz herkömm­lich als Abfall­pro­dukt der Verbren­nung an die Atmo­sphäre abgegeben.“

Die zweite in der Beton­her­stel­lung enthal­tene CO2-Quelle beruht auf einem chemi­schen Vorgang. Beton ist im Wesent­li­chen eine Mischung aus Füll­ma­te­ria­lien wie Kies, etwas Ton und Zement, der am Ende alles zusam­men­hält. Zur Zement­her­stel­lung wird Kalk­stein in Zement­werken zerklei­nert und bei 1450 Grad gebrannt. Heraus kommt der soge­nannte Zement­klinker als grobe stei­nige Struktur, die zermahlen den eigent­li­chen Zement ergibt.

Das Problem ist, dass Kalk­stein als erdei­gener CO2-Spei­cher fungiert, also CO2 bindet und im Boden einla­gert, wo es über Jahr­tau­sende oder länger gespei­chert werden kann. Genau genommen solange, bis der Kalk­stein grosser Hitze ausge­setzt wird – zum Beispiel beim Brennen von Zement – und das soge­nannte geogene CO2 in einer chemi­schen Reak­tion wieder frei­setzt: CO2 entsteht bei der Zement­pro­duk­tion also sowohl durch das verwen­dete Brenn­ma­te­rial als auch durch den chemi­schen Vorgang beim Brennen.

Und weil Zement auf diese doppelte Weise den CO2-Anteil in der Atmo­sphäre erhöht, muss der Hebel auch auf beiden Seiten ange­setzt werden, will man die Klima­schäd­lich­keit von Beton verringern.

Beim Brennen liegt der Schlüssel in den Brenn­stoffen, die verwendet werden, um den Dreh­ofen auf die nötigen 1450 Grad aufzu­heizen. Früher wurde Kohlen­staub oder in ressour­cen­rei­chen Ländern sogar Öl einge­setzt – beides fossile Brenn­stoffe, die wiederum eine grosse Menge CO2 abgeben. Heute werden dagegen mehr­heit­lich Abfälle und Indu­strie­rück­stände verbrannt. Oder, wie Lura es ausdrückt: „Zement­werke sind eigent­lich auch Müllverbrennungsanlagen.“

In die Öfen wird alles rein­ge­blasen, was leicht in Flammen aufgeht, von gewöhn­li­chem Haus­halts­müll über Lösungs­mit­tel­ab­fälle bis hin zu alten Auto­reifen. Tatsäch­lich landen in der Schweiz die meisten abge­nutzten Reifen irgend­wann in einem Zement­werk. Man könnte also argu­men­tieren, dass Zement­werke bei der Besei­ti­gung von Abfall helfen, der ohnehin verbrannt werden würde, und zumin­dest auf diesem Weg die CO2-Bilanz eines Landes nicht wesent­lich verändern.

Das einmal zuge­standen, bleibt aber das Problem des geogenen CO2 im Kalk­stein. Den Hebel auf dieser Seite anzu­setzen, heisst zuerst, den Anteil Zement, der für die chemi­sche Frei­set­zung von CO2 verant­wort­lich ist, in der Beton­mi­schung zu verrin­gern. Die einfachste Methode: weniger Zement verwenden und das fehlende Volumen mit gemah­lenem Altbeton als Gesteins­kör­nung auffüllen.

Das bringt einen gewissen Quali­täts­ver­lust mit sich, der aber je nach Einsatz­ge­biet gut zu verkraften ist. Ein Einfa­mi­li­en­haus zum Beispiel muss lange nicht so belast­barer sein wie eine Auto­bahn­brücke und kann damit weniger Zement enthalten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Altbeton wird recy­clet und ersetzt den anson­sten als Gesteins­kör­nung verwen­deten Kies, der oft umwelt­schäd­lich abge­baut wird. Gleich­zeitig verrin­gert sich der Zement­an­teil, womit der Ausstoss von geogenem CO2 sinkt.

Aus diesem Grund empfehlen auch die UN in ihrem Bericht zur nach­hal­tigen Zement­in­du­strie, dass Beton zukünftig besser nach Mass produ­ziert werden sollte, was vor allem bedeutet, je nach Einsatz­ge­biet den Zement­an­teil zu reduzieren.

