„Die Polizei fürchtet die totale Eskalation“

Seit 2008 marschieren am 11.11. jeweils zehn­tau­sende Natio­na­li­stInnen, Faschi­stInnen und Rechts­extre­mi­stInnen durch Polens Haupt­stadt. An ihrer Seite: Fami­lien, Kriegs­ve­te­ranen und Regie­rungs­mit­glieder. Am „Marsz Niepod­leg­losci“ scheint Warschau an den reak­tio­nären Patrio­tismus verloren. Doch es gibt sie, gespalten und uneinig, aber vorhanden, die Linke in Polen. Ein persön­li­cher Bericht von einer Gegenveranstaltung. 
Das Motto der Gegendemonstration 2019 lautet „Für die Freiheit – eure wie unsere". Explizit mitgemeint ist die Freiheit, offen LGBTQI* zu sein, im heutigen Polen oftmals ein potenziell lebensgefährliches Unterfangen. (c) NW

Wirft man Würfel­zucker in einen altmo­di­schen Benzin­tank, dann tritt eine chemi­sche Reak­tion in Kraft, die das Fahr­zeug lahm­legt und irrepa­rabel beschä­digt. Dann, einige Kilo­meter später, macht es „pfffttt“ und das Gefährt kommt zum Erliegen. Nicht wenige Wehr­machts­fahr­zeuge hat dieses Schicksal während der Beset­zung Polens ereilt.

Ich kenne den Krieg und die Beset­zung Polens durch Hitler­deutsch­land nur aus den Erzäh­lungen meines Gross­va­ters. Durch all die schockie­renden Anek­doten ist mir beson­ders die kind­liche Sabo­tage deut­scher Mili­tär­fahr­zeuge durch ihn und seine Freunde in Erin­ne­rung geblieben. Würfel­zucker gegen deut­sche Maschinen, das ist schon fast etwas poetisch.

Mein Gross­vater wählt heute die PIS, die rechts­na­tio­nale Regie­rungs­partei, um deren Rechts­staat­lich­keit sich auch die EU Sorgen macht. Ordnung muss her, sagt er. Der Mann, der den Tota­li­ta­rismus zweimal über­lebt hat und dessen Familie dadurch in Stücke gerissen wurde.

Den Unab­hän­gig­keits­marsch – auf Polnisch „Marsz Niepod­leg­losci“ – verfolgt mein Gross­vater dieses Jahr ledig­lich vor dem Fern­seher, mit seiner Hand auf der Brust vermut­lich. Er lässt sich die grösste Zusam­men­rot­tung von Natio­na­li­stInnen in Europa nicht entgehen, oder wie er wohl sagen würde: die grösste Bekun­dung natio­naler Einheit in Europa.

Der Marsch ist ein Volks­fest, ein kommer­zi­eller Kassen­schlager, der seit 2010 jähr­lich in Warschau statt­findet. Schon Tage vorher ist Warschau voll mit weiss-roten Fahnen, überall verkaufen kleine und grös­sere Stände Acces­soires in den Landes­farben, Armbinden, Haar­reifen, T‑Shirts, Aufnäher, Fähn­chen und Ballone.

Wem das zu subtil ist, für den gibt es Shirts mit der Aufschrift „Patriot!“, „Weisses Polen“ oder mit Kelten­kreuzen. Und irgendwo werden sicher auch diese Sticker verkauft, die überall in der Stadt auftau­chen: „Wir töten euch, ihr Antifa-Nutten“, „Fick die Antifa!“, oder „Celtic White Boys“.

Natio­nal­stolz zu verkaufen, dazwi­schen ein paar Pokemon-Mützen. Für Klein­händ­le­rInnen sind die Tage vor dem 11.11 wie Weih­nachten. © NW

