Image­film der Stapo Zürich: teure Image­po­litur, mangel­hafte Transparenz

Bei der Produk­tion ihres neuen Image­films hat die Stadt­po­lizei Zürich offen­sicht­lich kaum Kosten gescheut. Kommu­ni­ziert wurden aller­dings nur die externen Ausgaben. Tatsäch­lich dürften die Kosten des Films um ein Viel­fa­ches höher liegen als die veröf­fent­lichte Zahl. 
Polizei-Romantik als Werbemittel (Screenshot)

„Was Sie hier sehen, sind wunder­schöne Bilder“, verspricht uns eine Stimme aus dem Off. Was folgt, sind Nahauf­nahmen einer Eiche, eine Panora­ma­auf­nahme vom Zürisee, ein Droh­nen­flug über den Central-Platz. Tatsäch­lich: Es sind wunder­schöne Bilder. „Das ist die Stadt, in der Sie leben wollen, die Stadt, die Sie sich wünschen“, versi­chert uns die Stimme weiter. Inzwi­schen fährt ein Kasten­wagen durch das Bild, begleitet von einer weiteren Drohne. Schnitt. Ein Schwan hütet mit seinem weissen Feder­kleid die zerbrech­li­chen Eier. Schnitt. Zwei Polizist*innen stehen auf einem Steg am Zürichsee. Die Stimme befindet sich zusammen mit der Hinter­grund­musik im Crescendo: „Wie arbeiten hart daran, dass unsere Stadt so bleibt, wie wir sie lieben.“ Schwarz­blende. „Jeden Tag.“

Es ist der Beginn eines über 5 Minuten langen Werbe­films der Stadt­po­lizei Zürich, der Anfang des Jahres über die offi­zi­ellen Kanäle der Stadt­po­lizei Zürich veröf­fent­licht wurde. Gezeigt wird eine glori­fi­zierte Version des Poli­zei­be­rufs. Ohne Papier­kram, ohne mora­li­sche Grau­zonen, dafür mit viel Action und stets in der Gunst der Bevöl­ke­rung. Viele der Szenen sind offen­sicht­lich nach­ge­stellt. Eine Perso­nen­kon­trolle an der Lang­strasse wird nicht gezeigt. Und auch sonst kommen keine people of colour vor.

Trotz der Reali­täts­ferne: Der Image­film wurde zum PR-Erfolg. Nicht nur in den Kommen­tar­spalten über­trumpfen sich die User*innen mit Lob. Der Tages-Anzeiger schrieb: „Den muss man gesehen haben!“ und ergänzte den Artikel mit den besten Szenen als GIFs.

Der Film­dienst, eine Dunkelkammer

Doch was kostet eigent­lich so ein aufwän­diges, kino­reifes Film­pro­jekt? Die Stadt­po­lizei scheint sich im Vorfeld gut auf allfäl­lige Fragen vorbe­reitet zu haben. In einem schrift­li­chen Inter­view mit dem Bran­chen­ma­gazin persoenlich.ch gibt sich Projekt­füh­rerin Maja Bart­holet trans­pa­rent. „Intern ist der Film aus den laufenden Perso­nal­ko­sten finan­ziert worden. Dafür wurden weder zusätz­lich Personen einge­stellt noch andere Projekte zurück­ge­stellt.“ Extern seien Leistungen, wie etwa die Musik­kom­po­si­tion oder der Voice­over-Text, im Wert von 28’700 Franken einge­kauft worden. Der Rest wurde alles durch den internen Film­dienst und den Fach­be­reich Kommu­ni­ka­tion übernommen.

28’700 Franken: Das klingt nach wenig. Aber die kommu­ni­zierte Zahl ist irre­füh­rend. Die externen Kosten sind nur ein Bruch­teil der insge­samt aufge­wen­deten Ausgaben. Um eine Vorstel­lung davon zu erhalten, wie teuer das Film­pro­jekt tatsäch­lich war, empfiehlt sich ein Blick auf die internen „laufenden Personalkosten“.

Knack­punkt ist der interne Film­dienst. Bis 2002 findet sich im Geschäfts­be­richt des dama­ligen Poli­zei­de­par­te­ments ein Tätig­keits­be­richt der Abtei­lung. Dort gibt die Stelle detail­lierte Berichte darüber ab, wie viele interne Schu­lungs­vi­deos gedreht und wie viele davon an andere Poli­zei­korps verkauft werden konnten. Seither lassen sich aber keine Tätig­keits­be­richte mehr ausfindig machen. Auch sonst erfährt man erschreckend wenig über diese Abtei­lung der Stadt­po­lizei. Das scheint kein Fehler zu sein – sondern Absicht. Die Stadt­po­lizei zeigt sich bezüg­lich ihres Film­diensts ausge­spro­chen verschlossen.