Darüber hinaus können dem Beton Stoffe beigemischt werden, die den Zement auch in seiner chemi­schen Eigen­schaft zumin­dest ergänzen. Lura setzt grosse Hoff­nungen auf akti­vierte Tonerde, die chemisch ähnlich reagiert wie Zement. Weil Tonerde kein natür­li­cher CO2-Spei­cher ist, setzt sie beim Brennen aber kein geogenes CO2 frei. Ausserdem kann sie bei wesent­lich nied­ri­geren Tempe­ra­turen gebrannt werden, was Brenn­stoff spart. Beides verbes­sert die Beton-CO2-Bilanz erheblich.

So spricht sich auch der UN-Bericht für eine Mischung aus Zement, Gesteins­kör­nung und akti­vierten Tonen aus, die nicht zuletzt den Vorteil haben, dass sie welt­weit in ausrei­chendem Mass zur Verfü­gung stehen. Zum Beispiel auch in der Schweiz, einem anson­sten sehr rohstoff­armen Land. Wenn hier mehr lokal produ­ziert wird, verrin­gern sich die Trans­port­wege und damit wieder der CO2-Ausstoss.

Zu wenig Druck aus der Politik

Aber egal, um welches Verfahren es geht: Pietro Lura sieht noch einiges unaus­ge­schöpftes Poten­zial. Sonst wäre die CO2-Bilanz der schwei­ze­ri­schen Beton-Produk­tion nicht so schlecht, wie sie nun mal ist.

Um hier voran­zu­kommen, bedarf es vor allem der rich­tigen Anreize bezie­hungs­weise Druck­mittel, um die Indu­strie zu weiteren Schritten zu bewegen: in erster Linie ein CO2-Preis, der die Folge­ko­sten von Umwelt- und Klima­schäden ange­messen abbildet. Erst wenn die Firmen für ihren Ausstoss zahlen müssen, inve­stieren sie in Sauberkeit.

Das aktu­elle CO2-Gesetzt leistet auf diesem Gebiet leider keinen sinn­vollen Beitrag, weil es gerade CO2-inten­sive Betriebe, zu denen auch die Zement­branche gehört, von der CO2-Abgabe befreit. Im Gegenzug müssen sie ledig­lich am Emis­si­ons­handel teil­nehmen, der ihnen noch zusätz­lich Vorteile verschafft, wie Lamm-Repor­terin Alex Tiefen­ba­cher in ihrer Arti­kel­serie zur Abstim­mung über das kürz­lich abge­lehnte CO2-Gesetz detail­liert aufzeigt.

Der Grund: Zement­firmen, als Teil der soge­nannten Carbon-Leakage-gefähr­deten Bran­chen, wird unter­stellt, dass sie bei zu hohem Kosten­druck ihre Produk­tion und damit auch ihre CO2-Emis­sionen ins Ausland verschieben könnten. Um das zu verhin­dern, bekommen sie im Emis­si­ons­handel gross­zügig Gratis-Emis­si­ons­zer­ti­fi­kate übertragen.

Einige Zement­firmen erhalten auf diesem Weg sogar mehr Emis­si­ons­rechte geschenkt, als sie insge­samt verbrau­chen, was dazu führt, dass zum Beispiel bei Lafar­ge­Holcim CO2-Emis­si­ons­rechte im Wert von geschätzt 40 Millionen Franken auf Halde liegen.

Ein stei­gender CO2-Preis, wie er im aktu­ellen Gesetz durchaus vorge­sehen ist, erhöht unter diesen Umständen nicht den Inno­va­ti­ons­druck auf die Zement­branche, sondern stei­gert erst einmal den Wert der gebun­kerten CO2-Zerti­fi­kate. Der hohe CO2-Ausstoss wird im Endef­fekt also belohnt.

Erst wenn die Politik hier wirk­lich nach­bes­sert und eine verbind­liche CO2-Abgabe ohne Schlupf­lö­cher und Rück­ver­tei­lungs­me­cha­nismen schafft, können auch etwas ausge­feil­tere und teurere Verfahren zum Einsatz kommen. Zum Beispiel das soge­nannte Carbon Capture and Storage, bei dem CO2 aus der Luft gefil­tert, in den flüs­sigen Beton einge­la­gert und in Häusern und Strassen fest einge­mauert wird: aus der Luft wieder ins Mate­rial, vom klima­schäd­li­chen Gas zum harm­losen Feststoff.