09.11.2019

„Polen ist nicht nur dieses Nazi­nest.“ Trink­pause. Paul kippt den Rest seines Biers herunter. Wir sitzen in einem kleinen viet­na­me­si­schen Restau­rant. An der Türe des Lokals klebt ein kleiner, regen­bo­gen­far­bener Kleber mit der Aufschrift „Hier bist du sicher“. „Eigent­lich ist momentan aber das Gegen­teil im Trend“, sagt Paul. Er spielt auf die Kleber an, die eine polni­sche Tages­zei­tung vor einiger Zeit als Gratis­bei­lage hatte: „Auf denen steht ‚LGBTQ-freie Zone‘. So wünscht sich die PIS das Land eben, weiss, hetero, christ­lich und straff rechts.“ Unter der momen­tanen Regie­rung sei nicht nur der Frem­den­hass eska­liert; auch der Hass auf LGBTQI*, auf Frauen, auf Linke habe spürbar zuge­nommen. Die rechts­extreme ONR ist zudem im Aufwind, als Konkur­renz rechts der PIS. Noch ein Bier.

In zwei Tagen wird Warschau wieder brennen. In roten und weissen Rauch getaucht wird die legale Rechts­aus­sen­de­mon­stra­tion durch die polni­sche Haupt­stadt ziehen.

Daran sei die PIS schuld, meint Paul wütend. „Sie gibt den Leuten das Gefühl, wer nicht mitläuft, ist kein Pole, sei ein schlechter Bürger.“ Die Partei kaufe die Leute unter dem Jahr mit finan­zi­ellen Geschenken und betäube sie mit natio­na­li­sti­schem Gedudel. So würde sie ganz durch­schnitt­li­chen Bürge­rInnen und Fami­lien die nötige Legi­ti­mität geben, Seite an Seite mit den Faschi­stInnen mitzu­mar­schieren, das gehöre sich eben so.

Paul findet es wichtig und richtig, der Kriegs­hel­dInnen Polens zu gedenken, etwa der Aufstän­di­schen der Heimat­armee, die sich im von August bis Oktober 1944 dauernden soge­nannten Warschauer Aufstand (vergeb­lich) gegen die deut­sche Besat­zungs­macht erhoben.

Auch wenn der Marsch der Unab­hän­gig­keit eigent­lich die polni­sche Unab­hän­gig­keit nach 123 Jahren Besat­zung durch Russ­land, Öster­reich und Preussen am 11.11.1918 feiert, sind die HeldInnen (meistens aber Helden) des Wider­stands im Zweiten Welt­krieg oft im Fokus. Solange sie in das domi­nante Bild passen: weiss und polnisch. Dass viele JüdInnen den Wider­stand voran­ge­trieben haben, wird verleugnet, der kommu­ni­stisch geprägte Teil der Wider­stands­be­we­gung aus dem kollek­tiven Gedächtnis radiert.

„Stirb, du Juden­schwein.“ Diesen Kleber entfernen wir später in der Nähe des Kultur­pa­la­stes, im touri­sti­schen Zentrum von Warschau.

10.11.2019

„Der Unab­hän­gig­keitstag war histo­risch gesehen eher links konno­tiert. Die Rechten fingen erst 2008 an, an diesem Datum auf die Strasse zu gehen“, erzählt mir Radek.

Es ist der Abend vor dem Marsch, wir sitzen in einer Kneipe im Osten Warschaus. Simple Holz­bänke, es gibt Bier oder Frucht­saft, rote Vorhänge und gleich­far­bene Tisch­tü­cher. Radek nennt sich selbst­iro­nisch „Veteran“. Er ist Fami­li­en­vater und in die Jahre gekommen, sein Job und das stän­dige Pendeln verlangten ihm viel Zeit ab. Früher hat Radek den mili­tan­teren Teil der linken Gegen­de­mon­stra­tion mitor­ga­ni­siert, doch dieses Jahr ist er nur noch als Teil­nehmer dabei. Radek ist Teil einer polen­weiten anti­fa­schi­sti­schen Gruppierung.

„Vermöbel deine lokalen Antifas.“ Sticker über einem Aufruf zur breiten Gegen­de­mon­stra­tion. © NW

„Die Nazis wollten schon einmal 1998 am 11.11. marschieren, sie waren 200, wir 400. Sie sind dann ein paar Jahre zuhause geblieben“, erin­nert sich Radek. Doch ab 2008 kamen sie wieder, 2010 begann dann der natio­na­li­sti­sche Volks­marsch inner­halb der Bevöl­ke­rung an Zulauf zu gewinnen. 2011 waren es schon rund 20’000 Teil­neh­me­rInnen, letztes Jahr über 200’000. In diesem Jahr spra­chen die Veran­stalter, die Rechts­aussen-Partei ONR, vergleichbar mit der NPD oder der PNOS, von 150’000 Teil­neh­me­rInnen, offi­zi­elle Stellen vermelden knapp 50’000. Die Wahr­heit liegt wohl irgendwo in der Mitte.