Bei einem ersten Anruf gibt eine Mitar­bei­terin des Medi­en­dien­stes zwar an, dass der interne Film­dienst mit 800 Stel­len­pro­zent dotiert sei. Ein anderer Mitar­beiter kann diese Zahl später aber weder bestä­tigen noch wider­legen. Einmal spricht er von fünf Ange­stellten, einmal von sechs. Was genau stimmt, kann bis zum Schluss nicht restlos geklärt werden. Auch sonst zeigt der Medi­en­spre­cher der Stadt­po­lizei kein grosses Inter­esse daran, die Öffent­lich­keit über die für den Film­dienst getä­tigten Ausgaben zu infor­mieren. Bei den einfach­sten Fragen blockt er ab und empfiehlt, ein Infor­ma­ti­ons­ge­such („ID-Gesuch“) an den Rechts­dienst zu stellen. Bis zum Schluss will er zum Beispiel nicht beant­worten, was genau der Aufga­ben­be­reich des Film­dien­stes ist oder welche Projekte neben dem Image­film sonst noch reali­siert wurden.

Kurz: Die Stadt­po­lizei unter­hält eine Abtei­lung mit minde­stens 5 Mitarbeiter*innen. Sie will aber weder sagen, wie viele es genau sind – noch was die Abtei­lung über­haupt genau macht.

60’000 Franken für neue Geräte

Nach mehr­ma­ligem Nach­haken hat das Lamm immerhin die Budget­zahlen des Film­dien­stes erhalten. Laut Angaben des Medi­en­spre­chers beliefen sich die Ausgaben im Jahr 2018 auf 135’550 Franken. Exklusiv Perso­nal­ko­sten. Der grösste Teil davon fiel für Geräte an, rund 60’000 Franken. Ob für den Image­film eine neue Ausrü­stung ange­schafft wurde, kann der Medi­en­spre­cher nicht sagen. Nur: „Grund­sätz­lich kaufen wir keine Geräte für eine Produk­tion, sondern verwenden sie über längere Zeit.“

Das mag wohl stimmen. Da aber interne Schu­lungs­vi­deos wohl auch mit quali­tativ schlech­teren Aufnahmen und Droh­nen­flügen ihren Zweck erfüllen würden, ist mehr als frag­lich, ob die tech­ni­sche Ausrü­stung, die für den Image­film gebraucht wurde, über­haupt für andere Projekte ange­messen und zweck­mässig ist.

Fakt ist: Ein Image­film in dieser Qualität erfor­dert eine hoch­wer­tige Ausrü­stung. Dass diese über das Budget des Film­dien­stes ange­schafft und somit nicht als Kosten für den Image­film ausge­wiesen wird, ist ein grenz­wer­tiges Täuschungsmanöver.

Ein kurzer Blick über die Stadt­grenzen hinaus zeigt zudem, wie ausser­ge­wöhn­lich der Film­dienst der Stadt­po­lizei Zürich ist. Weder die Luzerner Polizei noch die St. Galler Kantons­po­lizei besitzen einen internen Film­dienst. Im Gegen­satz zu ihren Zürcher Kolleg*innen kann die Luzerner Polizei innert kürze­ster Zeit und ohne Verweis auf lang­wie­rige Gesuche über die Anzahl Stellen in der Kommu­ni­ka­tion Auskunft geben. „Der Kommu­ni­ka­ti­ons­dienst, der den Medi­en­dienst, die interne Kommu­ni­ka­tion sowie die Bewirt­schaf­tung von Intranet und Internet verant­wortet, ist mit 340 Stel­len­pro­zenten bestückt.“ Den eigenen Image­film von 2010 habe man extern produ­ziert. Kosten­punkt: ein mitt­lerer fünf­stel­liger Betrag.

Am näch­sten an den Film­dienst der Stadt­po­lizei Zürich kommt wohl der Multi­me­dia­dienst der Kantons­po­lizei Bern, dem zweit­grössten Poli­zei­korps der Schweiz. „Der Multi­me­dia­dienst der Kapo Bern umfasst 400 Stel­len­pro­zent und bildet zusätz­lich noch eine Person aus“, schreibt die Medi­en­stelle. Aller­dings entfalle der grösste Teil der Arbeit auf die Unter­stüt­zung gerichts­po­li­zei­li­cher und präven­tiver Aufgaben. Einen internen Film­dienst für ausschliess­lich audio­vi­su­elle Öffent­lich­keits­ar­beit führe man hingegen nicht. So präsen­tiert sich auch der Youtube-Kanal der Kantons­po­lizei Bern: Statt pompösen Image­filmen findet man kurze Video­bei­träge zu unter­schied­li­chen Präventionsthemen.

Traum­beruf Actionheld?

Der Zürcher Film­dienst darf demnach aufgrund der wenigen verfügbar gemachten Infor­ma­tionen als ausser­ge­wöhn­lich bezeichnet werden. Nur wenige Medienvertreter*innen scheinen hingegen von seiner Grösse oder seinem Budget zu wissen – anders kann man die unkri­ti­sche Bericht­erstat­tung zum vermeint­lich kosten­gün­stigen Image­film nicht erklären.