Bis es so weit ist, wird die Lösung des Beton-Problems aber wahr­schein­lich nicht mit der einen grossen (und teuren) Erfin­dung kommen, weder beim Mate­rial noch bei der Verar­bei­tung. Und trotzdem können uns, wie gesehen, kleine prag­ma­ti­sche Schritte beim Klima­schutz durchaus voranbringen.

Es gibt also ein wenig Grund zur Hoff­nung, dass durch den welt­weit immer noch stei­genden Beton­ver­brauch nicht zwangs­läufig mehr CO2 ausge­stossen werden muss. Zumin­dest Lura ist opti­mi­stisch und verweist zum Schluss unseres Gesprächs auf eine ganz neue Entwick­lung aus der Schweiz:

„Das Ganze ist noch ein kleines Geheimnis“, sagt er, „aber es könnte schon bald funk­tio­nieren.“ In einem neuar­tigen chemi­schen Verfahren wollen Forscher:innen der Empa das hoch­wirk­same Klimagas Methan in seine Bestand­teile spalten: Kohlen­stoff und Wasser­stoff. Aus dem gewon­nenen Kohlen­stoff soll dann Carbon Black herge­stellt werden, ein graphit­ar­tiges Mate­rial, das sich wiederum dem Beton beimi­schen und verbauen liesse.

Methan wird zu Kohlen­stoff, Kohlen­stoff zu Beton, Beton zu Häusern, Wolken­krat­zern, Strassen, ganzen Städten. Unsere gesamte Infra­struktur wäre ein riesiger Methan-Spei­cher für die Jahr­tau­sende. Klima­pro­blem gelöst – ein Hoch auf den Beton!

Für eine Sekunde flackert im anson­sten ange­nehm prag­ma­ti­schen Gespräch mit Pietro Lura von der Eidge­nös­si­schen Mate­ri­al­prü­fungs- und Forschungs­an­stalt Empa die Gründer:innen-Euphorie von der living-buil­ding-mate­rial-Front auf. Wir reden über das Carbon Black, als könnte mit dieser einen Erfin­dung die grosse Wende einge­läutet werden.

Ob das wirk­lich Gutes verheisst, sei dahin­ge­stellt. Von Engi­neered Living Mate­rials haben wir jeden­falls immer noch nichts gehört. Die kapi­ta­li­sti­sche Vermark­tungs­rhe­torik verspricht Riesiges und versteckt sich scheu, wenn man etwas genauer nach­fragen will.

Viel­leicht wäre es beim Beton tatsäch­lich besser, die kleinen Schritte ins Visier zu nehmen und in die weniger knal­lige Forschung am Zement zu inve­stieren: den Zement­an­teil in der Beton­mi­schung redu­zieren, Zement ersetzen, wo es geht, und den Beton­ver­brauch insge­samt mindern. Fürs Erste ein ernüch­terndes Ergebnis. Aber immerhin ein Ergebnis.

Alles Weitere steht und fällt wohl mit der Politik. Wenn wir es schaffen, CO2 so teuer zu machen, wie es unsere Gesell­schaft zu stehen kommt, könnten viel­leicht irgend­wann auch abge­ho­bene Alter­na­tiven wie das lbm zumin­dest als Nischen­lö­sung Verwen­dung finden.


Jour­na­lismus kostet

Die Produk­tion dieses Arti­kels nahm 21 Stunden in Anspruch. Um alle Kosten zu decken, müssten wir mit diesem Artikel CHF 1352 einnehmen.

Als Leser*in von das Lamm konsu­mierst du unsere Texte, Bilder und Videos gratis. Und das wird auch immer so bleiben. Denn: mit Paywall keine Demo­kratie. Das bedeutet aber nicht, dass die Produk­tion unserer Inhalte gratis ist. Die trockene Rech­nung sieht so aus:

Löse direkt über den Twint-Button ein Soli-Abo für CHF 60 im Jahr!

Ähnliche Artikel