Seit Jahren nehmen aber nicht nur Polinnen und Polen am Marsch teil: Auch Neonazis aus Ungarn, Slowe­nien und der Slowakei, der Ukraine, Schweden, Deutsch­land und Italien reisen Jahr für Jahr nach Warschau. Inner­halb der rechten polni­schen Szene sind die Meinungen zu den auslän­di­schen Gästen gespalten. Manchmal kommt es zu Schar­müt­zeln zwischen den polni­schen Natio­na­li­stInnen und ihren auslän­di­schen Gesin­nungs­ge­nos­sInnen. Weit häufiger ist jedoch Gast­freund­schaft, oft wird etwa die „slavi­sche Bruder­schaft“ beschworen. „Warschau ist am 11.11. der einzige Ort auf der Welt, wo sie offi­ziell marschieren können“, sagt Radek. Die Inhalte hätten denn auch mit Unab­hän­gig­keit oder Polen nur entfernt zu tun. Abtrei­bungs­geg­ner­schaft ist genauso ein Thema wie die gefürch­tete Über­frem­dung oder Anti­se­mi­tismus, Vernich­tungs­fan­ta­sien können hier offen arti­ku­liert werden.

Bereits Tage vor dem Marsch werden die Neofa­schi­stInnen in der Stadt immer sicht­barer, mehr und mehr Kleber tauchen auf. Jugend­liche in Mili­tär­klei­dung mit „Red is Bad“-Armbinden patrouil­lieren durch die Altstadt. Es gibt zwar immer wieder klei­nere Reibe­reien, aber für Linke sei es massiv gefähr­lich, in den Tagen um den Marsch gegen die Neonazis vorzu­gehen, sich auch nur schon offen als links zu bekennen, sei ein erheb­li­ches Risiko. „Viele, die anreisen, kommen nicht, um zu kämpfen. Sie sind bereit, zu töten“, sagt Radek, der Veteran, trocken.

2013 gab es einen grös­seren Zwischen­fall mit mehreren Verletzten, als eine besetzte Liegen­schaft, der Squat Przy­chodnia, während des Marsches von polni­schen und unga­ri­schen Neonazis ange­griffen wurde. Die Strasse wird seither von der Polizei abge­rie­gelt, die Bewoh­ne­rInnen der besetzten Liegen­schaft verbar­ri­ka­dieren sich bereits Tage vorher und empfangen keine BesucherInnen.

Jedes Jahr kommt es jedoch zu mehreren klei­neren Zwischen­fällen. „Das Einzige, was wir an diesem Tag wirk­lich machen können, ist Präsenz markieren“, sagt Radek. „Alles andere ist schlichtweg zu gefähr­lich: Wir sind zu wenige.“

11.11.2019

Aus kleinen polni­schen Dörfern reisen sie an, aus Kielce, Konin, Szczecin, Wroclaw, Poznan. „Macht Lärm für all jene, die aus allen Landes­teilen anreisen, um zu sagen ‚Nein!‘, das ist nicht das Polen das wir wollen, Polen ist nicht so!“, brüllt ein Mann mit Perücke von einem der Sound­wagen runter. „Weisses Polen nur im Winter!“ Die Menge skan­diert die Parole immer wieder. Dazwi­schen „Gleich­heit, Frei­heit, Soli­da­rität“. Seltener: „Raz, dwa, Antifa!“ Viele Parolen behan­deln zudem queere Themen und Femi­nismus, auch über das gefähr­dete, kurdi­sche Projekt Rojava in Nord­sy­rien wird immer wieder gesprochen.

Die Gegen­de­mon­stra­tion zum Unab­hän­gig­keits­marsch steht unter dem Motto „Für die Frei­heit – eure wie unsere“. Ein sehr offenes Motto. Der Slogan des Unab­hän­gig­keits­mar­sches selbst lautet „Nimm die ganze Nation in deinen Schutz“. Der Wider­spruch ergibt sich im heutigen Polen von selbst.

