Lukas Tobler, Co-Chefredaktor
Im Mai letzten Jahres habe ich angefangen, für das Lamm zu arbeiten. Unter anderem, weil ich darin die Möglichkeit sah, einer Lohnarbeit nachzugehen, die ich tatsächlich irgendwie als sinnvoll erachte – und damit zwei scheinbar unvereinbare Sphären zu vereinen. Beim Lamm würde ich mich vertieft mit all den Dingen auseinandersetzen können, die mich stören.
Meine Erwartungen haben sich erfüllt. Im Rahmen meiner Arbeit für das Lamm habe ich viel Neues gelernt. Etwa über die Incel-Community: digitale Fratze des Patriarchats und misogynes Destillat der analogen Welt. Oder darüber, wie das Kapital das Geschäft mit der systematischen Unterdrückung geflüchteter Personen für sich entdeckt hat – mit freundlicher Unterstützung der Behörden.
Doch damit nicht genug! Dank unserer Montagsmail-Redaktorin Alexandra Tiefenbacher weiss ich zum Beispiel auch, dass sich niemand einen Scheiss um existenzsichernde Löhne im Ausland kümmert; die Schweiz sich einen Dreck um schützenswerte Landschaften schert, wenn sie jenseits der Grenze liegen; und dass Nachhaltigkeitsstrategien international agierender Konzerne in etwa so transparent sind wie Special-Edition-Nespressokapseln: gar nicht.
Was ich also aus meinem ersten Jahr beim Lamm mitnehme? Das Wissen darum, dass es nichts bringt, auszuwandern. Was ich mir deshalb fürs nächste Jahr vornehme? Nicht im Bier zu ertrinken.

Alexandra Tiefenbacher, Redaktorin
Egal, ob Blumenerde, Kaffee oder T‑Shirts: Nachhaltiger Konsum ist schon seit langem ein Steckenpferd von mir. Aber eines habe ich dieses Jahr gelernt – und zwar auf einer Lamm-Recherchereise zu den Protesten der Kohlegegner*innen in der Nähe des Hambacher Forsts: Fairness wird nicht alleine durch den Einkaufskorb geschaffen. Konsum ist zwar auch politisch. Aber für sich alleine nicht politisch genug, um all die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt zu ändern. Dafür braucht es ein deutlich stärkeres Zeichen als das Marktsignal eines Biogurkenkaufs. Zum Beispiel 6000 Menschen, die vor den Toren des Tagebaus Hambach mehr Klimagerechtigkeit und den sofortigen Kohleausstieg Deutschlands fordern. Ob es legitim ist, bei solchen Protesten das Gesetz zu strapazieren, um das Zeichen noch ein wenig deutlicher zu setzen, ist hingegen eine nicht ganz einfache Frage. Auch deshalb braucht es neben den auch wichtigen Artikeln über Biogurken ohne Plastikverpackung in Zukunft unbedingt mehr kritische Berichterstattung über politische Events wie das der Braunkohlegegner*innen bei Hambach im Oktober 2018.
Deshalb lautet mein Vorsatz für das Jahr 2019: Mehr Reportagereisen mit dem Lamm-Hippiebus! Denn will man den Kern solcher Ereignisse wirklich fassen, muss man ein paar Tage vor Ort sein, mehrere Schauplätze besuchen und mit einem Haufen von Leuten reden. Und noch etwas Gutes bringen solche Reisen mit sich: Vier Tage ungeduschtes Hausen in einen VW-Bus schweisste die Lamm-Redaktion wohl mehr zusammen als jeder Teambildungsevent.

