Unser Artikel zu den Zuständen im neuen Bundesasylzentrum (BAZ) auf dem Duttweilerareal in Zürich hat viele Reaktionen ausgelöst. Alle grossen Zürcher Bild:Zeitungen haben das Thema aufgegriffen. Auch dank der Fraktionserklärung der Alternativen Liste, die am selben Tag erfolgte.
Unsere Recherche hat aufgezeigt, dass die Zustände im neuen Zentrum noch schlimmer sind als erwartet. Das BAZ auf dem Duttweilerareal ist ein Lager. Seine Architektur gleicht derjenigen eines Gefängnisses; seine Insass*innen werden ihrer Autonomie beraubt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) setzt via Securitas AG rigide Regeln durch, etwa die Körperdurchsuchung beim Betreten des BAZ oder nächtliche Zimmerkontrollen. Diese Praktiken des SEM werden jetzt breit diskutiert und kritisiert. Das ist erfreulich.
Doch der mediale Aufschrei rund ums Zürcher Lager-Regime suggeriert, dass die von uns beschriebenen Zustände überraschend sind. Nur: Das sind sie nicht. Schon seit März werden in der ganzen Schweiz Bundesasylzentren betrieben, in denen ähnliche Zustände herrschen wie in Zürich. Sogar noch schlimmere, wie der SEM-Sprecher Daniel Bach gegenüber der NZZ erstaunlich freimütig zugibt: „Zürich hat die liberalste Hausordnung aller Bundesasylzentren schweizweit“, sagt er. Und sagt somit eigentlich alles, was es zum Schweizer Asylwesen zu sagen gibt. Überraschend wäre es gewesen, wenn im Zürcher BAZ völlig andere Regeln gegolten hätten als in den übrigen Zentren. Der jetzige mediale Aufschrei spricht also vor allem dafür, wie konsequent sich die Medienlandschaft bis jetzt der Auseinandersetzung mit der neuen Schweizer Asylpolitik verweigert hat.
Die Grundlage für diese Politik legte die Stimmbevölkerung in der Abstimmung über das neue Asylgesetz. Einer Abstimmung, in der sich unter anderem die SP für ein Ja aussprach: die Partei, deren Stadtrat Raphael Golta sich jetzt über unmenschliche Zustände empört. Das ist scheinheilig. Denn das neue Schweizer Asylgesetz, das seine Partei wesentlich mitgetragen hat, sieht die konzentrierte Unterbringung Geflüchteter explizit vor. In Zentren, in denen sich ihr ganzes Leben abspielen soll – in unmittelbarer Nähe zu Beamt*innen, die über ihr Leben bestimmen und dafür mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet sind. Entscheidend ist nicht, wie weit das SEM mit seiner Repression in Zürich tatsächlich geht. Entscheidend ist, dass es die Wahl hat.
Es ist also zwar erfreulich, dass die Praktiken, die das SEM auf dem Duttweilerareal durchsetzt, jetzt kritisiert werden. Aber es genügt nicht, in Zürich lockerere Eingangskontrollen und freundlichere Securitas-Mitarbeiter*innen zu fordern. Das eigentliche Problem liegt tiefer und betrifft nicht nur Zürich: Die Kritik muss radikaler sein. Alles andere ist heuchlerisch.
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