Gelaufen wird an der Gegen­de­mon­stra­tion in Blöcken, es gibt einen Queer­block, einen parla­men­ta­ri­schen Teil, einen femi­ni­sti­schen Block, einen Umwelt­block und auch einen Teil mit Fahnen­schwin­ge­rInnen, die synchron riesige Stoff­stücke mit links­po­li­ti­schen Aufdrucken durch die Luft wirbeln. Wir reihen uns im hinteren Drittel der Demon­stra­tion ein, hier läuft wahl­weise Techno, Hip Hop oder Punk. Es gibt einen riesigen Sound­wagen mit mark­erschüt­terndem Bass. Wie Street­pa­rade ohne Drogen, denke ich kurz, doch die Menschen, die hier laufen, sind fast durch­ge­hend vermummt. Die meisten hier sind Anar­chi­stInnen verschie­dener Ausrichtungen.

David ist nach eigener Angabe „Anarcho-Insur­rec­tionist“ und mit einer Gruppe von rund 15 Personen aus Kielce ange­reist. Er trägt einen Antifa-Pull­over und trinkt einen pinken Monster-Ener­gy­drink – wie viele andere in der polni­schen Links­aussen-Szene ist er straight edge, viele sind zu dem vegan. Nicht so Davids Kollege Tomasz. Er zieht sein Pali­tuch vom Gesicht und zündet sich eine Ziga­rette an, bietet uns welche an und fängt dann an, wild zur dröh­nenden Musik zu tanzen. Für die Frei­heit, denke ich.

„Viele unserer Leute kommen nicht mehr nach Warschau, weil es zu wenig konfron­tativ ist – ausserdem ist es unglaub­lich frustrie­rend zu wissen, dass wir den Marsch nicht aufhalten können.“ Auch ein Grund für das Fern­bleiben einiger radi­ka­lerer Kräfte: „Die parla­men­ta­ri­sche Linke läuft mit“, erklärt David und zeigt auf die kleine links­po­li­ti­sche Initia­tive Razem, die hinter uns für ein Foto posiert. Lewica Razem ist bei den Wahlen Ende Oktober zum ersten Mal ins Parla­ment eingezogen.

Inner­halb der Demon­stra­tion wird die Durch­mi­schung dieser linken Szene, die keine ist, sichtbar. Jung und Alt. Trans­per­sonen, Menschen mit Regen­bo­gen­fahnen, Kinder und femi­ni­sti­sche Plakate, ein Mann verteilt Zeitungen, eine junge Frau Info­flyer zur Repres­sion. Drei Einhörner ragen weit über den Köpfen der Demon­strie­renden in die Luft, eines ist grün, für die Umwelt, eines schwarz, für die Frauen und in Anleh­nung an den Schwarzen Protest, der vor drei Jahren die Revi­sion des Abtrei­bungs­rechts zu Fall brachte, und eines rosa – für MigrantInnen.

Es laufen Personen mit Polen- und EU-Flaggen umher, wenn auch wenige. „Schau, ich verstehe das auch nicht“, sagt David als Antwort auf meinen irri­tierten Blick. „Aber diese Menschen wollen halt zeigen, dass sie Polen lieben und dennoch nicht den Nazis über­lassen wollen, das ist schon gut so, auch wenn dieser natio­na­li­sti­sche Anstrich nicht meine Posi­tion wieder­gibt.“ Vor uns reiht sich eine junge Frau im Pelz­mantel ein, sie schwingt die pastell­far­bene Trans*-Flagge. Ich schaue David fragend an: „Ist es normal, dass man hier mit Pelz an linke Demos kommt?“ Er lacht. „Ist es denn normal, dass man eine EU-Flagge an linke Demos mitbringt? Eben.“

Immer wieder kommt der Demon­stra­ti­onszug zum Erliegen, die Polizei muss einen weiteren Stras­sen­teil sichern, bevor der Umzug weiter­gehen kann. Dennoch finden sich an den Stras­sen­rän­dern immer wieder verein­zelte Neonazis, sie foto­gra­fieren die Teil­neh­menden. David justiert seine Skimütze und winkt ihnen zu.