Hinzu kommt die spitz­fin­dige Kommu­ni­ka­tion mit den Medien. Projekt­füh­rerin Maja Bart­holet beteu­erte im Inter­view mit persoenlich.ch in gekonntem Marke­ting­sprech, dass alle frei­wil­ligen Darstel­le­rinnen und Darsteller sich unent­gelt­lich für die Drehs zur Verfü­gung gestellt haben. Ausserdem hätten rund 30 Polizist*innen im Image­film mitgespielt.

Nach mehr­ma­ligem Nach­fragen bestä­tigt der Medi­en­spre­cher aber, dass alle Polizist*innen auf Arbeits­zeit an den Dreh­ar­beiten teil­ge­nommen haben. Bedeutet das aber nicht, dass somit – entgegen den Aussagen von Bart­holet – Kosten ausser­halb der laufenden Perso­nal­ko­sten anfallen? Schliess­lich sind Polizist*innen in erster Linie für sicher­heits­dienst­liche Aufgaben ange­stellt. „Nein, das sind keine Mehr­ko­sten“, wider­spricht der Medi­en­spre­cher. „Polizist*innen sind für verschie­denste Aufgaben ange­stellt. Und das kann auch bedeuten, dass sie kurz in einem Image­film auftreten.“ Eine faden­schei­nige Argu­men­ta­tion. Da während den Dreh­ar­beiten weiterhin die Strassen patrouil­liert wurden, die Tele­fon­zen­trale besetzt war und Verkehrs­kon­trollen durch­ge­führt wurden, ist jede Arbeits­stunde, die für die 1.5 Jahre dauernden Dreh­ar­beit zu Buche fällt, ausser­halb der laufenden Perso­nal­ko­sten anzu­sie­deln. Polizist*innen sind keine Actiondarsteller*innen – auch wenn die Stapo diesen Eindruck mit dem Image­film gerne vermit­teln würde.

Und wann spielt das Sozi­al­de­par­te­ment Hollywood?

Gegen­über das Lamm recht­fer­tigt die Stadt­po­lizei die vermut­lich hohen Kosten für den Film­dienst damit, dass externe Film­pro­duk­tionen, wie sie andere Poli­zei­korps in Auftrag geben, die Steuerzahler*innen viel teurer kämen. Das mag für interne Lern- und Schu­lungs­filme tatsäch­lich zutreffen. Und es ist durchaus sinn­voll, wenn die öffent­liche Hand gewisse Kompe­tenzen in der IT und der Öffent­lich­keits­ar­beit hat. Doch wenn der Film­dienst für Hoch­glanz-Image­po­litur verwendet wird, greift dieses Argu­ment nicht.

Auch wenn die Stadt­po­lizei darauf besteht, dass der Film kosten­gün­stig ist und viele aufwän­dige Aktionen wie Heli­ko­pter­flüge im Rahmen von Übungen gedreht werden konnten: Keiner anderen Verwal­tungs­ein­heit würde man ein dermassen aufge­bla­senes Film­pro­jekt durch­gehen lassen, geschweige denn dauer­haft einen Film­dienst zur Seite stelle, der dieses perso­nell und tech­nisch stemmen kann. Wie würden wohl die Reak­tionen ausfallen, wenn der Zürcher Sozi­al­dienst mit seinem 5(6,7,8)-köpfigen Film­dienst ein fünf­mi­nü­tiges Helden­epos einer furcht­losen Sozi­al­ar­bei­terin drehen würde, die sich trotz der anhal­tenden poli­ti­schen Angriffe der bürger­li­chen Rechte auf den Sozi­al­staat wacker für die Schwäch­sten dieser Gesell­schaft einsetzt? Eben. Was im Namen von Sicher­heit und Ordnung eine gelun­gene Werbe­kam­pagne ist, würde anderswo als verschwen­detes Steu­er­geld und Propa­ganda erkannt.

Wenn die Strasse zum Lauf­steg wird: Foto­shoo­tings gehören auch zum Arbeits­alltag der Stadt­po­lizei. (Foto: zvg)

Wie hoch die Kosten für den Image­film im Endef­fekt tatsäch­lich waren, wird wohl nie öffent­lich werden. Klar ist, dass sich die Stadt­po­lizei einen Film­dienst leistet, der mit Lohn­ko­sten und Ausgaben für Geräte wohl weit über 500’000 Franken im Jahr kostet. Und es ist anzu­nehmen, dass ein wesent­li­cher Teil dieser Ausgaben während des letzten Jahrs für diesen Image­film aufge­wendet wurde. Selbst konser­vativ geschätzt ergeben sich daraus Kosten, die um ein Viel­fa­ches höher sind als die kommu­ni­zierten Kosten von 28’700 Franken.

Die abweh­renden und unvoll­stän­digen Antworten auf kriti­sche Fragen zum Film­pro­jekt zeigen zudem, dass diese Tatsache der Stapo unan­ge­nehm ist – und sie die tatsäch­li­chen Kosten lieber unter Verschluss halten möchte. Die Stadt­po­lizei Zürich verhält sich wie eine erha­bene Insti­tu­tion, die niemandem Rechen­schaft schuldet. Eine Anmas­sung, die wir aus Action­filmen nur allzu gut kennen.


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