Natalia Widla, Co-Chefredaktorin
Letzten Februar bin ich auf der Suche nach journalistischer Selbstverwirklichung bei das Lamm gelandet. Gelernt habe ich sehr viel – darunter auch viel nicht so Erfreuliches: Frauenhassende Internettrolle gibt es auch in meiner Nachbarschaft, die Glencore ist tatsächlich noch schlimmer, als ich dachte, die Zürcher Sozialdienste dürften sich auch in Asozialdienste umbenennen, und der private Sicherheitsdienst von RWE schert sich nicht um Pressearbeit. Ausserdem kann ich scheinbar sieben Kaffees in kürzester Zeit trinken, ohne mich zu übergeben – das wiederum ist doch recht positiv.
Was mir aber besonders vom 2018er-Lamm geblieben ist, stammt aus der klassische-grünen Lamm-Ecke, die mir noch zu Beginn meiner Arbeit hier etwas suspekt war: Da ich Ende November im Karl der Grosse in Zürich das Podium zum Thema fliegen moderiert hatte, musste ich mich zwangsläufig ganz intensiv mit meiner eigenen Akrasie – dem Handeln wider besseren Wissens – auseinandersetzen und einsehen: Fliegen, das ist wirklich blöd. Vor allem, weil es (für mich) ganz oft nicht sein müsste – zumindest rede ich mir das jetzt mittelmässig erfolgreich ein.
Mein Vorsatz für das nächste und die darauffolgenden Jahre ist deswegen, weniger zu fliegen. Dafür will ich mehr mit dem Lamm-Hippiebus durch die Gegend fahren, vier Tage lang nur Tankstellennahrung zu mir nehmen und ungeduscht engagierte Menschen interviewen. Ansonsten habe ich eigentlich keine Vorsätze für 2019, gesünder essen oder weniger trinken, das hat noch nie funktioniert, und penetrant grüner Konsum bei gleichzeitiger politischer und aktivistischer Apathie ist mir auch nach fast einem Jahr bei das Lamm immer noch etwas schleierhaft. Vielleicht verstehe ich aber auch noch nicht ganz alle Argumente für Politik mit dem Einkaufskorb – auf die Diskussionen und Streitereien freue ich mich auch 2019!

Simon Muster, Redaktor
Mein zweites Jahr bei das Lamm war vielseitiger, aufwändiger, spannender, anstrengender, aber auch erfüllender als das erste. Da wir letztes Jahr auf die grossartige Unterstützung unserer Leser*innen beim Crowdfunding zählen konnten, konnte ich – zusammen mit zwei anderen Kolleg*innen — sogar eine 20%-Stelle beim Lamm antreten. Die zusätzliche Zeit und Ressourcen haben wir in vertiefte, fundierte Recherchen investiert; in den Blindspots des medialen Mainstreams, immer auf den Punkt, gegen den Strich. So hat sich etwa mein Kollege Lukas kritisch mit der neuen Leistungsvereinbarung des Kantons Zürich mit der ORS Service AG auseinandergesetzt. Dass private, börsenkotierte Unternehmen von der Unterbringung von flüchtenden Menschen profitieren, ist stossend. Gerade wenn man sich vor Augen hält, dass börsenkotierte Unternehmen mit ihrem Handeln massgebliche Treiber für ökonomische und ökologische Fluchtbewegungen sind.
Neben diesen grossen Themen haben wir aber auch mit den Menschen gesprochen, die oft vergessengehen im täglichen medialen und politischen Trubel. Natalia hat ein verstörendes, einfühlsames Porträt von Yodit, einer eritreischen Frau, geschrieben, welches das erschreckende Ausmass an sexueller Gewalt, mit dem Frauen auf der Flucht konfrontiert sind, sichtbar machte. Aber wir haben uns auch aus der Komfortzone begeben: Während ich mich mit einem buddhistischen Diamantenhändler aus Luzern über den Sinn und Unsinn von Menschenrechten unterhalten habe, war Natalia – passionierte Katzenbesitzerin und Teilzeit-Veganerin – bei einem Kürschner auf der Suche nach dem Ursprung des Pelzhungers der Schweizer Bevölkerung.
Doch ein Lamm ist kein Lamm ohne die Montagmails von Alexandra! Auch wenn wir thematisch den Begriff Nachhaltigkeit oft sehr ausgedehnt verstehen, wird Alexandra nie müde, den mächtigen Firmen auf die Finger zu schauen. Mein Favorit: das brasilianische Bündnerfleisch von Denner.
Dieses Jahr habe ich viele politische Themen behandelt, kommentiert – Sechseläutenplatz, Strommarktliberalisierung, Erhöhung der Mindestfranchise. Mein Vorsatz für nächstes Jahr ist es, die Themen noch besser einzuordnen – es besteht ein Mangel an Kontext, nicht an Meinungen. Und so wird nächstes Jahr hoffentlich noch anstrengender und aufwändiger für mich – denn wenn wir den Mächtigen nicht auf die Finger schauen, wer dann?

Das obenstehende Foto soll als weiterer Beweis dafür dienen, dass Simon Muster trotz zahlreicher Gerüchte tatsächlich eine real existierende Person ist.

Frohe Festtage!
Somit verabschiedet sich das Lamm für eine kurze Verschnaufpause und ist 2019 wieder am Start: Stets auf den Punkt – und gegen den Strich. Übrigens: Auf eure Spenden sind wir auch 2019 noch angewiesen, liebe Leser*innen, also nicht verschlafen, das Lamm auf die diesjährige Liste der Weihnachtsgeld-Günstlinge zu setzen. Wir danken!