Die Strecke des Umzugs ist relativ kurz, sie liegt im Süden Warschaus. Der Unab­hän­gig­keits­marsch findet derweil im Zentrum der Stadt statt und über­quert die Weichsel bis in den Ostteil Praga, wo er sich auflöst. Die Stadt ist komplett abge­rie­gelt an diesem Tag. Zwischen Marsch und Gegen­demo besteht eine Art Sicher­heits­zone, überall sind riot cops, viele Zivil­po­li­zi­stInnen verfolgen die Gegen­de­mon­stra­tion. Das Inter­es­sante: Obwohl verein­zelte Poli­zi­stInnen die Gegen­de­mon­stran­tInnen filmen, scheinen nur wenige durch­ge­hend gegen innen zu schauen. Die schwer ausge­rü­steten Hundert­schaften konzen­trieren sich fast gröss­ten­teils gegen aussen. „Die schützen uns nicht, weil sie uns mögen“, erklärte uns Radek am Vortag. „Sie schützen uns, weil sie Angst vor der totalen Eska­la­tion haben. Stell dir vor, da käme ein Nazi­trupp an die Demo ran. Die Polizei würde genauso drunter kommen, die poli­ti­schen Folgen wären fatal.“

Wasser­werfer stehen an diesem Tag keine im Einsatz, nur wenige Poli­zi­stInnen tragen umständ­liche Tränen­gas­ka­ni­ster auf dem Rücken, Schrot ist in Polen, wie auch sonst fast überall in Europa, verboten. „Lächel doch mal!“, ruft ein älterer Demon­stra­ti­ons­teil­nehmer einem Riotcop zu, dieser starrt matt zurück.

Nach rund zwei Stunden kommt die Gegen­de­mon­stra­tion am Zielort an, dem „Platz der drei Kreuze“ nahe des Stadt­zen­trums. Es gibt noch Konzerte und Reden, einzelne Teil­neh­me­rInnen beeilen sich jedoch, schnell aus der Masse raus­zu­kommen. So auch David und seine Gruppe. „Es ist nicht sicher für uns, noch lange in der Stadt rumzu­laufen“, sagt er. Der Weg zum Car sei jedoch nicht unge­fähr­lich, die meisten Über­griffe finden jeweils nach den beiden offi­zi­ellen Demon­stra­tionen statt. Immer wieder ziehen klei­nere Gruppen von Neonazis durchs Zentrum, schmeissen Flaschen und Steine gegen Menschen, denen sie eine andere poli­ti­sche Ausrich­tung zuschreiben. Entspre­chende Videos sind auf YouTube dutzend­fach zu finden, hoch­ge­laden von Rechts­aussen selber – als Trophäen.

Auch wir machen uns langsam auf den Weg zurück in unser Hostel. Auf Umwegen, versteht sich, die U‑Bahnstation „Centrum“ ist um diese Zeit kein sicherer Ort. Im Hostel ange­kommen, werden wir auf einen Zettel an der Info­tafel aufmerksam, der die Besu­che­rInnen dazu aufruft, am polni­schen Unab­hän­gig­keits­marsch teil­zu­nehmen – laufen mit Faschi­stInnen, auch eine Form der Stadttour.

Als wir später am Abend draussen vor einer kleinen Bar ein Bier trinken, tritt eine Gruppe von sechs Männern auf den Vorplatz, zwei davon spre­chen Unga­risch, der Rest Polnisch. Die vier Polen tragen weiss-rote Armbinden. Sie unter­halten sich laut­stark über den erfolg­rei­chen Marsch, grölen schwer betrunken irgend­welche faschi­sto­iden Parolen. Eine Text­nach­richt von Radek: „Seid ihr wohlauf?“ Dann packt der schmäch­ti­gere der beiden Ungarn eine Ungarn­flagge aus und hält sie hoch, sie jubeln und stimmen einen alten Volks­reim an, frei über­setzt: „Der Pole und der Ungar, zwei Brüder beim Trinken und im Kampfe.“ Sie bemerken unsere kriti­schen Blicke. Wir stehen auf und gehen – es ist zu gefährlich.


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